NACHRICHTEN INNOVATION. Mitteilungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. September 2000 / G 12625

February 16, 2020 | Author: Berthold Weber | Category: N/A
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Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 5:43 Uhr Seite 1

September 2000 / G 12625

NACHRICHTEN

98

Mitteilungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt

DLR

I N N O VAT I O N

INNOVATION

Weltmarktfähig und erfolgreich ............................ 34 Wie stark schwankt der Eiffelturm ...................... 42

Das DLR-Innovationsmodell .................................. 2

44 Von der Forschung profitieren ............................

Technologietransfer vom Mars auf die Erde ................ 46 Bremsscheiben, Helme, Kameratechnik .................. 12

Robotik: Marktvorteile durch Raumfahrt-Technologie...................................... 48

Die Bremse, die (k)ein UFO war ...................................... 14 Eine technische Revolution im Luftbildwesen ................ 16

Für Satelliten entwickelt, in der Landwirtschaft genutzt ................................ 50

Schutzhelme aus nachwachsenden Rohstoffen .............. 20

Software-Lösungen aus der Raumfahrt .................... 52

Kometenkamera als Feuermelder ........................ 22

High-Tech-Materialien leicht gemacht .................... 54

Keramische Mischer: Überhitzung ausgeschlossen ...... 26

Die DLR-Institute im Überblick ............................ 56 InnoGuide ............................ 28

BUCH

INHALT

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 5:44 Uhr Seite 2

Vom Wissenschaftler zum Unternehmer ...................... 34

Die Kunst des Fragens .... 73

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 5:44 Uhr Seite 3

EDITORIAL

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mmer wieder und sehr zu Recht wird die Raumfahrt mit der Frage konfrontiert, welchen Nutzen sie denn für unser Leben auf der Erde erbringt. In früheren Jahren beschränkte sich die Antwort auf die so genannten Spin Offs. Diese „Abfallprodukte“ – die ersten Taschenrechner, neue Textilfasern und andere Entwicklungen – entstanden eher nebenbei. Heute ist aus dem Spin Off der „Spin On“ geworden: Zielgerichtet statt zufällig wird der Technologie-Transfer aus der Raumfahrt in ganz andere Branchen betrieben, die vom Know-how aus der Umlaufbahn profitieren. Die Weltraum-Robotik hat Industrierobotern „made in Germany“ im internationalen Vergleich zu wichtigen Marktvorteilen verholfen. Hitzebeständige Hochleistungswerkstoffe dienen nicht nur dem Wiedereintritt von Raumkapseln, sondern auch der Entwicklung neuer Bremsscheiben. Und optische Sensoren, die eigentlich den Mars erkunden sollen, werden zu Luftbildkameras für die Städteplanung und das Vermessungswesen weiterentwickelt.

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Raumfahrt und in vergleichbarem Maße auch die Luftfahrt verfügen über ein enormes Innovationspotenzial. Und zwar aus nahezu zwingenden Gründen: Denn sie richten an alle Entwicklungen höchste Anforderungen – sei es im Falle des „intelligenten“ Bordcomputers, der sich selbst kontrollieren und korrigieren kann, seien es leichte und zugleich hitzebeständige Materialien, die den hohen Standards in der Luftfahrt genügen müssen. Wer diese extremen Kriterien erfüllt, kann „irdische“ Ansprüche erst recht bedienen. Dieser Logik folgend haben Luft- und Raumfahrt geradezu eine volkswirtschaftliche Verpflichtung, ihr Wissen möglichst effektiv weiterzugeben. Das DLR kommt dieser Verantwortung in besonderer Weise nach. Seine Innovations-Initiative stellt ein ganzes „Maßnahmen-Paket“ dar, das über den klassischen Technologie-Transfer hinausgeht: Unternehmensgründungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Ansiedlung von High-Tech-Firmen verschiedenster Sparten in räumlicher Nähe zu den DLR-Instituten, Gastlaboratorien zur Nutzung der technischen Infrastruktur des DLR durch klein- und mittelständische Firmen – all dies sind Instrumente, die inzwischen zu vorzeigbaren Erfolgen geführt haben. Das vorliegende Sonderheft der DLR-Nachrichten will zu diesen beispielhaften Aktivitäten, die ich als Bundesministerin für Bildung und Forschung nachdrücklich unterstütze, einen Überblick geben. Eine Lektüre, die auch und gerade für Leserinnen und Leser außerhalb der Luft- und Raumfahrt-Branche interessant sein dürfte.

1 Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung

INNOVATION

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Das DLR-Innovations mod Fünf Jahre Innovation – Strategien, Instrumente, Ergebniss

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s modell

Von Jürgen Blum

te, Ergebnisse

D

as Innovationsmodell des DLR beschreibt einen kontinuierlichen Prozess von der Grundlagenforschung bis zur wirtschaftlichen Nutzung. Es geht damit weit über den Ansatz des klassischen Technologietransfers zur Vermarktung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen hinaus. Als fester Bestandteil der Strategie des Vorstands, das DLR von einer staatlich finanzierten Großforschungseinrichtung in ein staatliches Forschungsunternehmen weiterzuentwickeln, wurde das Innovationsmodell 1994 instrumentell entwickelt und seitdem Schritt für Schritt in das DLR implementiert. Was verbirgt sich konkret hinter dem Innovationsmodell? Der nachfolgende Artikel beschreibt diesen erstmals in Deutschland praktizierten Ansatz, seine Instrumente und seine Struktur und zieht eine Bilanz der ersten fünf Jahre.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 5:49 Uhr Seite 6

I

nnovation im DLR? Wozu benötigt eine Forschungseinrichtung ein Innovationsmodell? Ist Forschung nicht per se innovativ? Sollte damit nicht alles, was das DLR macht, innovativ sein? Diese Fragen liegen auf den ersten Blick sicherlich auf der Hand, doch spiegeln sie auch eine eher diffuse Vorstellung vom Begriff „Innovation“ zumindest im umgangssprachlichen Gebrauch wider. Unter Innovation nur die Schaffung von „etwas Neuem“ zu verstehen ist auf keinen Fall ausreichend. Innovation im Sinne des DLR geht über diese rein technische Sichtweise hinaus und schließt immer auch die wirtschaftliche Nutzung einer Neuheit mit ein. Forschungs- und Entwicklungsergebnisse um ihrer selbst willen, die in Schubladen verstauben oder für die sich am Markt keine Abnehmer finden, gelten somit nicht als innovativ. Um innovativ zu sein, muss das DLR also immer bestrebt sein, seine in den einzelnen Instituten, den „Produktionsstätten“ erarbeiteten Ergebnisse auch einer wirtschaftlichen Nutzung am Markt zuzuführen. Der „klassische“ Ansatz hierzu ist das gemeinhin als Technologietransfer bezeichnete Vorgehen. Es ist grundsätzlich nicht neu und wird auch im DLR seit langem praktiziert. Bereits Anfang der 90er Jahre wurde jedoch bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in die wirtschaftliche Nutzung ein Stand erreicht, der mit den Methoden des Technologietransfers im herkömmlichen Sinne alleine nicht mehr zu steigern war. An dieser Stelle setzt das sehr viel weitergehende DLRInnovationsmodell an, das die Methoden des Technologietransfers zwar mit einschließt, darüber hinaus aber noch eine Vielzahl verschiedener anderer Ansätze umfasst. Es geht auf eine Initiative des Vorstands zurück, der 1992 den Wandel des DLR von einer Forschungseinrichtung zu einem Forschungsunternehmen einleitete. Die Entwicklung der Instrumente sowie die schrittweise Einführung des Innovationsmodell erfolgte dann seit 1994.

Vom Technologietransfer zum Innovationsmodell Der Wandel vom klassischen Technologietransfer zum Innovationsmodell zeigt sich insbesondere bei drei Aspekten. So ist

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der Technologietransfer rein angebotsorientiert. Er geht von einem vorhandenen Angebot aus, basiert also auf der Annahme, dass ein (Technologie-)Angebot eine entsprechende Nachfrage in der Wirtschaft schaffe. Die Bilanz der letzten 30 Jahre hat gezeigt, dass dieser Ansatz in Einzelfällen durchaus zum Erfolg führen kann, das Gesamtergebnis insgesamt aber sehr unbefriedigend ist. So erfolgt zum einen die Entwicklung einer Technologie aus Basis rein wissenschaftlicher Ziele unabhängig vom Markt. Sie ist also ausschließlich auf den Zuwachs an wissenschaftlicher Erkenntnis ausgerichtet. Zum anderen lassen die Methoden des Technologietransfers nach Abschluss der Entwicklung oder des Forschungsprojektes keine marktstrategischen Korrekturen mehr zu. Ironisch überspitzt ergibt sich sogar häufig eine Situation, in der eine Lösung zwar vorhanden ist, das passende Problem aber noch gesucht werden muss. Die wirtschaftliche Nutzung ist somit eher ein Nebenprodukt der Forschung (SpinOff), keinesfalls aber zu Beginn des Vorhabens geplant. Im Gegensatz dazu verfolgt das Innovationsmodell ein Spin-on-Konzept, bei dem der Markterfolg von Anfang an geplant ist und bei der Projektplanung mit berücksichtigt wird. Die Angebotsorientierung des Technologietransfers spielt nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. An ihre Stelle tritt zu einem großen Teil die Nachfrageorientierung, die den Bedarf der potenziellen Kunden als wesentlichen Faktor berücksichtigt. Zur strategischen Mischung von Nachfrage und Angebot muss der Wertschöpfungsprozess zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eingeleitet werden. Im Idealfall werden die kommerziellen Anwendungsmöglichkeiten schon bei der Planung der Forschungsvorhaben bedacht. Dabei umfassen die Betrachtungen nicht nur die wirtschaftliche Nutzung des konkret angestrebten Endergebnisses des Vorhabens, sondern schließen auch „Mehrwertprodukte“ mit ein, die sich sowohl aus dem Endergebnis als auch aus verschiedenen Zwischenergebnissen an einzelnen Meilensteinen des Projektes ableiten lassen. Der Innovationsprozess wird damit zu einer forschungs- oder entwicklungsbegleitenden Maßnahme. Sie wird vom Innovationsmanagement so geführt, dass die Forschung von Anfang an unterstützt, auf keinen Fall aber gestört wird. Der

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INNOVATION

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entscheidende Vorteil des frühzeitigen Beginns besteht darin, dass die Forschung durch marktstrategische Akzente gesteuert werden kann. Hierdurch wird die Erfolgswahrscheinlichkeit des Innovationsprozesses, also nicht die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen wirtschaftlichen Nutzung deutlich erhöht. Forschungs- und Entwicklungsergebnisse lassen sich nicht oder nur sehr selten im Alleingang von einer Forschungseinrich-

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tung in wettbewerbsfähige Innovationen umsetzen. Es ist vielmehr eine enge Zusammenarbeit vor allem mit der Wirtschaft erforderlich. Die Kooperationen in Netzwerken aus kompetenten Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft sind deshalb zentraler Bestandteil des Innovationsmodells des DLR und ein weiteres, weit über den Technologietransfer hinausgehendes Element.

Das Innovationsmodell des DLR beschreibt also den gemeinsamen und arbeitsteiligen Innovationsprozess von Wissenschaft und Wirtschaft. Es übernimmt dabei eine Brückenfunktion zwischen beiden. Die Wissenschaft auf der einen Seite ist gekennzeichnet durch die Forschung, einen im heute wahrscheinlich kaum noch anzutreffenden Idealfall offenen Prozess zur Gewinnung neuen Wissens. Fortschritt entsteht hier aus der wechselseitigen Anregung weltweit zugänglicher Erkenntnisse im offenen internationalen

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der Prozess des Innovationsmodells. Es ist die gezielte Aufbereitung des öffentlichen Gutes Wissen zur Umwandlung in proprietäre und kommerziell nutzbare, also vermarktbare Güter.

Instrumente des Innovationsmodells Im Rahmen des Innovationsmodells wurden verschiedene Instrumente entwickelt, die bisher in der öffentlichen Forschung keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielten. Ein Beispiel ist das an die Bedürfnisse der Wissenschaft angepasste Marketing. Es soll im Rahmen des strategischen Marketings Zukunftstrends sowie Nachfrage- und Marktsituationen erfassen und diese Informationen zu Orientierungsgrößen verdichten, die für die Ausrichtung der Forschung im DLR auf Themen mit Innovationspotenzial benötigt werden. Wesentliche Methoden und Quellen sind Delphi-Studien, Szenarientechniken, Marktstudien und vor allem auch Kundenkontakte, insbesondere zu den Leitkunden des DLR aus den Branchen Luft- und Raumfahrt. Die Informationen des strategischen Marketings werden auf den jährlichen Strategiedialogen diskutiert und fließen in die Festlegung der programmatischen Ziele mit ein. Das operative Marketing macht das Wissens- und Technologiepotenzial des DLR der Wirtschaft bekannt und zugänglich. Es soll für eine schnelle und effiziente Umsetzung in neue Produkte und Dienstleistungen sorgen. Hierzu werden unterschiedliche Marketing-Methoden erprobt, um den Technologietransfer der einzelnen Institute und wissenschaftlichen Einrichtungen zu unterstützen.

Wettbewerb. Der kennzeichnende Prozess der Wirtschaft auf der anderen Seite ist die Produktion. Hierbei handelt es sich um einen geschlossenen Prozess zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen. Diese sind nicht mehr frei zugänglich, sondern proprietär, also Eigentum des Produzenten. Der Fortschritt entsteht in der Wirtschaft im internationalen Wettbewerb auf kommerziellen Märkten. Zwischen beiden Prozessen befindet sich

Im Unterschied zum Marketing eines produzierenden Industrieunternehmens sind im DLR die besonderen Randbedingungen der Wissenschaft zu beachten. Diese sind insbesondere die im Grundgesetz garantierte Freiheit von Wissenschaft und Forschung, die Förderung der wissenschaftlichen Qualität der Forschung sowie die Förderung der Motivation und Kreativität der Wissenschaftler. Auch das DLR ist bei einer zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft mit einem immer stärker werdenden Wettbewerb auf den internationalen Forschungsmärkten konfrontiert. Deshalb reichen wissenschaftliche Sorgfalt und Qualität für den Erfolg bei der Akquisition und die partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht

mehr aus. Immer wichtiger werden wie seit langem bei den Konsum- und Investitionsgütern weitere Faktoren wie Kundenzufriedenheit, überzeugende Leistungsangebote, professionelles Projektmanagement, Lieferzuverlässigkeit und Service. Auch in der Forschung genügt es nicht mehr, den Erfolg im einzelnen Kundenauftrag zu suchen. Vielmehr ist dafür zu sorgen, dass aus der Zufriedenheit des Kunden eine Kundenbindung entsteht, die zu einer langfristigen Partnerschaft führt. Aus diesem Grund ist die systematische Analyse der Kundenzufriedenheit fester Bestandteil des DLR-Innovationsmodells. Die Ergebnisse dienen als Rückmeldung zur Verbesserung der Leistungsprozesse im DLR. Ein wichtiges Instrument für die Entscheidung über und Steuerung von Innovationsvorhaben ist ein Bewertungsverfahren zur Abschätzung des Markterfolgspotenzials und zur Optimierung von Innovationsprozessen. Das DLR hat auch hier eine Vorreiterrolle unter den Forschungseinrichtungen übernommen und unter der Bezeichnung InnoGuide™ in Zusammenarbeit mit externen Experten ein entsprechendes Instrument entwickelt, das in naher Zukunft sowohl für DLR-interne Bewertungen verwendet als auch als Produkt extern vermarktet werden soll. Weitere Instrumente des Innovationsmodells sind weiter unter noch beschriebenen Transferleitstellen an den verschiedenen Standorten als Schnittstellen zur regionalen Wirtschaft, Gastlaboratorien zur Nutzung der wissenschaftlich-technischen Einrichtungen des DLR durch Industriepartner, die Fertigung von Transfermuster als Prototypen mit vorwettbewerblichem Charakter, ein Portfolio-Management zur Pflege des DLR-Innovationspotenzials, ein Coaching der Institute zur Anregung, Akquisition und Durchführung von Innovationsvorhaben, ein Risikomanagement zur Begrenzung von Ertragsausfällen sowie das Training des unternehmerischen Denkens im Rahmen des Kulturwandels im DLR durch spezielle Beiträge im allgemeinen Ausbildungsprogramm.

Struktur des Innovationsmodells Die Struktur und die Organisation des Innovationsmodells sind durch Aufgaben und Funktionen festgelegt. Sie sind so beschaffen, dass sie sowohl mit der verfahrensorientierten Organisation der öffentlichen Forschung als auch mit der ergebnisorientierten Organisation der Wirtschaft erfolgreich zusammenarbeiten können.

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INNOVATION

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Die Gesamtverantwortung für das Innovationsmodell liegt zentral im Vorstand. Seine Aufgaben sind die zentrale Koordination, die strategische Führung, die strategische Ausrichtung des DLR auf das Unternehmensziel Innovation und die Schaffung des dafür erforderlichen unternehmerischen Freiraums im DLR. Das operative Geschäft mit der Verantwortung für die Akquisition und die Durchführung von Projekten liegt dagegen dezentral in den wissenschaftlichen und administrativen Einrichtungen. Zur Unterstützung des Vorstandes wurde durch Zusammenlegung der ehemals eigenständigen Einheiten Innovationsmanagement (IN) und Technologiemarketing und -transfer (TM) die Organisationseinheit Innovationsdienste (ID) gebildet. Sie erfüllt im DLR eine Querschnittsfunktion über alle Schwerpunkte hinweg. Die Innovationsdienste unterstützen die wissenschaftlichen Einrichtungen bei der Akquisition und Durchführung von Innovationsvorhaben und bieten hierfür (interne) Dienstleistungen, Instrumente und Methoden, die flexibel abstimmbar sind und zur schnellen und effizienten Umsetzung in neue Produkte und (externe) Dienstleistungen des DLR beitragen. Die Durchführung von Innovationsvorhaben und Transferprojekten bleibt Aufgabe der wissenschaftlichen Einrichtungen, die auch für das Ergebnis verantwortlich sind. Sie erfolgt in Projektform mit Abschluss einer Leistungs- und Ressourcenvereinbarung zwischen der wissenschaftlichen Einrichtung und den Innovationsdiensten. Die Anregung und Akquisition von Innovationsvorhaben ist die Aufgabe aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DLR. Anregungen und Vorschläge zu Innovationsvorhaben werden von den Innovationsdiensten gemeinsam mit dem Vorschlagenden nach dem DLR-Standardverfahren evaluiert. Bei positiver Bewertung werden die Vorschläge in das DLR-Portfolio aufgenommen oder als Projekt unmittelbar in den Innovationsprozess eingebracht, wenn bereits interessierte Industriepartner vorhanden sind. Für die Organisation der Innovationsdienste wurde eine Task-Force-Organisation gewählt. Unter den gegebenen Randbedingungen des breiten Aufgabenspektrums sichert diese Form die höchste Leistungsfähigkeit bei begrenzter Personal-

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kapazität. Sie ermöglicht die Teamarbeit mit hoher Flexibilität und den Einsatz in wechselnden Projekten, sie stärkt Eigenverantwortung und Sichtbarkeit der Teammitglieder, fördert den Blick aller Teammitglieder für übergreifende Zusammenhänge und ermöglicht die reibungslose Zusammenarbeit eigenständiger Organisationseinheiten mit komplementären Funktionen. Im Rahmen des strategischen Teils ihres Aufgabenspektrums, der früher vom Innovationsmanagement (IN) wahrgenommen wurde, erbringen die Innovationsdienste Management- und Dienstleistungen zur Planung, Initiierung und Steuerung von Innovationsprozessen. Die Zielgruppe für diese Leistungen ist in erster Linie der Vorstand in Abstimmung mit den Programmdirektoren und in enger Zusammenarbeit mit den Einrichtungen. Wesentliche Teilprozesse dieses Bereichs sind die permanente Weiterentwicklung des Innovationsmodells und die Erarbeitung von Grundlagen für die Innovationspolitik des DLR, die Marktforschung zur Identifizierung potenzieller Zielmärkte, die Konzeption von Innovationsthemen, die Bewertung des Markterfolgspotenzials von (potenziellen) Innovationsprojekten, die Ergebnisverwertung von Innovationsprozessen in Zusammenarbeit mit dem Auftragsmanagement sowie die Erfassung und Organisation des im DLR vorhandenen Wissens- und Technologiepotenzials. Der operative Teil des Aufgabenspektrums der Innovationsdienste wurde ursprünglich durch die jetzt integrierte Einheit Technologiemarketing und -transfer (TM) wahrgenommen. Zielgruppe dieser Leistungen sind vorrangig die Institute und wissenschaftlichen Einrichtungen, die beim Transfer und Vermarktung ihrer Leistungen in die Industrie unterstützt werden. Die wichtigsten Teilprozesse sind die Anregung und das Coaching von Innovations- und Transferprojekten, die Bewertung von Innovationsvorhaben unter Berücksichtigung des Bezugs zur jeweiligen Branche, die Erarbeitung von Vermarktungskonzepten, die Erarbeitung von Strategien für Schutzrechte und Lizenzen insbesondere auch unter dem Aspekt der Lizenzeinnahmen, die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Erfindungen, Anmeldungen, Erhaltung oder Aufhebung von Schutzrechten, die juristische und betriebswirtschaftliche Unterstützung der Innovationsleitstellen,

die Öffentlichkeitsarbeit in Abstimmung mit der Presseabteilung des DLR sowie die Unterstützung von Unternehmensgründungen. Die Unterstützung der Forschungseinrichtungen vor Ort bei der Weiterentwicklung und Vermarktung von Technologien und dem Aufbau enger Beziehungen zu den Unternehmen im Umfeld wird durch Innovations- und Transferleitstellen wahr-

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genommen. Sie wurden an den DLRStandorten Berlin-Adlershof, Göttingen, Köln-Porz, Neustrelitz, Oberpfaffenhofen und Stuttgart eingerichtet. Eine weitere folgt demnächst auch in Braunschweig. Die Aufgaben der Leitstellen umfassen die Kontaktaufnahme und Verhandlungen mit Unternehmen zur Anbahnung und Durchführung von Innovationsvorhaben, die Identifizierung und Bewertung

des Innovationspotenzials in den Forschungseinrichtungen, die Prüfung der Lieferfähigkeit der Institute, die Verhandlung und der Abschluss von Leistungsund Ressourcenvereinbarungen, die Unterstützung der Forschungseinrichtungen bei der Projektplanung, die Begleitung und das Controlling der vereinbarten Innovationsvorhaben, die Koordination der Aktivitäten für die Außendarstellung und die Präsentation von DLR-Technologien zusammen mit den Forschungseinrichtungen an den jeweiligen Standorten, die

Beratung von Erfindern und die Bewertung von Erfindungsmeldungen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit, die Angebotsgestaltung sowie die Auftragsabwicklung für Innovationsvorhaben in Abstimmung mit der Verwaltung der Standorte sowie die Beratung, Betreuung und Unterstützung von Unternehmensgründungen und Firmenansiedlungen.

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Bilanz der ersten fünf Jahre Mit dem heute erreichten Stand ist die Entwicklung des Innovationsmodells und seine Implementierung im DLR keineswegs abgeschlossen. Die mit dem Innovationsmodell eingeleitete Erweiterung der Forschung vom rein wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zum Wertschöpfungsprozess für Wirtschaft und Gesellschaft ist eine so grundlegende Erweiterung der Mission und Unternehmenskultur des DLR, dass sie eine grundlegende Veränderung und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Strukturen und Instrumente erfordert. Trotzdem zeigt sich bereits in einer (Zwischen-)Bilanz nach den ersten fünf Jahren des Bestehens des Innovationsmodells der Erfolg dieses Ansatzes. So wurden über 30 Unternehmensgründungen in fachnahen Hochtechnologiebereichen mit dem DLR-Patenschaftssystem unterstützt. Insgesamt konnten dabei rund 300, zusammen mit den abgeschlossenen Joint Ventures sogar über 400 Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Lizenzzahlungen für die Nutzung von Schutzrechten und Know-how des DLR durch diese Unternehmen wurden bis 1999 auf rund 600.000 DM gesteigert und betrugen in der Summe fast zwei Millionen DM. Durch den kontinuierlichen Ausbau der Kontakte zur deutschen Industrie konnten die Anzahl der Forschungs- und Entwicklungsprojekte und die damit korrespondierenden Drittmittelerträge des DLR aus der Industrie jährlich um 15 bis 20 Prozent gesteigert werden. So wurden alleine 1999 fast 100 Millionen DM an Drittmitteln aus der Wirtschaft eingenommen, im Zeitraum von 1994 bis 1999 insgesamt etwa 530 Millionen DM. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wurde außerhalb der Luft- und Raumfahrtindustrie auch auf die Branchen Maschinenbau, Fahrzeugbau, Feinmechanik und Optik, Verkehrswesen, Energiewirtschaft und Elektroindustrie ausgedehnt. Dabei wurde in erster Linie die Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt, die sich als wichtige Innovationspartner des DLR profiliert haben. Die erzielten Markterfolge haben bewiesen, dass sich das Innovationspotenzial des DLR nach geeigneter Aufbereitung in vielen Branchen gewinnbrin-

gend nutzen lässt und zur Stärkung der Wirtschaftskraft vor allem des Mittelstandes beiträgt. Seit 1994 sind über 100 neue Produkte und Dienstleistungen in Zusammenarbeit mit Industriepartnern aus dem Innovationspotenzial des DLR entwickelt worden. Die Hälfte von ihnen wurde bereits erfolgreich in den Markt eingeführt, die übrigen befinden sich im Stadium der Markteinführung oder Vorbereitung. Die Erträge aus Schutzrechten und Lizenzen wurden kontinuierlich gesteigert und konnten innerhalb der ersten fünf Jahre verdoppelt werden. 1999 erreichten sie eine Höhe von rund 3,5 Millionen DM.

Ausblick Die Bilanz zeigt, dass das DLR mit seinem Innovationsmodell auf jeden Fall auf dem richtigen Weg hin zu einem Forschungsunternehmen in arbeitsteiliger Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ist. Das DLR steht schon jetzt als nationales Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt in europäischer und auch weltweiter Konkurrenz. Die europäischen Fusionsbewegungen der Luft- und Raumfahrtindustrie werden vermehrt zu einer europäischen Nachfrage auch nach internationalen Forschungsleistungen in diesem Bereich führen. Ohne nationale Schutzwälle wird sich eine europäische Industrie am Preis-Leistungs-Verhältnis der aus ganz Europa angebotenen Forschungsleistungen orientieren. Das DLR wird sich in dieser Konkurrenz auch weiterhin in seiner Marktorientierung anstrengen müssen, um mit seinen Forschungsleistungen ein unverzichtbarer Partner für seine Kunden aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu bleiben und neu zu werden. Die konsequente Umsetzung des Innovationsmodells ist ein wesentlicher Beitrag dazu.

Prof. Dr. Jürgen Blum ist im Vorstand des DLR für die Innovationspolitik zuständig. Co-Autoren dieses Beitrages sind Prof. Dr. Gerd Herziger und Dr. Bernd Schmidt. Prof. Dr. Gerd Herziger war Vorstand für die Beziehungen zur Wirtschaft und Initiator und Gestalter des DLR-Innovationsmodells. Er ist heute beratend für das DLR tätig. Dr. Bernd Schmidt ist Sprecher der Leitung der Innovationsdienste in Köln-Porz.

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INNOVATION

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BREMSSCHEIBEN, HELME, KAM Erfolgreiche Beispiele des Technologie-Transfers

I

n über 30 Instituten mit hochqualifiziertem wissenschaftlichem Personal wird an neuen Entwicklungen und Innovationen im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geforscht. Das DLR hat sich der Herausforderung gestellt, seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten verstärkt auf den Bedarf der Wirtschaft innerhalb und außerhalb der Luft- und Raumfahrtbranche auszurichten und seine Potenziale effizienter und schneller der Industrie nutzbar zu machen. Die Erschließung von Luft- und Raumfahrt-Technologien für alle Branchen und Industriezweige trägt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere auch kleiner und mittlerer Unternehmen sowie zur Erhöhung der Drittmittelerträge aus der Industrie für das DLR bei. Der Bedarf kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an F&E-Leistungen steigt stetig. Gerade im Zulieferbereich wird von den meist mittelständischen Unternehmen mehr und mehr erwartet, dass sie sich vom Komponenten- zum Systemlieferanten entwickeln. Zudem nehmen die Anforderungen in technologischer Hinsicht ständig zu, da der Markt immer höhere Anforderung z.B. an die Materialbeschaffenheit, Umweltverträglichkeit, Zuverlässigkeit und Preiswürdigkeit der Produkte stellt. Solche Unternehmen wer-

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den ihre Wettbewerbsfähigkeit nur dann erhalten können, wenn sie ihre Innovationsfähigkeit produkt- und prozessbezogen deutlich steigern können. Innovationsentscheidungen stellen häufig jedoch gravierende Änderungen bzw. technologische Diskontinuitäten des laufenden Unternehmensgeschehens dar. Die Nichteinführung oder Verschiebung der Einführung von Innovationen kann schärfste Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens haben. Insbesondere KMU werden bezüglich ihrer Innovationsaktivitäten vor eine große Herausforderung gestellt, da Innovationen zu einer erfolgreichen Anwendung und Umsetzung den hohen Einsatz an Ressourcen verlangen. Eine Steigerung der Innovationskraft und die damit verbundene Verbreiterung der F&E-Basis des jeweiligen Unternehmens ist vielfach aber aus eigener Kraft weder möglich noch wirtschaftlich sinnvoll. Das DLR hat sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe nicht ausreichende Kapazitäten für eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten haben, die Nutzung seiner wissenschaftlich-technischen Infrastruktur und sein Know-how anzubieten. Damit werden bei Vermeidung teurer Investitionen Kosten und Risiken minimiert und die Durchführung von Basis- oder Erweiterungsinnovationen in den Unternehmen erleichtert oder gar erst ermöglicht.

Schnittstelle zur regionalen Wirtschaft sind die dezentral an den Standorten des DLR eingerichteten Innovationsleitstellen. Ihre primäre Aufgabe besteht darin, die Forschungsergebnisse der Institute und Einrichtungen des DLR systematisch zu erfassen und ihre Nutzbarkeit, insbesondere auch für raumfahrtfremde Anwendungen, zu überprüfen. Kriterien für die Bewertung des technischen Potenzials sind z.B. der Neuheitsgrad einer Entwicklung, die Vorproduktabhängigkeit und Komplexität der Herstellung, die Einbindung in bestehende Prozessketten, das Ausmaß der Arbeitsvorbreitung, die physikalische Zuverlässigkeit sowie ihre Mehrfachnutzbarkeit. (Beispielsweise lassen sich Faserverbundwerkstoffe für Innenverkleidungen von Flugzeugen und Personen-/Nutzkraftfahrzeugen verwenden wie auch in der Möbelbzw. Bauindustrie. Der Vorteil liegt in ihrem hohen Leichtbaupotenzial, den hohen Standzeiten der Verarbeitungswerkzeuge und insbesondere den umweltverträglichen Entsorgungsmöglichkeiten.) Ebenso relevant für den Bewertungsprozess ist die gesellschaftliche Bedeutung von Innovationen (z.B. im Gesundheitswesen, Mobilität) und insbesondere die Überprüfung ihrer ökologischen Unbedenklichkeit.

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, KAMERATECHNIK Aber auch wirtschaftliche Faktoren kommen im Entscheidungsprozess für oder gegen die Förderung einer Innovation zum tragen. Wichtige Kriterien sind beispielweise das Vorhandensein eines Finanzierungskonzepts sowie einer Kosten- und Ertragskalkulation. Darüber hinaus werden potenzielle Kooperationspartner oder Lizenznehmer charakterisiert und auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft. Ein weiterer Meilenstein im Entscheidungsprozess ist die Frage nach einer möglichen Weiterentwicklung der Innovation, dem Produktlebenszyklus, einer vorhandenen Nachfrage sowie die Frage nach dem Kaufpreis. Insbesondere die wirtschaftlichen Faktoren werden mit dem Industriepartner diskutiert, wobei die finale Entscheidung auf Aussagen industrieller Erfahrungen, Statistiken und Marktanalysen basiert. Bei positiver Bewertung hinsichtlich technischer und wirtschaftlicher Kriterien unterstützt das DLR finanziell die Weiterentwicklung der Forschungsergebnisse zu Prototypen und Transfermustern, so dass eine industrielle Anwendung möglich wird.

Mit den ausführenden Instituten werden Leistungs- und Ressourcenvereinbarungen (LRV) abgeschlossen, in denen die Meilensteine der Forschungsaktivitäten, der Entwicklungszeitraum, das Finanzvolumen sowie das Human Kapital festgelegt sind. Im Gegenzug hierfür wird mit dem beteiligten Unternehmen ein Kooperationsvertrag abgeschlossen, in dem die Rechte und Pflichten der forschungsauftraggebenden Firma vereinbart sind. Ziel ist es, den Transfer von Forschungsergebnissen und Know-how des DLR im Rahmen von Industriekooperationen effizient und marktorientiert umzusetzen. Die Innovationsleitstellen schaffen eine Plattform zur Präsentation und zum Vertrieb des innovationsrelevanten Technologiepotenzials des DLR, gewährleisten, dass langfristige und enge Kundenbeziehungen aufgebaut und gepflegt werden, initiieren, akquirieren und betreuen in Abstimmung mit den Instituten Innovationsvorhaben und Kooperationsprojekte mit der Wirtschaft. Sie verstehen sich sowohl als Dienstleister für die Institute als auch für interessierte Unternehmen. Die Prämissen des Technologiemarketing sind dabei - Marketing nach innen und nach außen - Kundennähe und regionale Präsenz - Institutsnähe - Nachfrage- und Marktorientierung - Ertragsorientierung - Vertriebsstruktur

Im Rahmen des Modellversuchs zur Förderung der Innovation wurden nun seit 1995 an den Standorten Berlin-Adlershof, Braunschweig, Göttingen, Köln-Porz, Lampoldshausen, Neustrelitz, Oberpfaffenhofen und Stuttgart Innovationsleitstellen eingerichtet. Damit ist die dezentrale Vertrieborganisation des DLR operativ. In Berlin-Adlershof wird die Leitstelle zusammen mit dem Hahn-Meitner-Institut Berlin, dem Forschungsverbund Berlin (mit acht Instituten der Blauen Liste) und dem Umweltforschungszentrum Halle/ Leipzig im Rahmen einer Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unter Federführung des DLR betrieben und bietet somit auf der Technologiegeberseite einen einrichtungsübergreifenden Ansatz. Im Zeitraum von 1996 bis 1999 wurden insgesamt 52 LRV’s mit DLR-Instituten abgeschlossen, die eine Anschubfinanzierung für Innovationsvorhaben aus dem DLR beziehen. Darüber hinaus wurden im selben Zeitraum 16 weitere LRV’s vereinbart, die durch das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr gefördert wurden. Und im ersten Quartal 2000 hat das DLR bereits weiteren acht Innovationsvorhaben den Startschuss durch ein LRV-Abkommen zugesichert.

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Die Bremse, die (k)ein UFO war . S

eltsames Objekt landet bei Kotorigo“ lautete eine Zeitungsmeldung in Ghana am 3. Februar 1995. Erst ein Jahr später sollte sich das unbekannte Flugobjekt als irdischen Ursprungs entpuppen. Zwei nach Afrika entsandte Mitarbeiter aus dem Raumfahrt-Management in Bonn-Oberkassel fanden die verschollene deutsche Express-Kapsel vor. Sie war am 15. Januar 1995 mit einer japanischen Trägerrakete gestartet worden und sollte vor allem für Wiedereintrittsversuche mit faserkeramischen Hitzeschildern dienen. Aufgrund eines Fehlers im Trägersystem ging der Kontakt zur Kapsel jedoch nach dem Start verloren und die Kapsel landete vier Stunden später von der Zivilisation zunächst unbemerkt im fernen Ghana.

Großes Bild: Express-Kapsel. Kleines Bild: Hochleistungsbremsscheibe der Firma Mayr. (Bild: ROBA-Stop)

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Eine amüsante Geschichte, aber wohl auch das Ende für den keramischen Verbundwerkstoff, aus dem der Hitzeschild hergestellt war? Keineswegs, wie die weitere Entwicklung zeigen sollte! Die verwendete Technologie zur Herstellung keramischer Verbundwerkstoffe war beim DLR-Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung in Stuttgart entwickelt worden. Aus einem konventionell gefertigten carbonfaserverstärkten Kunststoff-Bauteil (CFK) entsteht hierbei zunächst hochporöser carbonfaserverstärkter Kohlenstoff (C/C). Anschließend wird das poröse Bauteil unter Vakuum und bei hohen Temperaturen mit flüssigem Silicium infiltriert. Es entsteht ein keramischer Verbundwerkstoff aus C/C-SiC der gegenüber einfachen C/C-Werkstof-

fen eine erheblich höhere Oxidationsbeständigkeit und Abrieb aufweist. Die hohe Termeraturbeständigkeit des Werkstoffs prädestiniert ihn gemeinsam mit seinem geringen spezifischen Gewicht (leichter als Aluminium), seiner hohen Festigkeit und schließlich seinem hohen Reibbeiwert jedoch auch für Anwendungen außerhalb der Raumfahrt: er ist der ideale Werkstoff für Hochleistungs- und Leichtbaubremsen. Bis zur Entwicklung einer serienreifen Bremse aus Faserkeramik war es jedoch noch ein weiter Weg. Insbesondere galt es, zunächst Industriepartner für die gemeinsame Weiterentwicklung und Markteinführung zu gewinnen. Die Firma Mayr, ein mittelständisches Unternehmen aus Mauerstetten (Bayern), das u.a. NotAus-Bremsen für Maschinen (z.B. Kräne, Druckmaschinenwalzen) herstellt, war

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O war ... schließlich einer der Bremssystemhersteller, der bereit war, das Entwicklungsrisiko gemeinsam mit dem DLR zu tragen. Zunächst wurde im Rahmen eines Vorlaufsprojektes untersucht, ob sich aus dem High-Tech-Werkstoff Faserkeramik tatsächlich Reibkörper mit dem erhofften Leistungspotenzial herstellen lassen. Ein „Transfermuster“ wurde entwickelt, das die Lücke zwischen Laborgerät und serienreifen Prototypen schließen sollte und seine Eignung in zahlreichen Tests unter Beweise stellen musste. Nachdem diese erfolgreich bestanden waren, entschloss sich die Firma Mayr, in die weitere Entwicklung noch stärker zu investieren. Im Rahmen einer sogenannten „Wagniskooperation“ ging aus dem Transfermuster schließlich der eigentliche serienreife Prototyp hervor. Auf der Hannover Messe 1999 konnte Mayr schließlich eine Weltneuheit vorstellen: eine Sicherheitsbremse, die sich bis zur Weissglut belasten lässt, ohne ihre Reibeigenschaften einzubüßen. Die Produktvorteile gegenüber klassischen, organischen Bremsbelägen sind enorm. Insbesondere ermöglichen sie durch die hohe zulässige Reibleistung ein doppelt so hohes Drehmoment bei glei-

chem Bremsendurchmesser, höhere Drehzahlen und ein günstigeres Verschleißverhalten. Hieraus lassen sich Dauerschlupfbetrieb und ein wartungsfreier Antrieb ableiten. Es handelt sich hier um ein praxisnahes Beispiel für die viel zitierte Privat-PublicPartnership, die in öffentliche und private Partner gleichermaßen investieren, und an den gemeinsamen Erfolgen teilhaben. Ermöglicht wurde es u.a. durch Mittel aus einem Pilotprojekt des bayerischen Wirtschaftsministerium zur Nutzung von DLR-Know-how der Firma Mayr, womit das finanzielle Risiko begrenzt werden konnte. Auch für andere Anwendungen und Märkte ist die vom DLR entwickelte Faserkeramik der ideale Werkstoff. Beispielsweise wird sie als Reibbelag für die Bremsschlitten von Crashtestanlagen der Firma Messring in Gräfelfing (Bayern) verwendet. In diesen Anlagen wird ein Schlitten von einer sogenannten Hydraulikbremse mit einem exakt vorgegebenem Verzögerungsprofil abgebremst und so die Verzögerungskräfte bei einem Unfall simuliert. Damit die Versuche exakt reproduzierbar sind, dürfen die verwendeten Bremsbeläge keinerlei Verschleiß aufweisen. Dieser Forderung können gegenwärtig nur faserkeramische Beläge gerecht werden.

Ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet mit großem Marktpotenzial stellt natürlich auch der Bereich der Kraftfahrzeugbremsen dar. Hier wird sich die Faserkeramik in Scheibenbremsen bewähren, die während der gesamten Nutzungsdauer der Fahrzeuge nicht mehr ersetzt werden müssen. Außerdem wird das geringe Gewicht der ungefederten Massen dem Federungskomfort zugute kommen. Dass der faserkeramische Verbundwerkstoff sich zu einem reinem Spin-Off-Produkt des Technologietransfers entwickelt hat, ist indes ein Trugschluss. Im Rahmen des X38 Projekts wird die Faserkeramik als Hitzeschild für das Crew Rescue Vehicle zum Einsatz kommen. Mit Hilfe eines Space Shuttle wird dieses „MiniShuttle“ Mitte 2002 in den Orbit gebracht werden und seine Eignung als Rettungssystem für die Internationale Raumstation in einem realen Wiedereintrittsversuch unter Beweis stellen.

Dr. Hartwig von Bülow, Koordinator der Innovationsleitstelle des DLR in Oberpfaffenhofen.

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Eine technische Revolution im Lu

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n im Luftbildwesen Die Kamera als spin-off-Produkt aus der Mars '96 Mission Für den Einsatz auf der Mission Mars'96 konzipiert, um erstmals die Oberfläche des roten Planeten in zehn Meter-Auflösung in Stereo und Farbe zu kartieren, wurde die HRSC als ein neuartiges multispektrales Mehrzeilen-Stereo-CCD-Scannersystem gebaut. Da die Mission 1996 wegen des Ausfalls der Oberstufe der russischen Rakete fehlschlug, wird erst die neue ESA-Mission Mars Express die Kamera 2003 zum Mars bringen. Vor allem wegen ihrer Auslegung für den „Deep Space“-Einsatz weist die HRSC einen bislang nicht erreichten Miniaturisierungsgrad in Masse und Volumen, geringen Stromverbrauch und ein robustes Design auf, das sie von der Leistungsfähigkeit vergleichbarer Systeme abhebt. Seit Anfang 1997 wird die Kamera erfolgreich auf Flugzeugen für Anwendungen in der Fernerkundung eingesetzt. Für diese Aufgaben erfolgte eine Modifizierung der Kamera zur HRSC-A (High Resolution Stereo Kamera - Airborne), da das Problem der hohen Flugdynamik („Wackeln“ in mehrere Richtungen) bei der Aufnahme der Bilder gelöst werden musste. Mit der Einführung eines speziellen Kreiselsystems mit Beschleunigungssensoren in Verbindung mit GPS-Empfängern und mit der Nutzung einer innovativen, speziell für diesen Zweck entwickelten Software, werden jetzt photogrammetrische Ge-

nauigkeiten von 10 bis 20 Zentimeter aus Flughöhen von einigen Tausend Metern erreicht – Genauigkeiten, die bisher kaum möglich erschienen. Für die Ableitung von digitalen Oberflächenmodellen (DOM) per computergestützter Prozessierung wird eine digitale Mehrfach-Bildzuordnung der Information der einzelnen Bildstreifen der CCD-Sensoren durchgeführt und die resultierenden identischen Bildpunkte mittels Strahlenschnitt in Objektpunkte umgerechnet. Aus diesen wird durch Interpolation ein DOM abgeleitet. Auf der Basis des DOMs werden abschließend digitale Orthobilder erstellt. Damit ist ein digitales Oberflächenmodell (DOM) allein aus den Befliegungsdaten herzuleiten – ohne zusätzliche Bodenpasspunkte – eine Revolution in der Photogrammetrie. Der klassische Film ist bei der HRSC-A durch eine Sensoreinheit ersetzt, Produkte sind nicht mehr Photos, sondern digitale Daten. Damit entfallen aufwendige personalintensive Digitalisierungen, um vom herkömmlichen photographischen Luftbild ein Höhenmodell abzuleiten. Zudem sind keine Interaktionen über Karten mehr notwendig. Orthophotos und Höhenmodelle sind wenige Tage nach einem Bildaufnahmeflug erhältlich, nicht wie bei konventionellen Systemen erst nach mehr als vier Wochen. Daraus resultiert eine hohe Zeit- und Kostenersparnis bei noch höherer Genauigkeit.

Oben: Die HRSC-AX-Kamera. Großes Bild: Stereo-Ansicht von Amsterdam (Ausschnitt), aufgenommen von HRSC. Zur Stereo-Betrachtung dieses Bildes und der digitalen Karte auf der nachfolgenden Doppelseite verwenden Sie bitte die hier beiliegende Brille. Bei beiden Aufnahmen ist die Brille wie unten abgebildet – also links blau und rechts rot – zu verwenden.

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Als weiterer spin-off des HRSC-Systems wurden in fachlicher und finanzieller Kooperation mit dem französischen Weltmarktführer (ISTAR) für hochauflösende digitale Höhenmodelle zwei noch leistungsfähigere Versionen entwickelt: die Weitwinkel-Kamera HRSC-AXW und die hochauflösende Tele-Kamera HRSC-AX. Mit dieser Weiterentwicklung wurde die Elektronik optimiert und zusätzlich die Auflösung sowie die Anzahl der Pixel der CCD-Zeilen auf 12.000 erhöht. Damit ist während des Fluges die Aufnahme einer größeren Fläche möglich, was sowohl die Flugzeit als auch die Kosten verringert.

Anwendungsgebiete Seit Februar 1997 wird die HRSC-A in kommerziellen Pilotprojekten für unterschiedliche Anwendungen in verschiedenen Ländern eingesetzt, unter anderem für Beweissicherungsverfahren im Rahmen des Ausbaus der Unterelbe für die Containerschifffahrt und zur Volumenanalyse im Bergbau. In den letzten dreieinhalb Jahren wurden insgesamt zehn Terabyte multispektrale Daten und Flugnavigationsdaten prozessiert. Mehr als 50 europäische Städte wurden aus Flughöhen von 2.000 bis 10.000 Meter aufgenommen, gleichbedeutend mit Auflösungen von 8 bis 40 Zentimeter . Bei flugzeugbasierten Fernerkundungsmissionen wird die HRSC-A, die modifizierte HRSC-AX und -AXW für folgende Anwendungen eingesetzt: - Verkehr – Beweissicherungsverfahren für den Ausbau von Wasserstrassen, Aktualisierung von Automobilnavigationssystemen, Planung von Linienbauwerken (Hochspannungsleitungen, Trassen, Wasserwege, Pipelines) - Telekommunikation – Höhenmodelle zur Optimierung terrestrischer Übertragungsstrecken - Kartographie – Aktualisierung von Karten, Visualisierung - Geomarketing – Bereitstellung von räumlichen Informationen - Stadt- und Regionalplanung – Visualisierung - Katastrophenprävention und -monitoring (Überschwemmungen, Lawinen, Erdrut-

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Bild: Digitale Karte von Berlin (Ausschnitt) auf Basis von HRSC-Daten.

sche) zur Risikoabschätzung für große Versicherer und Rückversicherer - Landwirtschaft und Forstwesen – Bestandserfassung und Volumenkalkulation, Subventionskontrolle - Bergbau und Deponieplanung – digitalen Höhenmodellen zur volumetrischen Analyse - Umweltmonitoring (digitales Oberflächenmodell in Kombination mit multispektralen Daten, Klassifizierung) - Ground truth für Befliegungen zusammen mit Spektrometersystemen Gerade die Telekommunikationsindustrie gehört zu den größten Wachstumsbranchen der Welt. Zur Planung der schnell wachsenden Funknetze der verschiedenen Anbieter sind hochgenaue und aktuelle Daten über die Geländehöhen und Geländeoberflächen unerlässlich. Diese Daten dienen zur Modellierung der Strahlungsausbreitung. Optimale Standorte für Sendemasten können so ermittelt werden. Die Datenprodukte der HRSC liefern die notwendige Genauigkeit für solche Anwendungen. In der Kartographie sind die Produkte der HRSC-Technologie Richtung weisend. Digitale Höhenmodelle und multispektrale Bilder können zu hochgenauen Datenprodukten verbunden und dreidimensional – auch als virtuelle Überflugsimulation – dargestellt werden und erlauben neue Perspektiven. Maßstabsimulationen auf digitaler Basis erlauben zielgerechte Vorabplanungen kartographischer Anwendungen. Als neuartige Arbeitsgrundlagen ermöglichen sie für Industrie und Behörden Dienstleistungen in hoher Qualität.

Aufnahmeprinzip Das HRSC-System arbeitet nach dem Pushbroom-Prinzip. Neun parallele CCDZeilen mit bis zu 12.000 Bildpunkten pro Zeile sind quer zur Flugrichtung in der Fokalebene einer einzigen Optik montiert. So werden durch die Vorwärtsbewegung des Flugzeugs über den Boden neun sich überlagernde Bildstreifen simultan gewonnen. Fünf dieser neun CCDZeilen sind in spezifischen Blickwinkeln montiert, um stereo- und photometrische Aufnahmefähigkeiten zu erhalten. Vier dieser neun CCD-Zeilen haben verschiedene Filter zur Erzeugung multispektraler Bilder vom Blauen bis zum Infraroten.

Kommerzialisierung Die HRSC-Kamera als erste operationell eingesetzte, hochauflösende digitale Stereo-Kamera der Welt nimmt im Weltraumeinsatz und im Einsatz auf Flugzeugen eine herausragende Innovations-Stellung ein. Die HRSC-Technologie übertrifft die geometrische sowie die radiometrische Genauigkeit der konventionellen auf Film basierenden Luftbildkameras erheblich. Als Revolution im Luftbildwesen muss die Fähigkeit des Systems betrachtet werden, ohne zusätzliche Kartengrundlage bzw. ohne Passpunkte auszukommen bei gleichzeitigem Erreichen einer extrem hohen photogrammetrischen Genauigkeit. Die Prozessierung erfolgt vollständig digital und vollautomatisiert, so dass große Datenmengen innerhalb kürzester Zeit beherrschbar werden. Die unmittelbar nach dem Flug zur Verfügung stehenden veredelten Datenprodukte können zu einer „Sofort-Applikation“ auch im Bereich der Visualisierung als virtueller Überflug über eine Landschaft den Dienstleistungsanforderern zur Verfügung gestellt werden. Nicht zuletzt bedeutet die Einbindung der digitalen HRSC-Bilder in Geographische Informationssysteme (GIS) einen enormen Schritt in Richtung automatisierbare Veränderungs-Interpretation: Geographische Informationssysteme und Fernerkundung wachsen als Zukunfts-Tool noch enger zusammen. Die kommerzielle Nutzung sowie eine professionelle Produkterstellung werden derzeit vor allem in Kooperation mit der französischen Firma ISTAR durchgeführt, dem Weltmarktführer für hochauflösende digitale Höhenmodelle. Für 2003 wird erstmalig ein Katalog der digitalen Höhen- und Bilddaten von über 1.000 Städten verfügbar.

Prof. Dr. Gerhard Neukum, Institutsdirektor; Frank Lehmann, Abteilungsleiter Geowissenschaftliche Fernerkundung; unter Mitarbeit von Dr. Irena Bido (alle Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung, DLR).

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INNOVATION

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Schutzhelme aus nachwach sende I

m Rahmen eines vom Land Niedersachsen geförderten Projektes entwickelt das DLR-Institut für Strukturmecha- nikin Zusammenarbeit mit der Invent GmbH für die Schuberth Helme GmbH einen Industrieschutzhelm, der zu min-destens 85 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen soll. Basierend auf dem Werkstoffkonzept der BioVerbundwerkstoffe wurde ein geeignetes Faser/Matrixsystem identifiziert und charakterisiert, das die Anforderungen der für Industrieschutzhelme maßgeblichen Norm DIN EN 397 erfüllt. Parallel zu der Erarbeitung dieser rein werkstofflichen Grundlagen musste im Hinblick auf eine spätere Serienproduktion der Helmschalen ein in Bezug auf Produktivität und Qualität geeignetes Herstellungsverfahren bereitgestellt werden. Grundlage der hier vorgestellten Arbeiten bildet eine Vorstudie, in der die grundsätzliche Eignung von BioVerbundwerkstoffen als Werkstoff für Arbeitsschutzhelme ermittelt wurde. Im Zuge der damaligen Untersuchungen konnte für Helmschalen aus BioVerbund ein Eigenschaftsnivau abgeleitet werden, das dem vergleichbarer Serienprodukte der Firma Schuberth Helme GmbH in wesentlichen

Großes Bild: Schutzhelme aus nachwachsenden Rohstoffen. Kleines Bild: CFK-Verkleidungsteil an der Triebwerkaufhängung eines Flugzeuges.

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Punkten äquivalent ist. Bei den Untersuchungen zur Stoßdämpfung wurden für die Helmschalen aus BioVerbund sogar bis zu 23 Prozent günstigere Kennwerte ermittelt. Für die vorgestellten Helmschalen wurde als Matrixsystem ein auf Pflanzenölen basiertes, duroplastisch zu verarbeitendes Harz eingesetzt. Als Verstärkungskomponenten wurden Flachs-, Hanf- und Jutefasern in Form von Geweben in die Matrix integriert. Die Herstellung der Helmschalen erfolgte im Heißpressverfahren mit einem aus der Serienfertigung der Firma Schuberth Helme GmbH entliehenen Formwerkzeug.

Dabei wird die im flüssigen Zustand auf die Faserhalbzeuge gebrachte Matrix unter Druck und Temperatur zu einem hochvernetzten und formstabilen Werkstoff ausgehärtet. Nach dem Pressvorgang werden die Helmschalen aus dem Werkzeug entformt und einer Nachbearbeitung (besäumen) zugeführt. Im Zuge der Entwicklungsarbeit wurden bis dato zwei unterschiedliche Referenzserien von Helmschalen aus BioVerbund gefertigt und deren mechanischen Eigenschaften nach DIN EN 397 bestimmt.

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h senden Rohstoffen Bei der ersten Referenzserie wurde eine Gewebekombination aus Naturfasern in ein duroplastisches Matrixsystem auf Basis nachwachsender Rohstoffe integriert. Der Aufbau der Helmschale erfolgte als Mehrschichtenverbund mit einer Teilverstärkung in besonders gefährdeten Bereichen. Anhand der Untersuchungsergebnisse und Erfahrungen aus dieser ersten Versuchsreihe konnte für die zweite Referenzserie durch eine Optimierung sowohl der Matrix- als auch der Verstärkungskomponente eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften erreicht werden.

Die Messergebnisse lassen erkennen, dass die Anforderungen der DIN EN 397 von den Helmschalen aus BioVerbund in jedem Fall erreicht bzw. übertroffen werden. Durch einen optimierten Lagenaufbau sowie die Ausnutzung des Leichtbaupotenzials der Naturfasern ließ sich für die Helmschalen eine Gewichtsreduzierung von fünf bis zehn Prozent erreichen, was für den Tragekomfort der Schutzhelme eine wesentliche Verbesserung darstellt. Darüber hinaus können die Helmschalen aufgrund ihrer überwiegend natürlichen Rohstoffbasis (ca. 85 Prozent nachwachsende Rohstoffe) einen wesentlichen Beitrag zur Schonung endlicher Ressourcen

leisten sowie am Ende ihrer Nutzungsphase durch eine annähernd CO2-neutrale energetische Verwertung umweltschonend entsorgt werden. Die Serienproduktion von Industrieschutzhelmen aus BioVerbund soll spätestens mit Beginn des Jahres 2001 aufgenommen werden. Zukünftige Arbeiten zielen darauf ab, das Werkstoffkonzept der BioVerbunde soweit zu optimieren, dass auch eine Fertigung von sicherheitstechnisch extrem hochwertigen Produkten der Firma Schuberth Helme GmbH, wie sie z. B. Feuerwehr- und Motorradhelme darstellen, möglich wird.

Prof. Dr. Elmar Breitbach, Institutsdirektor des Instituts für Strukturmechanik an den DLR-Standorten Braunschweig und Göttingen.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 12:51 Uhr Seite 24

Kometenkamera als „Feuer melde

Großes Bild: Komet Hale-Bopp. Kleines Bild: Das automatische Frühwarnsystem im Einsatz – deutlich zu erkennen ist hier eine Rauchfahne in den Brandenburgischen Wäldern.

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r melder“

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INNOVATION

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Die Früherkennung und effektive Bekämpfung von Waldbränden gewinnt weltweit an Bedeutung, da diese erhebliche volkswirtschaftliche Schäden verursachen und durch die Emission von CO2 und anderen Brandgasen das Klima beeinflussen. In Europa werden jährlich bis 10.000 km2 , in Nordamerika 20.000 bis 90.000 km2 Vegetationsfläche durch Feuer zerstört. Im Land Brandenburg entstehen bis zu 1.000 Waldbrände pro Jahr mit einem Schaden von mehreren 10 Millionen DM. Über 90 Prozent dieser Brände werden durch den Menschen verursacht. Auf internationaler Ebene werden daher große Anstrengungen zur automatisierten Früherkennung unternommen. Obwohl bisher mehrere technische Methoden getestet wurden, reicht deren Zuverlässigkeit noch nicht aus, um ein marktfähiges Produkt zu entwickeln. Demonstrationssysteme mit Infrarot-Sensoren, die z.B. in Spanien eingesetzt werden, können nur die Feuer selbst detektieren. Bei dichtem Baumbestand ist jedoch der Rauch das entscheidende Merkmal zur Früherkennung von Bränden. Nachteile von flugzeuggestützten Waldbrand-Früherkennungssystemen sind die hohen Betriebskosten und lange Verzögerungszeiten bis zur Entdeckung eines Brandes. Auch die Auswertung von Satellitendaten bringt gegenwärtig nicht den erwünschten Erfolg, da die zeitliche und räumliche Auflösung für die lokale Prävention noch nicht ausreicht und Wolken oft die Sicht versperren. Daher werden auch in Deutschland Waldbrände noch durch Turmwachen gemeldet. Im Land Brandenburg werden von März bis September 1,1 Millionen Hektar Wald von 133 Feuerwachtürmen durch Mitarbeiter der Forstbehörden überwacht, die untereinander Blickkontakt haben, um entstehende Brände möglichst schnell orten zu können. Eine effektive Bekämpfung der Brände im Ansatz kann nur innerhalb der ersten 15 Minuten nach

Bild: Vorbereitungen zur Mission ROSETTA im DLR-Labor.

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der Entstehung durch die Feuerwehr gewährleistet werden. Die Mehrzahl der vorhandenen Feuerwachtürme muss dringend saniert werden und aus Sicht heutiger Arbeitsplatzbestimmungen sind sie als Arbeitsstätte nicht mehr zulässig. Das vom DLR und den Partnerfirmen INO Vision GmbH (Possendorf), INO Control GmbH (Dresden) und Hiersemann Prozessautomation GmbH (Chemnitz) entwickelte und für die Markteinführung vorbereitete System zur WaldbrandFrüherkennung entdeckt Vegetationsbrände anhand der Rauchwolken. Die Vorteile dieses automatisierten Systems liegen in der schnellen und zuverlässigen Rauchmeldung. Eine automatisierte Überwachung führt zur Vermeidung menschlicher Fehler, die durch die Ermüdung während der Einsätze auftreten können. Für die Mitarbeiter in den Forstbetrieben ergibt sich eine erhebliche Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, da die bis zu zwölfstündigen Einsätze auf den Feuerwachtürmen nicht mehr notwendig sind. Außerdem können gegenüber der herkömmlichen Überwachung Kosten gespart werden. Das entwickelte System ist modular aufgebaut. Eine dreh- und neigbare Plattform trägt die Kamera und wird auf Türmen oder Masten montiert. Die umliegende Landschaft wird in einem Umkreis von mindestens zehn Kilometer überwacht. Die digitale Kamera liefert in jeder Blickrichtung jeweils mindestens zwei Einzelbilder. Danach wird sie um zehn Grad gedreht. Die volle Bildinformation wird über Glasfaserkabel zum Turmfuß an den Steuer-PC und von dort an den Bildauswerterechner übertragen. Der SteuerRechner kontrolliert das gesamte System inklusive der rotierenden Plattform und der Kamera und archiviert alle wichtigen Daten. Im Fall der Feuerentdeckung organisiert er die Echtzeitübertragung von komprimierten Bildern und zusätzlichen Informationen (Zeit, Feuerkoordinaten) über ISDN-Leitungen oder über das Mobilnetz (Datenübertragung über Satelliten ist prinzipiell genauso möglich) zu einer Zentrale, wo sie auf einer lokalen Karte angezeigt werden. Somit ist die großflächige Überwachung eines Gebietes durch

einen Mitarbeiter gewährleistet, der die Situation bewertet und im Brandfall weitere Maßnahmen einleiten kann. Durch angepasste Software-Tools wird ihm die Entscheidung erleichtert. Im Bildauswerterechner wird die Online-Verarbeitung der digitalen Bilder ausgeführt. Diese werden auf Rauchmerkmale analysiert, wobei sowohl dynamische als auch strukturelle Eigenschaften untersucht werden. Das System ist in der Lage, eine Brandwarnung innerhalb von zehn Minuten nach Sichtbarwerden des Rauches zu melden. Es erkennt Rauchwolken ab zehn Meter Ausdehnung in einem Umkreis von zehn Kilometer. Durch die feine Grauwertabstufung ist es möglich, kleinste Veränderungen zu erkennen. Die Bewertung der Leistungsfähigkeit eines automatisierten Systems zur Waldbrand-Früherkennung kann nur in der Praxis erfolgen. Daher wurde der Pilotversuch auf den drei Türmen in Südbrandenburg gründlich ausgewertet. In der überwachten Region traten 1999 insgesamt 16 Wald- und Flurbrände auf. Alle Brände wurden durch das System in der vorgegebenen Zeit detektiert und gemeldet. Die Fehlalarmrate lag an den meisten Tagen deutlich unter ein Prozent und war damit durch den Operator in der Zentrale gut beherrschbar. Die Erkennungssicherheit und Bedienerfreundlichkeit des Systems bewirkt eine hohe Akzeptanz beim Anwender. Neben Brandenburg haben auch andere Bundesländer und Forstverwaltungen in Polen bereits Interesse an diesem System gezeigt. Auch in anderen Anwendungsgebieten ist die Nutzung dieser Kameratechnologie denkbar. Weitere Einsatzfelder könnten die Überwachung industrieller Anlagen und auch automatische Wetterstationen sein. In modifizierter Form, d.h. einer Anpassung an die jeweilige Spezialaufgabe, ist also ein Einsatz für viele Aufgaben im Sicherheitsbereich denkbar.

Dr. Cornelia Schlesier, Koordinatorin der Innovationsleitstelle des DLR in BerlinAdlershof.

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INNOVATION

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Keramische Mischer: Über hitzun D

as DLR forscht seit den 70-er Jahren auf dem Gebiet der Hochtemperatur-Solartechnik. Hier wurden für Solarturmkraftwerke so genannte volumetrische Receiver für die Erzeugung von heißer Luft bis 1.200 Grad Celsius entwickelt. Zur Zeit ist das erste Solarturmkraftwerk nach diesem Funktionsprinzip mit überwiegend privatwirtschaftlichem Kapital für den Standort Sevilla in Spanien in Planung und soll Ende 2002 mit 10 MWel ans Netz gehen. Das Wirkprinzip des volumetrischen Receivers beruht auf der Durchströmung eines mit hochkonzentrierter solarer Strahlung beaufschlagten porösen Materials aus Drahtgeflecht, metallischen oder keramischen Wabenstrukturen oder keramischen Schäumen. Das poröse Material erhitzt sich durch Absorption der Strahlung und erwärmt die durchströmende Luft. Aufgrund der sehr großen inneren Oberfläche des porösen Materials geschieht der Energietausch zwischen Strahlung und Luft mit einem im Vergleich zu anderen Konzepten sehr hohen Wirkungsgrad (>85 Prozent). Die Physik des Wärmetauschs in porösen Körpern ist weit komplizierter als es der Aufbau zunächst vermuten lässt. Im Sonnenofen der solaren Energietechnik beim DLR in Köln wurden solche Receiver daher experimentell untersucht. Darüber hinaus konnten gemeinsam mit dem Institut für Technische Thermodynamik des DLR in Stuttgart durch weitere experimentelle und numerische Untersuchungen entscheidende Fortschritte im Verständnis der physikalischen Vorgänge beim Wärmetausch in einem volumetrischen Receiver gemacht werden. Es ließ sich nachweisen, dass im Volumen beheizte und durchströmte hochporöse

Großes Bild: Verschiedene Mischervarianten für unterschiedliche Anwendungen. Kleines Bild: Sonnenofen im DLR Köln-Porz.

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Strukturen Strömungsinstabilitäten aufweisen können, die in der Anwendung als volumetrischer Receiver zu lokalen Überhitzungen und damit zum plötzlichen und scheinbar unvorhersehbaren Versagen der Bauteile führen können. Diese Erkenntnisse bildeten die Basis für eine neue Struktur aus poröser Schaumkeramik, dem keramischen Mischer, der bei der Solaren Energietechnik in Köln entwickelt wurde. Bei einem solchen keramischen Mischer wird die Struktur einer monolithischen Schaumkeramik durch Einbringen von zusätzlichen Kanälen derart verändert, dass vom grundsätzlichen Aufbau her ein stationärer V-Mischer entsteht. Durch diese Anordnung von Kanälen wird die Durchströmung gegenüber einem homogenen keramischen Schaum in der Form verändert, so dass Überhitzungen aufgrund von Strömungsinstabilitäten unterdrückt werden. Es stellte sich heraus, dass Überhitzungen auch bei anderen Anwendungen von durchströmten porösen Körpern auftreten. Hier ist die Porenbrenner- und Rege-

neratortechnologie zu nennen. Bei diesen Anwendungen kann der neue keramische Mischer des DLR entscheidende Verbesserungen bringen. Über diese Anwendungen hinaus ist der keramische Mischer auch als reiner Mischer verwendbar. Hier überzeugt er gegenüber den am Markt etablierten, meist metallischen statischen Mischern durch das einfache und damit kostengünstige Herstellungsverfahren. Die Anwendungsgebiete als statischer Mischer sind vielfältig und liegen in den Bereichen der chemischen, der kunststoffverarbeitenden und der Lebensmittelindustrie.

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er hitzung ausgeschlossen Es wurden auch ganz neue Anwendungen gefunden: Zum Beispiel lässt sich der Mischer vor den Abgaskatalysator eines Verbrennungsmotors platzieren, wodurch bei modernen, motornahen Katalysatoren die Anströmung und damit die Effizienz des Katalysators verbessert wird. Dieser Anwendung wird zur Zeit mit der Automobilindustrie verstärkt nachgegangen.

untersucht. Erste Ergebnisse zeigen eine Verringerung des Druckverlustes um 40 Prozent im Vergleich zur existierenden Lösung mit homogenen porösen keramischen Strukturen. Der Industriepartner erwartet vom Einsatz des Mischers, die Energiedichte des Speichers erhöhen zu können und damit die Baugröße des Brenners zu verringern.

Darüber hinaus wird in Kooperation mit der Industrie die Verwendung des Mischers als Kurzzeit-Wärmespeicher in Regenerativ-Brennern für die Stahlindustrie

Zusammen mit dem Unternehmen FOSECO in Borken wird in den nächsten zwei Jahren die Verwendung des Mischers auch als Impfstoffträger in der Gießereitechnik untersucht und erprobt. Hierdurch könnten die bisher voneinander getrennten Arbeitsschritte „Impfen“ und "Filtern" der Schmelze beim Abguss in die Form zu einem Arbeitsschritt zusammen geführt werden. Die Firma MST in Wiehl wird in enger Zusammenarbeit mit dem DLR die Vermarktung des Mischers in der Chemie und Verfahrenstechnik betreiben. Durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen wird ab Herbst 2000 ein Projekt beim DLR gefördert, in dessen Verlauf die strömungstechnischen und thermodynamischen Charakteristiken des Mischers ver-

messen werden. Diese Daten können dann den Anwendern zur Verfügung gestellt werden. Vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Unterstützung für Unternehmen in Aussicht gestellt, die den Mischer für eine bestimmte Anwendung qualifizieren wollen. Das DLR hat das Herstellungsverfahren des keramischen Mischers und spezielle Anwendungen in fünf Patentanmeldungen geschützt. Die Entwicklung wurde in Zusammenarbeit mit der vom DLR beauftragten Keramikfirma FOSECO durchgeführt. Derzeit steht das DLR mit den Firmen MST, FOSECO und BLOOM in konkreten Lizenzverhandlungen. Insgesamt ist das Mischerprojekt von einer Reihe weiterer Projekte im Umfeld der Durchströmung poröser Strukturen flankiert. Hierdurch werden in den nächsten zwei bis drei Jahren die vorhandenen Erfahrungen aus dem Gebiet der Solarenergie verstärkt in die konventionelle Technik übertragen. Personell und instrumentell verfügt das DLR dann über ein Kompetenzzentrum im Bereich der Qualifizierung von porösen Strukturen.

Dr. Bernhard Hoffschmidt, Solare Energietechnik, Köln-Porz.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 13:36 Uhr Seite 30

Von Harald Grobusch

Inno Gu

Bewertungsverfahren für Innovatio

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Bio-Technologie Analyse- und Diagnoseverfahren aus der Raumfahrtmedizin

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o Guide ür Innovationen

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inerseits warten Forschungsleistungen und Produktideen darauf, in Anwendungen und Markterfolge umgesetzt zu werden. Andererseits suchen private und öffentliche Investoren nach geeigneten Methoden und Verfahren, um ihre Investitionsentscheidungen abzusichern, was zu zögerlichen Engagements führt und zahlreiche Innovatoren in der Umsetzung ihrer Ideen behindert. Der Bedarf an einem ausgefeilten Bewertungssystem, das Innovationsideen speziell in den frühen Phasen beurteilt, ist offensichtlich. Erkannt und gedeckt wurde dieser Bedarf in einer Kooperation zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., der InnoStrat GmbH, Selb/Bayern, und dem Institut für Internationales Innovationsmanagement der Universität Bern. Die neu entwickelte Softwarelösung InnoGuide ist ein Bewertungssystem für Innovationen, das genau diese Lücke schließt.

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INNOVATION

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as System unterstützt die Wirtschaft, öffentliche Geldgeber, Forschungseinrichtungen und Venture Capital Gesellschaften bei ihren Innovationsengagements. Das bedeutet: Die Chancen einer finanziellen Beteiligung können zu einem frühen Projektstadium mit einer sehr hohen Genauigkeit ermittelt, die Risiken damit drastisch gesenkt werden. Die Innovationsprojekte durchlaufen in InnoGuide drei Stufen. Im PreScreening werden Mach- und Umsetzbarkeit einer Innovation anhand von Muss- und SollKriterien ermittelt. Als Voraussetzung für diese Prüfphase müssen nur eine Projektskizze und eine grobe Markteinschätzung vorliegen. Das Screening beurteilt anschließend das Markterfolgspotenzial anhand von acht branchenunabhängigen Kriteriengruppen – eingeschätzt von Experten im Hinblick auf Märkte und Kundennutzen. Schließlich wird in Stufe drei das Innovation Management System (IMS) eingesetzt. Neben der Erfassung möglicher Projektvarianten in verallgemeinerten Entscheidungsnetzen kommen Risikoanalysen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen eine hohe Bedeutung zu. Hierbei können auch Stakeholderanalysen in die Überlegungen eingehen. InnoGuide unterstützt als leistungsfähiges Werkzeug neben der Beurteilung einzelner Projekte auch die Erstellung von Projektportfolios und die Ableitung von Technologie- und Geschäftsfeldstrategien. Auf die Methodenauswahl für das InnoGuide-Konzept wurde sehr viel Wert gelegt. Auswahlstudien führten zu weltweit führenden und wissenschaftlich evaluierten Methoden. Dabei waren sowohl die wissenschaftliche Qualität als auch die Anwenderakzeptanz wesentliche Auswahlkriterien. Diese ausgewählten Methoden wurden erstmalig zu einem effizienten Verfahren verbunden. Damit wird gleichzeitig der Rahmen eines modernen leistungsfähigen Evaluationsprozesses definiert.

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InnoGuide begleitet eine Innovation von der Idee bis zur Entscheidung über Produktion oder Markteintritt und konzentriert sich damit auf diejenigen Phasen im Projekt, die über den Erfolg einer Innovation maßgeblich entscheiden. Innoguide eröffnet die Chance, sich bereits früh in die Auswahl der Innovationsprojekte einzuschalten. Die Methoden sind darauf ausgerichtet, bereits in sehr frühen Phasen qualifizierte Aussagen machen zu können. Hauptziel des zweiten Meilensteins – Screening – ist die Beurteilung des Markterfolgspotenzials einer Innovation. Die Beurteilung erfolgt durch subjektive Einschätzung eines oder mehrerer Experten. Dazu ist ein Fragenkatalog zusammengestellt worden, der Ergebnisse führender internationaler Studien berücksichtigt. Ausgehend von diesen Studien zu erfolgreichen Produktinnovationen sind acht Hauptkriterien zur Messung des Markterfolgspotenzials herangezogen worden, die jeweils durch wenige Fragen erfasst werden. Dieser Fragenkatalog verbindet die Forderung nach gesicherten Ergebnissen mit dem Wunsch nach möglichst geringem Bewertungsaufwand. Zur Beantwortung sind keine quantitativen Größen notwendig, so dass die Innovation schon vor einer detaillierten Businessplanung hinsichtlich ihres potenziellen Markterfolgs eingeschätzt werden kann. Für die Managemententscheidung stehen aussagekräftige grafische Auswertungen zur Verfügung. Wirtschaftlichkeit und Risikobetrachtungen erreicht man mit den Werkzeugen von InnoGuide-IMS (Innovation Management System), dem dritten Modul von InnoGuide. Mit Hilfe verallgemeinerter Entscheidungsnetze werden Projekte erfasst und Szenarien erstellt, die auch Projektvarianten enthalten und Risiken berücksichtigen. Auf dieser Basis generiert das System verschiedene Auswertungen (z.B. statische und dynamische Szenariobetrachtungen, Risikoprofile etc.), die eine gute Sicht auf die zu erwartenden Ergebnisse ermöglichen. Radardiagramme ermöglichen Stakeholderbetrachtungen auf der Basis qualitativer und quantitativer Größen.

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High-TechMaterialien Hochleistungswerkstoffe unter dem Mikroskop

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Mikroelektronik Nahaufnahme einer Platine

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Die Beteiligung des Top-Managements im Projektzyklus begann in der Vergangenheit oft erst in den späten Phasen der Produktentwicklung und Markteinführung. Die frühen Phasen wurden stark von technischen Überlegungen beherrscht. Neuere Innovationsforschung und daraus resultierende Konzepte haben in den letzten Jahren bei innovativen Firmen durch moderne Innovationsprozesse bereits eine Änderung bewirkt. Damit konnten große Erfolge in der Verkürzung und Verbesserung des Produktzyklus erreicht werden. InnoGuide unterstützt gezielt diesen erfolgreichen Ansatz und stellt Methoden zur Verfügung, die dem Management eine frühe Beteiligung und Entscheidung ermöglichen. Dies bewirkt eine Verschiebung der Beteiligung des Top-Managements in eine Phase, in der die Beeinflussbarkeit des Innovationsergebnisses am höchsten ist. Die dritte Stufe von InnoGuide (IMS) bietet eine komfortable Unterstützung der in dieser Phase notwendigen Businessplanung. IMS geht aber über die übliche Unterstützung durch eine einfache Wirtschaftlichkeitsrechnung weit hinaus. Risikobetrachtungen, die Einbeziehung von divergierenden Expertenmeinungen in die Evaluierung und die Betrachtung von Stakeholderinteressen generieren wertvolle Erkenntnisse. Eine Stärke von IMS ist die Handhabung realer Optionen. Dies sind Handlungsalternativen, die insbesondere unter Berücksichtigung von Informationsgewinnen in die Bewertung eingehen. Ziel ist die Wahrnehmung von Handlungsalternativen zur Sicherung von Chancen und zur Vermeidung von Gefahren. Im Gegensatz zur Bewertung mit einfachen Cash-Flow-Verfahren ist durch die Berücksichtigung realer Optionen eine deutliche Steigerung im Projektwert zu verzeichnen. Die Bewertungen auf der Ebene einzelner Projekte im Rahmen von InnoGuide eröffnen dem Benutzer die Möglichkeit zur stufenbezogenen Generierung von Projektportfolios.

Die Kriterien zur Bildung eines Portfolios sind so zu wählen, dass sie zusammen möglichst umfassende und entscheidungsrelevante Informationen generieren. Im Rahmen von InnoGuide besteht ein Set an vorgegebenen Portfoliovarianten. In diesem Bereich, der für die Managemententscheidungen eine hohe Bedeutung hat, wird eine hohe Flexibilität bei der Bildung von Portfolios angestrebt, so dass Auswertungen nach Projektkategorien, Technologien, Geschäftsfeldern, Unternehmensbereichen und anderen Kategorien möglich sind. InnoGuide ist in seiner Softwareimplementierung den Erfordernissen eines modernen Innovationsmanagements angepasst. Auf Basis einer PC-Lösung sind die Werkzeuge mit Window Look and Feel versehen und sind kompatibel zu Microsoft Office-Produkten. Komfortable Editoren sorgen für eine benutzerfreundliche Bedienung. Automatische Dokumentationen werden durch eine Projektdatenbank, Reportgeneratoren und Generatoren für grafische Darstellungen gewährleistet. Weitere Informationen zur Software findet man auf der InnoGuide Webseite. InnoGuide ist durch Branchenunabhängigkeit und Flexibilität in der Anwendung konzipiert für ein breites Anwendungsspektrum. Ebenso ist InnoGuide in der Lage, variable Komplexitäten zu verarbeiten, d.h. es ist möglich Projekte einfacher Struktur als auch komplexe Innovationsvorhaben mit hoher Effizienz zu bewerten. Einsatzmöglichkeiten bestehen in Industrie, KMU’s, Forschungseinrichtungen und Einrichtungen des Forschungstransfers. Ebenso interessant ist der Einsatz für Förderer und Investoren, wie z.B. Stiftungen, die Öffentliche Hand, Banken und Venture Capital Unternehmen. Aktuelle Informationen und Möglichkeiten zur Kommunikation erhält man auf der InnoGuide Webseite (www.innoguide.com). Ein eigener Zweig der Webseite ist für Nachrichten, Beiträge und Links zur Innovationsforschung vorgesehen.

Autor: Harald Grobusch, Koordinator für Innovation

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Ausgründungen und Firmenansiedlungen

Vom Wissenschaftler zum Unternehmer D

ie Begriffe Unternehmensgründungen, Ansiedlungspolitik und Unternehmertum stehen im Rampenlicht der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der westlichen Industriestaaten. Das DLR ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, einen nachhaltigen Beitrag zur Einführung von technisch/wissenschaftlichen Innovationen und Arbeitsplätzen zu erbringen. Beide Ziele stehen in einem engen Zusammenhang. Ausgangspunkt für den technischen Fortschritt und damit auch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist eine innovative Produkt-/oder Verfahrensidee. Geht aus dieser ein serienreifes Produkt hervor, können bei Markterfolg neue Unternehmen, im besten Fall, ganze Wirtschaftszweige neu entstehen. Als aktuelles Beispiel für die Bedeutung von Innovationen gilt die rasant wachsende Informationstechnologie. Bereits im Jahre 1993 wurde im DLR mit dem Innovationsmodell ein Konzept verwirklicht, mit dem die Leistungen der Forschung schnell und effizient in die Wertschöpfungsprozesse für Wirtschaft und Gesellschaft umgesetzt werden können. Die Erfahrungen im Technologietransfer haben dabei gezeigt, dass gerade die Unternehmensgründungen die wirksamste Form des Wissenstransfers sind. Ein Unternehmensgründer, der beschließt, sein im DLR erworbenes Wissen in marktfähige Produkte weiter zu entwickeln und umzusetzen, hat die Chance, ausschließ-

lich seine Ideen unabhängig von wissenschaftlichen Forschungsprogrammen zu vertiefen. Aufgrund der stärkeren Eigenverantwortung des Gründers ist dieser gehalten, sich noch mehr an den Endkundenmarkt zu orientieren als dies einem Forschungsunternehmen möglich ist. Diese Endkundenmarktorientierung des Gründers ist wiederum für das DLR wichtig. Im Rahmen der bestehenden Zusammenarbeit zwischen Gründern und DLR gewinnt das DLR Kenntnis über die Anforderungen und Besonderheiten des jeweiligen Marktes. Das DLR kann demnach leichter seine zukünftige Forschung danach ausrichten, welche Schwerpunkte für industrielle Partner von besonderer Bedeutung sind. Der Gründer profitiert im Dialog mit dem DLR von dessen fachlichen Know-how und dem Zugang zu einem Kompetenznetzwerk, in dem Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eng zusammenarbeiten. Auch Name und Stellung des DLR im Kompetenznetzwerk eignen sich, jungen Unternehmen Zugang zu interessanten Kooperationspartnern oder Kunden zu eröffnen. Allein die räumliche und wissenschaftliche Nähe zu den Forschungseinrichtungen stellt einen wesentlichen Standortvorteil für junge Unternehmen dar. Dies war für Neuunternehmen ein Grund, sich auf dem DLRGelände in Köln-Porz bzw. den anderen Standorten anzusiedeln. Die meisten jungen Unternehmen sind zwischen 1996 und 1998 gegründet worden und haben insgesamt 66 Vollzeitarbeitsplätze geschaffen. Damit zeigt sich, dass das Kompetenznetzwerk des DLR für Firmengründer sowie -ansiedler eine wichtige Stand-

ortalternative darstellt, die die attraktiven Ansiedlungsbedingungen der Kommunen und Länder ergänzt. Der wirtschaftliche Erfolg der konsequenten Umsetzung des Innovationsmodells wird deutlich bei einer Erfolgsquote von 94 Prozent. Von den 33 Unternehmen (20 Ausgründungen, neun Unternehmensansiedlungen, zwei Beteiligungen) sind heute 31 am Markt tätig. Lediglich zwei Unternehmen mussten ihre Geschäftstätigkeit aufgeben. Für das Jahr 2000 sind fünf weitere Unternehmensgründungen beabsichtigt. Aus dem Engagement der 31 aktiven Unternehmen sind insgesamt 358 Vollzeitarbeitsplätze hervorgegangen, die sich durch ihre Hochwertigkeit in Bezug auf technologisch wissenschaftliche Qualität und Wertschöpfung auszeichnen. Die Geschäftsfelder der Unternehmen umschreiben technologieorientierte Geschäftstätigkeiten. Beispielhaft ist der Vertrieb und die Produktion der DLR Space-Mouse durch die LogiCad 3D GmbH, Seefeld, die Erstellung der Simulationssoftware SIMPACK für den Fahrzeugbau, durch die INTEC Ingenieurgesellschaft für neue Technologien GmbH, Weßling oder die Erstellung von pharmakologischen Studien durch die CobraMed AG, Köln. Besonders viele hochqualifizierte Arbeitsplätze gehen auf die Geschäftstätigkeit der Invent GmbH, Braunschweig, die Faserverbundwerkstoffprodukte herstellt und vertreibt, und die IS GmbH Köln, die integrierte Systeme für Softwaremodule entwickelt, zurück.

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Neben dem technologisch orientierten Geschäftsfeld ist die überdurchschnittliche Wertschöpfung der aus dem DLR hervorgegangenen Gründungen kennzeichnend. Der durchschnittliche Umsatz pro Mitarbeiter lag bei 250.000 DM, ein ungewöhnlich hoher Wert, der beweist, dass mit anspruchsvoller Hochtechnologie gute Umsätze zu erzielen sind. Der Erfolg des Innovationsmodells ist für die Mitarbeiter des DLR ein Anreiz, weitere technologieorientierte Unternehmensausgründungen zu betreiben. Im Rahmen seines Unternehmensziels zur Förderung des Technologietransfers sieht das DLR in der Unterstützung von Mitarbeitern bei der Gründung bzw. Ansiedlung von technologieorientierten Unternehmen eine zukunftsweisende Möglichkeit, seinen Mitarbeitern zusätzliche berufliche Perspektiven für eine erfolgreiche unternehmerische Zukunft zu eröffnen. Der Vorstand des DLR hat deshalb am 19. Januar 1999 ein umfangreiches Unterstützungsprogramm beschlossen, das Mitarbeitern bei einer Unternehmensgründung helfen soll. Neben arbeitsrechtlichen Förderungsmaßnahmen (Nebentätigkeitsgenehmigung, befristete Beurlaubung, Abfindung und Sabbetical) sieht das Maßnahmenpaket noch sonstige Unterstützungsmaßnahmen vor. Diese bestehen in der Vermietung von Räumen auf dem Betriebsgelände des DLR, in der Möglichkeit, wissenschaftlich/technische Infrastruktur (Geräte, Rechner, Versuchsanlagen, Laboreinrichtungen) zeitweise entgeltlich zu nutzen und in der Mitbenutzung von Einrichtungen sowie die Gründungsberatung und Schulung. Im Rahmen der Gründungsberatung ist es nun gelungen, ein Netzwerk für Gründer aufzubauen, mit dem Ziel, gründungswilligen Mitarbeitern direkt mit den für anstehende Sachfragen beschäftigten Experten in Verbindung zu setzen. Für den Bereich der Finanzierung arbeitet das DLR z.B. erfolgreich mit der Techno Media Kapitalbeteiligungsgesellschaft Köln mbH, einer Tochtergesellschaft der Stadtsparkasse Köln zusammen. Die Venture Kapital Gesellschaft ist daran interessiert, gründungswilligen Mitarbeitern bei Vorlage eines erfolgversprechenden Geschäfts-

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planes finanziell durch eine Beteiligung zu unterstützen. Für den Bereich der Finanzierung durch Business Angels bestehen enge Kontakte zum BAND (Business Angels Network Deutschland) und NBAN (National Business Angels Network, UK). Im Vorfeld werden gründungswillige Mitarbeiter durch entsprechende Seminare, die teilweise in Zusammenarbeit mit der IHK und anderen Institutionen, die Unternehmensausgründungen unterstützen, veranstaltet. Das DLR unterstützt den Verband Neues Unternehmertum Köln-Bonn-Aachen e.V., der 1997 auf Initiative der Stadtsparkasse Köln, des Versicherungskonzerns Gerling und der Unternehmensberatung Mc Kinsey, gegründet wurde. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmensgründern bei der Erarbeitung des Konzeptes und der Realisierung ihres Geschäftsvorhabens intensiv und umfassend zu unterstützen. Dies erreicht der Verband durch die alljährliche Ausschreibung eines Businessplan Wettbewerbes. Vonseiten des DLR sind einige Gründer ermutigt worden, an Businessplan Wettbewerben teilzunehmen. Darüber hinaus stellt das DLR neben dem Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen als einziges Forschungsunternehmen der Region Fachberater, die den Businessplan Wettbewerb aktiv gestalten und Unternehmer beraten. Es ist geplant, dass an dem nächsten Businessplan Wettbewerb vier gründungswillige Mitarbeiter teilnehmen. Befinden die Gutachter das Geschäftsvorhaben für markttauglich, und ergeht hinsichtlich des Unternehmers sowie des Wachstumspotenzials der Gründung und ihr Innovationsgrad ein positives Urteil, so kann der Gründer mit potenziellen Geschäftspartnern und weiteren Unterstützern zusammenkommen. Von diesen teilweise erweiterten und teilweise neu eingeführten Förderungsmöglichkeiten machen die DLR-Mitarbeiter regen Gebrauch. Es ist geplant, das Angebot auszubauen.

Uwe Sostmann, Koordinator Technologiemarketing und -transfer.

Interview mit dem Geschäftsführer der Firma INTEC

„Weltm arktfä

Bild: Alexander Eichberger.

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m arktfähig und erfolgreich“ Frage: Die INTEC Ingenieursgesellschaft für neue Technologien mbH wurde 1996 gegründet und hat jetzt zwölf Mitarbeiter. Sie ist eine so genannte Ausgründung des DLR. Was versteht man darunter? Dr. Eichberger: Mittlerweile beschäftigen wir 18 Mitarbeiter. Unter Ausgründung versteht man die Gründung einer eigenständigen Firma durch ehemalige Mitarbeiter des DLR und typischerweise mit einem Technologieprodukt des DLR, in dem speziellen Fall eine Simulationssoftware. Frage: Das heißt, Sie vermarkten das Technologieprodukt des DLR? Dr. Eichberger: Wir übernehmen hauptsächlich das Marketing und den Vertrieb dieser Software und die gesamten Supportleistungen, die sich um den Betrieb eines Softwareproduktes herumlagern. Frage: Was war Ihr persönliches Motiv zur Selbständigkeit? Dr. Eichberger: Motivation war der Wunsch, aufbauen und frei gestalten zu können, sowie die Überzeugung, dass auch hierzulande entwickelte Software weltmarktfähig und erfolgreich ist. Frage: Die Simulationssoftware SIMPACK ist ein Produkt bzw. Technologie, die ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt wurde. Können Sie etwas zur Genese der Produktidee berichten? Welche DLR-Einrichtung ist sozusagen die Quelle dieser Technologie?

Dr. Eichberger: Es stimmt – das ursprüngliche Einsatzgebiet der Software war die Raumfahrt und die Luftfahrt. Durch die enge Kooperation mit einem Industriepartner zeigte sich schnell das Potenzial von SIMPACK im Kraftfahrzeug- und Schienenfahrzeugbereich. In seinen wesentlichen Grundzügen ist die Software in meiner ehemaligen Abteilung, damals Fahrzeugsystemdynamik bei Prof. Kortüm entstanden. Frage: Können Sie präzisieren, wo die Software im Raumfahrtbereich zum Einsatz kam? Dr. Eichberger: Konkretes Anwendungsgebiet war z.B. die dynamische Simulation des Manipulators auf der Raumstation. Ein Manipulator, der über sieben Meter lang ist und verschiedene Werkzeuge am Ende führen muss. Die Software hat sich jedoch dann sehr schnell auf den Luftfahrtbereich ausgedehnt. Heute spielt die Technologie eine zunehmend wichtigere Rolle auf den Einsatzgebieten wie der Luftfahrt und insbesondere der Schienen- und Kraftfahrzeugtechnik. Frage: Die Besonderheit der Technologie liegt in der hohen Performance ihrer Herkunft. Auf dem Markt kommen jedoch andere Kriterien zum Tragen. Wie lässt sich die Exquisität der Raumfahrttechnologien auf Marktanforderungen reduzieren? Wurden hierzu Marktanalysen erstellt? Dr. Eichberger: Die Raumfahrt stellte schon immer besonders hohe Anforderungen an die benutzte Technologie wie z.B. Robustheit und numerische Effizienz der verwendeten Software. Genau damit treffen wir die hohen Anforderungen z.B. im Fahrzeugbau. Dies haben wir durch Direktansprachen bei unseren Zielgruppen herausgefunden.

Frage: Der Raumfahrtforschung wird nicht selten vorgeworfen, dass sie unter einem extremen Kostenaufwand betrieben wird. Der Markt wird jedoch zumeist über den Preis bestimmt. Wie kann die in der Raumfahrt entwickelte Technologie sich im globalen Wettbewerb behaupten? Dr. Eichberger: Vielleicht zur Geschichte noch etwas. Es gibt zwei amerikanische Softwarepakete in diesem Bereich. Auf dem Weltmarkt sind es insgesamt drei: zwei amerikanische Softwarepakete und unseres. Die beiden amerikanischen Pakete sind sehr viel älteren Ursprungs. Die Technologie, die am DLR bei SIMPACK implementiert wurde ist sehr viel neueren Datums und damit auch moderner und effizienter. In der direkten Kundenansprache hat man herausgefunden, dass die fehlenden Funktionalitäten wie Robustheit und numerische Effizienz der amerikanischen Produktklasse exakt durch SIMPACK kompensiert wird und damit entscheidendes Kaufkriterium ist. Wir haben von Anfang an das Produkt nicht versucht über den Preis zu verkaufen. In dem Bereich der Softwaresimulation sind wir der Technologieführer. Wir wollten nicht Preisführer sein. Frage: Es handelt sich bei dem Produkt also nicht um ein Serienprodukt, sondern um ein auf den Kundenwunsch maßgeschneidertes Softwarepaket? Dr. Eichberger: Doch es ist ein Standardsoftwarepaket, das natürlich immer wieder angepasst werden muss auf die individuellen Kundenwünsche, aber eben auf der Basis der Standardsoftware. Und zum Preis noch einmal, wenn der Kunde der Überzeugung ist, dass das Produkt eine

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gute Investition ist um innerhalb der Firma dann Entwicklungskosten und -zeit zu reduzieren, dann spielt der Preis nicht die entscheidende Rolle. Frage: Das Land Bayern unterstützt insbesondere KMU mit verschiedenen Fördermaßnahmen. In einem Sonderprogramm zum Thema technologieorientierte Existenzgründer (TOU) wurden z.B. im Jahr 1999 30 Firmen mit einem Zuschuss von 6,2 Millionen DM gefördert. Das entspricht einem Förderanteil von ca. 35 Prozent des gesamten Kostenaufwands. Wie steht INTEC solchen Gründungsförderinitiativen gegenüber? Hat Ihre Firma an einer solchen Fördermaßnahme teilgenommen? Dr. Eichberger: INTEC ist bislang aus eigener Kraft gewachsen und musste nicht auf entsprechende Förderprogramme zurückgreifen. Grundsätzlich begrüßen wir das Sonderprogramm, es sollten jedoch nicht nur Mittel für die Gründungsfinanzierung, sondern auch Mittel für die Wachstumsfinanzierung erfolgreicher Spin-Offs vorgesehen sein. Frage: Wie finanziert INTEC seine Expansionsphase? Nutzen Sie das Angebot von Risikokapital auf dem Finanzmarkt? Dr. Eichberger: Noch nicht, aber wir werden es sicherlich noch benötigen, wenn wir den Markt für uns erweitern wollen und zunehmend Entwicklungsaufgaben übernehemen müssen. Deshalb werden wir bis Ende des Jahres in eine AG umfirmieren.Es lassen sich drei Gründe aufführen: Erstens geht damit immer noch ein bestimmter Imagegewinn einher. Zweitens ist dies die beste Voraussetzung, um sich Kapital zu beschaffen. Kapital bekommt man nur gegen Beteiligung und das ist bei Aktien sehr viel einfacher als es der Fall wäre bei einer bestimmten Beteiligung im Rahmen einer GmbH.

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Und drittens ist das Gold, das wir haben in den Köpfen unserer Mitarbeiter d.h. eine sehr hohe Wertschöpfung liegt in den Köpfen unserer Leute. Hier haben wir viel investiert und das möchten wir uns erhalten. Eine Aktiengesellschaft stellt die geeignetste Rechtsform dar, um Mitarbeiter-Beteiligungsprogramme aufzulegen. Frage: Sozusagen als Anreizprogramme bzw. Mitarbeitermotivation um damit auch eine langfristige Anbindung Ihrer Mitarbeiter an die Firma zu erreichen? Dr. Eichberger: Ja, zum einem ist eine gewisse Bindung an die Firma erreichbar und zum anderen hängt ebenso ein berechtigter Anteil des Firmenwachstums von einem guten und loyalen Mitarbeiter ab. Wir investieren sehr viel in unser Personal und diese Investition soll sich langfristig für uns rentieren. Wenn die Mitarbeiter frühzeitig gehen, dann haben wir dort eine Fehlinvestition getan. Wenn sie beispielsweise zur Konkurrenz gehen, dann haben wir die Konkurrenz mitfinanziert. Frage: Sitz der Firma ist der Standort des DLR in Oberpfaffenhofen. Das heißt, Sie befinden sich nach wie vor auf dem DLR-Gelände. Welche Vorteile sehen Sie dadurch? Dr. Eichberger: Entscheidend war und ist die örtliche Nähe zu den ursprünglichen Entwicklern der Software. Weitere Vorteile sind gewisse infrastrukturelle Leistungen des DLR, wie z.B. ein schneller Zugang zum Internet. Frage: Bestehen auch Abhängigkeiten/ Verpflichtungen zum DLR und wenn ja, welche? Dr. Eichberger: Es gibt nach wie vor einen Vertrag zwischen DLR und INTEC, der die Aufgabenverteilung zwischen DLR und INTEC regelt und so in der Vergangenheit für eine reibungslose Zusammenarbeit sorgte.

Frage: Die Simulationssoftware SIMPACK – als „Know-how from Space“ – hat eine renommierte Herkunft. Welche Wettbewerbsvorteile lassen sich dadurch gegebenenfalls auf dem Markt ableiten? Nutzt beispielsweise Ihre Firma die Referenz zum DLR-Logo? Dr. Eichberger: Luft- und Raumfahrt übten schon immer auf die Mehrzahl der Menschen über alle Berufsschichten hinweg eine Faszination aus, und implizieren Technologie vom Feinsten. Dieses Momentum haben wir uns bewusst zu Nutze gemacht und stets auf den Ursprung unseres Produkts in unseren Vertriebs- und Marketingunterlagen und auch durch die Links auf unserer Webseite auf das DLR aufmerksam gemacht. Frage: Würden Sie sagen, dass das DLR durch seinen Bekanntheitsgrad in Deutschland auch Einfluss auf Ihre eigene Publicity ausübt? Dr. Eichberger: Sicherlich, das DLR ist die größte nationale Forschungseinrichtung in Deutschland. Wenn man das mit einer Einrichtung in den USA vergleicht, dann wäre dies die NASA und ich denke, dass das DLR in Deutschland mindestens so bekannt ist wie die NASA in den USA. Davon profitiert INTEC mit Sicherheit auch. Frage: Nutzt auch die Automobilindustrie die Faszination Raumfahrt bei Ihren Endverbrauchern, um auf die Herkunft der Technologie aufmerksam zu machen? Dr. Eichberger: Schwierig zu beantworten. Der Ingenieur ist dann vielleicht doch in seiner täglichen Arbeit zu sehr im Detail behaftet und zu nüchtern, um das zu tun. Aber vielleicht wäre das eine gute Idee für die Marketingabteilung der Fahrzeughersteller, hier darauf hinzuweisen.

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Frage: Gibt es einen Hinweis in Ihrer Software auf die Herkunft des Produkts bzw. einen Verweis auf das DLR? Dr. Eichberger: Sicherlich, wir haben ein Logo, in dem das DLR als Ursprung der Software auch genannt wird. Und natürlich wird bei den Softwarepräsentationen mindestens auf ein, zwei Folien darauf hingewiesen, wo der Ursprung ist und warum der Ursprung gewählt wurde. Das kommt beim Kunden auch sehr gut an. Frage: Profitiert auch das DLR von INTEC? Dr. Eichberger: Ja, insbesondere durch die Vermarktung der Software im klassischen Fahrzeugbereich hat das DLR an Reputation gewonnen. Denn wir haben mittlerweile über 50 kommerzielle Firmen, die die Software im vollen Bewusstsein einsetzen, dass es sich hier um ein DLRProdukt handelt, wir haben über weitere 80 Hochschulinstitute, die das Produkt im vollen Bewusstsein einsetzen, dass es sich hier um ein DLR-Produkt handelt ... Frage: ... das wurde von Ihnen in einer Umfrage erfragt? Dr. Eichberger: ... wie gesagt, der Bekanntheitsgrad des DLR hat sich in den nicht-Raumfahrt- und luftfahrtspezifischen Bereichen erheblich gesteigert, was den Neubeginn des Schwerpunktbereichs Verkehr innerhalb des DLR sehr zugute kommen wird. Frage: Die Zusammenarbeit führt demnach zu einem beidseitigen Nutzen? Dr. Eichberger: Wenn man in der Fahrzeugentwicklung jetzt den Namen DLR nennt, dann immer in Zusammenhang mit unserem Produkt. Frage: Welche Zielgruppe sprechen Sie an? In welcher Branche sind Sie hauptsächlich bekannt?

Dr. Eichberger: Nahezu 50 Prozent unserer Kunden finden sich mittlerweile bei den Automobil- und Nutzfahrzeugherstellern sowie deren Zulieferfirmen. Mit DaimlerChrysler z.B. haben wir den weltgrößten Nutzfahrzeughersteller auf unserer Liste. Die Schienenfahrzeugindustrie, und auch hier dürfen wir mit Siemens und Adtranz die Größten der Branche zu unseren Kunden zählen, umfasst etwa 30 Prozent und die restlichen 20 Prozent kommen aus der Luftfahrtindustrie, z.B. Eurocopter, Airbus, und aus dem Maschinenbau. Frage: Welche Konkurrenzprodukte zu Ihrem Produkt existieren bereits oder sind in der Entwicklung? Dr. Eichberger: Wie schon erwähnt, in unserem Segment der High-End-Lösungen für funktionales, virtuelles Prototyping gibt es weltweit noch zwei weitere Anbieter aus USA. Wir wachsen, bei einem weltweiten Marktwachstum in diesem Bereich von 20 Prozent, jedoch mit über 30 Prozent jährlich erheblich schneller, als der Markt und die Konkurrenz. Frage: Daraus lässt sich schließen, dass Sie ein großes Engagement in die Kundenakquisition stecken. Wie akquirieren Sie Ihre Kunden? Dr. Eichberger: Anfänglich ergaben sich Kundenbeziehungen aus existierenden Kontakten der DLR-Abteilung Fahrzeugdynamik mit der Industrie. In der Folge erweiterten wir unsere Kundenbasis durch Direktmarketing und gezielte Teilnahmen an VDI-Fachmessen. Mittlerweile sorgt der gute Ruf von SIMPACK dafür, dass Interessenten ohne unser direktes Zutun an INTEC herantreten. Wenn ein Kunde die Entscheidung trifft, ein solches Produkt einzusetzen, dann werden wir als Anbieter grundsätzlich in die Entscheidung mit einbezogen. Frage: Trotz Angleichung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen im globalen Markt existieren nach wie vor Hemmnisse, z.B. nicht-tarifäre Handelshemmnisse, sowie Maßnahmen zum Gebietsschutz, welche die Ausdehnung

unternehmerischer Aktivitäten über nationale Grenzen hinweg schwierig machen. Darüber hinaus existieren auch Hemmnisse psychologischer Art, wenn potenzielle Kunden unbekannten Produkten, Produktnamen oder Firmen Misstrauen entgegenbringen. Doch gerade KMU, die sehr spezialisierte technologische Produkte vertreiben, brauchen ein ausreichend großes Absatzgebiet, um die Amortisation der anfänglichen Investitionen garantieren zu können. Wie sind Sie diesem Problem begegnet? Dr. Eichberger: Das ist vollkommen richtig. Es war uns von Anfang an klar, dass wir auf den ausländischen Märkten aus eigener Kraft nur schwer oder keinen Zugang finden konnten, da es zu viele Barrieren gab. Die Sprachbarriere ist das eine, darüber hinaus ist die Kultur der anderen Märkte, insbesondere der asiatischen uns immer noch fremd. Für die Vermarktung von SIMPACK auf den wichtigen Märkten Nordamerika und Japan arbeiten wir mit einem großen US-Software-Haus zusammen, welches als Lizenznehmer unsere Software dort vermarktet. Dadurch können wir sofort die dort etablierten Vertriebsnetze nutzen und haben diese beiden Vorteile Sprache, Kultur, aber auch etablierte Vertriebswege und Vertriebskontakte zu den einschlägigen Firmen vor Ort sofort auf unserer Seite. Wir versprechen uns durch diese Kooperation in Zukunft eine erhebliche Ausweitung unseres Marktanteils. Frage: Um auf das Marketing zu sprechen zu kommen. Der Vertrieb einer komplexen Software bedarf sicherlich ein umfangreiches Training der Vertriebsleute. Wie vermitteln Sie das Know-how für Ihr Produkt und wie wird das Vertrauen in die Produktqualität als Basis einer Vertriebskooperation aufgebaut? Führen Sie auch Schulungen Ihres ausländischen Vertriebspersonals durch? Dr. Eichberger: Wir müssen unsere Vertriebsleute trainieren, so dass diese die gleiche Überzeugung zu dem Produkt erlangen wie wir es selbst haben. Gerade

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in der Anfangsphase unterstützen wir auch durch unsere Manpower den ausländischen Partner direkt beim Vertrieb, so lange, bis er in der Lage ist, dies alleine zu tun. Wir schulen die Leute und machen Road-Shows bei den wichtigen potenziellen Kunden auf diesen Märkten.

genommen. Schon jetzt lässt sich aus der Zwischenbilanz für 2000 ein noch höheres Umsatzwachstum ableiten.

Frage: Wie lange dauert so ein Schulungsprogramm?

Dr. Eichberger: Wir waren bislang schwerpunktmäßig auf dem europäischen (deutschsprachigen) Markt tätig. Das spiegelt sich auch darin wider, dass wir 80 Prozent unserer Umsätze in Deutschland realisieren. Die Vertriebskooperationen, die Sie angesprochen haben, sind erst in diesem Jahr angelaufen wobei der Anteil sich ziemlich schnell verschieben wird. Das heißt, der außereuropäische Anteil wird sehr schnell größer werden als der deutsche Anteil. Es ist so, dass insgesamt 30 Prozent des Marktes in diesem Geschäftsbereich insgesamt oder ein Drittel des Marktanteils in Nordamerika liegt, ein Drittel in Japan sowie dem asiatischen Raum und ein Drittel in Europa. Innerhalb Europas dürfte wiederum Deutschland mit ca. 50 Prozent des gesamteuropäischen Marktes der wichtigste für uns sein.

Dr. Eichberger: Im September werden wir z.B. eine Woche in Japan sein, um hier unsere Vertriebspartner weiter zu schulen. Sie waren aber auch bereits schon hier in Deutschland, um ihre Produktkenntnisse ihren Kolleginnen und Kollegen in Japan zu vermitteln. Frage: Wollen Sie eigene Tochterunternehmen im Ausland etablieren? Wie interessant ist der europäische Markt für Sie? Dr. Eichberger: Der europäische Markt liegt dazwischen. Wie gesagt, in den USA oder Nordamerika und Asien ist klar, dass wir nicht mit einer eigenen Tochter agieren können. Anders ist es hier in Europa, in der Schweiz, in der Tschechischen Republik, wo wir von Deutschland aus ganz gut die Märkte bedienen können. England stellt eine Ausnahme dar. Hier haben wir auch einen Vertriebspartner wobei wir aber versuchen werden, uns an ihm selbst zu beteiligen. Wir können uns gut vorstellen, dass wir in Ländern wie in Frankreich und Italien selbst Tochterfirmen etablieren. Frage: Ihre Firma hat ein geschätztes Umsatzvolumen 1999 von 3,0 Millionen DM. Welches ist Ihr angestrebtes Umsatzziel für die kommenden Jahre? Dr. Eichberger: Wie in der Vergangenheit bereits realisiert, haben wir uns für die weiteren Jahre ebenfalls Steigerungsraten von nicht unter 30 Prozent pro Jahr vor-

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Frage: Wie gestaltet sich die Verteilung Ihrer Umsätze auf Europa im Vergleich zu den Ländern in Übersee?

Frage: Welche weiteren Entwicklungsschritte Ihres Produkts beziehungsweise Ihres Dienstleistungsangebots planen Sie? Welche Leistungen kaufen Sie von Dritten hinzu? Dr. Eichberger: Um auf unsere Kundenwünsche adäquat reagieren zu können, bringen wir halbjährlich eine Minor-Release und etwa alle 1,5 Jahre eine Major-Release auf den Markt. Hauptaugenmerk unserer derzeitigen Entwicklungsschritte liegt auf der weiteren Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit, auf der Automatisierung von Berechnungsprozessen, und auf der Einbringung von SIMPACK in firmenspezifische Digital Mock-up und PDM-Lösungen.

Frage: Wie entwickelt sich bzw. wie dynamisch verändert sich Ihre Branche, wodurch wird das Wachstum Ihrer Branche bestimmt und welche Rolle spielen Innovation und technologischer Fortschritt? Bestehen Abhängigkeiten zu den Forschungsaktivitäten des DLR? Dr. Eichberger: Die Dynamik in unserer Branche wird von der Notwendigkeit getrieben, die Produktentwicklung so weitgehend wie möglich in einer virtuellen Umgebung mit virtuellen Prototypen voranzutreiben. Ziel ist es, mit möglichst wenigen realen Prototypen und aufwendigen Feldtests ein Produkt zur Marktreife zu bringen. Software, wie das DLR-Produkt SIMPACK, ist auf diesem Weg ein unerlässlicher Baustein. Insbesondere im Fahrzeugbau kann ich mir eine hohe Interaktivität zwischen INTEC und dem neu geschaffenen Forschungsschwerpunkt Verkehr des DLR gut vorstellen. Frage: Nochmals auf die Innovationsgeschwindigkeit zurückzukommen. Ich nehme mal an, dass insbesondere Ihre Branche sich permanent neuen Trends anpassen muss. Unterliegen die Entwicklungsaktivitäten von SIMPACK einem hohen Innovationsdruck? Dr. Eichberger: Der Kunde ist nie mit Software zufrieden, weil der Innovationsdruck sowie die Innovationsgeschwindigkeit extrem hoch sind, ebenso der Wettbewerbsdruck. Trotzdem kann man mit einer Software wie SIMPACK diesem Innovationsdruck standhalten. Frage: Wenn ein Kunde sich entschieden hat, Ihr Produkt zu kaufen, besteht in der Zukunft auch eine Abhängigkeit des Kunden an Ihre Weiterentwicklungsfähigkeit? Dr. Eichberger: Sicherlich, wenn sich eine Firma entschließt, so ein Produkt einzusetzen, dann ist der Kaufpreis das geringste. Die Leute müssen geschult und ausgebildet werden. Es müssen virtuelle Prototypen, die nur mit dieser Software

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dann funktionieren, erzeugt werden. Darin stecken Mannjahre, z.T. Mannjahrzehnte. Das erzeugt natürlich eine starke Abhängigkeit dieser Firmen vom Softwarelieferanten. Dies ist wiederum die Verpflichtung, speziell für INTEC und insbesondere auch für das DLR, sich nach anfänglichen Erfolgen nicht aus einer Geschichte zurückziehen zu können, sondern hier weitermachen zu müssen. Frage: Insbesondere kleine und mittlere Firmen können aufgrund ihrer Unternehmensstruktur, den kurzen Entscheidungswegen und schnellen Umsetzungsprozessen sehr flexibel auf Kundenwünsche reagieren, was ihnen im Gegensatz zu ihren großen Konkurrenten einen enormen Wettbewerbsvorteil ermöglicht. Welche Rolle spielt für Sie Flexibilität und die Fähigkeit, Neuerungen sprich Anpassungsinnovationen oder Erweiterungsinnovationen beim Kunden schnell, präzise und effizient umzusetzen? Dr. Eichberger: Der Kunde möchte die maximale Flexibilität und 100-prozentige Verfügbarkeit. Die kann man mit genügend Personal allein nicht vorhalten, weil der Kunde dies nicht bezahlen kann. Um erfolgreich zu sein, muss man sehr viel flexibler als unsere Mitbewerber sein. Und das ist hier im deutschsprachigen Raum bzw. in Europa natürlich der Fall, weil ein US-Anbieter nicht so schnell reagieren kann und nicht so flexibel ist. Vielleicht ist für ihn der europäische Markt auch nicht so wichtig, wie für uns, so dass uns eben bescheinigt wird, dass wir flexibler als unsere beiden Hauptkonkurrenten hier am Markt reagieren. Frage: Wie sieht Ihr Personalbedarf aus?

Dr. Eichberger: Mit dem Umsatz wächst auch der Personalbedarf. Die Internationalisierung des Vertriebs und die bereits angesprochenen Entwicklungsschritte erfordern zusätzliches Personal. Wir rechnen bis Ende 2000 mit insgesamt 25 Mitarbeitern und werden in 2001 sicherlich mit 15 bis 20 Mitarbeitern aufstocken. Frage: Es arbeiten weitere DLR-Mitarbeiter in Ihrer Firma. Hätten Sie auch auf externe Arbeitskräfte zurückgreifen können oder war das vorhandene Know-how ein ausschlaggebender Faktor Ihrer Personalplanung? Dr. Eichberger: SIMPACK wurde beim DLR entwickelt und so ist es ganz natürlich, dass Mitarbeiter aus diesem Bereich mit einschlägigem Wissen von besonderem Vorteil sind. Zusätzlich mussten wir, um unseren Personalbedarf zu decken, auch Mitarbeiter aus externen Instituten rekrutieren. Wir treten dabei auch verstärkt an ausländische Absolventen heran. Frage: Nochmals zurückzukommen auf Ihre Entstehungsphase. Welche DLR-internen Hilfen oder Hürden bestehen bzw. bestanden in der Anfangsphase? Dr. Eichberger: Die Hilfe war zum einen infrastruktureller Natur, wie Räumlichkeiten, Netzanschluss usw. Zum anderen konnten wir jederzeit auf die technologische Expertise des DLR schnell und unbürokratisch zugreifen. Hürden gab es keine, die Anfangsplanung war damals mit dem Vorstandsmitglied Prof. Blum sehr gut abgestimmt.

Dr. Eichberger: Zur Zeit gibt es ein gemeinsames europäisches Forschungsvorhaben. Zusätzlich unterstützen wir uns gegenseitig bei der Akquirierung von Aufträgen und Drittmittelaufträgen hauptsächlich im Umfeld der Schienenfahrzeughersteller und Bahnbetreiber. Frage: Welche Rückwirkungen gehen aus Ihren Tätigkeiten auf Forschungsaktivitäten des DLR über? Dr. Eichberger: Durch die mittlerweile intensive Nutzung von SIMPACK in der Industrie, werden laufend weitere Anforderungen an die Weiterentwicklung der Software an uns herangetragen. Wir filtern diesen Rückfluss und transportieren die forschungsrelevanten und methodischen Belange an das DLR weiter. Damit hoffen wir, einen Spin-on-Beitrag zu leisten, so dass die Anwendungsorientierung des Forschungsunternehmens DLR auf dem gewohnt hohen Niveau bleibt. Herr Dr. Eichberger, ich danke für dieses Gespräch.

Dr.-Ing. Alexander Eichberger, Geschäftsführender Gesellschafter der INTEC Ingenieursgesellschaft für neue Technologien mbH.

Frage: Welche Kooperationen existieren mit dem DLR auf anderen Gebieten wie z.B. Marketing und Messen?

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Intelligente Sensoren messen die Gebäudestatik

Wie stark schwankt der Eiffelturm? D

ie OSMOS DEHA-COM GmbH ist eine kleine, hochinnovative europäische Firma mit insgesamt 20 Mitarbeitern. Seit 1996 hat sie ihre Fertigung und Produktion in Köln-Porz auf dem Gelände des DLR aufgebaut. Weitere Standorte sind Frankreich und die Niederlande. Die acht Mitarbeiter der Ansiedlung auf dem DLR-Gelände in Köln-Porz sind mit der Entwicklung und Fertigung von Sensoren für statische und dynamische Deformations- und Verschiebungsmessungen betraut. Dazu stellen sie außer den Sensoren ebenfalls die nötige Hardware und Software für die Auswertung der Messsignale und für die Datensicherung sowie für die Datenfernabfrage, z.B. per Modem, her. Diese Messungen geben Aufschluss über die mechanische Stabilität und Belastbarkeit der untersuchten Prüfobjekte. Die Sensoren werden für vielseitige Überwachungszwecke eingesetzt: Bauwerke und Ingenieurbauten wie z.B. Hochhäuser, Stadien, Tunnel, Staudämme von Talsperren, geotechnische Objekte wie Erdanker oder Erdrutsche, oder Maschinenfundamente. Als Dienstleistung bezieht der Kunde in regelmäßigen Abständen Monitoring-Berichte, aus denen ersichtlich ist, inwieweit sich das Prüfobjekt verändert hat, ob seine Sicherheit noch gewährleistet ist und wie lange eine Nutzung noch möglich

sein wird. Daraus ergeben sich zusätzlich wertvolle Informationen für die Investitionsplanung des Kunden. Das Monitoring-Verfahren wurde in Zusammenarbeit mit großen Baufirmen im Kölner Raum entwickelt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Nähe zu einem großen Partner wie dem DLR vorteilhaft, da somit fruchtbare Zusammenarbeiten in verschiedenen Projekten entstehen können. Zielgruppe der Firma sind alle Betreiber von Bauwerken (insbesondere Brücken und Tunnel) oder Konstruktionen, Ingenieurbüros sowie Geotechniker. Einen Namen hat sich OSMOS DEHA-COM hauptsächlich im Monitoring von Hochund Tiefbauten aufgebaut. Sensoren mit den Eigenschaften, die eine gleichzeitige Erfassung von statischen und dynamischen Daten über lange Zeiträume ermöglichen, sind weltweit einzigartig. Die sich daraus ableitende Serviceleistung für den Kunden, die sogar Aussagen über die Stabilität und Restlebensdauer des Bauwerks ermöglicht, ist unvergleichbar. Es gibt Produkte von anderen Firmen, die Teilbereiche abdecken und eingesetzt werden können, wo nur punktuelle Informationen benötigt werden.

datenerfassung, z.B. durch den Einsatz der Lasertechnik und im Bereich der Software, wie Anpassung an neue Betriebssysteme, vorgesehen. Die dazu nötigen mechanischen und elektronischen Komponenten und Baugruppen werden von OSMOS DEHA-COM entworfen und von Dienstleistern gefertigt. Einzelne Entwicklungsaufgaben können vom DLR durchgeführt werden. Die Entwicklung der Branche ist nicht so sehr durch den technischen Fortschritt bestimmt, sondern aufgrund des gesteigerten Sicherheitsbewusstseins der Betreiber von Bauwerken, Mülldeponien usw. nimmt die Nachfrage nach MonitoringSystemen schnell zu. Einige Messungen, wie z.B. Vibrationsmessungen, sind durch Entwicklungen des DLR (Braunschweig) verbessert worden und werden von den Systemen der Firma im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts (BRITE EuRAM) ausgewertet. OSMOS DEHA-COM GmbH Linder Höhe, D-51147 Köln Tel.: 0 22 03/9 66-52 0 Fax.: 0 22 03/9 66-52 52 E-Mail: [email protected] Internet: www.osmos-group.com

Dr. Jürgen Braunstein, Technischer Direktor der OSMOS DEHA-COM GmbH.

Die Sensoren sind technisch ausgereift, was jedoch nicht konstruktive Veränderungen in Teilbereichen ausschließt. Verbesserungen sind im Bereich der Mess-

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Von Beate Warneck

Von der Forschung prof Unternehmen berichten über die Kooperation mit dem

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ie komplexen Strukturveränderungen auf den globalen Märkten konfrontieren Unternehmen mit dem Problem einer Neuorientierung ihrer Unternehmenspolitik und Firmenstrategie, wollen sie sich den veränderten Anforderungen stellen. Neue Technologien, wie Mikroprozessoren, die Glasfaser-, Laser- oder die Biotechnologie und neue Werkstoffe haben den technologischen Wandel des beginnenden 21. Jahrhunderts eingeleitet und damit ein neues Paradigma der industriellen Innovationen geschaffen. Unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am technologischen Fortschritt ist Forschung und Entwicklung (F&E), die zum Schlüsselbegriff unternehmerischen innovativen Handelns in bestimmten Industrien wird. Unter F&E werden hier diejenigen Aktivitäten verstanden, die darauf ausgerichtet sind, für neue und alte Probleme systematisch nach technisch verbesserten Lösungen zu suchen und diese Lösungen in die wirtschaftliche und industrielle Praxis umzusetzen. Je nach unternehmensbezogenen Potenzialen und Absichten kann technologisches Wissen intern durch eigene F&EAktivitäten gewonnen oder extern über den Markt bezogen werden, zum Beispiel über Forschungsunternehmen. Eng mit F&E ist der Transfer technologischen Wissens verbunden, d.h. der Informationsimport aus der technischen Umwelt des Unternehmens in die mit der technischen Realisierung von Ideen befassten Teams. Damit werden die Interdependenzen von F&E, Technologietransfer und Innovation deutlich. Mit dem technologischen Wandel gehen strukturelle Veränderungen der Unternehmensumwelt einher. Sie treten dann auf, wenn aufgrund von Externalisierung

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bestimmter Unternehmensbereiche es zu einer Reduktion der Fertigungstiefe und einer Einebnung der Wertschöpfungskette von Unternehmen kommt, indem Funktionen auf die „Vorlieferanten“ verlagert werden. Die zunehmende internationale Verflechtung und Integration der Märkte ist eng verbunden mit dem Transfer technologischen Know-hows auch auf internationale Märkte. Mit einer zunehmenden Homogenisierung der Nationen geht eine Globalisierung der Nachfragestruktur einher. Unternehmen sind gezwungen, durch neue Verfahrens- und Produkttechnologien ihr Produktspektrum aufzufächern, was zu einer Verschiebung in dem für die Erzeugung und Vermarktung einer Produktgattung notwendigen Kompetenzprofil und damit schließlich zu einer Änderung der Branchenstruktur (Branchengrenzen) führen kann. Die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, aber auch gesamter Volkswirtschaften, wird in zunehmendem Maße durch das vorhandene Innovationspotenzial bestimmt. Der technologische Fortschritt, Marktsättigung und ein verstärkter Wettbewerb sowie die Differenzierung der Nachfrage sind verantwortlich für die Verkürzung der Produktlebenszyklen. Ein zunehmender Anteil des Unternehmensumsatzes wird durch neue Produkte erzielt, was zur Folge hat, dass die Innovationsrate (vereinfacht: die Funktion des Umfangs der Produktion von F&E-Gütern und der Geschwindigkeit ihrer wirtschaftlichen Verwertung) steigt. Gleichzeitig nimmt die für Forschung, Entwicklung und Vermarktung von Innovationen zur Verfügung stehende Zeit rapide ab. Innovationsfähigkeit ist damit durch einen stetig steigenden Finanzbedarf gekennzeichnet. Eine Steigerung der Innovationskraft und die damit verbunde-

ne Verbreitung der F&E-Basis des jeweiligen Unternehmens ist vielfach aber aus eigener Kraft weder möglich noch wirtschaftlich sinnvoll. Die beschriebenen Entwicklungen im Wettbewerbsumfeld von Unternehmen illustrieren einerseits die Notwendigkeit von Innovationspotenzialen als Voraussetzung wirtschaftlichen Wachstums, andererseits verdeutlichen sie auch, dass aufgrund steigender Risiken und größenspezifischer Nachteile ein Alleingang den strategischen Aktionsradius der Unternehmen begrenzt. Daraus kann man schließen, dass der Erfolg von Unternehmen, Branchen, Wirtschaftsregionen und ihre Teilhabe am wirtschaftlichen Umgestaltungsprozess nur durch einen verstärkten Einsatz kooperativer Vorgehensweisen gelöst werden kann. Der technologische und ökonomische Wandel vollzieht sich allerdings keineswegs linear, sondern diskontinuierlich. Diskontinuitäten bedeuten für die involvierten Unternehmen unsichere und wenig eindeutige Situationen, in denen sie entscheiden müssen. Dies betrifft nicht nur das einzelne Unternehmen, sondern hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Unternehmen bzw. Unternehmen und Forschungsunternehmen. Um sich stabile und vorhersehbare Muster der Umwelt zu schaffen, in denen das Maß der Unsicherheit reduziert wird, bietet sich für Unternehmen eine Zusammenarbeit mit Forschungsunternehmen an. Solche Kooperationen entstehen durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit oder im Zuge einer begrenzten Funktionsausgliederung durch eine „Lockerung“ hierarchisch koordinierter Austauschbeziehungen, mit anderen Worten durch Quasi-Internalisierung oder Quasi-Externalisierung.

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g profitieren on mit dem DLR

Kooperationen sind demnach Reaktionen auf Veränderungen im gesamtwirtschaftlichen Wettbewerbsumfeld von Unternehmen. Sie sind allerdings auch durch Rückkopplung mit der Gesamtwirtschaft verbunden. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die durch Kooperationsstruktur intendierte Steigerung der einzelwirtschaftlichen Effizienz in wechselseitiger Beziehung zur gesamtwirtschaftlichen Effizienz steht.

In den folgenden Beispielen soll seitens Industrieunternehmen bzw. KMU’s aufgezeigt werden, wie die Zusammenarbeit im F&E-Bereich mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt dazu beigetragen hat, neue Verfahrens- und Produkttechnologien zu realisieren und dadurch Handlungsmaxime geschaffen wurden, als Antwort auf strukturelle Veränderungen der Märkte.

Dipl.-Kauffrau Beate Warneck, Koordination Technologiemarketing und -transfer.

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ie digitale Photogrammetrie hat längst Einzug gehalten in die Kartographie. Aber es gibt immer noch keine kommerziell erhältliche digitale Luftbildkamera. Die Bilder werden immer noch mit filmbasierten Luftbildkameras erzeugt, die dann entwickelt und digital abgescannt werden müssen. Bei der weltweiten Suche nach einem Entwicklungspartner für eine digitale Luftbildkamera wurde die Firma LH Systems im DLR fündig. Hier wurden aus der Grundlagenforschung heraus digitale Stereokameras für die Erkundung des Planeten Mars entwickelt: eine hochauflösende multispektrale Stereokamera HRSC und eine Weitwinkel-Stereokamera WAOSS. Beide arbeiten mit CCD-Zeilen. Die Flugzeugvariante der HRSC ist gegenwärtig in vielen Projekten eingesetzt und unterstützt die Markteinführung der ADS (Airborne Digital Sensor). Das zukunftsweisende Konzept der Weitwinkel-Stereokameras WAOSS/WAAC dient als Basis für die gemeinsame Entwicklung einer multispektralen photogrammetrischen Kamera für Photogrammetrie und Fernerkundung. LH Systems hat das neue Produkt mit dem Namen ADS40 als erste kommerzielle digitale photogrammetrische Kamera der Welt auf dem ISPRS-Kongress im Juli dieses Jahres in Amsterdam sehr erfolgreich in den Markt eingeführt. LH Systems wurde am 1. Juni 1977 gegründet zur Weiterführung des LeicaPhotogrammetrie- und LuftbildkameraGeschäftes auf weltweiter Basis, sowie des kommerziellen Photogrammetriesystem-Geschäfts der Helava Associates Inc., einer Tochter von GDE Systems, welche heute zum British Aerospace Konzern gehört.

Dr. Rainer Sandau, Direktor Airborne Systems bei der Firma LH Systems.

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Technologietransfer vom Mars au

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m Mars auf die Erde

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Robotik: Marktvorteile durch Raumfa

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h Raumfahrt-Technologie

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ie KUKA Roboter GmbH ist einer der global führenden Hersteller von Industrierobotern. Die Kernkompetenz des Unternehmens liegt in der Entwicklung und Produktion sowie im Vertrieb von Industrierobotern, Steuerungen, Software und Lineareinheiten. Im Jahr 1999 belegte KUKA mit 5.600 gefertigten Robotern Rang zwei in Europa und weltweit die dritte Position. Merklichen Anteil an diesem Ergebnis hatten die von KUKA angebotenen Dienstleistungen. Dazu zählen beispielsweise ein prompter After-Sales-Service und Schulungen für Mitarbeiter der Anwender. Als Global Player unter den Roboterherstellern schuf KUKA außerdem geeignete Strukturen, um überall auf der Welt eine hohe Verfügbarkeit der Roboter zu garantieren. Einen wichtigen Beitrag zu unserem Erfolg leistete auch die Kooperation mit dem DLR, Institut für Robotik und Mechatronik. Exemplarisch stehen dafür die vom DLR kreierten modellbasierten Echtzeitbahnplanungsalgorithmen. Sie bilden eine entsprechende Grundlage, damit die KUKA-Roboter heute um bis zu 30 Prozent schneller arbeiten können und dabei die maximal zulässigen Motor- und Getriebemomente automatisch einhalten. Die Roboter wissen jetzt an jedem Punkt ihrer Bahn, unter Berücksichtigung aller komplexen dynamischen Verkopplungen, wie stark sie noch beschleunigen dürfen, ohne ihre Gelenke zu überlasten. Früher musste man sich hierfür oft tagelang durch „Trial and Error“ an die Leistungsgrenzen herantasten. Mit Hilfe der vom DLR für die Flugregelung entwickelten, diverse Ziele verfolgenden Optimierungsverfahren werden die Gelenkregler-Algorithmen unserer Roboter nun quasi über Nacht selbsttätig eingestellt, und zwar bestmöglich und robust. Hierbei ersetzen vielschichtige Berechnungsmethoden, die mehr als 20 Kriterien parallel optimieren, die vorher üblichen langwierigen Einstellvorgänge.

auf DLR-Aktivitäten zurück. Gegenwärtig wird mit Hochdruck an Algorithmen zum Verbessern der Bahngenauigkeit und des Schwingungsverhaltens gearbeitet. Vielleicht bremsen die Roboter bald durch die Rückkopplung von Beschleunigungssignalen ruckartig und hochpräzise aus einer schnellen Bewegung ab, statt ein paar Sekunden überzuschwingen. Daraus würden nochmals verkürzte Taktzeiten, zum Beispiel beim Punktschweißen, resultieren. Erste Labortests der DLR-Verfahren nähren die Hoffnung, dass ein großer Fortschritt in Richtung hochdynamischer Bahntreue greifbar nahe ist. Aber auch die standardmäßige Integration der DLR-Space Mouse in die Windows-basierten Programmier-Panels der KUKA-Steuerung hat uns beachtliche Vorteile hinsichtlich einer leichteren Programmierbarkeit unserer Roboter gebracht, indem die Space Mouse ein intuitives, räumliches Steuern der Roboter erlaubt. Und für die nähere Zukunft gehen wir fest davon aus, dass die gemeinsam mit dem DLR entwickelte, schnelle Sensorschnittstelle eine neue Ära der Industrierobotik im Hinblick auf intelligentere, weil sensorgeführte Roboter einleitet. Diese mit „Auge und Gefühl“ ausgerüsteten Roboter bieten dann ein nachhaltig erweitertes Einsatzspektrum und stehen somit für noch mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Eine zentrale Funktion wird dabei das gemeinsam, im Sinne eines Joint Ventures von KUKA und ehemaligen Institutsmitarbeitern gegründete DLR-Spin-offUnternehmen AMATEC wahrnehmen. AMATEC ist in zwei Jahren schon auf über 30 Beschäftigte gewachsen und dürfte künftig, vor dem Hintergrund des Technologie-Transfer-Gedankens, weitere industrielle Arbeitsplätze schaffen.

Dipl-Math. Bernd Liepert, Sprecher der Geschäftsführung der Firma KUKA Roboter GmbH.

Die in der KUKA-Steuerung implementierten Prozesse zum Vermeiden von Singularitäten und zur automatischen Lastschätzung über die benötigten Motorströme gehen ebenfalls ganz wesentlich

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INNOVATION

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nfrarot-Messtechnik wird vom DLR seit Jahren erfolgreich in der Fernerkundung der Erde aus dem Weltraum eingesetzt. Die Erkundung im Infraroten wird jetzt auch von einem Sensorsystem genutzt, welches das Auffinden von Jungwild im Gründland erlaubt. Ein System aus mehreren Infrarot-Detektoren spürt die Tiere auf, um diese vor dem Tod durch ein Mähwerk während der Frühjahresmahd zu schützen. Die Firma ISAIndustrieelektronik GmbH entwickelte dieses Gerät in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung in Oberpfaffenhofen und führte es 1999 im Markt ein. In einem gerade angelaufenen Projekt (gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt) wird in dieser Kooperation das Detektorsystem spektral erweitert, um genauere Aussagen über das erfasste Objekt treffen zu können. Die Firma ISA-Industrieelektronik GmbH partizipiert am (oftmals patentrechtlich abgesicherten) Know-how des DLR und versucht dieses in Form innovativer Produkte am Markt zu platzieren. Dieser Technologietransfer hat für unser Unternehmen neue Möglichkeiten der Produktentwicklung von elektronischen Komponenten im industriellen Einsatzbereich eröffnet. Ein mittelständisches Unternehmen hat oft nicht die Möglichkeit, komplexe Fragestellungen allein im eigenen Hause zu beantworten. Das DLR bietet hier ein breites Spektrum an Kompetenz und ist in der Lage, mit unserem Hause diese Themen zu erarbeiten. Unser Unternehmen erhofft sich durch die Kooperation mit dem DLR eine langfristige wirtschaftliche Zukunftssicherung.

Dr.-Ing. Roland Nietsche, Geschäftsführer der Firma ISA Industrieelektronik GmbH.

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Für Satelliten entwickelt, in der L

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t, in der Landwirtschaft genutzt

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Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 15:18 Uhr Seite 54

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Software-Lösungen aus der Raumfahrt

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ahrt

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ie IS Integriende Softwaresysteme GmbH wurde 1995 von ehemaligen Mitarbeitern des DLR gegründet. Ziel des Unternehmens war das im DLR erarbeitete Know-how zur Integration von Auslegungsverfahren für die Entwicklung von Raumtransportsystemen (Projekt TRANSYS) auch über das Anwendungsfeld der Luft- und Raumfahrt hinaus zu vermarkten. Der Sitz des Unternehmens befand sich zunächst auf dem Gelände des DLR-Forschungszentrums in Köln. Bis Ende 1999 wuchs die Belegschaft von anfänglich fünf auf über 20 Mitarbeiter an, weshalb zu Beginn des Jahres 2000 der Umzug in neue Geschäftsräume im Rheinischen Technologiezentrum in Köln-Kalk anstand. Konzentrierten sich die Aktivitäten anfänglich auf den Bereich der Luft- und Raumfahrt, so fand mit der Expansion des Unternehmens auch ein Vorstoßen in neue Betätigungsfelder statt. Zu diesen zählen der Automobilbau, der allgemeine Maschinenbau, der Anlagenbau, die Büro- und Datentechnik und auch die Möbelindustrie. Begleitet wird die Expansion von IS seit Mitte 1997 von der Technomedia Kapitalbeteiligungsgesellschaft Köln mbH, die dem Unternehmen als Gesellschafter nicht nur in finanziellen, sondern auch in allen betriebswirtschaftlichen, juristischen und strategischen Belangen zur Seite steht. Zur Umsetzung des Firmenziels, wurde und wird das ursprüngliche Knowhow derart weiterentwickelt, dass IS heute Dienstleistungen zur Optimierung des komletten Produktentstehungsprozesses anbieten kann. Dazu schauen wir uns zunächst die bestehenden Prozesse beim Kunden an, erkunden das Potenzial für eine Optimierung und erarbeiten dann eine kundengerechte Lösung.

Die Vielfalt möglicher Beschleunigungsund Verbesserungsansätze ist groß und wird letztendlich von den Kundenwünschen näher bestimmt. Einige wichtige Bereiche kann man jedoch nennen: - Integration von Berechnungs- und Auslegungsprogrammen jeder Art mit den in einem Unternehmen eingesetzten CADSystemen, - Integration der Datenhaltung und Datenkommunikation, - Entwicklung dynamischer Produktkonfiguratoren durchaus auf der Basis von Standard-PDM/EDM-Systemen oder über ein ERP-System wie z.B. SAP, - Automatisierung routinemäßiger Arbeitsabläufe innerhalb von CAD-Systemen, - Abbildung von Konstruktionswissen in Software, - Automatisierte Variantenbildung bei perfekter Parametrisierung, - Aufbau firmenspezifischer Werkzeugbibliotheken, - Automatisierung komplexer Zusammenbauten, - Automatische Ausleitung und Verteilung fertigungsgerechter Dokumente wie Zeichnungen oder Stücklisten sowie von Vertriebsunterlagen. IS wickelt die Erstellung von Kundenlösungen grundsätzlich mit Projektteams ab, zu denen auch Mitarbeiter des Kunden gehören. Über eine konsequente Erfolgssteuerung, die Budget-, Ressourcenund Terminplanung einschließt, setzen wir die gewünschten Lösungen zum Nutzen unserer Kunden um. Für die nächsten Jahre planen wir eine weitere Expansion von IS. Im Vordergrund steht hierbei auch das Eingehen strategischer Allianzen mit Unternehmen, die die IS Dienstleistungspalette komplementär ergänzen.

Dr.-Ing. Alf Daum, Geschäftsführer der Firma IS Integrierende Softwaresysteme GmbH.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 15:27 Uhr Seite 56

High-Tech-Materialien leicht gemacht

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ie Schütze GmbH & Co. KG mit Sitz in Braunschweig und einer Produktionsstätte in Dorsten im Ruhrgebiet beschäftigt sich mit der Entwicklung und Herstellung stabförmiger Leichtbaustrukturen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Das Innovationspotenzial dieser Leichtbaustäbe zeigt sich in über 20 erteilten Patenten, die vom DLR gehalten werden. Ein Lizenzvertrag ermöglicht dem Unternehmen mit z.Zt. acht Mitarbeitern Entwicklung, Fertigung und Vertrieb der Stäbe und erbringt dem DLR seit Jahren regelmäßige und ständig zunehmende Lizenzeinnahmen. Die Leichtbaustäbe mit entsprechend angepassten Krafteinleitungen werden überwiegend im Luft- und Raumfahrtbereich eingesetzt. So befinden sich allein in der tragenden Struktur des neuen Zeppelin NT ca. 2.500 Meter davon. Weiterhin werden sie serienmäßig als Stoß- und Steuerstangen für Ruder und Klappen von Segelflugzeugen und Motorseglern verwendet. CFK-Leichtbaustäbe ermöglichen extrem leichte und steife Fachwerkstrukturen sowie ausfahrbare Booms, wie sie auf Raumfahrzeugen, insbesondere für interplanetare Raumsonden, benötigt werden. Anwendungsbeispiele sind die Projekte ROSETTA-Lander und MARS-Netlander. Außerhalb von Luft- und Raumfahrt gibt es eine Fülle anderer Einsatzgebiete dieser allgemein anwendbaren Strukturelemente. Der Maschinenbau nimmt inzwischen auch im Umsatz der Firma Schütze einen immer breiteren Raum ein. Speziell in der Messtechnik ist man an den hohen gewichtsbezogenen Steifigkeiten und der geringen Wärmedehnung der Leichtbaustäbe sehr interessiert. So werden Taststiftverlängerungen für Koordinatenmessmaschinen sowie Maßkörper für Messroboter serienmäßig hergestellt. Ebenfalls in größerer Anzahl werden Walzen und Tänzer für Textil- bzw. Garnspulmaschinen produziert.

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Immer interessanter werden derzeit die von der Firma Schütze entwickelten aktiven Leichtbaustäbe, die mit Hilfe eines in die Struktur integrierten Piezoaktuators ihre Länge ändern können und sich daher insbesondere für aktive Schwingungsunterdrückung wie auch für Mikropositionierungen eignen.

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Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 15:29 Uhr Seite 58

Die DLR-Institute im Überblick

Know-how für die Industrie D

as DLR betreibt acht Forschungszentren (Berlin-Adlershof, Braunschweig, Göttingen, Köln-Porz, Lampoldshausen, Neustrelitz, Oberpfaffenhofen und Stuttgart) mit über 30 Instituten und wissenschaftlichtechnischen Einrichtungen. 2.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie 460 Doktoranden und JungwissenschaftlerInnen erarbeiten neue Erkenntnisse, die in Zusammenarbeit mit der Industrie zu Produktinnovationen führen. Auf den folgenden Seiten wird ein Überblick über die Forschungskapazität sowie die Infrastruktur (Mess- und Prüfstände) des DLR gegeben. Somit können sich Firmen direkt mit den jeweiligen Leitstellenkoordinatoren (siehe nebenstehender Kasten) an den regionalen Standorten in Verbindung setzen, um gemeinsam mit den Instituten gezielt Problemlösungen zu erarbeiten.

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InnovationsLeitstellen Ansprechpartner für die Industrie Leitstelle Berlin-Adlershof Dr. Cornelia Schlesier Rutherfordstraße 2 12489 Berlin Telefon: 030-67055-155 Fax: 030-67055-170 E-Mail: [email protected] Leitstelle Göttingen/Braunschweig Burkhard Binder Bunsenstraße 10 37073 Göttingen Telefon: 0551-709-2374 Fax: 0551-709-2822 E-Mail: [email protected] Leitstelle Köln-Porz Jochen Krampe Porz-Wahnheide/Linder Höhe 51147 Köln Telefon: 02203-601-36 65 Fax: 02203-69 56 89 E-Mail: [email protected] Leitstelle Neustrelitz Hans-Hermann Vajen Kalkhorstweg 53 17235 Neustrelitz Telefon: 03981-480-172 Fax: 03981-480-270 E-Mail: [email protected] Leitstelle Oberpfaffenhofen Dr. Hartwig von Bülow Thorsten Rudolph Münchner Straße 20 82234 Weßling Telefon: 08153-28-1785 (1782) Fax:08153-28-1780 E-Mail: [email protected], [email protected] Leitstelle Stuttgart/Lampoldshausen Dr. Martin Nedele Pfaffenwaldring 38 - 40 70569 Stuttgart Telefon: 0711-6862-477 Fax: 0711-6862-239 E-Mail: [email protected]

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 15:32 Uhr Seite 60

Oberpfaffenhofen

Institut für Robotik und Mechatronik Die Fachgebiete des Instituts für Robotik und Mechatronik sind Regelungstechnik, Sensorik und Aktuatorik, intelligente Steuerungen und MenschMaschine-Schnittstellen. Anwendungen in der Raumfahrt-Robotik haben die Entwicklung von mechatronischen Komponenten und Systemen vorangetrieben. Ein Beispiel ist die Entwicklung einer multisensoriellen Vierfingerhand mit zwölf Freiheitsgraden, deren Antriebe vollständig in den Fingern und der Handfläche integriert sind. Die DLR-Hand, deren zweite Generation jetzt in Entwicklung ist, gilt als die weltweit komplexeste aller bisher gebauten Roboterhände. Weitere Schwerpunkte sind Assistenzsysteme, die den Menschen entlasten, sowie Konzepte der Telepräsenz und Telerobotik.

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Bei der Reglerauslegung für Roboter, Flugzeuge und Fahrzeuge muss der gesamte Entwurfsprozess durch geeignete Methoden und Software unterstützt werden. Diese reichen von der multidisziplinären Modellierung und Simulation über die Auslegung und Analyse robuster Regelungssysteme bis hin zur automatischen Reglercode-Erzeugung. Beispiele der Anwendung sind die Verminderung von Lasten und damit Gewicht im Seitenruder des Airbus, robuste Stabilisierung, sowie der Entwurfsprozess und die Flugerprobung von Autopilotenfunktionen. Außerhalb der Luft- und Raumfahrt finden die Forschungsergebnisse insbesondere in der Industrie-Robotik (z.B. Steuerung von Industrierobotern), in der Automobiltechnik (z.B. Drive-by-wire) und in der Medizin (z.B. Telemedizin, Chirurgie) Anwendung. Hierbei kooperiert das Institut mit verschiedenen Firmen, mit Kliniken und anderen Einrichtungen.

Köln-Porz

Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin Das Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin befasst sich in seinen Tätigkeiten mit der Aufgabe, Vorsorge für Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen in der mobilen Gesellschaft zu leisten. Dabei konzentriert sich die Tätigkeit auf Luft- und Raumfahrtmedizin, in zunehmendem Maße auch auf Telemedizin sowie auf Reise- und Verkehrsmedizin. Die spezielle Expertise des Instituts besteht hier in der Analyse der Leistungsfähigkeit von Menschen unter den jeweils relevanten Bedingungen. Zusätzlich wird Grundlagenforschung zur Klärung von Fragen der besonderen Bedingungen des Weltraums für lebende Systeme durchgeführt. Bei den Arbeiten konzentriert sich das Institut darauf, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die nicht nur für die direkte Aufgabenstellung, sondern

darüber hinaus generell für die Zukunft der Medizin von Bedeutung sein können. Deshalb sehen wir die Aufgabe der Betreuung von Astronauten als modellhafte Aufgabe der zukünftigen Betreuung des Patienten in der Medizin. Wie der Astronaut muss dieser individuell unter Einbeziehung allen über ihn vorhandenen Wissens jeweils dort optimal betreut werden können, wo er sich befindet. Durch geeignete Prophylaxemaßnahmen muss das Auftreten von Krankheiten möglichst verhindert werden. Dafür sind Fortschritte auf den Gebieten der Medizintelematik und der Telemedizin, der nichtinvasiven Diagnostik und gegebenenfalls der minimalinvasiven Therapie, Erkenntnisse über die genetische Disposition (Biosensorik für Geno- und Phänotypisierung) sowie ein Systemansatz und wissensbasierte Systeme nötig, mit deren Hilfe einer einzelnen Person individuell konkrete Ratschläge gegeben werden können.

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Köln-Porz

Institut für Werkstoff-Forschung Das Institut für Werkstoff-Forschung erarbeitet Lösungen für neue Werkstoffe und Verarbeitungsverfahren der Luftund Raumfahrt und transferiert diese in weitere Technologiebereiche wie Energie-, Verkehrs- und Messtechnik. Friction Stir Welding und Laserpulverschweißen erweitern das industrielle Einsatzspektrum von Aluminiumlegierungen im Transportbereich, Maschinen- und Anlagenbau. Grundlegende Untersuchungen zur Prozesstechnologie dieser innovativen Verbindungstechniken werden ergänzt durch die Bewertung der Schweißnähte und Komponenten hinsichtlich metallkundlicher, mechanischer und korrosiver Eigenschaften. Für hochempfindliche thermische Sensoren und umweltfreundliche thermoelektrische Generatoren mit Einsatzbereichen zwischen RT und 1.200

Grad Celsius werden die Halbleiter-Parameter optimiert und effektive Aufbau- und Verbindungstechniken entwickelt. Zu Wirkungsgradsteigerung und Schadstoffminderung von Flugtriebwerken und stationären Gasturbinen werden neuartige keramische Wärmedämmschichten auf höchstbelastete Turbinenschaufeln mit Hilfe von EB-PVD-Anlagen industrienah aufgedampft. Die physikalischen Eigenschaften der Schichten werden grundlagenorientiert bewer-

tet, ihr technologisches Verhalten mit Hilfe komplexer Prüfverfahren anwendungsnah bestimmt. Für Brennerräume und Heißgasführungen sowie als Thermalschutzsysteme werden Bauteile aus oxidkeramischen Verbundwerkstoffen hergestellt. Innovative Prozess- und Beschichtungsverfahren sowie optimierte Faser-Matrix-Architektur gewähren auch bei langzeitigem Hochtemperatureinsatz in oxidierender Atmosphäre hohe Schadenstoleranz.

Stuttgart

Institut für Bauweisenund Konstruktionsforschung Das Institut für Bauweisenund Konstruktionsforschung befasst sich mit der Entwicklung von Hochleistungsstrukturen auf der Basis von Faserverbundwerkstoffen (PMC, CMC). Ein besonderes Augenmerk liegt bei kostengünstigen Fertigungs-, Verarbeitungs- und Fügetechniken. Beispielhaft sind hier HT-Bauteile für Triebwerke und Radome sowie Vakuuminfiltrationsverfahren für große Luftfahrtstrukturen zu nennen. Die Anwendung faserkeramischer Werkstoffe konzentriert sich auf Bauteile für Einsatztemperaturen bis 2.000 Grad Celsius wie thermische Schutzsysteme

Aus maßgeschneiderten mit kontinuierlichen SiC-Fasern verstärkten Titanmatrix-Verbundwerkstoffen werden Bauteile mit einzigartigem Leistungsspektrum hergestellt. Sie eignen sich als extrem belastete, bewegte Komponenten sowohl in Flugtriebwerken als auch im Rennsportbereich. Exzellente Ausrüstung und langjähriger Erfahrung erlauben Untersuchungen zum Ermüdungs- und biaxialen Fließverhalten für eine breite Palette von Werkstoffen.

und Wiedereintrittskörper für Raumfahrtanwendungen. Andere Einsatzmöglichkeiten sind im Verkehr und Maschinenbau (Notbremsen, Kupplungen, usw.), wo ihre guten Verschleiß- und Friktionseigenschaften sowie ihr geringes Gewicht von Vorteil sind. Ein dritter Schwerpunkt liegt in der Verbesserung der strukturellen Integrität von hochbeanspruchten Tragstrukturen unter schlag- oder stoßartiger Belastung. Neben Crashsimulationen für Flächenflugzeuge (Rümpfe) und erdgebundene Transportsysteme (Bahn, Bus, Pkw) werden auch Fremdkörpereinschläge und explosionsartige Lastfälle untersucht. Die numerischen Simulationsprogramme und die damit ausgelegten Strukturen werden experimentell verifiziert.

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INNOVATION

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Braunschweig

Institut für Strukturmechanik Die fachliche Kompetenz des Instituts für Strukturmechanik liegt im Leichtbau von Hochleistungsstrukturen, insbesondere mit Faserverbundwerkstoffen. Aufgabenschwerpunkte sind Adaptronik (DLR Center of Excellence), Strukturanalyse und Strukturtechnologie. Die Adaptronik bietet völlig neuartige Möglichkeiten, Leichtbaustrukturen den jeweiligen äußeren Bedingungen optimal anzupassen. Mit strukturkonform integrierten, aktivierbaren Materialien können Schwingungen und Lärm unterdrückt sowie Gestaltänderungen (z.B. adaptiver Flügel) und Positionsregelungen vorgenommen werden. Im Rahmen der Strukturanalyse wird untersucht, ob Strukturen unter mechanischen und thermischen Lasten die erforderliche Stabilität und Festigkeit aufweisen. Dazu werden schnelle Rechenver-

fahren entwickelt und durch Versuche verifiziert sowie Entwurfsregeln und Konstruktionsrichtlinien formuliert. Die Arbeiten zur Strukturtechnologie konzentrieren sich auf Auswahl und Entwicklung von Werkstoffen, fasergerechte

Konstruktion, kostengünstige Fertigungsverfahren, insbesondere mit neuen textilen Halbzeugen. Multiaxial-Gelege in Kombination mit einer Einseitennähtechnik führen zu sehr einfach herstellbaren, schadenstoleranten Struktur-

komponenten, z.B. für CFKZellenstrukturen zukünftiger Verkehrsflugzeuge. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung und Erprobung von Konstruktionswerkstoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe.

der Betrachtungen. Die Berechnung von Rotoren, Propellern, Gebläsen und Ventilatoren ist eine weitere Spezialität des Instituts. Lärmuntersuchungen an Flugzeugkomponenten und Hubschrauber-

rotoren und Arbeiten zur Lärmreduzierung sind ebenfalls ein wesentliches Arbeitsgebiet.

Windkanäle und Forschungsflugzeuge. Das Know-how sowohl beim Einsatz der Großrechner als auch von hochqualitativen Experimentalgeräten wird dabei im Institut entwickelt.

Braunschweig

Institut für Entwurfsaerodynamik Ziel der wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts ist die umfassende aerodynamische Gestaltung von Fluggeräten und deren Komponenten. Schwerpunkt der Arbeiten sind dabei die Entwicklung und Bereitstellung von industriell einsetzbaren Simulationsverfahren für Entwurfs- und Konfigurationsarbeiten, sowie Optimierungs- und akustische Verfahren. Des weiteren stehen die aerodynamische Auslegung und Bewertung von fortschrittlichen Fluggeräten und Komponenten, sowie die Entwicklung und Bereitstellung neuer aerodynamischer Technologien für Fluggeräte im Vordergrund

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Das Institut nutzt bei der Bearbeitung seiner Aufgaben leistungsfähige Großrechner,

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Göttingen

Institut für Strömungsmechanik Das Institut für Strömungsmechanik erarbeitet unter Einsatz experimenteller und numerischer Simulationsmethoden praktikable Lösungen für strömungstechnische Konzepte in der Luft- und Raumfahrt, der Energetik und dem Verkehr. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sind in folgende Themenbereiche gegliedert: Messverfahren und Strömungsanalyse: Entwicklung und Anwendung von fortschrittlichen, optischen Messtechniken für die Aerodynamik und Strömungstechnik. Das Institut erstellt lärmphysikalische Gutachten für Ministerien und Flughäfen. Strömungssteuerung: Es werden verbesserte Methoden zur Strömungsvorhersage und -steuerung entwickelt. Anwendungsschwerpunkte sind strömungsphysikalische Instabilitäten, Strömungsablösung und Wirbeldynamik bei Fahrzeugen und Anlagen.

Hochgeschwindigkeitsaerodynamik: Ziele sind unter anderem die Verbesserung der Manövrierfähigkeit und Widerstandsbeiwerte von Fluggeräten, Vermeidung von kritischen Strömungszuständen beim Wiedereintritt von Raumflugkörpern in die Erdatmosphäre. Aerothermodynamik: Es werden unter anderem die Kontamination durch Satelliten- und Raumtransporter-Triebwerke sowie die Außenaerodynamik und Wärmebelastung von Raumtransportern untersucht.

Oberpfaffenhofen, Braunschweig

Flugbetriebe Das DLR betreibt für Forschungszwecke auf den Gebieten Luftfahrt, Atmosphärenforschung und Erderkundung zur Zeit zwölf eigene Forschungsluftfahrzeuge und ist Halter von zwei Forschungsflugzeugen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.

Überschallwindkanäle: Hier werden aerodynamische Beiwerte der Raumfahrzeuge und Überschallfluggeräte bestimmt. Das Betriebsverhalten von Staustrahlantrieben für Raumflugzeuge sowie die Flugkörperaerodynamik werden optimiert.

Die Luftfahrzeuge werden für Nutzer aus Forschungseinrichtungen, aus der Industrie und von Behörden eingesetzt. In den letzten Jahren ist eine zunehmende Nutzung der Luftfahrzeuge durch europäische und internationale Organisationen festzustellen. Die EC hat zwei Flugzeuge als European Large Scale Facilities anerkannt.

Numerische Verfahren: Der Schwerpunkt liegt hier auf der Anwendung und Weiterentwicklung des TAU-Codes, der numerische Simulationen unterschiedlichster, komplexer Strömungsphänomene ermöglicht.

Das Einsatzprofil der Flugzeuge ist breit gefächert und umfasst die Erprobung neuer Regler für die Flugsteuerung und von Instrumenten zur Navigation bzw. Unterstützung der Flugverkehrskontrolle ebenso wie verschiedenste

und austauschbare In-situMessungen und Fernerkundung von Atmosphäre und Erdoberfläche. Die Flugzeuge werden weltweit auch unter schwierigen Umgebungsbedingungen eingesetzt. So wurden z.B. bei der langjährigen Teilnahme an Kampagnen in den Polargebieten, Verfahren mit Skibetrieb in Schnee und Eis auch abseits von Landepisten etabliert. Die verschiedenen Sensoren oder geänderten Flugzeugkomponenten machen umfangreiche Modifikationen an den Luftfahrzeugen erforderlich. Die DLR-Luftfahrzeuge verfügen aufgrund jahrelanger Betriebserfahrung über einen Modifikationsstandard, der neue Mess- oder Erprobungsaufgaben mit geringen Anpassungsarbeiten möglich macht. Die Luftfahrzeuge sind außerdem mit hochgenauer Basissensorik für Meteorologie, Strahlung, Flugzeuglage und Position ausgerüstet, die als prozessierte und qualitätsgeprüfte Daten zur Verfügung gestellt werden können und so jede missionsabhängige Spezialinstrumentierung ergänzen.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 15:49 Uhr Seite 64

Göttingen, Oberpfaffenhofen

systeme. Dazu gehören auch die notwendigen Raketendampferzeuger auf der Basis der Treibstoffe Sauerstoff und Alkohol. Für das ingenieurmäßige Design der Prüf-

standssysteme werden neben semi-empirischen Kennzahlkorrelationen in Verbindung mit Modellversuchen vermehrt numerische Methoden eingesetzt.

Institut für Aeroelastik und Fahrzeugsystemdynamik

Lampoldshausen

Raumfahrtantriebe Die Einrichtung Raumfahrtantriebe gliedert sich in drei Schwerpunkte: die Entwicklung fortschrittlicher Technologien für zukünftige Transportsysteme, den Betrieb von Großprüfständen im Auftrag der europäischen Industrie sowie der kontinuierlichen Weiterentwicklung der dafür notwendigen Mess-, Steuerungs- und Verfahrenstechnik. Die Aktivitäten zur Technologieentwicklung konzentrieren sich auf die Kernkomponenten chemischer Raketenantriebe – Einspritzsystem, Brennkammer, Schubdüse – und deren charakteristische Prozesse: Treibstoffzerstäubung, Verbrennungsführung, Kühlung. Dafür stehen entsprechende Versuchsanlagen sowie modernste Messverfahren zur Bestimmung von Drücken, Temperaturen, Geschwindigkeiten oder Konzentrationen zur Verfügung. Begleitet werden diese Untersuchungen mit numerischen Me-

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Das Institut befasst sich mit der Vorhersage dynamischer und aeroelastischer Phänomene, mit dem Ziel, Neuentwicklungen betriebssicherer zu gestalten. Auf experimentellem Gebiet werden dazu Schwingungsversuche und Parameteridentifizierung an Strukturen bzw. Windkanal- und Flugschwingungsversuche durchgeführt, für Flugzeuge, Helikopter und Turbomaschinen. Forschungsschwerpunkte sind z. Zt. Nichtlineare Dynamik und Aeroelastik. Auf analytischem Gebiet wird die hoch-

genaue Modellierung und die Analyse der dynamischen Stabilität komplexer Systeme wie z.B. fliegender Flugzeuge, fahrender Rad- oder Schienenfahrzeuge durchgeführt. Die instationäre aerodynamische Modellierung im Transschallgebiet und Kopplung von Strömung und flexibler Struktur sind ein weiterer Forschungsschwerpunkt. In der multidisziplinären Systemanalyse und Optimierung mit hochgenauen Modellierungen laufen gezielte Forschungsaktivitäten. In der Fahrzeugsystemdynamik werden für die multidisziplinären Studien meist Modellierungen auf Basis der Mehrkörpersystemdynamik durchgeführt (SIMPACK).

thoden, um empirische Auslegungswerkzeuge zu verbessern und komplementäre Aussagen zu schwer messbaren Größen zu erhalten. Zentrale Aufgabe des Prüfstandsbetriebs ist die Durchführung von Entwicklungs-, Qualifizierungs- und Abnahmetests von Triebwerken im Rahmen des ARIANE-Programms. Dafür stehen Prüfstände für Oberstufen- undHauptstufentriebwerke zur Verfügung, auf denen Raketenmotoren mit lagerfähigen bzw. kryogenen Treibstoffen getestet werden können, in Schubstärken zwischen 400 N und 1.000 kN (P1.0, P4, P5). Daneben werden auch Versuchseinrichtungen (P1.1, P8) für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben der europäischen Industrie und Forschungsunternehmen betrieben. Der Bereich Engineering befasst sich mit Planung und Weiterentwicklung dieser Prüfstände mit dem Hauptaugenmerk auf Design und Betrieb von Anlagen für die Höhensimulation von Triebwerken unter Vakuumbedingungen und für Abgasleit-

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Stuttgart

Institut für Verbrennungstechnik

Köln-Porz

Institut für Antriebstechnik Die Forschungsarbeiten des Instituts für Antriebstechnik sind darauf ausgerichtet, die vorhandenen Potenziale zur Verbesserung der Gasturbine für Luftfahrt und Kraftwerk zu erschließen. Sie orientieren sich an gesellschaftlichen und industriellen Bedürfnissen, wobei Fragen der Wirtschaftlichkeit, des Entwicklungsrisikos, der Sicherheit und der Umweltaspekte, wie Minderung schädlicher Abgasemissionen und Lärm, vorrangig bearbeitet werden. Wesentliche Arbeitsgebiete im Bereich der Turbomaschinen sind die Fan-, Kompressorund Turbinentechnologie. Moderne dreidimensionale, instationäre Rechenverfahren sind bereits in die industrielle Entwurfspraxis eingeführt. Die Verbrennungsforschung widmet sich der Entwicklung und Erprobung von Brennkammerkonzepten mit deutlich reduzierter Stickoxid-Bildung bei möglichst rußfreier und in weitem Bereich stabiler Verbrennung.

In der Lärmforschung stehen Analyse und Reduktion von Lärmquellen, aktive Lärmminderung bei Turbomaschinen und Entwurf und Erprobung eines leisen Getriebefans im Vordergrund. Die Forschungsarbeiten stützen sich auf Experimente, die in modernen Versuchsanlagen mit fortschrittlicher Messtechnik gewonnen werden. Verfügbar sind alle wesentlichen laseroptischen Messverfahren mit dem Vorrang planarer Methoden und Dreikomponenten-Velozimetrie sowie eine akustische Kamera zur Schallquellenortung in einem breiten Einsatzspektrum.

Das Institut für Verbrennungstechnik bearbeitet Themen zu den Grundlagen technischer Verbrennungsprozesse, im wesentlichen für stationäre Gasturbinen und Flugantriebe. Schwerpunkte sind zum einen die Reduzierung von Schadstoffen (Ruß, Stickoxide, unverbrannte Kohlenwasserstoffe). Zum anderen bestehen Forschungsaktivitäten hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Verbrennungsverfahren (Flammenstabilität bei magerer Vormischverbrennung, thermoakustische Phänomene). Für beide Forschungsschwerpunkte spielt die Charakterisierung von Brennstoffeigenschaften eine wichtige Rolle. Die Kernkompetenzen liegen auf den Gebieten der Chemischen Kinetik, der Numerischen Simulation und der Laserdiagnostik von Verbrennungsprozessen. Aktuelle Forschungsvorhaben der Chemi-

schen Kinetik sind die Verbesserung chemisch-kinetischer Submodelle für die Schadstoffbildung, die Reduzierung großer chemischer Mechanismen und ihre Übertragung auf reale Brennstoffe wie Kerosin. Auf dem Gebiet der Numerischen Simulation werden fortschrittliche Submodelle zur Sprayaufbereitung, der Rußbildung und Strahlung in CFD-Codes integriert und als Auslegungswerkzeuge zur Verfügung gestellt. Lasermessverfahren werden eingesetzt, um an Laborflammen und technischen Verbrennungssystemen experimentelle Daten zu gewinnen, die zur Charakterisierung der Verbrennungsprozesse und zur Modellvalidierung verwendet werden. Das Institut verfügt über eine umfangreiche experimentelle Ausstattung für die Verbrennungsforschung (Strömungsreaktoren, Stoßwellenrohranlagen, Brenner zur Stabilisierung unterschiedlichster Flammen, ein Hochdruck-Brennkammer-Prüfstand).

Der moderne Anlagenpark umfasst u.a. einen 10-MW-Zweiwellen-Fan- und Kompressorprüfstand, einen rotierenden Turbinengitterprüfstand, einen Radialverdichterprüfstand, ebene Verdichter- und Turbinengitterprüfstände, einen Prüfstand für rotierende Kühlkanäle, Hochdruckbrennkammerprüfstände für Demonstrationsund industrielle Entwicklungsversuche und ein Verbrennungslabor mit vielseitigen Modellprüfständen. In Brandversuchsanlagen werden Fragen des Brandschutzes untersucht.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 27.09.2000 10:01 Uhr Seite 66

Oberpfaffenhofen, Köln-Porz, Neustrelitz

Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) Zentrale Aufgabe des DFD ist es, bedarfsorientierte und auf operative Nutzung ausgerichtete Informationsprodukte der Fernerkundung zu entwickeln, durch partnerschaftliche Anwendung ihr Potenzial zu dokumentieren und den wissenschaftlichen, behördlichen, privatwirtschaftlichen und öffentlichen Nutzern in geeigneter Form und zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Das DFD sieht sich als ein Instrument, den praktischen Nutzen der Fernerkundung durch Satelliten für alle wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belange zu entwickeln und zu etablieren. Das DFD setzt die folgenden fachlichen Schwerpunkte: - Entwicklung und Betrieb eines Netzes von Bodenstationen für den Empfang von Satellitenfernerkundungsdaten an seinen Standorten in Deutschland sowie an ausgewählten internationalen Lokationen zur Sicherung des direkten und kostengünstigen Zugangs zu den Primärdaten der Fern-

erkundung für die nationalen und internationalen Nutzer; - Entwicklung und Betrieb von Bodensegmenten zur standardisierten Verarbeitung von Daten zu geographischen Informationsprodukten – auch in naher Echtzeit – im Auftrag der ESA, für wissenschaftliche Zwecke, für die öffentliche Hand und industrielle Partner; - Entwicklung und Betrieb einer informationstechnischen Infrastruktur zur nachhaltigen Sicherung der Datenbestände und zum elektronischen Zugriff auf Daten und Produkte der Fernerkundung; - Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Generierung hochwertiger Produkte im Sinne einer kontinuierlichen Anwendbarkeit fernerkundlicher Information in regionalen und globalen Maßstäben; - Operationelle Erstellung von Produkten der verschiedenen Verarbeitungsstufen; - Durchführung von anwendungsnahen Pilotprojekten in Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft, Behörden, Politik und Industrie; - Förderung der wissenschaftlichen und kommerziellen Nutzung der Fernerkundung durch Entwicklung und Vermarktung von branchenspezifischen Informationsprodukten und Dienstleistungen.

Oberpfaffenhofen

Institut für Physik der Atmosphäre Das Institut für Physik der Atmosphäre erforscht die Physik und die Chemie der Troposphäre und Stratosphäre, also etwa die unteren 30 Kilometer der Atmosphäre. Die globalen und regionalen, dynamischen, wolkenphysikalischen und chemischen Prozessen bilden eine Grundlage der Luft- und Raumfahrt. Kenntnisse über die Atmosphäre werden insbesondere zur Beurteilung der Klimawirkungen der regionalen und der globalen Emissionen aus Luft- und Bodenverkehr benötigt. Die maßgeblichen Prozesse und die Veränderungen der Atmosphäre werden mittels Fernerkundung vom Satelliten, mit Lidar und Radar, Messflugzeugen und Rechenmodellen bestimmt. Dabei werden grundlegende Fragen zur Dynamik und Zusammensetzung der Atmosphäre und ihrer Änderungen untersucht, wie z.B. der Einfluss von natürlichen und anthropogenen Aerosolen und Gasen

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auf Zirren und deren Klimawirkung, die regionale Meteorologie im Alpenraum und deren Veränderungen infolge globaler Klimaänderungen und die Veränderungen von Ozon und Wasserdampf in der Stratosphäre. Die Kenntnis der Spurenstoffe in der Troposphäre ist wichtig zur Beurteilung des Einflusses von Stickoxiden aus FlugzeugTriebwerken auf Ozon, Methan und Klima. Zur Steigerung der Sicherheit und Frequenz von Start und Landungen an Flughäfen wird die Bildung von Wirbelschleppen hinter Flugzeugen und ihre Vorhersage untersucht. Lärm ist ein zunehmendes Umweltproblem. Zur Berechnung der Ausbreitung von Lärm in realer Atmosphäre werden neue Rechenverfahren erstellt. Zur Fernerkundung der Atmosphäre werden neue flugtaugliche Lidarmethoden entwickelt, mit denen man das Windfeld und die Wasserdampf- und Ozon-Konzentration in der Atmosphäre zunächst vom Flugzeug und später von einem Satelliten aus messen kann.

Nachrichten 98 - Finale 27.09.2000 10:03 Uhr Seite 67

Oberpfaffenhofen

Arbeitsgruppe LIDAR Die Arbeitsgruppe LIDAR befasst sich mit der Entwicklung von Sende- und Empfängertechnologie sowie LIDAR-bezogenen Algorithmen für Anwendungen in der Meteorologie, Umwelt- und Klimaforschung sowie Weltraumsensorik. Die Entwicklungen umspannen boden-, luftund raumgestützte Anwendungsfelder. Schwerpunktthemen sind Untersuchungen zur Chemie und Dynamik der Stratosphäre sowie die Validierung der passiven Sensoren MIPAS und SCIAMACHY auf dem europäischen Umweltsatelliten ENVISAT. Hierfür werden operative flugzeuggestützte Aerosol-, Wasserdampf- und Ozonlidarsensoren eingesetzt. Ein weiteres Schwerpunktthema ist die Bestimmung des globalen Windfeldes vom Satelliten aus zur Ver-

besserung der Wettervorhersage. Im Vorfeld zukünftiger Satellitenmissionen werden hierzu Simulationen zur Definition des Windsensors, Gerätetests im Labor und flugzeuggetragene Messkampagnen für die Winddatenassimilation in Wettermodellen durchgeführt. Für die Bestimmung der relevanten Windfelder werden operative CO2- und 2µmDoppler-Windlidar-Sensoren eingesetzt. Ein weiteres Einsatzgebiet eines 2µm-Windprofilers ist die Untersuchung von Wirbelschleppen an Flughäfen zur Erhöhung der Sicherheit im Flugverkehr. Weiter werden im Labor breit abstimmbare hocheffiziente Festkörperlaser vom UV bis in den IR-Spektralbereich für zukünftige LIDARAnwendungen entwickelt. Ziel ist die Sensorfusion von Wind- und Spurengaslidar zur quantitativen Bestimmung des Schadstofftransports klimarelevanter oder umweltschädlicher Gase in der Atmosphäre.

Oberpfaffenhofen, BerlinAdlershof, Neustrelitz

Institut für Methodik der Fernerkundung Das Institut für Methodik der Fernerkundung bildet die Schnittstelle zwischen den sensornahen Instituten und dem Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD). Zusammen mit dem DFD bildet es das Cluster „Angewandte Fernerkundung“ im DLR. Die Schwerpunkte des Instituts liegen im Bereich der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Extraktion relevanter Informationen aus Fernerkundungsdaten. Dazu werden neue Verfahren und Verarbeitungssysteme für die Fernerkundung zum präoperationellen Einsatz entwickelt, die dann im DFD in die operationelle Nutzung überführt werden. Darüber hinaus wirkt das Institut bei der Konzeption neuer Sensoren und Weltraummissionen mit. Dabei unterstützt es die Verarbeitungslinien des DLR im Bereich des Gesamtsystems Fernerkundung durch Kalibrierung und Validierung. Das Institut ist Teil des DLR-Centers of Excellence auf dem Gebiet SAR. Die organisatorische Gliederung erfolgt nach fachlichen Gesichtspunkten:

Atmosphärenprozessoren: Entwicklung mathematischer Verfahren für modulare Prozessoren (Level 1 und 2) für GOME, GOME 2, SCIAMACHY und MIPAS, sowie Entwicklung von Auswerteverfahren und Verarbeitungssysteme für Atmosphärenspektrometer. Bildwissenschaften: Entwicklung von Algorithmen und Prozessoren zur Verarbeitung von Synthetik Apertur Radar (SAR)-Daten mit Schwerpunkt Interferometrie (InSAR) sowie zur Erzeugung von Digitalen Höhenmodellen aus InSAR- und optischen Stereo-Daten. Des Weiteren werden Verfahren zur inhaltsbasierten Datensuche in großen Bildarchiven entwickelt. Experimentelle Verfahren: Entwicklung, Erprobung und Betrieb von Systemen für die Fernerkundung. Schwerpunkte liegen auf der Konzeption, Modellierung, Auslegung und dem präoperationellen Betrieb (infrarot-) optischer Systeme. Gewässerfernerkundung: Entwicklung und Validierung von Auswerte-Algorithmen im Bereich der SAR-Ozeanographie sowie der optischen Fernerkundung der Meere, Küsten und Binnengewässer zur Überwachung des biologischen und ökologischen Zustandes.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 27.09.2000 10:04 Uhr Seite 68

Berlin-Adlershof

Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung Das Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung leistet wesentliche internationale Beiträge zur Planetenforschung (Planeten, Monde, Asteroiden und Kometen, extrasolare Planeten) und zur Astronomie im Infrarot- bzw. Fernen-Infrarot-Bereich (Sternentstehung, Molekülwolken). Außerdem beschäftigt sich das Institut mit ingenieurwissenschaftlicher Forschung und darauf basierenden Entwicklungsarbeiten zur Schaffung optoelektronischer Sensoren für die Fernerkundung. Die hierfür erforderlichen Methodiken, Technologien und Geräte werden konzipiert und entwickelt. Es sind dies vor allem digitale Zeilen- und Matrixsensoren im sichtbaren und infraroten Spektralbereich (Kameras und Spektrometer) und Sensorik für das ferne Infrarot, neue Weltraumtechnologien und Missionskonzepte (Sonnensegel, Kleinstsatelliten, Lander). Methoden zur Prozessierung digitaler Bilddaten (digitale Geländemodelle, Ortophotos) wurden entwickelt; es steht ein vollständiges System der digitalen Photogrammetrie für Fernerkundungsexperimente auf Satelliten bzw. Flugzeugen zur

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Verfügung. Die fortgeschrittene Weltraum-Sensortechnologie bietet ein ausgezeichnetes Potenzial für ein breites Spektrum an Spin-off-Anwendungen bis hin zu kommerziell nutzbaren Produkten (Flugzeugkameras HRSC-AX und ADS40 für fernerkundliche und photogrammetrische Bildflüge, Waldbrandfrühwarnsystem AWFS, Panoramakameras, Filmscanner, Systeme für Verkehrsanalyse und -steuerung). Hier werden neben der Kameratechnik insbesondere Echtzeitverarbeitungssysteme entwickelt und eingesetzt. Das Institut verfügt über spezielle Einrichtungen für die Entwicklung und Test weltraumtauglicher Geräte (Elektroniklabors, Reinräume, Schütteltische, Weltraumsimulationskammer, Kalibrationseinrichtungen). Ein zentrales Planetenbilddatenarchiv (RPIF) steht der Wissenschaftsgemeinde, der Presse und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung.

Köln-Porz

Simulations- und Softwaretechnik Die Organisationseinheit SISTEC mit Sitz in Köln-Porz bietet internen und externen Kunden Unterstützung bei der Entwicklung und Nutzung von Software im tech-

Oberpfaffenhofen

Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme Das Institut befasst sich mit der Entwicklung und Anwendung von Radartechnik. Dabei liegen die Schwerpunkte bei der Fernerkundung im zivilen und militärischen Umfeld. Dazu führt es theoretische, experimentelle und praktische Arbeiten im Mikrowellenbereich aus. Besonderes Gewicht haben dabei neue Anwendungen und die Initiierung und Unterstützung von Forschungsprojekten in der Luftund Raumfahrt. Ein Beispiel ist das internationale Weltraumprojekt X-SAR/SRTM (Shuttle Radar Topography Mission), in dessen Rahmen unter Beteiligung des Instituts Radardaten von der Erdoberfläche mit zwei Radarsystemen aufgezeichnet wurden. Mit passiven Mikrowellensystemen (Radiometern) wird an Studien und Experimenten zur Detek-

nisch-wissenschaftlichen Bereich. Aktuelle Schwerpunkte der Arbeit sind die Entwicklung eines Workflow-Managementsystems auf der Grundlage modernster Softwaretechnik (OO-Technologie) und seine Anwendung auf multidisziplinäre Simulationsprobleme

tierung von Landminen geforscht. Basierend auf den erarbeiteten wissenschaftlichen Grundlagen mit dem Wolkenradar des DLR, das mit in Europa einmaligen zweifachen dual-polarisierten Sendeund Empfangssystemen arbeitet, sind weltweite Forschungsaktivitäten etabliert. Zur Ausbildung von europäischen Jungwissenschaftlern auf dem Gebiet der Radar-Polarimetrie fungiert das Institut erfolgreich als Koordinator eines europäischen Forschungsnetzes der Europäischen Kommission. In diesem Netz sind weitere acht Forschungseinrichtungen und Firmen eng eingebunden. Ein flugzeugetragenes Radarsystem mit synthetischer Apertur (SAR) wurde im Institut konzipiert, entwickelt und aufgebaut. Dieses SAR-System arbeitet polarimetrisch in fünf Frequenzen und dient zur Erforschung neuer Technologien, Sensorkonzepten, Algorithmen sowie neuer Anwendungsfelder von SAR-Daten.

in der Luft- und Raumfahrt, die Bereitstellung und Anwendung von Software Engineering Methoden für die Entwicklung qualitätsgesicherter Software sowie die Entwicklung von Software, wie z.B. grafischen Benutzerschnittstellen auf der Basis von JAVA und XML oder Real-Time-Anwendungen.

Nachrichten 98 - Finale 27.09.2000 10:06 Uhr Seite 69

Oberpfaffenhofen, Köln-Porz

Raumflugbetrieb Die Hauptabteilung Raumflugbetrieb befasst sich auch mit den Zukunftsthemen Autonavigation, Kommunikation und Missionsplanung. Schwerpunkte in der autonomen Navigation sind die bordautonome Bahnbestimmung sowie die Entwicklung eines weltraumtauglichen GPS-Empfängers für Bahnund Lagebestimmung. Neben der Automatisierung der operationellen Flugdynamik-Software werden entsprechende Systeme zum Betrieb von Satelliten-Formationen und -Konstellationen entwickelt. Der Bereich Kommunikation wird abgedeckt durch die Entwicklung intelligenter Bodensysteme zur Automatisierung des Raumflugbetriebs auf der Grundlage Web-basierter Workflow-Systeme sowie

Köln-Porz

Qualitäts- und Produktsicherung Der Bereich Qualitäts- und Produktsicherung ist mit der Entwicklung, Organisation und dem Aufbau von Qualitätsmanagement-Systemen in der Forschung und dem

durch Forschungen zur Webbasierten satellitengestützten Kommunikation zwischen Raumfahrzeug und Kontrollzentrum. Die Missionsplanung ist ein wichtiger Bestandteil jeder Raumfahrtmission. Die erforderlichen Werkzeuge werden unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren ständig weiterentwickelt und den Anforderungen angepasst.

Oberpfaffenhofen

Institut für Kommunikation und Navigation Das Institut für Kommunikation und Navigation bearbeitet Forschungsaufgaben in den Anwendungsgebieten Satellitenkommunikation, aeronautische Kommunikation, terrestrische Mobilkommunikation, Satellitennavigation sowie Verkehrsleitsysteme.

Die vom Raumflugbetrieb entwickelten Planungssysteme (ATLAS, PLATO und TIMON u.a.) werden für zukünftige Raumfahrtprojekte eingesetzt. Sie bilden aber auch die Basis für Anwendungen im kommerziellen Bereich. Der Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen in die konkrete Anwendung beispielsweise im Automobilbau oder der Medizintechnik wird institutionell gefördert und erlaubt die Erwirtschaftung von Erträgen.

Für neue geostationäre und auf LEO-Konstellationen basierende Satellitennetze entwickelt das Institut Kommunikationsprotokolle, Übermittlungsverfahren und Antennen für Internet-, Multimedia- und Mobilkommunikation.

Forschungsmanagement befasst. Hierzu gehört die Schaffung instituts- und forschungsspezifischer Umsetzungen des Standards ISO 9001.

len für die Produktsicherung von Raumfahrt-Vorhaben und -missionen und in der Förderung von Bauteile-Qualifikationen für den Einsatz im Weltraum (unter anderem SCC-Qualifikation, Einsatz plastgekapselter Bauteile, SMD-Technologie). Auch die Erarbeitung von Normen im Rahmen der „European

Weitere Schwerpunkte liegen in der Entwicklung und Anwendung von Tools zur Erstellung von Anforderungsprofi-

Die Arbeiten auf dem Gebiet der aeronautischen Kommunikation umfassen Übermittlungsverfahren und Protokolle für Kommunikationssysteme für die Flugführung, Airline-

kommunikation und Passagierkommunikation – satellitengestützt und terrestrisch. Im Bereich der terrestrischen Mobilkommunikation steht neben der Entwicklung neuer Übertragungsverfahren die Entwicklung neuer Dienstekonzepte im Mittelpunkt, die auf der Integration von Kommunikation und Navigation basieren unter Einbeziehung von terrestrischen Broadcast und PCS Systemen. Wesentliche Aktivitäten in der Navigation sind die Entwicklung und Verifikation neuer Verfahren zur Zeitverteilung und Entfernungsmessung, der optimale Entwurf von Navigationssignalen hinsichtlich Entfernungsmessgenauigkeit, Störsicherheit, sowie effiziente Nutzung des Spektrums, die Analyse von Signalausbreitungseffekten und die Entwicklung von Rechen- und Messverfahren zur Konzeption von „intelligenten Antennen“.

Cooperation for Space Standardization (ECSS)“ gehört zu den Aufgaben. Weiterhin werden Verfahren für das zuverlässigkeitsorientierte Design von High-TechGeräten und deren einsatzsignifikante Testung entwickelt und in RaumfahrtVorhaben angewendet.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 27.09.2000 10:08 Uhr Seite 70

Köln-Porz

Institut für Raumsimulation Basis der Aktivitäten des Instituts ist die Forschung im Weltraum im Rahmen internationaler Projekte. Die Arbeiten betreffen die Nutzung des schwerelosen Zustandes, vornehmlich auf der Internationalen Raumstation, und In-situ-Untersuchungen auf dem Mars und auf Kometen. Die wissenschaftlichen Arbeiten sind die Basis für die Entwicklung von Werkzeugen für Weltraumanwendungen und für die disziplinorientierte Nutzerbetreuung und für den Betrieb von Nutzlastelementen. Auf dem Gebiet der Erstarrungsforschung in Weltraumlabors werden Probleme der Mehrphasenerstarrung, der thermophysikalischen Eigenschaften unterkühlter Schmelzen und der Erstarrung metastabiler Materialien behandelt sowie neuartige Experimentierund Verfahrenstechniken entwickelt. Die extraterrestrische In-situForschung schließt die Modellierung und experimen-

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telle Simulation planetarer und kometarer Bedingungen ein, ebenfalls die Entwicklung von Werkzeugen, die zur In-situ-Analyse notwendig sind. Im Vordergrund steht das Bohrersystem PLUTO (Planetary Underground Tool) für die im Jahre 2003 startende ESA-Mission MarsExpress. Die Disziplin der Mikrodynamik von Raumfahrzeugen betrifft die Störung des schwerelosen Zustandes von Weltraumlabors durch Vibration und andere Effekte, die Restbeschleunigungen (Mikrogravitation) zur Folge haben. Deren Erfassung und Minimierung sind zwingende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nutzung der Raumstation. Es werden spezifische Messtechniken, Modellierungsverfahren und Methoden zur Reduzierung der Restbeschleunigung entwickelt.

Köln-Porz

Solare Energietechnik Für das Landegerät der ESAMission ROSETTA zum Kometen Wirtanen liegt das Projektmanagement in Händen des Instituts. Im Rahmen dieses internationalen Vorhabens soll erstmals eine Sonde auf einem Kometen landen.

Seit über 20 Jahren werden in der Solaren Energietechnik des DLR Technologieprojekte zur Nutzung erneuerbarer Energien wissenschaftlich bearbeitet und fachlich begleitet. Das Forschungsprogramm „Solar Power and Chemical Energy Systems“ (SolarPACES) der Internationalen Energieagentur (IEA) bildet den international angelegten Rahmen vielfältiger solarthermischer und solarchemischer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Die Solare Energietechnik ist dabei in wichtigen Funktionen an verschiedenen Aufgaben beteiligt. Enge Zusammenarbeit besteht mit der „Plataforma Solar de Almeria“ (PSA), dem größten europäischen Versuchszentrum für solarthermische Technologien. 1994 wurde die erste eigene Testanlage, der Sonnenofen, in Betrieb genommen. Zusätzlich sind heute im Standort Köln-Porz zwei Parabolrinnenanlagen, eine FixFokus-Rinne, eine Anlagen-

strecke zur Direktverdampfung und mehrere kleinere Teststände verfügbar. Die Arbeitsschwerpunkte: - Solarthermische Energiewandlung in konzentrierenden Anlagen im Hoch- und Mitteltemperaturbereich (Solarthermische Kraftwerke zur Stromerzeugung), - Solar betriebene chemische Prozesstechnik (Solarchemie), - Solar betriebene Materialforschung, - Solarpassive Anwendungen, - Systemtechnik solarer Energiewandlersysteme. Das Leistungsangebot: - Planung, Durchführung und Auswertung innovativer Experimente auf den Gebieten der Solarthermie und der Solarchemie, - Durchführung von Studienarbeiten, technische Analysen und Laborarbeiten, - Anregung und Koordinierung wissenschaftlich-technischer Experimente und Vorhaben, - Beratung und Unterstützung von Anwendern und Nutzern aus Forschung und Industrie.

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 16:14 Uhr Seite 71

Stuttgart

Institut für Technische Physik Die fachlichen Arbeiten des Instituts für Technische Physik konzentrieren sich zum einen auf die Entwicklung von Halbleiterlasersystemen hoher Strahlqualität und zum anderen auf die Realisierung neuer Konzepte für diodengepumpte Festkörperlaser. In beiden Fällen wird das Ziel verfolgt, effiziente und kompakte Leistungslaser mit optimalen Anwendungseigenschaften bereitzustellen. Im Rahmen der Halbleiterlaserentwicklung wird besonderer Wert auf hybride Aufbautechniken und mesoskalige Strukturen gelegt. Eine wichtige Rolle spielt die Einbeziehung der Nichtlinearen Optik, insbesondere für Aufgaben der Frequenzkonversion. Die damit erreichbare Erschließung sowohl des mittelinfraroten als auch des kurzwelligen Spektralbereiches ermöglicht eine beträchtliche Erweiterung der Anwendungsfelder. Bei der Nichtlinearen Optik sollen sowohl makroskopische Aufbauten als auch integriert optische Mikrostrukturen behandelt werden. Stuttgart

Institut für Technische Thermodynamik Entwicklungen von Schlüsseltechnologien für eine nachhaltige, vorwiegend auf regenerative Energiequellen basierende Energie- und Verkehrswirtschaft stehen im Zentrum der Arbeiten des Instituts für Technische Thermodynamik. Brennstoffzellentechnik: Bei Niedertemperatur- (PEFC/ DMFC) wie auch bei Hochtemperatur- (SOFC) Brennstoffzellen reicht das Spektrum der Tätigkeiten von der Grundlagenforschung bis zu anwendungsorientierten Entwicklungen für stationäre und mobile Anwendungen. Ein wichtiges Ziel ist die Kostensenkung bei

der Brennstoffzellenherstellung, wofür der Einsatz eigenentwickelter Beschichtungstechniken für die ElektrodenElektrolyt-Verbünde einen erfolgversprechenden Ansatz darstellen. Modellierungs- und Simulationsarbeiten sowie spezielle – ebenfalls eigene – Online-Messtechniken fördern die Entwicklungen. Solarthermische Kraftwerkstechnik: Thermische Hochtemperaturtechnik ist das übergeordnete Aufgabengebiet der Abteilung „Solarthermische Kraftwerkstechnik“. Es werden Schlüsselkomponenten – Strahlungsempfänger sowie thermische und chemische Energiespeicher – entwickelt, mit denen konzentrierte solare Strahlungsenergie mit hohem Wirkungsgrad in konven-

tionelle Kraftwerksprozesse zur Stromerzeugung eingekoppelt werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Entwicklung keramischer Wärmeübertrager, Kompaktwärmetauscher und -kondensatoren für neuartige thermische Energiewandlungsprozesse und rationellen Energieeinsatz in der industriellen Energie-, Anlagen- und Verfahrenstechnik. Systemanalyse und Technikbewertung: Ziel der systemanalytischen Untersuchungen ist es, die Eignung und Nützlichkeit neuer Energie- und Antriebstechnologien für zukünftige, möglichst nachhaltige Energie- und Verkehrssysteme zu ermitteln. Dies geschieht unter ganzheitlichen Gesichtspunkten; es werden

also neben technischen auch ökologische, ökonomische, strukturelle, energie-, verkehrs- und beschäftigungspolitische Aspekte berücksichtigt. Die Entwicklung konkreter Markteinführungsstrategien und -instrumente runden das Arbeitsspektrum ab.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 16:17 Uhr Seite 72

Braunschweig

Institut für Verkehrsführung und Fahrzeugsteuerung Das Institut übernimmt im europäischen Netzwerk der Verkehrsforschung eine tragende Rolle in der experimentellen Untersuchung und Umsetzung integrierter Verkehrskonzepte. Das Institut stützt sich auf die luftfahrttechnische Forschung des DLR in Braun-

Amsterdam, Braunschweig, Göttingen, Köln, Marknesse

Deutsch-Niederländische Windkanäle Die Stiftung DNW betreibt die wichtigsten Windkanäle des DLR und des niederländischen Nationaal Lucht- en Ruimtevaartlaboratorium (NLR) in den jeweiligen DLRund NLR-Standorten, wodurch direkter Zugriff auf die bei den Muttergesellschaften vorhandenen Technologien

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schweig und Göttingen. Dies sind marktführende Technologien und Verfahren zur Kapazitätssteigerung von Luftverkehr und Fluggerät sowie zur Leistungssteigerung und Komfortverbesserung von Luftfahrzeugen. Die für die Luftfahrt beispielhaften Lösungen stellen eine gute Basis für die notwendigen Forschungsaktivitäten auch für bodengebundene, multimodale Verkehrssysteme dar,

sichergestellt ist. Das Hauptaugenmerk der DNWOrganisation ist darauf gerichtet, ihren Kunden ein breites Spektrum an Windkanalmessund Simulationstechniken zu bieten. Die Windkanäle umfassen ein Geschwindigkeitsspektrum bis zu Mach 7 und Reynolds-Zahlen bis zu 15 x 106. Die Bandbreite der Messungen aller Windkanäle schließt aerodynamische und aeroakustische Untersuchungen an Modellen

da für diese vergleichbare Ziele hinsichtlich Kapazität, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit gelten. Die Forschungsarbeiten erweitern spezifisch für den Landverkehr die validierten Systementwürfe sowie Methoden und Verfahren zu Luftverkehrsführung und -management, zur Mensch-MaschineSchnittstelle für Piloten und Lotsen und zu neuen Technologien und Verfahren intelli-

von Flugzeugen der Zivil- und Militärluftfahrt, Raumfahrzeugen und Hubschraubern genauso ein wie Untersuchungen an Modellen und Großausführungen von Flugkörpern, Personen- und Lastkraftwagen sowie an Strahltriebwerks- und TriebwerkseinlaufModellen, Propellern und Rotoren. Die Messtechniken beinhalten die Anwendung stationärer und instationärer aerodynamischer Messungen, Lärm- und

genter Steuerungs- und Regelungsmechanismen. Einen unverzichtbaren Support hinsichtlich Akquisition, Projektführung, Projektdemonstration und Ergebnisumsetzung soll eine neu einzurichtende „Transferstelle Verkehrssysteme“ leisten. Diese Einrichtung wird wesentliche Funktionen, wie sie auch im Rahmen der DLR-Innovationsinitiative vorgesehen sind, wahrnehmen.

Strömungsfeldmessungen. Zu den Simulationstechniken gehören Triebwerks- und Bodensimulation, Abwurfuntersuchungen mit nachgeführten und abgeworfenen Außenlasten sowie Wiedereintrittsuntersuchungen. Es ist bezeichnend für die DNW–Organisation, ihren Kunden nicht nur hochqualifizierte Anlagen für aerodynamische und aeroakustische Messungen und Simulationen mit optimaler Strö-

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 16:19 Uhr Seite 73

Braunschweig

Institut für Flugsystemtechnik Das Institut für Flugsystemtechnik in Braunschweig betreibt langfristig angelegte ingenieurwissenschaftliche Forschung im Vorfeld industrieller Luft- und Raumfahrzeug-Entwicklungen. Dabei orientiert es sich an der verketteten Analyse, Modellierung, Simulation, Integration und Evaluierung zunehmend autonom operierender Flugsysteme in der Luftund Raumfahrt. Wichtige Forschungsziele sind dabei: - Erweiterung des Einsatzbereichs unter Berücksichtigung technologischer, wirtschaftlicher, sicherheitskritischer und umweltpolitischer Randbedingungen, - Anpassung des Verhaltens von Flugzeugen, Hubschraubern oder Raumtransportern an die Fähigkeiten des Piloten sowie - Herabsetzung des Entwicklungsrisikos für Hersteller und des Betriebsrisikos für Nutzer bei der Integration und Applikation neuer Technologien für zunehmende Automatisierung. Das Institut konzentriert dabei seine Kernkompetenzen auf

die folgenden wesentlichen Gebiete: - Entwicklung und Bereitstellung von mathematischen Modellen sowie Simulationsund Regelungsverfahren zur Realisierung des autonomen Fluges unter Berücksichtigung aeroservo-elastischer Einflüsse, - Entwicklung und Anwendung effizienter Verfahren zur Systemsimulation am Boden, im Windkanal (mit Hilfe der mobilen Rotormodellversuchs-

anlagen im DNW) und in der Luft (so genannte Fliegende Simulatoren) zur Technologiedemonstration und Systembewertung - Entwicklung und Nutzung moderner Flugversuchsmethoden zur Identifizierung, Analyse und Optimierung von Fluggeräten. Zur Erprobung, Bewertung und Demonstration innovativer Technologien im operationellen Umfeld und deren

Wechselwirkung mit der Mensch-Maschine-Schnittstelle werden national, international und industriell koordinierte Flugsystem- und Flugeigenschaftsuntersuchungen mit den beiden – am Forschungsflughafen Braunschweig und in Europa einmaligen – Fliegenden Simulatoren des DLR, ATTAS (Flyby-Wire Erprobungsträger VFW 614) und HESTOR (Flyby-Light Erprobungsträger EC 135) durchgeführt.

mungsqualität anzubieten, sondern auch die Mess- und Simulationstechniken stets auf dem neuesten Stand zu halten. Die DNW stehen an der Spitze, wenn es um den Einsatz von neuentwickelten Technologien geht – wie zum Beispiel die Lärmquellendetektion mit Hilfe von Mikrofon-Array-Messungen, berührungsfreie optische Strömungsfeldmessungen und die Bestimmung von elastischen Modelldeformationen.

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INNOVATION

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 16:20 Uhr Seite 74

Braunschweig

Institut für Flugführung Das Institut für Flugführung befasst sich mit der Analyse, Entwicklung, Erprobung und Bewertung von Komponenten und Systemen zur Führung von Luftfahrzeugen und Luftverkehr mit dem Ziel, die Sicherheit, Kapazität, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs bedarfsgerecht zu verbessern. Schwerpunkte der Arbeiten bilden dabei die Modellierung, Analyse und Bewertung von neuen Konzepten zur Steigerung der Systemleistung von Flughäfen, Luftraumstruktur und Flugsicherungsverfahren. Das Institut gestaltet Prototypen von kooperativen, teilautomatisier-

ten Assistenzsystemen für Piloten, Fluglotsen und Operateure bei einer Vielzahl von komplexen, dynamischen Diagnose-, Planungs- und Entscheidungsprozessen im Be-

reich des Luftverkehrsmanagements und erprobt diese experimentell. Voraussetzung dazu ist u.a. über die systematische Entwicklung von Grundlagen zur „mensch-zen-

trierten Automatisierung“ eine geeignete Übertragung kognitiver Funktionen und Prozesse der menschlichen Operateure auf intelligente Systeme zu finden.

den für die Verkehrslage in Verkehrsnetzen können dieser Anforderung gerecht werden. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung arbeitet das Institut an solchen neuartigen – z.B. videogestützten – Verkehrsdatenerfassungssystemen. Hier ist das Know-how des DLR im Bereich der bildgebenden Sensoren eine wichtige Voraussetzung.

Berlin-Adlershof

Institut für Verkehrsforschung Das Institut für Verkehrsforschung widmet sich, neben seinem Stammgebiet Luftverkehr, der Systemanalyse – vor allem zur Förderung verkehrsträgerübergreifender Konzepte, der

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Begleitung von Entwicklung und Einsatz neuer Fahrzeugund Verkehrstechnologien und der Verkehrsinformatik. Die dynamische Simulation des Verkehrsgeschehens für die Verkehrs- und Reisezeitenprognose stellt ein Beispiel dieses Ansatzes dar. In „stadtinfoköln“ – einem Leitprojekt im Forschungsschwerpunkt „Mo-

bilität in Ballungsräumen“ des BMBF – arbeitet das Institut an der Verwirklichung zuverlässiger Verkehrsprognosen. Grundlage solcher Prognosen sind differenzierte zeitnahe Informationen, die als Eingangsdaten für die Simulationsprogramme dienen können. Neuartige Erfassungsmetho-

Um die Grundlagenaspekte dieser Forschungsprojekte anderen Forschungseinrichtungen verfügbar zu machen, hat das Institut vom BMBF den Auftrag, eine Clearingstelle für Verkehrsdaten und -modelle einzurichten. Die Clearingstelle will eine strukturierte Übersicht über bestehende Verkehrsdaten und Verkehrsmodelle erarbeiten und im Sinne einer Serviceleistung zur Verfügung stellen. Dies wird den auf diesen Gebieten tätigen Unternehmen in Form einer beratenden Unterstützung zugute kommen.

Nachrichten 98 - Finale 26.09.2000 16:20 Uhr Seite 75

BUCH

Die Kunst des Fragens

Impressum DLR-Nachrichten – Das Magazin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Herausgeber: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Redaktion: Dr. Volker Kratzenberg-Annies (ViSdP), Beate Warneck, Sabine Hoffmann, Peter Zarth, Helga Zimmermann (alle DLR), Bildredaktion: Sabine Hoffmann Hausanschrift: Porz-Wahnheide Linder Höhe 51147 Köln Das DLR ist Mitglied der Hermann von HelmholtzGemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF). Druck: Druckerei Thierbach 45478 Mülheim/Ruhr Gestaltung: Dr. Volker Kratzenberg-Annies MACH 8

Heinrich von Pierer, Bolko v. Oetinger Wie kommt das Neue in die Welt? 326 Seiten; 8 s/w-Abbildungen Hanser Verlag 1997 München, Wien DM 49,80 ISBN 3-44619127-5

ISSN 0937-0420 Nachdruck nur mit Zustimmung des Herausgebers und Quellenangabe. Hinweis gemäß § 33 Bundesdatenschutzgesetz: Die Anschriften der Postbezieher der DLR-Nachrichten sind in einer Adressdatei gespeichert, die mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung geführt wird. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier. Bildnachweis: Seite 9: Reiner Riedler; Seite 16/17 und Seite 70: Bavaria Bildagentur; Seite 20: IS; Seite 22: Schütze GmbH & Co.KG; Seite 38/39: OSMOS DEHACom GmbH; Seite 50/51: Matthias Kiehl, Wilhelm-Foerster Sternwarte e.V.; Seite 65: Astrium GmbH; Seite 71: Eurocopter GmbH.

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SPOTLIGHT

Nachrichten 98 - Finale 27.09.2000 16:30 Uhr Seite 76

In dieser Rubrik stellt das DLR Partnerorganisationen und deren Projekte vor – in der heutigen Ausgabe das TechnologieTransfer- und InnovationsZentrum Region Bonn TTIB.

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nternehmen, die sich Wettbewerbsvorteile sichern wollen, sind auf zukunftsweisende Technologien angewiesen. Häufig jedoch reichen die personellen Ressourcen oder die finanziellen Mittel nicht aus, um die hochwertigen Resultate der Forschung – beispielsweise innovative Produktionsmethoden oder neue Werkstoffe – erfolgreich umzusetzen. Hier setzt das TTIB TechnologieTransfer- und InnovationsZentrum Region Bonn an. TTIB versteht sich als Projektentwicklungsgesellschaft mit dem Ziel, aus Forschungsergebnissen wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle zu entwerfen. Über Kapitalbeteiligungen teilt TTIB das Risiko innovativer Geschäfte mit den betreffenden Unternehmen, vom Existenzgründer oder Spin Off einer Forschungseinrichtung bis zum etablierten, wachs-

tumsorientierten Unternehmen. Zudem berät TTIB in allen Fragen der Durchführung und Bewertung von Innovationsvorhaben. DLR und TTIB arbeiten intensiv im Bereich der Energietechnik zusammen. So ist es gelungen, dank eines attraktiven Standort- und Finanzierungskonzeptes eine Brennstoffzellenproduktion der britischen Firma ZeTek Power plc. in der Region Köln/Bonn anzusiedeln. Mitentscheidend für die Standortwahl war das F&E-Kooperationspotenzial des DLR bei der Weiterentwicklung von Brennstoffzellen. ZeTek wird eine vollautomatische Produktion von fünf Megawatt im ersten Jahr und damit zunächst 70 Arbeitsplätze schaffen. Auch für die Firma etaing GmbH wird das umfangreiche DLR-Know-how nutzbar gemacht. Das TTIB-Beteiligungsunternehmen entwickelt Brennstoffzellensysteme speziell für maritime Antriebe. Kürzlich ging das erste brennstoffzellengetriebene, mit allen notwendigen Abnahmen für die Personenbeförderung ausgestattete Fahrgastschiff der Welt in Bonn auf Jungfernfahrt.

Nicht ganz neu, aber jetzt marktreif für Energy Contracting und Facility Management ist die DLR-Technologie „TransHeat“. Mit diesem Verfahren wird überschüssige Wärme aus Kraftwerken oder Industrieproduktion transportiert und an anderer Stelle zur Heizung oder Kühlung von Gewerbeimmobilien genutzt. Das DLR wird das Verfahren an die TransHeat AG lizensieren. TTIB entwickelte mit den Unternehmern das Geschäftsmodell und wird sich an der Firma beteiligen. Im Einzelfall engagiert sich TTIB auch außerhalb der Energietechnik für das DLR. So prüft TTIB Themen aus Informationstechnik und Telemedizin auf marktorientierte Verwertungsmöglichkeiten. TTIB TechnologieTransfer- und InnovationsZentrum Region Bonn GmbH & Co. KG, Friedensplatz 16, 53111 Bonn, Telefon (02 28) 76 61 70, Fax (02 28) 7 66 17 11, Geschäftsführer Dr. Detlev Kirsten, E-Mail: [email protected], Internet: www.ttib.de

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