Klaus-Michael Mallmann zum 65. Geburtstag gewidmet

November 9, 2017 | Author: Oldwig Kranz | Category: N/A
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Klaus-Michael Mallmann zum 65. Geburtstag gewidmet

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Covergestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Coverbild: Menschenmenge am 10. November 1938 vor der brennenden Ludwigsburger Synagoge, Stadtarchiv Ludwigsburg. Rechts ist zu erkennen, wie die Feuerwehr vorsorglich ein Nachbarhaus vor einem Übergreifen der Flammen schützt. Satz: SatzWeise, Föhren Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-26311-0 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-26339-4 eBook (epub): 978-3-534-26340-0

Inhalt Martin Cüppers, Jürgen Matthäus und Andrej Angrick: Vom Einzelfall zum Gesamtbild. Klaus-Michael Mallmann und die Holocaust-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Tatumstände und Täterskizzen Wolfram Pyta: Weltanschauliche und strategische Schicksalsgemeinschaft. Die Bedeutung Japans für das weltpolitische Kalkül Hitlers . . . .

21

Jeffrey Herf: Judenhass aus dem Äther. NS-Propaganda für die Arabische Welt während des Zweiten Weltkriegs . . . . . . . . .

45

Donald Bloxham: Motivation und Umfeld. Vergleichende Anmerkungen zu den Ursachen genozidaler Täterschaft . . . . . . . . . . . . .

62

Ray Brandon: Deportation ins Reichsinnere. Bruno Müller und das Schicksal der Juden von Ostfriesland und Schneidemühl . . . .

75

Jochen Böhler: Die Wehrmacht im Vernichtungskrieg. Neue Forschungen zum Denken und Handeln deutscher Soldaten

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89

Steven Tyas: Das Ende in den Ardennen. Die Einsatzgruppen K und L im Winter 1944/1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

Andrej Angrick: Abendrot des Dritten Reichs – oder vom somnambulen Kannibalismus eines Regimes im Untergang . . . . . . . . . . . .

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II. Quelleninhalte und analytische Kompilationen Jürgen Matthäus und Christopher R. Browning: Evidenz, Erinnerung, Trugbild. Fotoalben zum Polizeibataillon 101 im „Osteinsatz“ . . . .

135

Gerhard Paul: Lemberg ’41. Bilder der Gewalt – Bilder als Gewalt – Gewalt an Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

Dan Michman: Vergleichende Forschung zum Holocaust in Westeuropa. Probleme und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213

6

Inhalt

Mark Roseman: Aus der Nähe, aus der Ferne. Holocaust-Täter aus der Sicht der Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227

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244

Andrea Löw: „Wanderung ins Ungewisse“? Was wussten Juden in den Gettos Litzmannstadt (Lodz) und Warschau 1942 über die Vernichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258

Konrad Kwiet: Fragmente aus den Erinnerungen des Barney Barnett

III. Nachkriegsjustiz und politischer Kontext Lenka Šindelářová: Denkschriften an die Bundesrepublik. Die Arbeit der Tschechoslowakischen Regierungskommission zur Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern . . . . . . . . . . . . . .

275

Annette Weinke: Der Eichmann-Prozess, Hannah Arendts „Eichmann in Jerusalem“ und die Semantik des industrialisierten Massenmords .

289

Christina Ullrich: Der erste deutsche Prozess gegen Einsatzgruppentäter. Die Besonderheiten des Falls Martin Weiss . . . . . . . . . . . .

303

Daniel Brewing: Eine Geschichte der Gewalt. Friedrich Paulus, die Massenmorde in Józefów und die Justiz . . . . . . . . . . . . . .

319

Ulrike Becker: Die deutsche Militärberatergruppe in Ägypten 1951–1958

335

Martin Cüppers: Freundschaft oder Staatsräson? Die deutsche Vergangenheit und das Verhältnis zu Israel . . . . . . . . . . . .

350

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367

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

375

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

378

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schriftenverzeichnis Klaus-Michael Mallmann

Vom Einzelfall zum Gesamtbild. Klaus-Michael Mallmann und die Holocaustforschung Nichts assoziieren wir heute stärker mit dem NS-Regime als den Holocaust. Wie selbstverständlich profitieren sowohl die Geschichtswissenschaft als auch eine interessierte Öffentlichkeit von einer überwältigenden Vielfalt an Monographien, Quellensammlungen und Aufsätzen zum Jahrhundertverbrechen der Ermordung der europäischen Juden, zu den übrigen Tatbeständen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik oder den Bewältigungsversuchen der Nachkriegszeit. Einschlägige Studien behandeln wichtige Institutionen der NS-Bürokratie oder bedeutende Täter des Massenmords ebenso wie die meisten europäischen Länder und Regionen, in denen die Verbrechen stattfanden. Tatsächlich stellen die vergangenen 20 Jahre die zweifellos produktivste Phase der gesamten bisherigen Holocaustforschung dar. Klaus-Michael Mallmann, dem diese Festschrift zur Vollendung seines 65. Lebensjahres gewidmet ist, hat diese Entwicklung miterlebt und mitgeprägt. Wir nehmen Geburtstag und Publikation zum Anlass, den Gang der Holocaustforschung während der vergangenen 20 Jahre in ihren Grundzügen und in ihrer Verschränkung mit der Arbeit des Jubilars nachzuzeichnen. Eine solche Bilanz vermag nicht zuletzt auch zu verdeutlichen, wie eng die NS-Forschung mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen seit den 1990er Jahren verzahnt war und ist. Die frühe NS-Forschung, ihre Errungenschaften und Defizite, sind mittlerweile selbst zum Gegenstand der Zeitgeschichtsforschung geworden, besonders was die Aufarbeitung des Mordes an den europäischen Juden angeht. 1 Lediglich partielles historiografisches Interesse hat bislang der massive Transformationsprozess hervorgerufen, der sich in der deutschen wie in der internationalen Forschung im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts vor dem Hintergrund zäsuraler weltpolitischer Ereignisse vollzog. Die groben Konturen sind bekannt: Ende des Ostblocks und Öffnung bis dahin für westliche Forscher unzugänglicher Archive; Umformung kollektiver Identitäten in den europäischen Staaten unter Rückbeziehung auf Kriegs- und Nachkriegserfahrung; Herausbildung des Holocaust als Paradigma für genozidale Verbrechen in Vergangenheit und 1 Vgl. etwa Ulrich Herbert: Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt/M. 1998; Nicolas Berg: Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Erforschung und Erinnerung, Göttingen 2003; Dan Stone (Hrsg.): The Historiography of the Holocaust, New York 2004.

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Vom Einzelfall zum Gesamtbild

Gegenwart. Auch lassen sich einige markante Einzelphänomene benennen, an denen sich die Veränderung der NS-Perzeption ablesen lässt. Unter dem Titel „Ordinary Men“ erschien 1992 Christopher Brownings bahnbrechende Studie über die Beteiligung des Reserve-Polizeibataillons 101 am Holocaust in Polen. 2 Vier Jahre später veröffentlichte Daniel Jonah Goldhagen seine Doktorarbeit „Hitlers willige Vollstrecker“, die nicht nur in Deutschland zum Bestseller wurde und bis weit in die Öffentlichkeit hinein eine vehemente Debatte über Ursachen und Vollzug des Judenmords auslöste. 3 Im gleichen Jahr zeigte das Hamburger Institut für Sozialforschung erstmals seine Ausstellung zu den Wehrmachtsverbrechen im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. 4 Ebenfalls in den 1990er Jahren kam es auf nationaler und internationaler Ebene zu organisierten Initiativen, um einige der verbliebenen Blindstellen historischer Aufarbeitung von NS-Verbrechen zu beleuchten. So entstanden etwa Kommissionen zur Ermittlung von „arisiertem“ und anderem Raubvermögen. Erwähnenswert ist auch die Entwicklung pädagogischer Konzepte zum Umgang mit dem Holocaust gerade im Vergleich zu anderen Verfolgungszusammenhängen wie der DDR-Diktatur, der sowjetischen Besatzung oder der Stalinschen Vernichtungspolitik durch Hunger, dem Holodomor. 5 Insbesondere in Deutschland begann sich eine Holocaustforschung herauszubilden, in der Wissenschaftler bislang unbeachtete Regional- oder Institutionsstudien erarbeiteten, dabei lange vernachlässigte Quellenbestände nutzten und zudem auch auf die nunmehr zugänglichen Archive der einstigen Ostblockstaaten zurückgreifen konnten. Gerade junge westdeutsche Historiker schlossen in jenen Jahren Darstellungen ab, die das Wissen über den Holocaust oder die NS-Besatzungspolitik ungemein bereicherten. So entstanden Regionalstudien zu Weißrussland oder Ostgalizien 6, Gruppen- oder Einzelbiographien von

2 Christopher R. Browning: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Reinbek 1993. 3 Daniel Jonah Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996. 4 Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS, Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1996; vgl. dass.: Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944, Hamburg 2002. 5 Vgl. die Veröffentlichungen zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus sowie Clemens Jabloner u. a. (Hrsg.): Schlussbericht der Historiker Kommission der Republik Österreich. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich – Zusammenfassungen und Einschätzungen, Wien 2003. 6 Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 1999; Dieter Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941–1944. Organisation und Durchführung eines staatlichen Massenverbrechens, München 1997; Thomas Sandkühler: „Endlösung“ in Galizien.

Vom Einzelfall zum Gesamtbild

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NS-Tätern 7 oder Darstellungen von Institutionen oder Einheiten, die in den Massenmord involviert waren oder einen wesentlichen Teil der zugrundeliegenden NS-Infrastruktur bildeten. 8 Gemeinsam war diesen Forschungsarbeiten ein neuer, unmittelbarer Fokus auf die Verbrechen und ihre Hintergründe, der in den meisten früheren Arbeiten oft ausgespart geblieben war. Nicht zuletzt spiegelt sich in den zahlreichen neuen Studien das Credo Wolfgang Schefflers wider, der als Wissenschaftler und langjähriger Gutachter in NS-Verfahren gefordert hatte, Justizakten als historische Quelle und Schlüssel zum Verständnis des Vernichtungsprozesses stärker zu nutzen. 9 Klaus-Michael Mallmann hat diese hochproduktive Phase der deutschen Holocaustforschung maßgeblich mitgeprägt. In Kaiserlautern 1948 geboren, studierte er Geschichte, Politikwissenschaft und Germanistik an den Universitäten Mannheim und Saarbrücken. Im Anschluss war er ab 1976 über mehr als ein Jahrzehnt als Fernsehjournalist beim Saarländischen Rundfunk tätig, ein biographisches Detail, das im Hinblick auf seine Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnis pointiert zu veröffentlichen, alles andere als unbedeutend ist. Promoviert wurde er 1980 und war dann nach dem Ende seiner journalistischen Tätigkeit zwischen 1988 und 1992 im Rahmen des Forschungsprojekts zu „Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935–1945“ wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes. Anschließend forschte er an der Freien Universität Berlin bei Peter Steinbach im Forschungsprojekt „Die Gestapo 1933–1945“. Aus dem Projekt gingen zwei wichtige Sammelbände hervor, die von Mallmann zusammen mit Gerhard Paul herausgegeben, das Wissen zu Sicherheitspolizei und SD bündelten. 10 Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz 1941–1944, Bonn 1996. 7 Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989, Bonn 1996; Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002. 8 Ralf Ogorreck: Die Einsatzgruppen und die „Genesis der Endlösung“, Berlin 1996; Jens Banach: Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicherheitspolizei und des SD 1936– 1945, Paderborn u. a. 1998; Andrej Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003; ders. u. a.: „Da hätte man schon ein Tagebuch führen müssen.“ Das Polizeibataillon 322 und die Judenmorde im Bereich der Heeresgruppe Mitte während des Sommers und Herbstes 1941, in: Helge Grabitz u. a. (Hrsg.), Die Normalität des Verbrechens. Festschrift für Wolfgang Scheffler zum 65. Geburtstag, Berlin 1994, S. 325–385; Isabel Heinemann: Rasse, Siedlung, deutsches Blut. Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas, Göttingen 1999. 9 Grabitz, Normalität; Alfred Gottwaldt/Norbert Kampe/Peter Klein (Hrsg.), NS-Gewaltherrschaft. Beiträge zur historischen Forschung und juristischen Aufarbeitung, Berlin 2005. 10 Vgl. Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo – Mythos und

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Vom Einzelfall zum Gesamtbild

1995 habilitierte Mallmann sich an der Universität Essen mit der Arbeit „Milieu und Avantgarde. Zur Sozialgeschichte des deutschen Kommunismus 1918– 1933“ und lehrte dort auch als Privatdozent für Neuere Geschichte. Seine im Folgejahr unter dem Titel „Kommunisten in der Weimarer Republik“ als Buch erschienene Habilitationsschrift markiert für die Kommunismus-Forschung der Zwischenkriegszeit noch immer einen hohen wissenschaftlichen Standard und stellt gleichzeitig den Höhepunkt von Mallmanns Beschäftigung auf diesem Forschungsfeld dar.11 Bis dahin hatte er sich bereits über 20 Jahre mit dem Saarland als Bergbau- und Industrieregion beschäftigt, hatte zur Geschichte der dortigen Arbeiterbewegung im späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geforscht und stark an kulturwissenschaftlichen Fragestellungen orientierte Veröffentlichungen zu Aspekten der sozialen Frage sowie zur Kirchenfrage in der Region vorgelegt. 12 Somit war Mallmann über zwei Dekaden ein veritabler Historiker sowohl der Geschichte der Arbeiterbewegung als auch der Region des Saarlandes, eine Tatsache, die angesichts seines späteren Wirkens schnell in Vergessenheit gerät. Das umfangreiche Forschungsprojekt zur Gestapo bildete dann den eigentlichen Anlass, sich wissenschaftlich verstärkt der Geschichte des Dritten Reiches und schließlich der Holocaustforschung zuzuwenden. Diese Richtungsentscheidung sollte Bestand haben. Sozialgeschichtlichen Fragestellungen weiterhin stark verpflichtet und von den Scheuklappen der akademischen „Ochsentour“ frei, gab Mallmann der neuen, empirisch ausgerichteten Holocaustforschung früh wichtige Impulse. Als einer der ersten Forscher entzauberte er den von Veteranen der Ordnungspolizei kultivierten „Mythos von der weißen Weste“ in einem Aufsatz über „das Fußvolk der Endlösung“, der den wesentlichen Anteil von Einheiten der Ordnungspolizei an

Realität, Darmstadt 1995; dies. (Hrsg.): Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. „Heimatfront“ und besetztes Europa, Darmstadt 2000. 11 Klaus-Michael Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996. 12 Vgl. exemplarisch ders./Gerhard Bungert: Bergmannskultur und Rechtsschutzverein, in: Saarheimat 19 (1975), S. 93 ff.; Klaus-Michael Mallmann: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848–1904), Saarbrücken 1981; ders./Gerhard Bungert/Gerd Schuster (Hrsg.): Der Weg zur Einheit. Stationen der Bergarbeiterbewegung an der Saar, Bochum 1981; Klaus-Michael Mallmann: „Aus des Tages Last machen sie ein Kreuz des Herrn …“? Bergarbeiter, Religion und sozialer Protest im Saarrevier des 19. Jahrhunderts, in: Wolfgang Schieder (Hrsg.): Volksreligiosität in der modernen Sozialgeschichte, Göttingen 1986, S. 152–184; Klaus-Michael Mallmann: Erfahrungsräume und Deutungswelten. Klassenbildung, Fragmentierung und Bergarbeiterbewegung in Deutschland 1871–1914, in: Klaus Tenfelde (Hrsg.): Sozialgeschichte des Bergbaus im 19. und 20. Jahrhundert, München 1992, S. 593–608; sowie insgesamt auch hinsichtlich dieser Thematik Mallmanns beeindruckendes Schriftenverzeichnis im Anhang.

Vom Einzelfall zum Gesamtbild

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der Judenvernichtung nachwies. 13 Diesem Thema widmete sich Mallmann in zahlreichen weiteren Forschungsarbeiten und integrierte es in einem breiteren Ansatz, der die gerade entstehende Täterforschung wesentlich vorantrieb. Erstmals überhaupt stellte er im Gesamtzusammenhang die zahlreichen Einsatzgruppen von Sicherheitspolizei und SD dar und thematisierte die Tätigkeit jener mobilen Kommandos von ihren Anfängen bei der Zerschlagung der Tschechoslowakei bis zu den letzten Aktivitäten während der Kriegsendphase. 14 Abgesehen davon charakterisierte Mallmann mit einer Analyse der sicherheitspolizeilichen „Bandenbekämpfung“ die bislang nur in Ansätzen realisierte Dimension nationalsozialistischer Verbrechen gegen die jüdische und nichtjüdische Zivilbevölkerung in der besetzten Sowjetunion und in Polen, die unter dem Deckmantel sogenannter Partisanenbekämpfung verübt wurden.15 Aus ihren von Klaus-Michael Mallmann mitbegründeten Wurzeln entwickelte sich die Täterforschung nach der Jahrtausendwende in ein weiteres Spezialfeld der sich immer mehr verästelnden Holocaustforschung. Während sich der akademische Mainstream in Deutschland, dem internationalem Trend zu Cultural Studies wie auch dem gesellschaftspolitischen Bedürfnis nach identifikatorischer Sinnstiftung folgend, immer stärker in Richtung Analyse kollektiver und individueller Motivationen und Einstellungen bewegte, blieb Mallmann nicht nur dem empirisch-sozialgeschichtlichen Ansatz verpflichtet, sondern erkannte darüber hinaus die Notwendigkeit einer dauerhaften institutionellen Verankerung der Holocaustforschung in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Die Möglichkeit dazu bot sich ihm in Gestalt der im April 2001 von Wolfram Pyta an der Universität Stuttgart initiierten Forschungsstelle Ludwigsburg, mit der die einzigartigen Bestände der Ludwigsburger Zentralen Stelle für die wissenschaftliche Forschung erschlossen werden sollten. Klaus-Michael Mallmann übernahm die wissenschaftliche Leitung der „Forschungsstelle Ludwigsburg“ ungeachtet der nach wie vor starken Bedenken etablierter Zeitgeschichtler gegenüber einer als „forensisch“ abgewerteten historiografischen Beschäftigung mit den konkreten Erscheinungsformen der NS-Verbrechen. Und so wechselte er im Jahr 2001 nach Baden-Württemberg, um die umfangreichen, seit dem Vorjahr als Teil des Bundesarchivs verwalteten Justizakten der Zentralen Stelle wissenschaftlich zu bearbeiten und damit öffentlich zugänglich zu machen. Seitdem gehört die Forschungsstelle zu den produktivsten Institutionen im 13 Klaus-Michael Mallmann: Vom Fußvolk der „Endlösung“. Ordnungspolizei, Ostkrieg und Judenmord, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 26 (1997), S. 355– 391. 14 Ders.: Menschenjagd und Massenmord. Das neue Instrument der Einsatzgruppen und -kommandos 1938–1945, in: Paul/Mallmann, Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 291– 316. 15 Ders.: „Aufgeräumt und abgebrannt“. Sicherheitspolizei und „Bandenkampf“ in der besetzten Sowjetunion, in: Paul/Mallmann, Gestapo im zweiten Weltkrieg, S. 503–520.

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