Gutscheine als Instrument einer effizienten und effektiven Sozialpolitik sowie betrieblichen Personalpolitik

December 9, 2020 | Author: August Straub | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

1 Gutscheine als Instrument einer effizienten und effektiven Sozialpolitik sowie betrieblichen Personalpolitik Bestandsa...

Description

Gutscheine als Instrument einer effizienten und effektiven Sozialpolitik sowie betrieblichen Personalpolitik Bestandsaufnahme und Analyse von betrieblichem Nutzen und volkswirtschaftlichen Effekten verschiedener Gutscheinsysteme

Abschlussbericht

Autoren: Dr. Dominik H. Enste und Christiane Flüter-Hoffmann unter Mitarbeit von Tamara Birke und Ilona Riesen

Diese Studie wurde gefördert von Sodexho Pass Deutschland.

Köln, den 14. Januar 2008

Inhalt 1 Einleitung ..............................................................................................................4 2 Theoretische Grundlagen ......................................................................................5 2.1 Subjekt- versus Objektförderung.........................................................................5 2.2 Transferarten: „Transfer in Cash“ versus „Transfer in Kind“ ..............................6 2.3 Strukturmerkmale von Gutscheinen als Instrument staatlicher Eingriffe ...........8 2.4 Ziele von Gutscheinen als politisches Instrument...............................................10 2.5 Systematik zur Evaluierung von Gutscheinmodellen .........................................15 3 Potenzielle Einsatzfelder von Gutscheinen .........................................................17 3.1 Soziale Dienstleistungen ....................................................................................17 3.1.1 Gutscheine im Bereich Kinderbetreuung .........................................................17 3.1.2 Persönliches Budget für Behinderte ................................................................21 3.1.3 Subjektförderung in der Pflege.........................................................................23 3.2 Betriebliche Personalpolitik.................................................................................27 3.2.1 Betriebliche Sozialleistungen als Mitarbeiterbindungsprogramm....................27 3.2.2 Anreizwirkungen durch Einspareffekte für Arbeitgeber und Arbeitnehmer .....30 3.2.3 Anbieter und Administration der Gutscheinsysteme........................................34 4 Bestandsaufnahme: Gutscheinsysteme in der EU, Schwerpunkt Deutschland.....37 4.1 Dienstleistungsgutscheine ..................................................................................37 4.2 Kinderbetreuungsgutscheine ..............................................................................41 4.3 Pflegegutscheine ................................................................................................46 4.4 Bildungsgutscheine ............................................................................................48 4.5 Essensgutscheine und Restaurantschecks .......................................................53 5 Volkswirtschaftliche Effekte von Gutscheinsystemen ......................................58 5.1 Transfervolumen sozialer Dienstleistungen ........................................................59 5.1.1 Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe ...............................................59 5.1.2 Aufwendungen für Pflegeleistungen ................................................................60 5.1.3 Eingliederungshilfe für Behinderte ..................................................................61 5.1.4 Grundsicherung des Lebensunterhalts ............................................................62 5.1.5 Übersicht und Zusammenfassung ...................................................................66 5.2 Effizienzpotenziale und Reformdividende – Soziale Dienstleistungen ...............67 5.2.1 Wettbewerb und Kinderbetreuung ...................................................................67 5.2.2 Förderung der Eigenverantwortung bei den Pflegebedürftigen.......................72 5.2.3 Konsumentensouveränität in der Behindertenhilfe ..........................................73 5.2.4 Rendite in der Grundsicherung des Lebensunterhalts ....................................75 5.2.5 Sonstige Evaluationen......................................................................................75

2

5.3 Volkswirtschaftliche Gesamteffekte bei Essengutscheinen................................79 5.3.1 Potenzielles Umsatzvolumen ...........................................................................79 5.3.2 Potenzielle Effektivitäts- und Effizienzvorteile..................................................82 5.3.3 Potenzieller Gesamteffekt ................................................................................83 5.4 Volkswirtschaftliche Effekte – Schattenwirtschaftsreduktion ..............................85 5.4.1 Bürokratiekostensenkung durch Gutscheinsystem..........................................85 5.4.2 Deregulierung durch Gutscheinsystem ............................................................87 5.4.3 Essensgutscheine und Schattenwirtschaftsreduktion......................................93 5.4.4 Kita-Gutscheine und Schwarzarbeitsverringerung ..........................................95 5.4.5 Pflegegutscheine und Schwarzarbeitslegalisierung ........................................96 6 Zusammenfassung..................................................................................................99 7 Literatur ...................................................................................................................104

3

1 Einleitung Vor rund 50 Jahren hat Milton Friedman (1955) erstmals seine Ideen zu Gutscheinen im Erziehungs- und Bildungswesen vorgestellt. Eine Vielzahl von theoretischen und empirischen Beiträgen der letzten Jahre befasst sich mit den Problemen, den Konsequenzen und der praktischen Umsetzung von Gutscheinmodellen. In Deutschland ist das Konzept bisher von der Politik allerdings kaum aufgegriffen worden. Eine Ausnahme bildet die jüngste Initiative des Bundesfamilienministeriums. Und dies, obwohl es in zahlreichen Anwendungsbereichen wie bei sozialen Dienstleistungen Hinweise darauf gibt, dass staatliche Eingriffe mittels Gutscheinen effizienter und zielgenauer erfolgen könnten. Auch in der betrieblichen Praxis spielen Gutscheine in Deutschland – zum Beispiel im Bereich von Lebensmittelschecks – anders als in einigen europäischen Ländern bisher faktisch nur eine untergeordnete Rolle. Dieser Ausgangsbefund ist der Anlass für die vorliegende Untersuchung über die Effekte eines verstärkten Einsatzes von Gutscheinen als Instrument sowohl der öffentlichen Sozialpolitik wie der betrieblichen Personalpolitik. Ziel dieser Studie ist es, belastbare Antworten auf folgende Leitfragen zu finden: • Welche Einsatzmöglichkeiten bieten Gutscheine einer auf Mitarbeiterbindung bedachten betrieblichen Personalpolitik? • Welche sozialpolitischen Leistungen lassen sich mit Gutscheinen effizienter als bisher anbieten? • Welche volkswirtschaftlichen Effekte kann ein verstärkter Einsatz von Gutscheinen auslösen? Die Analyse zur Effizienz von Gutscheinen beginnt mit einer Beschreibung und Erläuterung der theoretischen Grundlagen, um ein tragfähiges Fundament für die Ermittlung der Effizienzpotenziale zu schaffen. Die sich daran anschließende Bestandsaufnahme fasst bisherige Erfahrungen mit Gutscheinen in verschiedenen Bereichen der Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik und unterschiedlichen Ländern zusammen. Diese Daten liefern wertvolle Hinweise für die konkrete Abschätzung der Effizienzreserven und deren Realisierungschancen. Schwerpunkt des nächsten Kapitels ist die betriebliche Personalpolitik. Die Analyse zielt hier auf die Abschätzung der Effekte einer größeren Verbreitung von Gutscheinen im Bereich der betrieblichen Personalpolitik. Im fünften Kapitel werden die volkswirtschaftlichen Gesamteffekte der Einführung von Gutscheinsystemen näher analysiert. Dort wird eine Effizienzrendite beziffert, die sich im Wesentlichen aus den drei Teileffekten a) Verringerung der Schattenwirtschaft, b) verbesserte Treffgenauigkeit von sozialpolitisch motivierten Leistungen und c) verringerten bürokratischen Belastungen zusammensetzt. Abschließend werden Handlungsfelder für Politik und Unternehmen benannt, wodurch eine stärkere Verbreitung des Instruments Gutscheine zu erreichen ist.

4

2

Theoretische Grundlagen

In Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik gibt es traditionell heftige Kontroversen darüber, welche Aufgaben der Staat übernehmen muss und welche besser Markt und Wettbewerb überlassen bleiben sollten. In der Wohlfahrtsökonomik werden als Gründe für Staatseingriffe so genannte Fälle von Marktversagen angeführt, in denen über den Preis Angebot und Nachfrage nicht optimal zusammengeführt werden. Als wesentliche Gründe für Marktversagen werden externe Effekte, asymmetrische Informationen, natürliche Monopole und ruinöse Konkurrenz genannt (Fritsch/Wein/Evers, 2004). Darüber hinaus werden Staatseingriffe aus Gründen der Umverteilung mit dem Ziel der Sicherung des Existenzminimums für Bedürftige sowie der Herstellung von weitgehender Startchancengerechtigkeit als gerechtfertigt angesehen (Bradford/Shaviro, 1999, 4ff.; zur Begründung von distributiven Eingriffen Gradstein, 1999; Gradstein/Justman, 2000). Staatliche Eingriffe erfolgen jedoch auch in Fällen, in denen der Staat paternalistisch agiert und versucht, vermeintlich falsche Präferenzen seiner Bürger durch Sanktionen zu korrigieren. Der Staat bewertet hierbei einige private Güter höher als andere. Er fördert deren Konsum oder Nutzung (zum Beispiel den Besuch von Kindertagesstätten, Museen und Theatern, die Ausgabe kostenloser Schulmilch), indem er diese selbst anbietet oder subventioniert (Meritorisierung). Alternativ hierzu kann auch die Verteuerung von „schlechten“ Gütern („Demeritorsierung“) erfolgen. Typisches Beispiel ist die Verteuerung des Rauchens (demeritorisches Gut) durch eine (steigende) Tabaksteuer. Als Grund für einen Staatseingriff wird eine zu geringe bzw. eine zu hohe Nachfrage nach einem Gut genannt, die nicht der gewünschten oder „richtigen“ Nachfrage entspricht. Als Ursache gelten unvollständige oder fehlende Informationen sowie das irrationale Verhalten der Menschen bzw. zu niedriges Einkommen. Dies spricht jedoch zunächst dafür, dass der Staat, vorausgesetzt er verfügt überhaupt über bessere Informationen, lediglich die Informationsbasis der Konsumenten verbreitert oder die Ursachen für die postulierte Irrationalität beseitigt. Welcher Konsum richtig oder falsch ist, hängt letztlich von der Einschätzung jedes Einzelnen selber ab. Die Souveränität des Konsumenten markiert einen Grundpfeiler einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Ihre Infragestellung durch staatliche Instanzen steht stets unter Vorbehalt, andernfalls öffnet die Begründung über die Meritorik eines Gutes nicht nur ein Einfallstor für staatliche Interventionen in vielen Lebensbereichen, sondern erleichtert auch den Missbrauch hoheitlicher Entscheidungsbefugnisse durch Partikularinteressen. 2.1 Subjekt- versus Objektförderung Geht man in einem konkreten Fall davon aus, dass ein staatlicher Eingriff gerechtfertigt ist, stellt sich die Frage nach der geeigneten Form der Intervention. Der Staat kann in Eigenregie die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen übernehmen oder diese privaten Anbietern überlassen. Unabhängig davon kann die Begünstigung des Konsums durch die Förderung der anbietenden Einrichtungen (Objektförderung) oder des einzelnen Nachfragers (Subjektförderung) erfolgen. Bei der Objektfinanzierung ersetzt der Staat dem jeweiligen Träger einer Einrichtung oder dem Anbieter die gesamten bzw. einen Teil der anfallenden Kosten gegen entsprechende Nachweise. Durch die engen Abstimmungsprozesse zwischen der jeweiligen staatlichen Behörde und der zu finanzierenden Einrichtung, haben die Bürokraten und Experten einen großen Einfluss auf Preise, Qualität und Umfang der angebotenen Leistungen. Beispiele

5

für Objektförderung sind das öffentliche Angebot von Kultureinrichtungen (Theater, Museen etc.) und Badeanstalten. Demgegenüber werden bei der Subjektförderung nicht die Anbieter, sondern die Nachfrager gestärkt und finanziell unterstützt. Dabei wird mehr auf marktwirtschaftliche Mechanismen vertraut als auf die Richtigkeit staatlicher Planungen hinsichtlich Kosten und Leistungen. Außerdem kann so eine subjektbezogene Finanzierung erreicht werden, die jeweils auch an die Bedürftigkeit der Person gekoppelt werden kann. Damit ist eine zielgenauere Förderung möglich, als bei einer Objektförderung. Steuerliche Absetzungsmöglichkeiten von Kosten, direkte monetäre Transfers oder die direkte Ausgabe von Gutscheinen oder Bezugsscheinen sind im weiteren Sinne als Modelle der Subjektförderung zu benennen. Beispiele für eine Subjektförderung sind Wohngeld, Eigenheimzulage und Voucher für die Kinderbetreuung. 2.2 Transferarten: „Transfer in Cash“ versus „Transfer in Kind“ Unter Effizienzgesichtspunkten sollten staatliche Subventionen in Form eines frei verwendbaren Geldbetrages („Transfer in Cash“) bei Bedürftigkeit erfolgen, da bei der freien Verwendung eines Geldbetrages der höchste Nutzen beim Transferempfänger gestiftet wird. Nur in Einzelfällen, z. B. wenn die Menschen ihre Wünsche (aufgrund von Demenz, Behinderungen oder Unmündigkeit) nicht artikulieren können und die Vormundschaft kein gangbarer Weg ist, sollte ein „Transfer in Kind“ (Sachleistung) einem „Transfer in Cash“ (Geldleistung) vorgezogen werden (z. B. Varian, 2003). Abbildung 1 veranschaulicht die Effizienzunterschiede anhand eines Vergleichs eines gebundenen und eines ungebundenen Transfers im Pflegebereich. Ausgangspunkt ist die Budgetgerade (A1). Auf ihr liegen alle Güterkombinationen, die der Pflegebedürftige ohne staatliche Unterstützung maximal konsumieren kann. Bei einem „Transfer in Kind“ (A2), z. B. in Form der Zuweisung eines Pflegeplatzes, kann ein – im Vergleich zur Ausgangssituation I1 – höheres Nutzenniveau I2 erreicht werden. Statt 50 Einheiten werden nun 150 Einheiten gesetzliche Pflegeleistungen in Anspruch genommen. Dies ist auf den positiven Einkommens- und Substitutionseffekt zurückzuführen. D. h., sowohl das höhere Einkommen (Einkommenseffekt) als auch die Vergünstigung der Pflegeleistungen (Substitutionseffekt) tragen zur Konsumausweitung im Pflegebereich bei. Der Konsum der anderen Güter steigt durch den positiven Einkommenseffekt von 150 auf 200 Einheiten ebenfalls an. Der negative Substitutionseffekt durch die relative Verteuerung der anderen Güter durch die Subvention der Pflegeleistungen wird durch den positiven Einkommenseffekt mehr als ausgeglichen. Denn der Haushalt kann das Einkommen, das er bisher für die private Inanspruchnahme der Pflegedienstleistung ausgegeben hat, nun für andere Güter verwenden. Wird dem Haushalt statt einem Pflegeplatz hingegen der hiermit äquivalente Geldbetrag in bar zugewiesen („Transfer in Cash“ A3), kann er sogar das noch höhere Nutzenniveau I3 erreichen. Da der Empfänger souverän über das zusätzliche Geld verfügen kann, ist die allokative Effizienz höher. Im Beispiel reichen dem Konsumenten Pflegedienstleistungen in Höhe von 75 Einheiten – z. B. in Form einer ambulanten Pflege. Der Konsum der anderen Güter steigt durch den Einkommenseffekt sogar auf 275 Einheiten statt früher 150. Da es keine Substitution zugunsten der Pflege gibt, wird das Ziel der Ausweitung des Konsums der geförderten Pflegedienstleistungen nur in geringerem Maße erreicht. Denn jetzt ist die Wertschätzung für die verschiedenen Güter des Haushalts relevant und nicht mehr der staatliche Wille. Je größer das Bedürfnis der Haushalte nach den gesetzlichen Pflege6

dienstleistungen ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Tranfer-in-Cash und Transfer-in-Kind entsprechen. Gebundene Geldleistungen (z. B. in Form eines Gutscheins) stellen eine Mischform beider Transferarten dar. Auf der einen Seite wird die Auszahlung des Geldbetrags an den Konsum eines bestimmten Gutes gekoppelt, dem Empfänger bleibt jedoch die Wahlfreiheit erhalten, souverän zwischen den angebotenen Varianten auszuwählen. So kann er beispielsweise eine geringere Zahl von Einheiten gesetzlicher Pflegeleistungen nachfragen, die jedoch eine höhere Qualität aufweisen als bei der Zuweisung eines spezifischen Pflegeplatzes. Gebundene Geldleistungen bieten sich gerade in solchen Fällen an, in denen zwar der Transfer an eine spezifische Verwendung gebunden sein soll, um die Effektivität des staatlichen Eingriffes zu gewährleisten, andererseits aber dem Konsumenten die Souveränität zuerkannt werden darf, das jeweils beste Angebot für sich auszuwählen (Arntz/Spermann, 2004). Abbildung 1 „Transfer in Cash“ versus „Transfer in Kind“ Sonstige Güter

A3 = Transfer in Cash A3

275 I3

A2

200

I2 150

A2 = Transfer in Kind

I1

A1 0

50

75

150

Gesetzliche Pflegedienstleistungen

Gesetzliche Pflegedienstleistungen als meritorisches Gut

Quelle: Enste/Stettes, 2004, 9

Falls der Staat dem Betroffenen die volle Entscheidungsfreiheit nicht zumuten möchte, nicht zutraut oder verhaltenslenkend eingreifen will, sollte die Förderung über Gutscheine erfolgen. Wenngleich im Vergleich zum „Transfer in Cash“ (reine Geldzahlung) bei einer stärkeren Zweckbindung für den Leistungsempfänger ein geringerer Nutzen entstehen kann, ist der paternalistische Staat als Transfergeber bei einem gebundenen Transfer („Transfer in Kind“) in der Lage, seine Vorstellungen über den Konsum bestimmter Güter am kostengünstigsten durchzusetzen. Aus Sicht des Staates können das Angebot besser geplant, der Konsum feiner gesteuert und die Transferempfänger zielgenauer ausgewählt werden. Der Transferempfänger „bezahlt“ dies jedoch mit seiner eingeschränkten Wahl7

freiheit. Falls eine zweckgebundene Förderung staatlich gewünscht wird, kann diese durch Gutscheine (Voucher) zielgenau und vergleichsweise effizient erfolgen. Denn sie stört den Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern nicht, es sei denn, der Gutschein ist so konzipiert, dass er de facto systematisch einzelne Einrichtungen begünstigt (z. B. gemeinnützige oder öffentliche). 2.3 Strukturmerkmale von Gutscheinen als Instrument staatlicher Eingriffe Gutscheine können je nach Einsatzbereich unterschiedlich ausgestattet werden. Einige allgemeine Merkmale werden hier skizziert (Bradford/Shaviro, 1999). Üblicherweise wird die Finanzierungsseite bei der Gutscheinbetrachtung ausgeblendet und es wird von einer allokationsneutralen Finanzierung ausgegangen. Dies ist akzeptabel, da auch andere Unterstützungssysteme finanziert werden müssen und es hier um einen Vergleich der Subventionsmodelle geht. Dennoch muss grundsätzlich beachtet werden, dass auch Gutscheine nicht kostenlos angeboten werden können und möglicherweise an anderer Stelle allokationsverzerrend wirken. 1. Transferhöhe und Empfängerkreis Wichtige Strukturmerkmale von Gutscheinen sind die Transferhöhe und der Empfängerkreis. Der Transferumfang hängt zunächst von der Höhe des Gutscheinwertes und seiner Bezugsgröße ab. So kann der Wert eines Gutscheins eine Pauschalsumme betragen, z. B. 1.000 Euro, oder einen Pauschalanteil an dem vom Begünstigten zu entrichtenden Preis für die Gutscheinleistung umfassen, z. B. 80 Prozent. Unter Umständen beschränkt sich die Erstattung der Preise durch den Gutschein lediglich auf Teile der Leistung, welche der Begünstigte empfängt. Dies gilt insbesondere beim Bezug von so genannten Güterbündeln. Neben Wertgutscheinen sind auch andere Bezugsgrößen vorstellbar, insbesondere bei Dienstleistungen (Dauer) oder bei geldwerten Sachleistungen (Anzahl). Die Höhe der Gutscheine wird aufgrund der abnehmenden Grenzertragsrate der Nutzung in der Regel auf einen Höchstbetrag begrenzt. Das Gutscheinvolumen wird darüber hinaus von der Verteilungsregel beeinflusst, d. h. es wird ein Kreis von Bezugsberechtigten im Vorfeld bestimmt. Gutscheine können für bestimmte Personenkreise reserviert sein, weil diese bestimmte Merkmale erfüllen. Dazu zählen häufig die Höhe des selbst erwirtschafteten Einkommens oder die Existenz von spezifischen Bedürfnissen aufgrund von persönlichen Charakteristika (Alter, Gesundheit etc.) bzw. Haushaltsmerkmalen (Familiengröße). Der Wert von Gutscheinen wird häufig auch in Abhängigkeit solcher Merkmale differenziert. So enden die staatlichen Transfers unter Umständen bei einer bestimmten Einkommenshöhe oder sie sinken sukzessive mit zunehmendem Einkommen (abnehmende Grenztransferrate). 2. Zweckbindung, Handelbarkeit und Transferart Beim Gutschein kann je nach Ausgestaltung der Zweckbindung der Konsum des Gutes verpflichtend oder freiwillig sein. Gutscheine können deshalb sehr unterschiedliche Wirkungen erzeugen, so dass sie nicht pauschal bewertet werden können: • Wird beispielsweise ein Betreuungsgutschein ausgegeben, aber der Konsum ist nicht verpflichtend und der Gutschein ist sogar handelbar, entspricht der Gutschein de facto einem Transfer in Cash, da er – unter Umständen mit gewissen Abschlägen – z. B. bei Ebay versteigert werden könnte. • Unterstützt der Gutschein nur in jedem Fall erforderlichen Konsum, z. B. das Wohnen, wirkt er im Wesentlichen ebenfalls eher wie ein Geldtransfer, da die dann beim Gut Wohnen eingesparten Mittel frei verwendet werden können (Mitnahmeef8





fekt). D. h., es kann zu einer Ausweitung der Nachfrage nach dem Gut Wohnen kommen, muss es aber nicht, da dies von der Intensität der Einkommens- und Substitutionseffekten abhängt (Abbildung 1). Ist der Gutschein auf den Konsum bestimmter Güter und Dienstleistungen begrenzt, die bisher nicht nachgefragt wurden, wirkt er wie ein „Transfer in Kind“, der Konsument behält jedoch die Wahlfreiheit, den Anbieter zu wählen. Würde beispielsweise die Förderung der Theater und Museen auf eine Subjektförderung mit Gutscheinen umgestellt und jedes Kind erhielte zur Geburt Kulturgutscheine, die eine kulturelle Grundversorgung sicherstellen, würden auch bildungsferne Schichten zum Konsum von Kulturstätten angehalten, sofern sie den Gutschein nicht verfallen lassen möchten. Gutscheine in Verbindung z. B. mit einer Schulpflicht reduzieren die Wahlfreiheit der Konsumenten letztlich auf die Auswahl der Anbieter, während der Konsum verpflichtend ist.

3. Erweiterungsoptionen und Vergabeart Des Weiteren ist zu klären, ob die Begünstigten den Gutschein durch Eigenmittel aufstocken dürfen oder nicht, wenn sie ihn einlösen. Im zuerst genannten Fall deckt der Gutschein de facto lediglich einen Mindestumfang der Gutscheinleistung ab. Der Bezug eines darüber hinausgehenden Leistungsumfangs hängt dann von den individuellen Präferenzen und der Einkommenssituation des Einzelnen ab. Ein Aufstockungsverbot berührt jedoch nicht nur den Transferbegünstigten, sondern auch den Anbieter, weil dieser in seinem Spielraum betroffen ist, ein differenziertes Leistungsangebot bereitzustellen sowie eine eigenständige Preispolitik/Preisdiskriminierung zu betreiben. Dabei können Gutscheine grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Arten ausgegeben werden: • Die Empfänger erhalten unmittelbar vom Staat Gutscheine in Form von Wertmarken. Diese ersetzen beim Erwerb des Gutes oder der Dienstleistung Bargeld und können vom Anbieter wiederum bei einer staatlichen Einrichtung eingelöst werden. • Gutscheine werden indirekt vergeben. In diesem Fall meldet der Anbieter lediglich die realisierte Nachfragemenge an die Behörde, ohne dass er vom Empfänger unmittelbar einen Gutschein als Gegenleistung erhält. Er bezieht stattdessen eine staatliche Finanzzuweisung. Im Unterschied zu Wertmarken, sind indirekte Gutscheine grundsätzlich nicht übertragbar und damit auch nicht handelbar. 4. Regulierung des Angebots von Gutscheinleistungen Neben einem Aufstockungsverbot existieren in Gutscheinmodellen zum Teil eine Reihe weiterer Regulierungen bei der Bereitstellung der Gutscheinleistung. Dazu zählt zunächst die Abgrenzung des Anwendungsbereichs. Er kann limitiert sein, indem die Gutscheine lediglich bei öffentlichen Anbietern eingelöst werden können. Denkbar sind aber auch eine Begrenzung auf gemeinnützige Organisationen, eine Berechtigung für private, gewinnorientierte Anbieter sowie Mischlösungen von öffentlichen, gemeinnützigen und gewinnorientierten Anbietern. Unabhängig von der Limitierung enthalten Gutscheinmodelle häufig Vorgaben für die Anbieter. So müssen die Gutscheinleistungen unter Umständen festgelegte Eigenschaften aufweisen oder der Anbieter bestimmte Kriterien bei der Leistungserstellung erfüllen. Zu letzterem zählen vor allem Anforderungen an die Personalausstattung, insbesondere die Qualifikationen der Mitarbeiter, sowie Produktionsauflagen (Mindestanforderungen an 9

räumlicher Einrichtung, Arbeits- und Umweltschutz, Hausordnung etc.). Unter Umständen sind lediglich Anbieter mit einer bestimmten Rechtsform zugelassen. Ein zentrales Strukturmerkmal für Gutscheinmodelle sind Vorschriften, welche den Zugang eines Begünstigten zur Gutscheinleistung bei einem bestimmten Anbieter regeln und die Vertragsfreiheit begrenzen. Selbst für den Fall, dass der Anbieter keine Preisdiskriminierung betreiben darf, bleibt ihm auf Wettbewerbsmärkten die Option, den Begünstigten bzw. seinen Gutschein abzuweisen. Anbieter können deshalb ohne zusätzliche Regelungen zu einer unerwünschten Selektion der Nachfrager beitragen. Dem stehen möglicherweise ein uneingeschränkter oder ein beschränkter Kontrahierungszwang entgegen. Während die Anbieter im ersten Fall keinen Begünstigten ablehnen dürfen, bedeutet eine eingeschränkte Vertragspflicht, dass eine Abweisung von Gutscheineingaben unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Darunter fallen z. B. Kontrahierungszwänge, welche die Einlösung einer vorgegebenen Quote für einen bestimmten Personenkreis festlegen oder lediglich bis zum Ausschöpfen der Kapazitätsgrenze gelten (Windhundrennen/First come, first serve, Lotterien). 5. Einrichtung von Unterstützungssystemen/ Infrastruktur Die konkreten Rahmenbedingungen auf (Quasi-)Märkten, auf denen Gutscheine zum Einsatz kommen sollen, erzwingen häufig die Implementierung einer Infrastruktur, damit einerseits die Wettbewerbskräfte sich erst entfalten, andererseits meritorische oder distributive Ziele effektiv durchgesetzt werden können. Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern nach Gutscheinleistungen erfordern die Einrichtung von Informationssystemen. Dazu zählen die Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen oder zur Publikation von Rechenschaftsberichten, die Einrichtung von Informationsagenturen und Beratungsstellen als Entscheidungshilfe für die Begünstigten. Insbesondere bei ortsgebundenen Dienstleistungen müssen Transportsysteme die Gewähr leisten, dass die Begünstigten ihre Gutscheine bei dem Anbieter ihrer Wahl einlösen können. Gutscheinmodelle unterscheiden sich darin, ob die hierfür erforderlichen Kosten durch die öffentliche Hand mitfinanziert werden oder in die Verantwortung des Begünstigten selber fallen. Schließlich müssen Schieds- und Kontrollsysteme existieren, welche bei Ablehnung oder Verweis des Begünstigten durch den Anbieter die Legitimität eines derartigen Verhaltens prüfen, bei einem Wechsel des Anbieters die Übertragbarkeit von noch nicht verbrauchten Gutscheinbeträgen regeln sowie die Durchsetzung der Vorgaben garantieren. 2.4 Ziele von Gutscheinen als politisches Instrument Bei der Ausgabe von Gutscheinen mit dem Ziel, die Gefahr eines Staatsversagens bei der Internalisierung externer Effekte oder der Beseitigung von Informationsasymmetrien, der Durchsetzung meritorischer Erwägungen und der Verfolgung von Verteilungsvorstellungen zu begrenzen, sind drei konkurrierende Ziele zu berücksichtigen (Falck, 2004 a/b; Levin, 2002; Vandenberge, 1996; Wolter, 2001; Gill et al., 2001, 24ff.): 1. Allokative Effizienz (Konsumentensouveränität und Wahlfreiheit), 2. Produktionseffizienz (Kosten und Qualität), 3. Gesellschaftliche Ziele (Gleichheit, soziale Kohäsion). 1. Verbesserung der allokativen Effizienz (Wahlfreiheit) Ein staatlicher Eingriff ist aus Allokationssicht dann effizient, wenn der Nutzen der begünstigten Personen im Rahmen der Zweckbindung im größtmöglichen Maß zunimmt. Der 10

Staat müsste dafür die „richtigen“ Güter in „richtiger“/gewünschter Menge auswählen. Er wird jedoch in den wenigsten Fällen einschätzen können, welche spezifischen Eigenschaften die Güter und Dienstleistungen im Detail aufweisen sollten, um die unterschiedlichen individuellen Präferenzen bestmöglich zu erfüllen. Gutscheine versorgen die Begünstigten mit zusätzlicher Kaufkraft. Die Souveränität der Begünstigten als Konsumenten wird gestärkt, denn der Staat überlässt ihnen die Freiheit, im Rahmen des Verwendungszwecks zwischen den verschiedenen zulässigen Angeboten und/oder Anbietern auszuwählen. Dieser Aspekt gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn der Staat als Gutscheingeber über das optimale Ausmaß der Konsumausdehnung und die Vielfalt der zulässigen Konsumalternativen unsicher ist, also weder die einzelnen „richtigen“ Güter identifizieren noch die „richtige“ Menge definieren kann. Die Begünstigten erhalten ein Geldäquivalent, welches innerhalb einer Güter- oder Dienstleistungskategorie eingelöst werden kann. Mit Blick auf die Abbildung 1 kann der Gutschein zwar lediglich für Pflegeleistungen eingelöst werden – es gilt für den Haushalt im Vergleich zu anderen Gütern die Budgetlinie ABC –, aber innerhalb der Güterkategorie verbleibt dem einzelnen Empfänger ein souveränes Wahlrecht. Im einfachsten Fall eines vorgegebenen Gutscheinwertes kann er sich für wenige Einheiten einer hochpreisigen, qualitativ hochwertigeren Pflegeleistung entscheiden oder für viele Einheiten einer kostengünstigeren Pflegeleistung. Unveränderlich ist lediglich seine Budgetlinie DBC. Jeder Haushalt wählt schließlich jene Kombination, welche seine Präferenzen am besten erfüllt. Damit entsprechen Gutscheine einer wichtigen Nebenbedingung staatlicher Eingriffe, denn die Garantie einer Wahlfreiheit – selbst eine eingeschränkte – gilt bereits als Wert an sich (Bartlett/Le Grand 1993, 17f.; Gill et al., 2001, 115ff.; Wolter, 2001, 67). Gutscheine erfüllen damit ein zentrales Kriterium einer marktwirtschaftlichen Ordnung. 2. Verbesserungen der Produktionseffizienz Der Staat ist kein monolithisches Gebilde, sondern besteht aus Personen mit unterschiedlichsten Interessen. Beschäftigte und Führungskräfte in einer bürokratischen Organisation (Agenten) besitzen bei der staatlichen Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen Informationsvorsprünge gegenüber ihren politischen Auftraggebern (Prinzipale). Ist die effiziente Bereitstellungsmenge den politischen Entscheidungsträgern unbekannt, werden eigennützige Bürokraten die Güter und Dienstleistungen in einem Umfang anbieten, bei dem im Extremfall die Gesamtkosten der Produktion der gesamten öffentlichen Zahlbereitschaft für einen öffentlichen Verwendungszweck entsprechen (Niskanen, 1973). Bei einer Angebotsmenge A entsprechen die durchschnittlichen Kosten der Bereitstellung (DK0) gerade dem Durchschnittserlös PA, den ein Anbieter im Rahmen der Freien Wohlfahrtspflege erzielen kann (Abbildung 2). In dieser Konstellation erzielt der Anbieter keinen Gewinn und es werden mehr Ressourcen eingesetzt, als aus gesellschaftlicher Perspektive sinnvoll ist. Der Zusatznutzen der zuletzt bereitgestellten Güter und Dienstleistungen, der sich an der Nachfragekurve ablesen lässt, ist ab der Angebotsmenge C geringer als die zusätzlich anfallenden Kosten, die von der Grenzkostenkurve GK0 abgebildet werden. Es existiert ein Überangebot in Höhe der Gütermenge CA. Nun ist zwar vorstellbar, dass die Politik vertraglich oder per Verordnung die gewünschte Güterart und das anvisierte Volumen (in Abbildung 2 die Menge C) vorgibt. Dem öffentlichen Leistungsanbieter verbleibt dennoch ein Spielraum für opportunistisches Verhalten, indem er die für ihn günstigste Produktionsmethode auswählt. Politik und Öffentlichkeit werden in der Regel nicht erkennen können, ob der Ressourcenaufwand gerechtfertigt ist.

11

Die öffentliche Produktion erfolgt unter Umständen mit einem zu hohen Ressourcenaufwand bzw. X-ineffizient (Belfield, 2000, 186ff.). Abbildung 2 Überangebot und X-Ineffizienz bei öffentlicher Bereitstellung Kosten und Erlöse

Nachfrage

GK0 DK0 DK1

PA PB

Überangebot

P*C

X-Ineffizienz

C

A

Menge

Quelle: Enste/Stettes, 2004, 12

Die so genannte X-Ineffizienz besagt, dass die Bereitstellung einer bestimmten Gütermenge und -qualität nicht zu den geringsten Kosten gemäß dem ökonomischen Prinzip erstellt wird. Abbildung 2 illustriert auch diesen Fall. Ein Anbieter in der Freien Wohlfahrtspflege erhält die Vorgabe, die Angebotsmenge C bereitzustellen. Selbst wenn die Behörde angesichts der Erfahrungen mit einem Überangebot (Menge A) den Durchschnittserlös bzw. den administrativen Preis für die Pflegeleistung sogar absenkt – z. B. von PA auf PB – ist eine effiziente Produktion keineswegs gewährleistet. Da Anbieter der Freien Wohlfahrtspflege ihre durchschnittlichen Kosten in Rechnung stellen dürfen, haben sie bei einem abgesenkten Preis PB den Anreiz, ihre durchschnittlichen Kosten zu erhöhen – z. B. von DK0 auf DK1. Denkbar ist beispielsweise eine Anhebung der Vergütungen für die beschäftigten Mitarbeiter, welche nicht durch eine entsprechende Produktivitätssteigerung kompensiert wird (sogenannte Baumol´sche Kostenkrankheit, vergleiche Übersicht 2). Das Ausmaß der X-Ineffizienz wird durch das graue Rechteck abgebildet. Die Leistungserstellung erfolgt nicht kostenminimal, weil der politische Auftraggeber über keine Informationen über die effiziente Bereitstellungsmethode verfügt.

12

Übersicht 1 Baumol´sche Kostenkrankheit Erstmals 1966 wiesen Baumol und Bowen für den Bereich der Kunst auf die – im Vergleich zur industriellen Fertigung – nur geringen Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität hin. Dieser Sektor sei zum einen durch eine hohe Personalintensität gekennzeichnet und zum anderen sei eine Leistungsstandardisierbarkeit nur in weit geringerem Ausmaß als bei einer Fließbandfertigung möglich. Denn letztlich hinge die Qualität vor allem vom Zeiteinsatz der Künstler ab. Wenn nun die Lohnkosten stärker stiegen als der Produktivitätsgewinn, dann nähmen die Stückkosten der Produktion entsprechend zu. Baumol übertrug diese Erkenntnis der so genannten „Kostenkrankheit“ auch auf andere Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Erziehung – und damit auf weite Bereiche sozialer Dienstleistungen. Bei den personalintensiven Gesundheitsleistungen lässt sich das gleiche Problem feststellen, wobei es aufgrund der großen Finanzvolumina besonders gravierende Auswirkungen hat. Denn bereits durchschnittliche Lohn- und Gehaltserhöhungen führen bei unterdurchschnittlich steigerbaren Arbeitsproduktivitäten zu erheblichen Mehrbelastungen der Sozialversicherungsträger. Quelle: Baumol/Bowen, 1966

Zustände von X-Ineffizienzen und Überangeboten zeigen, dass die Produktionsbedingungen in öffentlichen Einrichtungen häufig nicht kostenminimal sind. Es existiert kein (Leistungs-)Wettbewerb, welcher den Anbieter diszipliniert. Sanktionen beispielsweise in Form des Bankrotts, des Arbeitsplatzverlustes oder von Einkommenseinbußen müssen Beschäftigte und Manager im öffentlichen Dienst jedoch in der Regel nicht befürchten, denn kontrollierende Marktkräfte sind bei öffentlicher Bereitstellung im weiten Umfang ausgeschaltet. Die Folge ist häufig ein zu hoher Personalbestand in öffentlichen Einrichtungen, der lediglich dann offenbar wird, sofern ein alternatives privates Angebot einer gleichen oder einer ähnlichen Leistung einen Vergleichsmaßstab anlegen lässt. Besonders deutlich werden derartige Ineffizienzen, wenn in öffentlichen Einrichtungen das so genannte „Dezemberfieber“ grassiert (Färber, 1998), d. h., Haushaltsreste noch vor Ende des Jahres ausgegeben werden. Die höhere Wahlfreiheit und größere Konsumentensouveränität von Gutscheinmodellen ist vor diesem Hintergrund mit einem positiven Nebeneffekt verbunden. Gutscheine leisten die Gewähr, dass auch bei einem staatlichen Eingriff zwischen den Leistungsanbietern der Wettbewerb bewahrt bleibt bzw. intensiviert wird und damit die Sanktionsmechanismen des Marktes greifen können. Die Anbieter erhalten erstens den Anreiz, bei einem gegeben Ressourceneinsatz die Qualität zu verbessern, um Gutscheinkunden zu gewinnen bzw. nicht zu verlieren. Zweitens können sie bei einer gegebenen Qualität auch eine Reduzierung des Ressourceneinsatzes anstreben. Die Anbieter erzielen einen Gewinn, solange die Gutscheinkunden nicht abwandern und der Gutscheinbetrag voll abgeschöpft wird. Dadurch wächst der Anreiz für potenzielle Wettbewerber, in den Markt einzutreten. Die Anbieter können die geringeren Bereitstellungskosten aber auch in Form niedrigerer Preise an die Begünstigten weitergeben. Ausmaß und Richtung der von einem Gutscheinsystem ausgelösten Mengen- und Preiseffekte hängen letztlich von der Entwicklung von Nachfrage und Angebot auf einem Markt ab (Angebots- und Nachfrageelastizitäten Bradford/Shaviro, 1999, 50ff.), eine allgemeine Aussage ist nicht möglich. Unabhängig davon profitiert aber die Gesellschaft von einer effizienten Verwendung der eingesetzten Ressourcen. 13

Allokations- und Produktionseffizienz sind keine statischen Konzepte. Mit Gutscheinmodellen wird die Hoffnung verbunden, dass sich die Anpassungsfähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen und die Flexibilität von Anbietern, Begünstigten/Konsumenten und dem Staat als Auftraggeber erhöht und Innovationen und technischer Fortschritt gefördert werden. Gegenüber einer staatlichen Bereitstellung können Gutscheine leichter modifiziert werden oder auslaufen, wenn beispielsweise die Notwendigkeit für den staatlichen Eingriff entfällt oder geringer wird, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass die Bereitstellung des Gutes gefährdet wird (Falck, 2004b, 79). Der politische Widerstand gegen den Verlust von Besitzständen ist weniger wirksam. Bei einer Vielzahl konkurrierender Anbieter profitieren mit Ausnahme des betroffenen Betriebes alle anderen Interessengruppen, beispielsweise Unternehmer, Beschäftigte und Nachfrager/Konsumenten. Damit verliert die Schlagkraft von Scheinargumenten für eine Forderung, den drohenden Marktaustritt durch eine staatliche Intervention abzuwenden, an Überzeugungskraft. Gutscheine erlauben es darüber hinaus, neue Produkte einzuführen, welche den Bedürfnissen der Begünstigten besser gerecht werden als etablierte Güter. Für potenzielle Anbieter erhöht sich die Offenheit des Markts, etablierte Anbieter geraten dann unter Innovationsdruck und müssen ihrerseits neue Wege gehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Allokations- und Produktionseffizienz setzen voraus, dass der betrachtete Markt oder Quasi-Markt, auf dem die Gutscheine eingelöst werden können, einen intensiven, funktionsfähigen Wettbewerb mobilisiert (Bartlett/Le Grand, 1993, 19ff.). Dies bedeutet nicht nur, dass die Preise auf Veränderungen beim Angebot und bei der Nachfrage reagieren, sondern vor allem, dass eine ausreichend hohe Zahl von Anbietern und Nachfragern existiert. So muss beispielsweise der Marktzutritt für neue Anbieter genauso offen stehen, wie etablierten Anbietern ein möglicher Marktaustritt droht, wenn ihre Güter oder Dienstleistungen nicht mehr den Ansprüchen der Nachfrager bzw. Begünstigten genügen. Die Wettbewerbsintensität hängt dabei auch von dem Ausmaß der Informationsasymmetrien und beziehungsspezifischen Investitionen zwischen Anbietern und Nachfragern ab und damit vom Spielraum für opportunistisches Verhalten. 3. Gesellschaftliche Ziele Den beiden Effizienzzielen liegt die Vorstellung zugrunde, dass das eigennützige Streben der Bezieher von Gutscheinen und das Eigeninteresse der Anbieter von Gutscheinleistungen über Wettbewerbsmechanismen miteinander verbunden werden und der Markt auf diese Weise zugleich das Gemeinwohl fördert. Der Staat verfolgt jedoch unter Umständen noch andere Ziele und setzt sich damit über die einzelnen Interessen hinweg, welche durch eigennützige Markttransaktionen artikuliert werden. Zu den gesellschaftlichen Zielen, die mit einem Gutscheinsystem mit verfolgt werden, zählen insbesondere die Gleichheit bzw. die Gerechtigkeit im Zugang zu den Dienstleistungen und Gütern, sowie der Erhalt der sozialen Kohäsion (z. B. Levin, 2000; Wolter, 2001). Sie betonen weniger den Nutzen, welcher sich aus der individuellen Inanspruchnahme der Gutscheinleistung ergibt, sondern den Nutzen, welcher sich aus der Interaktion der Nutzer untereinander bzw. der gemeinsamen Inanspruchnahme ergibt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Netzwerkexternalitäten. Diese existieren vor allem bei Transaktionen, welche sich bei vielen Personen oder allen Mitgliedern der Gesellschaft über einen längeren Zeitraum erstrecken (Katz/Shapiro, 1994, 96f.).

14

Gesellschaftliche Ziele erweitern den Anforderungskatalog an die Effizienz bzw. Effektivität von Gutscheinsystemen (Bartlett/Le Grand, 1993, 18ff.). So müssen beispielsweise die Transaktionskosten für deren Umsetzung relativ niedrig sein, damit potenzielle Kosteneinsparungen bei der Leistungserbringung nicht aufgewogen werden (Bartlett/Le Grand, 1993, 30; Wolter, 2001, 47ff.). Ferner stellt sich die Frage, ob die Anreize, die ein Gutschein ausübt, alleine ausreichen, das gewünschte Verhalten auszulösen. Dies betrifft zum einen die Anbieter, wenn sie ihre Kunden zusätzlich nach anderen Kriterien als dem Gegenwert des Gutscheins auswählen (z. B. „Rosinenpicken“ oder “cream skimming“) (Bartlett/Le Grand, 1993, 32). Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn der Aufwand bei der Leistungserstellung maßgeblich von den Eigenschaften der Gutscheinempfänger abhängt (z. B. in der Schule, vgl. Abschnitt 3). Ähnliches gilt zum anderen auch für die Nachfrager. Diese verfolgen unter Umständen Ziele, welche den gesellschaftlichen Absichten einer Gutscheinlösung zuwiderlaufen oder reagieren möglicherweise nicht auf die monetären Anreize. Die Berücksichtigung von gesellschaftlichen bzw. politisch motivierten Zielen bei der Einführung von Gutscheinsystemen legt die Vermutung nahe, dass sie in Konflikt mit den beiden Zielen Allokations- und Produktionseffizienz treten können. Derartige Gegensätze werden vor allem zwischen den Zielpaaren Gleichheit und Produktionseffizienz sowie Allokationseffizienz und soziale Kohäsion vermutet (Levin, 2002; Wolter, 2001). In welcher Form und in welchem Umfang sich Zielkonflikte auf die Beurteilung von Gutscheinmodellen auswirken können, hängt letztlich von zwei Faktoren ab: Einerseits von der Bedeutung, welche den einzelnen Zielen bei dem Staatseingriff zugemessen wird und andererseits von der konkreten Ausgestaltung des Gutscheinsystems. 2.5 Systematik zur Evaluierung von Gutscheinmodellen Ob Gutscheine ein geeignetes Instrument staatlichen Handels sind, lässt sich nur an konkreten Anwendungsbeispielen in Verbindung mit der konkreten Ausgestaltung der Gutscheine klären. Bei der Analyse und Evaluation sind drei Aspekte besonders zu berücksichtigen: Erstens ist es notwendig, eine Gewichtung der Ziele allokative Effizienz, Produktionseffizienz, Gleichheit und soziale Kohäsion vorzunehmen, um die Relevanz potenzieller Zielkonflikte abzuschätzen. Zweitens ist es erforderlich, die Eigenschaften der Gutscheinleistung sowie die Merkmale des spezifischen Marktes zu identifizieren, um die Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit von Gutscheinmodellen zu überprüfen. Dabei sind die Gutseigenschaften bzw. mögliches Marktversagen besonders relevant (z. B. Inspektions-/Erfahrungs/Vertrauensgut, Konsum-/Investitionsgut, Informationsasymmetrien). Drittens sind die Strukturelemente des Gutscheins zu beschreiben. Erst sie geben Aufschluss darüber, ob ein konkretes Gutscheinmodell sowohl den Anforderungen des Zielkatalogs genügt als auch den Marktbedingungen Rechnung trägt (vgl. Levin, 2002, Gill et al. 2001, 34ff.; ähnlich/kürzer Straubhaar/Winz, 1992; Bradford/Shaviro, 1999; Wolter, 2001). Folgende Übersicht fasst diese Anforderungen zusammen.

15

Übersicht 2 Merkmale von Gutscheinen: Merkmale 1. Transferhöhe

Ausgestaltung / Kriterien Festbetrag; variabel in Abhängigkeit von Bedürftigkeit, anteilige Subventionierung mit bestimmtem Eigenbehalt 2. Empfängerkreis z. B. Bedürftigkeit, politischer Wille, erfolgreicher lobbyistischer Druck 3. Zweckbindung und Han- z. B. Festlegung Güterkategorie, Gut, Umfang der Nutzung, delbarkeit Konsumzwang, freie Verwendung 4. Transferart Direkter Gutschein, Budget, indirekte Finanzierung 5. Erweiterungsoptionen Aufstockung der Leistungen gegen Selbstzahlung 6. Vergabeverfahren Direkte oder indirekte Gutscheinmodelle 7. Anbieter/Angebot Marktzugangsregelungen; Akkreditierung, Wettbewerb, öffentlich rechtliches Angebot; Gleichbehandlung aller Anbieter, Kontrahierungszwang 8. Unterstützungssysteme/ Informationssysteme, Rechenschaftsberichte, BeratungsstelInfrastruktur len, Transportsysteme 9. Kontrollinstanzen Akkreditierungsinstanz, Case-Manager, Schiedsstellen 10. Finanzierungsseite Steuern oder Sozialversicherungsabgaben Quelle: Enste/Stettes, 2005, S. 17

16

3

Potenzielle Einsatzfelder von Gutscheinen

3.1 Soziale Dienstleistungen Die möglichen Einsatzfelder von Gutscheinen im Bereich der öffentlichen Leistungserstellung sind zahlreich. Die wichtigsten derzeit diskutierten Bereiche sind die Bildungspolitik und die Erbringung von personenbezogenen Dienstleistungen. Dieser Bereich ist inzwischen sehr weit differenziert und umfasst Dienstleistungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Alten- und Behindertenhilfe sowie der Hilfe zur Grundsicherung. Auf der Basis der unten aufgeführten Systematisierung werden im folgenden Anwendungsbereiche skizziert. Übersicht 3 Mögliche Einsatzfelder für Gutscheine Dienstleistungen

Einrichtungen /

mögliche

Probleme

Bereitstellung

Finanzierungsart

Altenhilfe (Pflege,

Altenhei-

privat, Sozialkassen, Ver-

Qualitätssicherung,

Wohnen, Beratung,

me/Altenwohnheime, Pfle-

sicherungen, Gutscheine

Erfahrungsgut, Informati-

Essen)

geheime, Tagesstätten,

von Versicherungen, Sozi-

onsasymmetrie

ambulante Dienste, Mahl-

alämtern bei Bedürftigkeit

zeitendienste Behindertenhilfe

Behindertenheime/-

privat, Sozialkassen, per-

eingeschränkte Konsu-

werkstätten, Sonderschu-

sönliches Budget

mentensouveränität

privat, Gutscheine

Externalitäten durch Prä-

len/-Kitas, Beratungsstellen Kinder- und

Kitas; Jugend-/Kinder-

Jugendhilfe

wohnheime; Jugendbe-

vention; Zwang, Zweck-

rufshilfe, Beratungsstellen

bindung ggf. notwendig

Hilfe für Personen in Beratungsstellen für Fami-

privat, staatliche Subventi-

positive externe

besonderen

lie, Verbraucher, Erzie-

onen, Subventionen zur

Effekte, Informationsa-

Lebenslagen

hung,

Prävention, Beratungsgut-

symmetrien

Jugend, Drogen- und

scheine oder Medikamente

Suchtkranke, Heime,

auf Gutschein

Bahnhofsmission, Flüchtlingsheime

Quelle: Enste/Stettes, 2005, S. 65

3.1.1 Gutscheine im Bereich Kinderbetreuung Mit Blick auf die demographische Entwicklung, den Arbeitsmarkt und den prognostizierten Fachkräftemangel ist die staatliche Förderung von Kinderbetreuungsleistungen und Jugendhilfeeinrichtungen gerechtfertigt. Darüber hinaus spielen Kindertagesstätten eine wichtige Rolle bei der Integration, Sozialisation und Ausbildung von Kindern. Allerdings impliziert dies keinesfalls, dass die bisher praktizierte Kindergartenförderung und das große Angebot staatlicher Kindertagesstätten der richtige Weg sind. Mit der gleichen Summe könnte eine bessere Betreuung gewährleistet werden, wenn eine andere Form der Finanzierung oder Subventionierung gewählt würde. Abgesehen von Hamburg, Berlin und Teilen von Bayern beinhaltet das deutsche Kinderbetreuungsfinanzierungssystem eine Objektförderung bestimmter Anbietergruppen, gekoppelt an die anteilige staatliche Finanzierung von Kinderbetreuungsdiensten. Objektförderung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass unmittelbar die freien oder gemeinnüt17

zigen Träger (in erster Linie Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbände) gefördert werden. Diese Träger erhalten von den Kommunen öffentliche Zuwendungen, während private Träger nur unter bestimmten Bedingungen (z. B. bei Trägerschaft von Elternvereinen) Zuschüsse erhalten. Neben den Kommunen beteiligen sich die Länder nur teilweise an einzelnen Aufgabenbereichen mit pauschalen Zuschüssen. Von den freien Trägern wird erwartet, dass sie einen Eigenanteil einbringen (vgl. Kreyenfeld/Spieß/Wagner, 2001). Die Finanzierung und Steuerung ist dabei hochkomplex und intransparent, wie z. B. die OECD (2004, 21ff.) in ihrem Länderbericht feststellt: Der Bund hat im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, einschließlich Kinderbetreuung, eine Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung und eine Anregungskompetenz. Die Finanzierungsverantwortung liegt jedoch vornehmlich bei den Kommunen, wobei die Länder die Möglichkeit haben, das Bundesgesetz durch eigene Gesetze zu konkretisieren. Davon haben alle Länder Gebrauch gemacht, so dass es kein einheitliches deutsches Finanzierungssystem gibt. Die Kommunen sind nicht nur für die Planung und Umsetzung verantwortlich, sondern erbringen auch eigene Leistungen, d. h. sie haben eigene Einrichtungen. Das Fazit der OECD (2004, 22): „Das deutsche System ist also komplex und hochgradig dezentralisiert.“ Positiv formuliert, kann man sagen, dass viel Raum für Differenzierungen gegeben ist. Negativ formuliert, herrschen Kompetenzstreitigkeiten, Umsetzungschaos, Intransparenz und Ineffizienz. Die entscheidenden Defizite im bisherigen System lassen sich wie folgt beschreiben: 1. Beeinträchtigung der allokativen Effizienz/Wahlfreiheit: Die Eltern haben kaum die Möglichkeit, auf das quantitative und qualitative Angebot in Kindertageseinrichtungen Einfluss zu nehmen. Ihnen wird das Angebot zwar überwiegend kostengünstig zur Verfügung gestellt (Objektförderung), angesichts der bisherigen Angebotsknappheit insbesondere in den westlichen Bundesländern müssen sie aber als „Leistungsempfänger“ agieren, die kaum Möglichkeiten haben, durch ihr Nachfrageverhalten auf das Angebot einzuwirken. Dies gilt, obwohl sie zum Teil einen Elternbeitrag in beträchtlicher Höhe tragen. Umfragen zeigen darüber hinaus, dass Eltern mehrheitlich eine größere Flexibilität des bisherigen Systems wünschen (vgl. Spiess/Wrohlich, 2005). 2. Geringe Produktionseffizienz/fehlender Wettbewerb: In Deutschland gehört die einheitliche Angebotsplanung auf regionaler und lokaler Ebene zu den Spezifika der Organisation der Kinderbetreuung. In der Regel wird in den so genannten Jugendhilfeausschüssen darüber entschieden, ob die Kommune eigene Tageseinrichtungen baut oder ob sie freie Träger beim Bau und der Unterhaltung von Einrichtungen unterstützt bzw. ob Einrichtungen geschlossen werden. Die Ausgestaltung der Förderung soll sich am Bedarf der Eltern orientieren und ist unter dem Stichwort “Förderung der Bedarfsplanung“ als gesetzliche Pflichtaufgabe verankert. Die örtlichen Jugendämter sind die hauptverantwortlichen Institutionen, welche den Bedarf zu ermitteln haben, wobei sie den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz berücksichtigen müssen. In vielen Fällen können sie dieser Aufgabe nur unzureichend nachkommen, da sie personell unterbesetzt sind (vgl. dazu z. B. Colberg-Schrader/Zehnbauer, 1996; WerthmannsReppekus, 1996). Die Jugendämter begnügen sich deshalb in der Regel mit der Ermittlung der Zahl der benötigten Betreuungsplätze in Kindergärten. Diese Zahlen werden meist auf Basis von nichtstandardisierten Bevölkerungsprognosen und Erfahrungswerten festgelegt (vgl. z. B. die Empfehlungen zur Bedarfsplanung des Landes BadenWürttemberg, 2005). Ein effizienter und effektiver Ausgleich von Angebot und Nachfrage ist unter diesen Umständen kaum möglich.

18

Die Bevorzugung von gemeinnützigen Anbietern stellt eine Diskriminierung von privatgewerblich organisierten Kindertageseinrichtungen dar, die deshalb kaum eine Rolle spielen (vgl. OECD, 2004, 35). Dadurch wird der Wettbewerb verzerrt und es fehlt ein wesentliches Instrument zur Kostenkontrolle (vgl. Enste, 2004). Ein großes Defizit besteht dadurch hinsichtlich der Kostentransparenz. Der Mangel an belastbaren Daten in diesem Bereich bestätigt dies (vgl. Diller/Leu/Rauschenbach, 2004). Die Folge ist eine unnötige Ressourcenverschwendung, da mit gleichen Mitteln mehr Kinder besser betreut werden könnten. 3. Gefährdung der Erreichung gesellschaftlicher Ziele: Das bisherige System der Elternbeiträge führt oftmals zu einer Umverteilung von unten nach oben. Nutznießer sind insbesondere die mittleren Einkommensschichten, die Kitaangebote am meisten nutzen, aber auch die oberen Einkommensschichten, die vergleichsweise geringe Elternbeiträge (in Prozent vom Einkommen) zahlen müssen. Da das Angebot, die Ausgestaltung, die Öffnungszeiten und der Umfang der tatsächlichen Erfüllung des Rechtsanspruchs zwischen den Bundesländern stark variiert, findet eine weitere Ungleichbehandlung innerhalb Deutschlands statt, die aber bei der Diskussion über die Angleichung der Lebensverhältnisse und soziale Gerechtigkeit gerne übersehen wird. Die Notwendigkeit einer Reform des bestehenden Finanzierungs- und Steuerungssystems folgt zwingend aus der Nichterreichung der drei Ziele (vgl. Diller/Leu/Rauschenbach, 2004). Bleiben die Fragen, inwiefern zwischen den drei Zielen Zielkonflikte bestehen, welche Prioritäten gesetzt werden sollten und ob Gutscheinmodelle Antworten auf diese Fragen geben können. Gutscheine als Lösungsansatz Voraussetzung für die Analyse ist die Klärung der Gutseigenschaften der Kinderbetreuung. Anders als im Bildungsbereich steht bei Kleinkindern die Betreuung im Mittelpunkt, wobei der Übergang zur Bildung jedoch fließend ist, wie neuere Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie nahe legen (Trautner, 2002; Haug-Schnabel/Bensel, 2005; Oerter/Montada, 2002). Eine eindeutige Trennung zwischen Bildung und Betreuung ist dabei schwierig. Hilfsweise wird hier davon ausgegangen, dass bis zum 6. Lebensjahr die Betreuung anteilsmäßig überwiegt und ab dem 6. Lebensjahr die Bildung. Kinderbetreuungsleistungen sind dabei eher Erfahrungsgüter als Vertrauensgüter (z. B. Schulbildung). Denn die Qualität der Betreuung lässt sich recht gut nach wenigen Wochen feststellen, während die Güte der (Grund-) Schulausbildung oft erst in der weiterführenden Schule oder beim Studium offensichtlich wird (vgl. Abschnitt 3). Insofern sind wichtige gesellschaftliche Ziele der Bildungspolitik (wie Chancengerechtigkeit, soziale Kohäsion etc.) hier nicht dominant, so dass Effizienzziele Priorität haben. Allerdings weist z. B. Dohmen (2004) darauf hin, dass auch die Kinderbetreuungsgutscheine differenzierte Wertigkeiten aufweisen sollten, damit Kinder mit Behinderungen oder schwierigem sozialen Hintergrund nicht benachteiligt werden, da sie u. U. höhere Kosten in den Einrichtungen verursachen und ein Rosinenpicken der Einrichtungen stattfindet (vgl. zur Argumentation Abschnitt 3; vgl. für ein Beispiel aus Bayern Krauß, 2002). Bezüglich des Strukturmerkmals der Finanzierung lassen sich Effizienzvorteile durch einen Wechsel von der Objektförderung bzw. der staatlichen Produktion hin zu einem Finanzierungsmodell im Sinne der Subjektförderung, die den Verbrauchern mehr Nachfragemacht gibt, erzielen. Der entscheidende Vorteil dieser Finanzierungsmodelle ist, dass das Angebot nicht über eine einseitige Mittelzuwendung gesteuert wird, sondern über die 19

Nachfrage der Konsumenten. Die Einrichtungen haben einen hohen Anreiz, sich am Bedarf der Eltern und Kinder zu orientieren und beispielsweise längere Betreuungszeiten sowie spezielle Förderprogramme anzubieten. Allerdings bedarf auch die Subjektförderung in gewissem Umfang einer zentralen Planung, da entschieden werden muss, für welchen Bedarf und in welcher Höhe Zahlungen vom Staat geleistet werden sollen. Im Gegensatz zur staatlichen Produktion und zur Objektförderung ist der Staat dabei jedoch gezwungen, seine Ziele mehr mit denen der eigentlichen Verbraucher abzustimmen. Der konsumentenfreundlichste Weg der Subjektförderung wäre eine Aufstockung des Kindergeldes. Diese fordern Boss/Rosenschon (2002, 42): „Es ist erwägenswert, einen Aufschlag auf das Kindergeld zu gewähren statt die bestehenden Institutionen, die sich meist in der Hand von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden befinden und staatlich reglementiert sind, über Personalkostenzuschüsse oder Pauschalen für Kindergruppen zu fördern. Dann haben die Eltern mehr Wahlmöglichkeiten, und es entsteht Angebotsvielfalt. [...] Insgesamt wird beim Übergang von der Objekt- zur Subjektförderung die private Verantwortlichkeit für und die private Einflussnahme auf die Kindererziehung gestärkt.“ In diesem Fall kann der Staat jedoch keine bildungs- und familienpolitischen Ziele verfolgen. Die Verwendung von Gutscheinen ist ein Mittelweg, um neben der größtmöglichen Effizienz (aus Sicht der Transferempfänger) auch eine größere Effektivität (Zielerreichung aus Sicht der Transfergeber) zu gewährleisten. Denkbare gesellschaftliche Ziele sind die Förderung der Sprach- und Sozialkompetenz insbesondere von bildungsfernen Schichten und Ausländern, die ein höheres Kindergeld nicht für die Betreuung der Kinder in Kindertagesstätten verwenden würden. Deshalb wird von Ökonomen seit Jahrzehnten ein Gutscheinsystem für das Erziehungssystem und die vorschulische Kinderbetreuung gefordert. Über den Wettbewerb zwischen den Anbietern ist eine bessere Qualität und größere Angebotsvielfalt zu erreichen. Die Ausgestaltung des Kita-Gutscheinsystem kann unterschiedlich sein. Grundsätzlich verfolgt es den Zweck, dass Eltern, die einen Anspruch auf Kinderbetreuung haben, einen an das Kind gebundenen Gutschein vom Jugendamt erhalten, den sie bei einer akkreditierten Kinderbetreuungseinrichtung ihrer Wahl einlösen können. Gegen Vorlage des Gutscheins erhält der Träger die entsprechende Kostenerstattung. Voraussetzung für die Akkreditierung sind bestimmte Qualitäts- und Leistungsstandards, wobei kein Unterschied zwischen privaten oder gemeinnützigen Trägern gemacht wird, sofern sie die Mindeststandards erfüllen. „Eine Objekt- und eine Subjektförderung unterscheiden sich also nicht dadurch, dass – wie viele Befürworter des Status quo annehmen – bei einer Subjektförderung auf gesetzliche Qualitätsstandards verzichtet werden muss. Vielmehr lässt sich gerade ein Gutscheinmodell mit einer staatlich garantierten Mindestqualität kombinieren, oder es kann in ein System der staatlichen Qualitätssicherung und -kontrolle eingebunden werden. Somit könnten staatliche Qualitätsmindeststandards mit einer effektiven Förderung der Bedarfsgerechtigkeit des Angebots kombiniert werden.“ (Spieß/Wagner/Kreyenfeld, 2000). Die Gutscheine sollten für die Finanzierung der durchschnittlichen Betriebs- und Investitionskosten eines Betreuungsplatzes, dessen Anforderungen an Qualität und Quantität politisch definiert werden müssen, ausreichen. Da die Kosten eines Betreuungsplatzes abhängig vom Alter des betreuten Kindes variieren, muss der Gegenwert des Gutscheins ferner vom Alter des Kindes abhängen. Darüber hinaus sollte die Festlegung in Abhängigkeit des zeitlichen Umfangs der Betreuungszeiten, die gefördert werden sollen, spezifiziert 20

werden. Darüber hinausgehender Betreuungsbedarf kann privat in der Einrichtung hinzugekauft werden. Die Gutscheine könnten durch die regionalen Jugendämter an die Eltern ausgegeben werden. Die Eltern können den Gutschein in der von ihnen ausgewählten, akkreditierten Kindertageseinrichtung einlösen. Die Kindertageseinrichtung wiederum kann den Gutschein beim Jugendamt einlösen. Ob diese Lösung über die tatsächliche Ausgabe eines Gutscheins (analog zum Scheckverfahren) oder durch Finanzmittelzuweisung (analog zum Überweisungsverfahren) erfolgt, hat keine grundsätzlich anderen ökonomischen Wirkungen. Im Vordergrund steht der psychologische Vorteil eines Gutscheins, da dieser aktiv vom Nachfrager als eine Art Scheck übergeben wird (vgl. Dohmen, 2004, 129). Weitere Strukturelemente sind die Möglichkeit der Aufstockung durch Selbstzahlung sowie die Zweckbindung. Eine individuelle Aufstockung der Leistungen gegen Selbstzahlung über das staatlich geförderte Niveau hinaus sollte hier möglich sein. Damit wird die Nachfragemacht der Eltern gestärkt, die zudem bei schlechten Leistungen mit Abwanderung drohen können und es können zusätzliche Leistungen angeboten werden, die oftmals einen Clubgutcharakter (z. B. Theater AG, Spielgeräte, Gartengestaltung) haben, so dass alle Kinder profitieren können. Außerdem ist eine Zweckbindung empfehlenswert, wenn der Staat sicherstellen möchte, seine gesellschaftlichen Ziele zu erreichen. Um einen „Schwarzmarkt“ und damit die Umwandlung des gebundenen Transfers in einen de facto ungebundenen, weil handelbaren Transfer zu verhindern, sollten die Gutscheine deshalb nicht übertragbar sein („vinkulierte Namenspapiere“). 3.1.2 Persönliches Budget für Behinderte Als weiteres mögliches Einsatzfeld für Gutscheine wird in der Wissenschaft und auch in der Praxis der Bereich der Behindertenhilfe genannt und diskutiert. Hintergrund ist, dass die Betreuung von Behinderten und die zur Verfügung gestellten Eingliederungshilfen trotz oder gerade wegen der staatlichen Eingriffe zwar kostspielig, aber dennoch oftmals unbefriedigend sind. Reformbedarf in Deutschland Die Unterstützung von behinderten Menschen und deren Eingliederung in die Gesellschaft ist in Deutschland mittlerweile die finanziell bedeutendste Hilfeart der Sozialhilfe. In der Praxis sieht die Mittelverteilung so aus: Sobald Eltern oder behinderte Menschen entscheiden, in eine Wohngruppe oder ein Heim zu ziehen, wird ein Gutachten über den Behinderten erstellt. Wenn der zuständige Sachbearbeiter zustimmt, werden die Kosten für das Heim oder die WG bewilligt. Die Geschäftsführer der Institution verhandeln dann mit den Behörden, wie teuer der Wohnplatz im Monat ist. Die Behörde überweist das Geld dann direkt an die Institution. Dies entspricht dem Vorgehen im klassischen Dreieck der Leistungserbringung im Bereich der Sozialpolitik (vgl. Enste, 2004, 147ff.). Der Leistungsträger, in der Regel die zahlende Behörde, schließt somit einen Vertrag gemäß §93 BSHG mit dem Leistungserbringer, also dem Träger von Einrichtungen der Behindertenhilfe. Der Behinderte ist hier nur der Antragsteller auf Kostenübernahme gegenüber der Behörde und schließt darüber hinaus einen Vertrag mit dem Träger der Einrichtung, deren Hilfe er in Anspruch nimmt. Konkrete Ansprüche an die Qualität der Hilfen ergeben sich erst seit neuestem durch die neuen Leistungsvereinbarungen, deren Einhaltung aber der Kostenträger überwacht. Die Meinung der Nutzer wird kaum ernsthaft abgefragt. 21

Insbesondere die folgenden Ziele werden in diesem System nicht oder nur schlecht erreicht: 1. Allokative Effizienz/Wahlfreiheit: Die Behinderten bzw. deren Betreuer haben wenig Einfluss auf das Angebot z. B. in Behinderteneinrichtungen. Das Angebot ist zwar überwiegend kostengünstig oder kostenlos (Objektförderung), aber die Nachfrager haben kaum Einfluss auf Art und Umfang des Angebots. Es bestehen zudem nur wenige Möglichkeiten, das Angebot zu individualisieren, was angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Behinderungen besonders problematisch ist. 2. Produktionseffizienz/Wettbewerb: Hinzu kommt, dass es kaum Wettbewerb zwischen den einzelnen Einrichtungen gibt. Der fehlende Wettbewerb kann zu Ressourcenverschwendungen führen. Dabei könnte den Behinderten mit dem gleichen Aufwand sehr viel besser geholfen werden, wenn Anreize bestünden, Best-Practice-Beispiele auszutauschen und Benchmarking zu betreiben. Die Behinderten könnten Druck auf die Einrichtungen ausüben, da es Alternativen für die Versorgung geben würde. 3. Gesellschaftliche Ziele: Wichtigstes Ziel in der Behindertenhilfe ist die menschenwürdige Versorgung und Betreuung der Behinderten sowie die Integration in die Gesellschaft. Diese Ziele müssen nicht mit Effizienzzielen kollidieren, wie die Diskussion über die Einführung der persönlichen Budgets zeigt. „Persönliches Budget“ im Modellversuch Ab dem 1. Januar 2008 haben Behinderte Anspruch auf ein Persönliches Budget. Das Persönliche Budget ist ein fester monatlicher Geldbetrag (Pauschale), den ein Mensch mit Behinderung erhalten kann. Das Persönliche Budget ist zur Finanzierung der Hilfen, die ein behinderter Mensch braucht, um am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen, vorgesehen. Die Höhe richtet sich nach dem jeweiligen individuellen Bedarf. Das Persönliche Budget ist keine neue Leistung für Menschen mit Behinderung, sondern vielmehr eine Alternative zur (bisherigen) Sachleistung. Das Persönliche Budget ist eine Komplexleistung, an der mehrere Rehabilitationsträger beteiligt sein können (trägerübergreifendes Budget). Dazu zählen Leistungen der Agentur für Arbeit, der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, der Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und der Sozialhilfe (Eingliederungshilfe). Budgetfähige Leistungen sind Leistungen, die sich auf alltägliche, regelmäßig wiederkehrende und regiefähige Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. An die Entscheidung ist der Antragsteller für mindestens sechs Monate gebunden. Mit dem Persönlichen Budget können Menschen mit Behinderung Dienstleistungen finanzieren aus den Bereichen: • Wohnen und Haushalt, • Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben, • Bildung und Freizeit, • Kommunikation und Information sowie • Mobilität.

22

Die einzelnen Regierungen, z. B. das Sozialministerium Baden-Württemberg und auch die Landeshauptstadt Düsseldorf versprechen sich vom persönlichen Budget mehr Konkurrenz unter den Anbietern zum Vorteil aller: Der Wettbewerb wird sich zugunsten der Kostenträger regulierend auf die Preisgestaltung auswirken (verbesserte Produktionseffizienz) und zugleich die Wahlmöglichkeiten der Budgetnehmer erhöhen (Steigerung der allokativen Effizienz). Die positiven Auswirkungen auf die subjektive Lebensqualität der Betroffenen (ein gesellschaftliches Ziel) beschreibt Tesch-Römer (2002). Eine juristische Bewertung des persönlichen Budgets nimmt Fuchs (2004) vor. Statt vorgeschriebener Sachleistungen kann der Bedürftige weitgehend selbst entscheiden, welche Leistungen er in Anspruch nehmen möchte. Damit werden die Betroffenen – finanziert über das Steuersystem – in die Lage versetzt, direkt über den Markt ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. In einigen Bereichen gibt es jedoch noch eine Objektförderung: Eine vollständig an der Bedürftigkeit ausgerichtete Subjektförderung würde bedeuten, dass auch die Beträge unmittelbar an die Behinderten zur freien Verwendung ausgezahlt würden, die durch die Gewährung von Sondervergünstigungen zum Beispiel bei der KFZ-Steuer oder vergünstigte Bahn- und Nahverkehrstickets anfallen. Zum einen würde so die Wahlfreiheit der Betroffenen gestärkt und es fände keine Diskriminierung derjenigen statt, die die Vergünstigungen nicht nutzen wollen oder können. Zum anderen würden verdeckte Subventionen zum Beispiel an Verkehrsbetriebe vermieden: Diese geben – aufgrund von angeblichen Schätzfehlern – vor, viel mehr Behinderte zu befördern, als dies tatsächlich der Fall ist. Die Produktionseffizienz würde letztlich erhöht, da die tatsächlichen Kosten des öffentlichen Nahverkehrs offenkundig würden. Fazit: Beim persönlichen Budget handelt es sich letztlich um eine Gutscheinlösung im weiteren Sinne, da die Zweckbindung für viele, alltägliche Dienstleistungen gilt und so nur eine geringe Einschränkung der Wahlfreiheit vorliegt. Da die gesellschaftlichen Ziele aber über diese Lösungen ebenfalls besser erreicht werden können, wie internationale Erfahrungen aber auch die Ergebnisse der Modellversuche zeigen, spricht nichts gegen persönliche Budgets ohne besondere Zweckbindung. Bei geistig Behinderten wäre es nur dann sinnvoll, Gutscheine auszugeben, wenn eine Sicherstellung der Verwendung im Sinne des Betroffenen durch z. B. Vormundschaften nicht gewährleistet werden kann. 3.1.3 Subjektförderung in der Pflege Von gesamtwirtschaftlich noch größerer Bedeutung als die Behindertenhilfe ist angesichts des demographischen Wandels und des Ausgabevolumens der Gesundheits- und Pflegebereich. Denn die Finanzierung der Ausgaben über Sozialbeiträge stößt an Grenzen. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird sich beispielsweise von 1,7 Prozent auf bis zu 4 Prozent (für einige Bevölkerungsschichten auch darüber) mehr als verdoppeln müssen, sofern keine Reformen bei der Leistungserbringung erfolgen. Viele Pflegebedürftige benötigen zur Finanzierung ihres Eigenanteils zusätzliche „Hilfe zur Pflege“ von den Sozialhilfeträgern. Durch die absehbare demographische Entwicklung werden zukünftig weit größere Ausgaben auf die Pflegeversicherung und die Kommunen zukommen (vgl. BMGS, 2003). Die Begrenzung der Kosten kann über die Umstellung von der Objektförderung auf die Subjektförderung in Form eines Gutscheins oder besser eines persönlichen Budgets ergänzend zu Reformen auf der Finanzierungsseite erreicht werden. Die Ausgabe von Gutscheinen für Pflegebedürftige aber auch im Gesundheitswesen insgesamt innerhalb einer 23

wettbewerblichen Rahmenordnung wird mittlerweile auch von der Weltbank (2005) empfohlen. Vor allem für Entwicklungsländer werden die Gutscheine als gute Politikmaßnahme angesehen, um ein nachfrageorientiertes Gesundheitssystem zu implementieren. Aber auch Industrieländer können von der Einführung von Gutscheinen profitieren und mit deren Hilfe ihre Sozialsysteme reformieren. Der Reformbedarf in Deutschland erstreckt sich auf alle Bereiche der Versorgung von Pflegebedürftigen. Aufgrund der hohen Kosten und der steigenden Bedeutung steht jedoch die stationäre Pflege im Zentrum der Kritik (vgl. Meyer, 2003). Eine detaillierte Analyse der Angebotsstrukturen und der Defizite im Pflegebereich zeigt, dass der Reformbedarf sowohl innerhalb der Einrichtungen als auch innerhalb der Rahmenordnung liegen (vgl. Enste, 2004). Die wesentlichen Kritikpunkte sind die ausgeprägte Bürokratie und Inflexibilität im Pflegebereich aufgrund der staatlichen Regulierung und dem beschränkten Wettbewerb u.a. durch das Gemeinnützigkeitsrecht und die Investitionsförderung. Hinzukommen die nicht leistungsorientierte Entlohnung innerhalb der Einrichtungen der freigemeinnützigen Träger in Anlehnung an den BAT sowie die geringe Innovationskraft im Pflegebereich. Damit sind Defizite bei der Zielerreichung verbunden, die durch die länderspezifischen Regelungen z. B. bei der Investitionsförderung noch verstärkt werden (Übersicht 4). Dies gilt für die Pflegeentgelte, die oftmals auf Landesebene ausgehandelt werden, aber auch für die Investitionsförderung. Übersicht 4 Investitionsförderung im Pflegebereich in Deutschland • •

• • • •

• •

Pauschale Förderung oder spezifische Projektförderung auf Einzelantrag. Im Regelfall Gewährung eines verlorenen Zuschusses, der den direkt vom Investor aufzubringenden Kapitalbedarf unmittelbar mindert. Darüber hinaus sind zinsbegünstigte Darlehen (Hamburg) möglich. Mit Ausnahme von Brandenburg und Thüringen (100 Prozent Förderung) wird eine anteilige Subvention zwischen 60 und 80 Prozent des Investitionsbedarfs gezahlt. Die Subvention wird üblicherweise im Verhältnis von 2 zu 1 oder 1 zu 1 zwischen Land und Kreis geteilt. Es gelten Festbetragsregelungen oder Baukostenrichtwerte (77.000 bis 93.000 Euro) zur Vermeidung von Luxusbauten und Verschwendung. Ausgenommen von der Förderung sind in der Regel (Ausnahme: BadenWürttemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz) der Erwerb und die Erschließung von Grundstücken. Teilweise ist die Förderung an eine Mindest- beziehungsweise Höchstkapazität des geförderten Heims geknüpft. Von der Möglichkeit, statt einer Investitionsförderung eine reine Subjektförderung zu gewähren, macht nur Bremen Gebrauch, obwohl diese die ökonomisch sinnvollste Variante darstellt

Quelle: Zusammenstellung nach Meyer, 2003, 50 f., 115–137; BMGS, 2001

Diese Art der Förderung von Leistungen ist wenig zielgenau und geht häufig an den Interessen der Betroffenen vorbei. Pflegeentgelte und Investitionsförderung könnten deshalb letztlich in einem persönlichen Gutschein oder ein persönliches Pflegebudget integriert werden.

24

1. Allokative Effizienz/Wahlfreiheit: Die staatliche Planung sowie der beschränkte Marktzutritt bis hin zu Kartellabsprachen verhindern den Ausgleich von Angebot und Nachfrage über den Markt und führen somit zu Ineffizienzen. Die Schaffung eines wettbewerblichen Ordnungsrahmens würde die Konsumentensouveränität stärken und zu einer verbesserten Kostenkontrolle beitragen können (vgl. Monopolkommission, 1998). 2. Produktionseffizienz/Wettbewerb: Die Rationalisierungspotenziale und Produktivitätsfortschritte bei sozialen Dienstleistungen sind aufgrund der hohen Arbeitsintensität geringer als in anderen Bereichen. Deshalb kommt der Flexibilisierung der Entlohnungssysteme besondere Bedeutung zu, da steigende Arbeitskosten bei sozialen Dienstleistungen besonders zu Buche schlagen. Die Produktionseffizienz leidet bisher noch unter unzureichenden externen Prüfungen, unprofessionellem Management z. T. durch Laien, zu geringen Betriebsgrößen oder fehlerhaften Anreizen, die sich durch die unterschiedlichen Träger von Investitions- und Betriebskosten ergeben (vgl. Wiemeyer, 2001, 127 ff. und Gabriel, 2001). Gutscheinsysteme würden die Nachfragemacht stärken und mehr Wettbewerbsdruck erzeugen. 3. Erreichung gesellschaftlicher Ziele: Die zunehmenden gesellschaftlichen Problemlagen älterer Menschen u.a. als Folgen der Individualisierung durch die gestiegenen Mobilitätsanforderungen oder den demographischen Wandel stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Der Spagat zwischen der Begrenzung der finanziellen Belastungen für zukünftige Generationen und der menschenwürdigen Versorgung und Pflege der älteren Generation wird schwieriger. Das Ziel der angemessenen Pflege muss dabei nicht zwangsläufig den Effizienzzielen entgegenstehen. Reform mit Gutscheinen Mit der Einführung von Gutscheinen oder persönlichen Budgets lassen sich je nach Ausgestaltung entweder bei gleichen Kosten bessere Leistungen erzielen oder Kosten für die Pflegeversicherungen bzw. Kommunen bei gleicher Leistung einsparen, so dass die o. g. Ziele besser erreicht werden können. Dabei ist die konkrete Ausgestaltung der Gutscheine entscheidend, wie auch eine Befragung in den Niederlanden zeigt. Die Preise, die für soziale Dienstleistungen gezahlt werden, sind dann deutlich geringer, wenn etwaige Einsparungen bei der Leistungserbringung beim Leistungsempfänger verbleiben. Wenn der Leistungsempfänger keinen unmittelbaren monetären Nutzen aus Preisverhandlungen zieht, weil die eingesparten Mittel der Versicherung oder Kommune zugutekommen, sind die Preise höher (Berg/Hassink, 2005). Dies ist auf ein ex-post Moral Hazard-Verhalten zurückzuführen, bei dem der Konsum solange ausgedehnt wird, bis der Wert des Gutscheins bzw. das nur für diese Verwendung vorgesehene Budget erschöpft ist. Wenn die Anreize richtig gesetzt werden, lassen sich die Kosten/Preise senken, denn der Preiswettbewerb lässt sich durch mehr Konsumentensouveränität intensiveren, wodurch die allokative Effizienz gesteigert wird. Ein internationaler Vergleich zeigt, dass die Ausgestaltungsmöglichkeiten von personengebundenen Budgets (PGB) vielfältig sind. Die PGBs werden seit 1994 (Schweden) bzw. 1996 (Niederlande, Großbritannien) getestet, wobei sie in den drei Ländern de facto eher als Gutscheinsysteme zu bezeichnen sind. Denn durch die Zweckbindung des Budgets und die Verwendungsnachweise findet kein „Transfer in Cash“ mehr statt, wie dies die

25

Bezeichnung „persönliches Budgets“ nahelegt. Die konkrete Ausgestaltung ist für die Wirkungsanalyse somit entscheidender als das Label. Regionale Modellversuche im Bereich der Pflege in Form eines „persönlichen Pflegebudgets“ gibt es auch in Deutschland. In sieben Regionen erhalten bis zu 1.000 Personen die Chance, die neue Konsumentensouveränität zu testen (vgl. www.pflegebudget.de). Im Rahmen der Experimentierklausel des § 8 Abs. 3 SGB XI, eingefügt durch das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, fördern die Spitzenverbände der sozialen Pflegeversicherung das Projekt „Persönliches Budget“. Neben dem Einsatz von Budgets in der Behindertenhilfe werden auch in der integrierten Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen Patientenbudgets ausgehandelt. Sowohl die Herzog- als auch die Rürup-Kommission empfehlen die Erprobung von Budgets im Bereich der Pflegeversicherung. Je nach Ausgestaltung können sich sowohl Pflegebudgets als auch Gutscheine positiv auf gesellschaftliche und Effizienzziele auswirken: 1. Pflegebudgets und auch Gutscheine tragen zur Flexibilisierung der Leistung der Pflegeversicherung und damit zur größeren Konsumentensouveränität Pflegebedürftiger bei. Besonders Menschen mit Demenz können davon profitieren. Wesentlich ist dabei die Abschaffung der Investitionsförderung durch deren Überführung in eine Subjektförderung (allokative Effizienz) (vgl. Meyer, 2003). 2. Die Unterstützung der Autonomie Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen sowie die Stärkung ihrer „Kunden“-Position kann den Wettbewerb stärken und innerhalb einer Wettbewerbsordnung für bessere Qualität zum gleichen Preis sorgen (allokative Effizienz). 3. Der Ausbau und die Flexibilisierung der häuslichen Pflege und Betreuung können eine frühzeitige Heimaufnahme vermeiden helfen und so die Produktionseffizienz steigern. Voraussetzung ist die Einführung von frei verwendbaren Gutscheinen oder Budgets. 4. Darüber hinaus fördert der Wettbewerb die Kreativität und gibt Impulse für eine Weiterentwicklung der pflegerischen und betreuerischen Infrastruktur im Bereich der häuslichen Versorgung (dynamische Effizienz). 5. Die individuelle Lebensqualität der Betroffenen und der Angehörigen können ebenfalls deutlich erhöht werden, so dass auch das wichtigste gesellschaftliche Ziel erreicht wird. Beim Persönlichen Budget spielen die Rahmenbedingungen eine besondere Rolle. Denn diese müssen bei freiverwendbarem Budget sicherstellen, dass gesetzliche Mindeststandards bzgl. Pflege und Betreuung eingehalten werden und das persönliche Budget tatsächlich auch dem Pflegebedürftigem zugutekommt (Vermeidung von Moral HazardEffekten). Aufgrund vorliegender asymmetrischer Informationen zwischen Versicherung und Pflegebedürftigem könnte zum einen die Gefahr bestehen, eine bestimmte Pflegestufe künstlich herbeizuführen. Zum anderen könnten Angehörige dem moralischen Risiko erliegen, und die Geldleistungen für sich statt für den Pflegebedürftigen verwenden. Dieses Risiko ist bei Sachleistungen sehr viel geringer und kann bei Gutscheinlösungen minimiert werden – allerdings jeweils auf Kosten der Wahlfreiheit des Pflegebedürftigen. Angesichts der Komplexität der Ursachen für Pflegebedürftigkeit ist es jedoch unwahrscheinlich, dass Versicherte ex ante ihr Schadensrisiko manipulieren können. Entscheidend ist eine objektivierte und sorgfältige Anspruchsberechtigungsprüfung. Die Anreiz26

strukturen für die Mitarbeiter der prüfenden und bedarfsfeststellenden Instanz müssen jedoch so ausgestaltet werden, dass effizienzmindernde Vereinbarungen vermieden werden. Eine ex post Zweckentfremdung der Mittel ist nur bei einer Vollfinanzierung denkbar, da bei einer ausreichenden Eigenbeteiligung und korrekten Bedarfsfeststellung mindestens der bereitgestellte Betrag für Pflegeleistungen aufgewandt werden muss (vgl. Arntz/Spermann, 2004). Innerhalb dieser Rahmenbedingungen werden innovative und gemischte Pflegearrangements – auch unter Beteiligung von bürgerschaftlich Engagierten – allerdings nur dann entstehen können, wenn die persönlichen Budgets flächendeckend und für eine größere Zahl von Menschen eingeführt werden, da ansonsten Größenvorteile kaum genutzt werden können und keine Angebotsvielfalt gewährleistet werden kann. Gleichzeitig müssen den Anbietern viele Freiheiten bei der Ausgestaltung der Pflegeleistungen gewährt werden, weshalb die Inputkontrolle (Personalschlüssel, Qualifikation etc.) durch eine Outputkontrolle (Qualität der Leistungen) ersetzt werden, die durch Stichprobenprüfungen oder bei Kundenbeschwerden durchgeführt werden könnten.

3.2

Betriebliche Personalpolitik

3.2.1 Betriebliche Sozialleistungen als Mitarbeiterbindungsprogramm Betriebliche Sozialleistungen sind ein wichtiger Punkt bei den Verhandlungen von Tarifpartnern oder Betriebsparteien. Denn die Zeiten, in denen die Tarifpartner ausschließlich über Lohnentwicklung und Laufzeiten von Tarifverträgen verhandelt haben, sind lange vorbei. Neben der monetären Vergütung wird in den Unternehmen ein Sozialleistungsmanagement immer wichtiger, denn zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Produktivität der Beschäftigten gehören im Sinne von Mitarbeiterbindungsprogrammen auch die sozialen Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzes. Daher verhandeln auch die Tarifparteien zunehmend nicht nur über quantitative Elemente in den Tarifverträgen, sondern auch über qualitative Aspekte. Betriebliche Sozialleistungen gewähren die Arbeitgeber zusätzlich zu dem unmittelbaren Entgelt für geleistete Arbeit. Dabei geht es beispielsweise um beschäftigungswirksame Vereinbarungen, Altersvorsorge/Entgeltumwandlung, Arbeitszeitkonten, Qualifizierung, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Mitarbeiterverpflegung. Gemäß den ökonomischen Anreiztheorien zielt die Bereitstellung von betrieblichen Zusatzleistungen darauf ab, die Produktivität zu erhöhen. Dies geschieht dadurch, dass die Gewährung von Sozialleistungen die Motivation der Mitarbeiter und ihre Arbeitszufriedenheit positiv beeinflussen. Dadurch werden auch Leistungsbereitschaft und Anstrengungsniveau erhöht, denn die Beschäftigten identifizieren sich mit dem Arbeitgeber und arbeiten gern. Gleichzeitig fehlen die Mitarbeiter seltener und zeigen eine niedrigere Fluktuationsneigung. Dies alles führt also zu einer Reduktion der „user costs of labor“. Einige betriebliche Sozialleistungen zielen auch direkt auf den Erhalt und die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ab (zusätzliche Urlaubstage, Freischichten, Mitarbeiterverpflegung). Einige Ökonomen (z. B. Pleiß) sprechen in diesem Zusammenhang von der „Pflege des menschlichen Arbeitsträgers“ oder der „Pflege des Produktionsfaktors Arbeit“ (Lutz, 2005, 10).

27

Für ein Unternehmen stellen betriebliche Sozialleistungen oder Personalzusatzkosten (gesetzlich vorgeschriebene, tarifvertraglich vereinbarte oder freiwillig gewählte) genauso Arbeitskosten dar wie Lohnzahlungen. Die vermutlich wichtigste, aber auch teuerste freiwillige betriebliche Sozialleistung ist die betriebliche Altersversorgung, mit der die Unternehmen den Staat entlasten. Im Jahr 2006 machte die betriebliche Altersversorgung im produzierenden Gewerbe etwa 6,6 Prozent des Bruttolohns und –gehalts (einschließlich Aufstockungsbeträge zu Lohn und Gehalt sowie zur Rentenversicherung für Personen in Altersteilzeit; einschließlich Aufwendungen für sonstige Vorsorgeeinrichtungen) aus (Schröder, 2007, 63). Andere betriebliche Sozialleistungen sind beispielsweise Gratifikationen, Zuschüsse zum Fahrgeld, Dienstwagen, Werkswohnungen, der Personaleinkauf, Rabatte oder verbilligte Darlehen. Abbildung 3 Struktur betrieblicher Arbeitskosten

Beschäftigte akzeptieren eine (Teil-)Entlohnung in Sozialleistungen vor allem dann, wenn sie diese höher bewerten als die Lohnzahlung, die ansonsten möglich wäre. Andererseits sind Unternehmen nur dann bereit, anstelle von Löhnen bestimmte andere Leistungen zu gewähren, wenn für sie die Kosten dieser Leistungen niedriger sind als die der Lohnzahlung. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben: 1. Vorteile durch Steuerermäßigung/-befreiung: Einige betriebliche Sozialleistungen unterliegen (teilweise) nicht der Sozialabgabenpflicht und der Einkommensbesteuerung. Je höher die generellen Beitrags- und Steuersätze sind, desto größer ist der Anreiz, Entgelte durch betriebliche Sozialleistungen zu substituieren.

28

2. Mengenvorteile: Der kollektive Kauf bestimmter Leistungen (Lebensversicherungen, Parkplätze, Restaurantschecks) kann gegenüber dem individuellen Kauf wesentlich günstiger sein (z. B. niedrigere Akquisitionskosten, niedrigere Verwaltungskosten, Mengenrabatte). 3. Effizienzvorteile: Gelingt es dem Unternehmen, durch die Gewährung von betrieblichen Sozialleistungen Produktivitätssteigerungen zu erzielen, so minimiert er die Kosten je Effizienzeinheit Arbeit. Betriebliche Sozialleistungen können also eine günstige Möglichkeit darstellen, wie die Beschäftigten an das Unternehmen gebunden werden können und die Fluktuationsrate gesenkt werden kann. Und eine niedrige Fluktuationsrate bedingt, dass die Wiederbeschaffungskosten (Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten) ebenfalls gering bleiben und das Unternehmen keine Know-howVerluste durch den Weggang von Beschäftigten erleidet. Insgesamt boten im Jahr 2000 bereits fast 70 Prozent aller Unternehmen mindestens eine Form betrieblicher Zusatzleistungen an (Lutz 2005, 19). Erstaunlich hoch ist die Teilnahme der Beschäftigten an den jeweiligen Sozialleistungsprogrammen. Vor allem in der Kategorie „andere Zusatzleistungen“ (z. B. Mitarbeiterverpflegung) sind die Beteiligungsquote desto höher, je kleiner das Unternehmen ist (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1 Verbreitung betrieblicher Zusatzleistungen bei der Belegschaft im Jahr 2000 In Prozent der Belegschaft in den Betrieben, die die jeweilige Zusatzleistung anbieten. Betriebliche GewinnbeteiAltersversorligung gung 1-9 66,6 70,2 10-49 56,0 45,3 50-199 63,1 44,5 200-1999 74,5 45,7 Über 2000 90,4 71,7 Gesamt 62,3 59,0 Quelle: IAB-Betriebspanel aus Lutz, 2005, 21 Beschäftigtenzahl

Kapitalbeteiligung

Sonderzahlungen

Andere Zusatzleistungen

62,6 46,1 47,3 66,0 69,7 54,9

93,4 95,1 95,5 95,0 97,4 94,0

78,7 70,1 62,9 59,9 48,5 74,1

Ausgehend von der Tatsache, dass die Beschäftigten eines Unternehmens unterschiedliche soziale Bedürfnisse haben, wurde in den USA das so genannte „Cafeteria-System“ für betriebliche Sozialleistungen geschaffen. Dies bietet große Gestaltungschancen, schafft den Beschäftigten die gewünschte Wahlfreiheit aus verschiedenen Sozialleistungen gemäß ihrem tatsächlichen Bedarf und entsprechend ihrer persönlichen Lebensbedingungen. Der Arbeitgeber kann den Umfang des jeweiligen Budgets festlegen, innerhalb dessen die Beschäftigten frei wählen können. Nachteil des Cafeteria-Systems ist allerdings, dass es mit einem höheren Verwaltungsaufwand verbunden ist als starre Sozialleistungspakete oder pauschale Vergünstigungen. Die Beschäftigten können mit dem CafeteriaSystem Teile ihres Entgelts selbst gestalten, was das Image der Unternehmen als moderne, attraktive Arbeitgeber stärkt. In Deutschland hat sich das Cafeteria-System aber nie so stark durchgesetzt wie in den USA oder im Vereinigten Königreich. Dabei ist zu beachten, dass freiwillige betriebliche Sozialleistungen in amerikanischen oder britischen Unternehmen generell eine wesentlich größere Rolle spielen als in deutschen Unternehmen, weil dort das staatliche Sozialsys29

tem weniger Leistungen anbietet als das in Deutschland. Daher werden die freiwilligen betrieblichen Leistungen als wichtiges Unterscheidungsmerkmal am Arbeitsmarkt wahrgenommen, das die Attraktivität der Unternehmen als Arbeitgeber für gut qualifizierte Beschäftigte enorm steigert. 3.2.2 Anreizwirkungen durch Einspareffekte für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Aus ökonomischer Sicht wollen die Unternehmen die Ziele ihrer freiwillig gewährten Sozialleistungen möglichst effektiv verwirklichen. Daher steht vor der Entscheidung des „Ob“ und des „Wie“ zunächst eine Kosten-Nutzen-Bilanz verschiedener betrieblicher Sozialleistungen an. Besonders günstig für die Entscheidungen ist es, wenn der Staat die betrieblichen Sozialleistungen durch Steuerbefreiungen (ganz oder teilweise) sowie durch Befreiungen von den Sozialabgaben unterstützt und wenn sich im Unternehmen herausstellt, dass der durch die betrieblichen Sozialleistungen hervorgerufene Produktivitätseffekt den Kosteneffekt dominiert und nicht umgekehrt. Im Folgenden werden einige Beispiele steuerbegünstigter Sozialleistungen von A bis Z dargestellt: • Arbeitgeberdarlehen • Belegschaftsrabatte • Geburtsbeihilfe (seit 2006 gestrichen) • Kinderbetreuungszuschüsse • Sachbezüge (Mahlzeiten, Dienstwagen, Dienstwohnung) • Vermögenswirksame Leistungen • Zuschüsse zur Altersversorgung Arbeitgeberdarlehen Ein Arbeitgeberdarlehen gem. R 31 Abs. 11 LStR liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über die Entgeltzahlung hinaus einen Betrag zur Verfügung stellt, der mit den normalen Bezügen nicht oder nicht sofort erreicht werden kann und zu dessen Erlangung auch sonst üblicherweise Kreditmittel in Anspruch genommen werden müssten. Meist sind diese Darlehen zinslos oder zinsgünstig. Bei Arbeitgeberdarlehen bemisst sich der geldwerte Vorteil nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem marktüblichen Zins und dem Zins, den der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall zahlt. Es ist hierbei grundsätzlich für die gesamte Vertragslaufzeit der Zinssatz bei Vertragsabschluss maßgeblich, es sei denn, es ist ein variabler Zinssatz vereinbart. Bei der Feststellung, ob die 44-Euro-Freigrenze (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG) überschritten wird, sind Vorteile aus zinsverbilligten Arbeitgeberdarlehen einzubeziehen. Belegschaftsrabatte Auf Belegschaftsrabatte, die nicht pauschal besteuert werden, muss der Arbeitnehmer Steuern und Sozialabgaben bezahlen. Für beides gibt es aber einen Freibetrag von früher 1.224 Euro, jetzt noch 1.080 Euro. Geburtsbeihilfe (seit 2006 gestrichen) Geburtsbeihilfen waren bis Ende 2005 nach § 3 Nr. 15 EStG Geld- oder Sachgeschenke, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer anlässlich der Geburt eines Kindes zuwendet. Die Geburtsbeihilfe konnte sowohl in Geld oder Sachgeschenken oder auch in einer Mischform bestehen. 315 Euro der Geburtsbeihilfe waren steuerfrei. Neuregelung ab dem 30

1.1.2006: Mit dem „Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm“ wurde die Geburtsbeihilfe ersatzlos gestrichen. Kinderbetreuungszuschuss Der steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschuss zur Kinderbetreuung (§ 3 Nr. 33 EStG) ist für Unternehmen eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, ihr Personal bei der Kinderbetreuung finanziell zu unterstützen. Er wird zweckgebunden für die Kosten der Betreuung und Unterbringung von nicht schulpflichtigen Kindern in Einrichtungen oder bei Tagesmüttern eingesetzt und muss zusätzlich zum Gehalt ausbezahlt werden bzw. als Kinderbetreuungsgutschein ausgehändigt werden. Für Beschäftigte ist dieser Zuschuss oft günstiger als beispielsweise eine Gehaltserhöhung. Unternehmen, die weder eine eigene Kinderkrippe oder einen eigenen Kindergarten haben noch Belegplätze anbieten können, entlasten mit diesem Zuschuss ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein weiterer Pluspunkt könnte neben der Abgabenbefreiung und der positiven Effekte im Hinblick auf die Motivation der Beschäftigten auch ein konkreter Beitrag zur Mitarbeiterbindung sein: Die Beschäftigten kehren nach der Elternzeit eventuell wieder früher an ihren Arbeitsplatz zurück. Die Steuerbefreiung der Arbeitgeberleistungen zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen wird an einige Bedingungen geknüpft: 1. Es muss sich um Leistungen handeln, die zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kindergartenzuschuss zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber auch ohne die Zweckbestimmung schulden würde (R 21 c LStR). Der Kindergartenzuschuss wird deshalb nur dann zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn der Arbeitnehmer die Leistung ohne Zweckbindung nicht erhalten würde. Entscheidend ist also, dass nur derjenige Arbeitnehmer die Leistung erhalten kann, der sie zu dem begünstigten Zweck verwendet. Unerheblich ist jedoch, ob die zusätzliche Leistung ihrerseits vom Arbeitgeber geschuldet oder freiwillig erbracht wird oder ob der Arbeitgeber verschiedene zweckgebundene Leistungen wie Fahrtkostenzuschüsse oder Zinszuschüsse zur Auswahl anbietet. Wird der Kindergartenzuschuss auf den vereinbarten Arbeitslohn angerechnet oder durch Umwandlung des vereinbarten Arbeitslohns gewährt, liegt keine zusätzliche Leistung vor, weil der vereinbarte Arbeitslohn unverändert bleibt. Dies gilt selbst dann, wenn die Umwandlung aufgrund einer tarifvertraglichen Öffnungsklausel erfolgt oder wenn der Kindergartenzuschuss auf eine freiwillige Sonderzahlung, z. B. Tantieme oder Weihnachtsgeld, angerechnet wird. 2. Barzuwendungen an den Arbeitnehmer sind nur steuerfrei, soweit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die zweckentsprechende Verwendung nachgewiesen hat. Der Arbeitgeber muss die Nachweise im Original als Belege zum Lohnkonto aufbewahren. 3. Es ist gleichgültig, ob die Unterbringung und Betreuung in betrieblichen oder außerbetrieblichen Kindergärten erfolgt. Vergleichbare Einrichtungen sind z. B. Schulkindergärten, Kindertagesstätten, Kinderkrippen, Tagesmütter, Wochenmütter, Ganztagspflegestellen und Internate, wenn diese auch nicht schulpflichtige Kinder aufnehmen. Die Einrichtung muss gleichzeitig zur Unterbringung und Betreuung von Kindern geeignet sein. Die alleinige Betreuung im Haushalt, z. B. durch Kinderpflegerinnen, Hausgehilfinnen oder Familienangehörige, genügt nicht.

31

4. Steuerfrei sind Arbeitgeberleistungen zur Unterbringung und Betreuung einschließlich Unterkunft und Verpflegung. Eine betragsmäßige Begrenzung, z. B. bei Internatskosten, besteht nicht. 5. Steuerpflichtig sind aber Arbeitgeberleistungen für den Unterricht eines Kindes sowie für Leistungen, die nicht unmittelbar der Betreuung eines Kindes dienen, z. B. die Beförderung zwischen Wohnung und Kindergarten. 6. Begünstigt sind nur Leistungen für Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern. Dies sind Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder im laufenden Kalenderjahr das 6. Lebensjahr nach dem 30. Juni vollendet haben, es sei denn, sie werden vorzeitig eingeschult. Leistungen für Unterbringung und Betreuung von Kindern, die im laufenden Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bis zum 30. Juni vollendet haben, sind bis zum 31. Juli dieses Jahres begünstigt. Im Übrigen stehen den nicht schulpflichtigen Kindern schulpflichtige Kinder gleich, solange sie mangels Schulreife vom Schulbesuch zurückgestellt sind. Sachbezüge (Kost, Dienstwagen, Dienstwohnung) Die Mitarbeiterverpflegung in Deutschland wird staatlich gefördert: Mahlzeiten, die der Arbeitgeber an Arbeitstagen seinen Beschäftigten entweder unentgeltlich oder verbilligt gewährt, sind bis zur Höhe des jeweiligen amtlichen Sachbezugswerts steuer- und abgabenfrei. Nun haben allerdings die wenigsten Betriebe in Deutschland eine Kantine, denn eine Kantine lohnt sich meist erst ab 150 bis 200 Mitarbeitern. Von den 2 Millionen Betrieben in Deutschland haben 99,4 Prozent aber weniger als 250 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und gehören damit zur Gruppe der KMU (nach EU-Definition; vgl. Tabelle 2). Tabelle 2 Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Beschäftigtengrößenklassen, Deutschland, 2006

Kleinstbetriebe Kleine Betriebe Mittlere Betriebe Summe KMU Große Betriebe

Anzahl der Beschäftigten 1-5 6-9 10-49 50-249 1-249 250-499 500 und mehr Insgesamt

Anzahl der Betriebe 1.399.003 238.017 306.696 71.844 2.015.560 7.910 4.689 2.028.159

Anteile in % 69,0 11,7 15,1 3,5 99,4 0,4 0,2 100,0

Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (2007)

Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes gab es im Jahr 2005 allerdings nur 10.216 Kantinen und Caterer in Deutschland, von denen längst nicht alle Betriebskantinen waren, sondern auch einige Schulkantinen oder Caterer für Soziale Einrichtungen. Die Betriebskantinen befinden sich v.a. in den 12.599 Betrieben in Deutschland, die mehr als 249 Beschäftigte haben. In diesen Betrieben arbeiten insgesamt über 8,3 Millionen Beschäftigte. Sachbezüge müssen grundsätzlich genau so wie Barlohnzahlungen als „geldwerter Vorteil“ wie sonstige Bezüge behandelt werden. Allerdings gibt es Ausnahmen, wenn der Barlohn in Essensgutscheine oder Restaurantschecks umgewandelt wird. Bei der Gewährung 32

von unentgeltlichen oder verbilligten Mahlzeiten im Betrieb gilt der Paragraph 40, Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes. Entscheidend ist hierbei der Geldwert der Sachbezüge. Wenn die Beschäftigten die Sachbezüge nicht unentgeltlich erhalten, muss die Differenz zwischen dem Geldwert des Sachbezugs und dem tatsächlichen Entgelt festgestellt werden. Der amtliche Sachbezugswert, der auch dann gilt, wenn in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag höhere oder niedrigere Werte angesetzt sind, ist seit dem 1. Januar 2007 geringfügig erhöht worden und liegt jetzt bei: • 1,50 Euro Frühstück • 2,67 Euro Mittag- und Abendessen Wenn sich also der Beschäftigte mit diesem Anteil an den Kosten für die betriebliche Verpflegung beteiligt und der Arbeitgeber täglich maximal 3,10 Euro für die betriebliche Verpflegung ausgibt, ist dies sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer steuer- und sozialabgabenfrei. Das heißt, der Mitarbeiter erhält dann täglich eine Essensmarke oder einen Restaurantgutschein im Wert von 5,77 Euro. Abbildung 5 Sachbezugswerte Sachbezugswerte 2007 (monatlich, Euro) Gesamtsachbezugswert: West Ost davon freie Unterkunft: West Ost davon Verpflegung Frühstück Mittagessen Abendessen Verpflegung gesamt

Sachbezugswerte 2008* (monatlich, Euro)

403,00 397,00

403,00 403,00

198,00 192,06

198,00 198,00

45,00 80,00 80,00 205,00

45,00 80,00 80,00 205,00

*Ab dem 01.01.2008 gelten für Ost- und Westdeutschland erstmals einheitliche Sachbezugswerte. Quelle: Bundesministerium der Finanzen, 2007

Im November 2006 wurde eine neue Sozialversicherungsentgeltverordnung beschlossen, die alle Bestimmungen der bisherigen Arbeitsentgelt- und die Sachbezugsverordnung zusammenfasst, die die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgeltbestandteilen betreffen und systematisch einem Regelungskomplex zuzuordnen sind. Folgende Regelungen wurden getroffen: • Die Arbeitsentgelt- und Sachbezugsverordnung werden in einer Verordnung zusammengeführt, der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). • Die Anpassung der Sachbezugswerte an einen gemeinsamen Wert für Deutschland für Unterkunft in Höhe von 198 Euro monatlich und Miete von 3,45 Euro pro Quadratmeter erfolgt in den neuen Bundesländern in zwei Schritten bis 2008. Diese Werte, die in den alten Bundesländern schon ab 2007 gelten, werden in den neuen Bundesländern im Jahr 2007 jeweils um 3 Prozent verringert. • Die Sachbezugswerte für Verpflegung werden bundeseinheitlich für 2007 und 2008 auf einen Wert von insgesamt 205,00 Euro monatlich festgelegt. • Die Regelung zum Hinzurechnungsbetrag wird aufgehoben und kompensiert durch 33

Verbeitragung der Sanierungsgelder bis zur Höhe von 0,9 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung ab 2008 bzw. für Beschäftigte mit Entgelt von monatlich bis 1.500,00 Euro von 2 Prozent ihres Arbeitsentgeltes. Den Essenszuschuss können die Arbeitgeber ihren Beschäftigten auch in Form von Restaurantschecks zukommen lassen. Hierdurch reduzieren Unternehmen ihre Lohnnebenkosten, Arbeitnehmer sparen Steuern und Sozialabgaben. Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern mittels Restaurantschecks arbeitstäglich bis zu 3,10 Euro steuer- und sozialabgabenfrei zukommen lassen. Die Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer sich aus seinem bereits versteuerten Nettoeinkommen mit dem Sachbezugswert in Höhe von 2,67 Euro beteiligt. Diese Beteiligung erhält der Arbeitnehmer mit dem Restaurantscheck komplett wieder zurück. Somit ergibt sich ein maximaler Scheckwert pro Arbeitstag von 5,77 Euro. Der Sachbezugswert von 2,67 (= Restaurantscheck im Wert von 5,77 Euro abzüglich 3,10 Euro steuer- und sozialabgabenfrei) muss pauschal mit 25 Prozent versteuert werden (69 Cent). Bei einer Vollzeitbeschäftigung können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern maximal 15 Essensschecks à maximal 5,77 Euro (insgesamt 86,55 Euro) pro Monat zukommen lassen, was im Jahr immerhin 1.038,60 Euro pro Mitarbeiter ausmacht. Bei 220 Arbeitstagen können sogar insgesamt 1.269,40 Euro jährlich ausgeschöpft werden. Auch bei Aushilfsbeschäftigten oder bei Teilzeitbeschäftigten unter 30 Stunden können diese Zuwendungen gewährt werden. Hierbei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass diese Kräfte über Mittag arbeiten und sich somit verpflegen müssen. Im Regelfall können z. B. bei Aushilfen maximal 8 Essensschecks pro Monat zur Verfügung gestellt werden. Tankgutschein Durch die partielle Streichung der Entfernungspauschale ab dem 1. Januar 2007 erleiden viele Arbeitnehmer erhebliche Einbußen bei ihrem monatlichen Nettoeinkommen. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte können nur noch ab dem 21. Entfernungskilometer Werbungskosten geltend gemacht werden. Wer sich z. B. bei einem einfachen Arbeitsweg von 20 km bei 230 Arbeitstagen bisher über € 1.380 Werbungskosten und damit etwa € 400 Steuererstattung freuen konnte, geht ab 2007 leer aus. Fahrtkostenzuschüsse oder sog. Job-Tickets unterliegen somit ab 2007 in vollem Umfange der Lohnsteuer und der Sozialversicherung. Das bedeutet, dass in vielen Fällen auch bei einer Gehaltserhöhung die Nettoauszahlung ab 2007 sinken wird. Diesen erheblichen Nachteil können Arbeitgeber dadurch ausgleichen, indem sie den betroffenen Mitarbeitern monatlich einen Tankgutschein in Höhe von jeweils maximal 44 Euro aushändigen, was der Freibetragsgrenze für Sachbezüge pro Monat entspricht. Dabei fallen weder Steuern noch Sozialabgaben an. Dieser Gutschein muss auf die Mengenabgabe (Liter) und auf die Treibstoffbezeichnung (Diesel, Super) ausgestellt sein. 3.2.3 Anbieter und Administration der Gutscheinsysteme Die staatlichen Anbieter der Gutschein- und Scheckverfahren organisieren die Vergabe und Administration sehr unterschiedlich: Mit der Abwicklung der Haushaltsschecks hat die Bundesregierung die Bundesknappschaft beauftragt, die die Versicherungspflicht prüft, die Pauschalbeträge berechnet und einzieht sowie jährlich den Arbeitgebern und Arbeitnehmern Bericht über eingezogene Beiträge und Steuern sowie Inhalte der gespeicherten Daten erstattet. Die Kinderbetreuungsgutscheine in Hamburg geben die Jugendämter aus, nachdem sie die Anträge der Eltern erhalten und deren Kostenbeteiligung für einen Platz in einer Kindertagesstätte berechnet haben.

34

In der Privatwirtschaft gibt es in Deutschland zwei große Anbieter von Gutscheinsystemen, die auch die komplette Verwaltung und Abwicklung für die Unternehmen übernehmen: die Sodexho Pass GmbH und Accor Services. Der Marktführer Sodexho beliefert in Deutschland 9.000 Unternehmen mit etwa 30 Millionen Restaurant-Schecks jährlich. Weltweit führend im Diensteistungsgutscheinbereich ist die Accor-Gruppe. In Deutschland war als erstes Unternehmen seit 1976 die Firma Ticket Restaurant MenüScheck GmbH aktiv, die nach dem in Großbritannien 1954 entwickelten Konzept des Restaurantgutscheins „Luncheon Vouchers Ltd“ aufgebaut wurde. Der Gründer der britischen Firma, John Hack, soll mit Freunden beim Mittagessen zufällig bemerkt haben, wie Personen an benachbarten Tischen mit Papierschnipseln ihr Mittagessen bezahlt hätten. Er habe sich erkundigt und erfuhr, dass dieses Restaurant mit umliegenden Unternehmen eine Vertragsvereinbarung für vergünstigtes Mittagessen habe. Daraus entstand seine Idee, dies zu professionalisieren und er gründete 1954 die Luncheon Voucher Ltd. (vgl. Furkel, 2005, 60). Das deutsche Pendant wurde 1983 von der Accor-Gruppe aufgekauft. Die Firma Sodexho Pass startete 1977 auf dem deutschen Markt. Die beiden großen Firmen – Sodexho und Accor – versuchen, den Verwaltungsaufwand für ihre Kunden möglichst gering zu halten: diese können die Restaurantschecks in unterschiedlichen Servicevarianten anfordern: Die Bestellung kann per Telefon, Internet oder Brief geordert werden. Auf die Schecks kann das Firmenlogo gedruckt werden oder sie können mit dem Namen des Berechtigten individualisiert werden. Die Abwicklung dieses Systems erfolgt dergestalt, dass die Mitarbeiter diese Schecks bei bestimmten Firmen, vornehmlich in Restaurants, Metzgereien, Bäckereien und Lebensmittelgeschäften einlösen können. Die Essensschecks haben ein Jahr Gültigkeit, sie müssen also nicht monatlich eingelöst, sondern können nach Bedarf eingelöst werden. Das Abrechnungssystem kann sehr komfortabel gewählt werden, indem die Anbieter auch den Nachweis der Einlösung bringen. Abbildung 6 Organisation und Abwicklung des Gutscheinsystems

Quelle: Furkel, 2005, 60.

35

Viele Unternehmen nutzen den Restaurant-Gutschein im Rahmen ihres Gesundheitsmangements, um für gesunde Ernährung zu plädieren, aber auch zur Mitarbeiterbindung und Motivation der Beschäftigten. Die Arbeitgeber können den Beschäftigten die Schecks entweder an jedem Arbeitstag aushändigen oder sie geben ihnen bis zu 15 Schecks in einem Monat. Neben der Steuerbegünstigung hat das System für die Arbeitgeber auch den Vorteil, dass alle Beschäftigten eines Unternehmens gleich behandelt werden, sei es, dass sie am Standort eine Kantine haben oder nicht. Denn die Restaurant-Schecks können auch in Lebensmittelläden, bei Metzgereien oder Bäckereien eingelöst werden.

36

4 Bestandsaufnahme: Gutscheinsysteme in der EU, Schwerpunkt Deutschland Das Gutscheinsystem stellt grundsätzlich eine einfache Gleichung dar: Es ist die Summe aus Sozialleistung plus Wahlfreiheit. Die Empfänger der Sozialleistungen erhalten durch die Gutscheine eine größere Wahlmöglichkeit unter den Anbietern und größere Mitspracherechte im Hinblick auf den Zeitpunkt und die Art der Leistungen. Sie sind weniger abhängig und können ihren Tagesablauf selbst bestimmen – eine wesentliche Voraussetzung für die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Art der Sozialleistung kann sehr unterschiedlich sein: haushaltsnahe Dienstleistungen Kinderbetreuung oder Pflegedienstleistungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildung und Weiterbildung oder auch Mitarbeiterverpflegung.

4.1 Dienstleistungsgutscheine In einigen europäischen Ländern – Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich und Schweden – sind Dienstleistungsgutscheine eingeführt worden, um einerseits Anreize für die Belebung des legalen Dienstleistungsmarktes zu bewirken, andererseits aber bürokratische und finanzielle Hürden zu senken. Gutscheine für Haushaltsdienstleistungen können zu einem günstigen Preis erworben werden, und dennoch sind Steuern und Sozialabgaben darin bereits enthalten. In den nordeuropäischen Ländern standen nicht nur die Steuersenkungen und Beihilfen als Anreize für bestimmte Dienstleistungen im Vordergrund, sondern man wollte vor allem die Haushalte dazu anreizen, die von ihnen beschäftigten Personen offiziell als Erwerbstätige registrieren zu lassen. Belgien Die belgische Regierung führte im Januar 2000 ein Gutscheinsystem für den Dienstleistungsbereich ein, vor allem für arbeitsintensive Dienstleistungen wie Malern und Tapezieren. Ziel dieser neuen Maßnahme ist die Schaffung von Arbeitsplätzen insbesondere für weniger qualifizierte Arbeitnehmer und der Ersatz eines Teils der Schwarzmarktarbeit durch Lohnarbeit und Dienstleistungen mit garantierter Qualität. Der Dienstleistungsscheck ist eine Zahlungsanweisung eines Unternehmens, das den Scheck ausstellt. Mit finanzieller Unterstützung der Föderalregierung und der Region können natürliche Personen, die solche Gutscheine erhalten, diese zur Bezahlung der von einem zugelassenen Unternehmen auf lokaler Ebene durchgeführten Arbeiten oder erbrachten Dienstleistungen nutzen. Der Mechanismus der Dienstleistungsschecks funktioniert folgendermaßen: Wer örtliche Dienstleistungen nutzen möchte, erwirbt vom Aussteller Dienstleistungsschecks in einem Wert von 6,20 Euro pro Gutschein. Innerhalb eines Kalenderjahres sind zwischen 10 und 500 Dienstleistungsschecks zu bestellen. Wer Dienstleistungsschecks kauft, erwirbt damit auch Ansprüche auf eine Steuerermäßigung. Die örtlichen Arbeiten oder Dienstleistungen sollen gewerbliche und gemeinnützige Tätigkeiten erzeugen, die auf individuelle, personenbezogene und familiäre Bedürfnisse im Alltagskontext abzielen (Haushaltshilfe, Kinderbetreuung, Haushilfe für ältere Menschen, Kranke oder Behinderte). Die Arbeiten sind von Arbeitern ohne reguläre Beschäftigungsverhältnisse auszuführen, die bei einem regionalen Dienst für Arbeitsvermittlung arbeitslos gemeldet sind; die Arbeiter werden unter einem Arbeitsvertrag eingestellt, der ihnen zumindest eine Halbzeitbeschäftigung durch ein gewerbliches oder nicht gewerbliches Unternehmen zusichert, das in der zuständigen 37

Region zugelassen ist. Anspruchsberechtigte reichen einen Dienstleistungsscheck für jede Stunde Arbeit oder Dienstleistung ein, die von der ausführenden Person geleistet bzw. erbracht wurde. Der Arbeiter unterschreibt den Dienstleistungsscheck und das zugelassene Unternehmen bestätigt seine Identität. Daraufhin übermittelt das Unternehmen den Dienstleistungsscheck an das ausstellende Unternehmen zwecks Erstattung. Nachdem die Dienstleistungsschecks ausgewertet wurden, überweist das ausstellende Unternehmen einen Betrag in entsprechender Höhe des Kaufpreises zuzüglich verschiedener Zuschüsse auf das registrierte Konto des ausführenden Unternehmens, so dass der pro Dienstleistungsscheck gezahlte Gesamtbetrag 17,36 Euro entspricht. Die Hälfte davon übernehmen die zuständigen Regionalbehörden, die andere Hälfte die Föderalbehörden. Frankreich Der TES – Titre-Emploi-Service ist eine betriebliche „Sozialleistung“ in Form von steuerlich absetzbaren Dienstleistungsgutscheinen in Frankreich. Beschäftigte können von ihren Arbeitgebern bezuschusste Dienstleistungsgutscheine erwerben. Französische Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, 0,2 Prozent der Bruttolohnsumme ihrer Angestellten dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen, um damit Sonderleistungen wie betriebseigene Kinderhorte, Kantinen, Versicherungen oder Freizeitaktivitäten zu finanzieren. Der Sichtwert des Gutscheins wird von der ausgebenden Institution festgelegt. TES wurde im Sommer 1996 nach dem Vorbild des Restaurantschecks eingeführt, denn das Scheckverfahren hat die Verwaltung grundsätzlich vereinfacht. Zunächst hieß es CES (= Chèque Emploi Service). Es galt sowohl für die Beschäftigung von Einzelpersonen als auch von Dienstleistungsagenturen. Dann wurde es ergänzt um den TES (Titre Emploi Service), womit die Arbeitgeber die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in Privathaushalten unterstützen. Die Gutscheine haben den Charakter einer betrieblichen Sozialleistung, zu der die Unternehmen verpflichtet sind. Frankreich unterstützt durch das TES-System die Familien und bekämpft gleichzeitig die Schwarzarbeit durch die Subventionierung legaler haushaltsnaher Dienstleistungen. Die Steuerermäßigungen und die Befreiung von den Sozialabgaben haben die Attraktivität legaler Leistungen gesteigert. Die Leistungen selbst werden durch lizensierte Unternehmen erbracht, wodurch die Position der Dienstleistungsagenturen gestärkt wird. Die beiden Modelle wurden im Jahr 2005 zu einem System zusammengefasst, dem „Chèque emploi service universel“. Österreich Der Dienstleistungsscheck (DLS) wurde in Österreich durch ein Projekt im Jahr 2003 entwickelt und ist seit 2006 im Einsatz (das Dienstleistungsscheckgesetz trat am 1.1.2006 in Kraft). Der DLS dient einerseits dazu, die Schwarzarbeit in diesem Bereich einzudämmen, gleichzeitig aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Erwerbstätige zu fördern. Die österreichische Regierung schätzte, dass 150.000 Personen in Privathaushalten arbeiten, davon nur 10.000 legal. Der DLS dient der Abgeltung einfacher, nicht gewerblicher Dienstleistungen in Privathaushalten (Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Reinigung von Haus und Wäsche, leichte Gartenarbeit). Er wird über Postämter und von der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) vertrieben. Die VAEB ist auch verantwortlich für die Organisation und Abwicklung. Sämtliche vom „Dienstgeber“ zu tragenden Sozialversicherungsabgaben sind im Kaufpreis des Schecks enthalten. Der Kaufpreis setzt sich zusammen aus dem Entgelt für den Arbeitnehmer, den Sozialversicherungsabgaben (Unfallversicherungsbeitrag: 1,4 Prozent) und einem geringen Verwaltungskostenanteil (0,06 Euro bei einem Scheck von 10 Euro). Der Arbeitnehmer reicht den Dienstleistungsscheck persönlich oder per Post bei der nach seinem Wohnsitz zuständigen Gebietskrankenkasse ein. Auf dem Dienstleistungsscheck (DLS) müssen die Namen 38

und Sozialversicherungsnummern des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers eingetragen sein. Der Arbeitnehmer erhält nach Abzug des Unfallversicherungsbeitrags und des Verwaltungskostenbeitrags den vollen Wert des DLS auf sein Konto überwiesen. Übersicht 5 Werte und Kosten der Dienstleistungsschecks in Österreich DLS-Werte und DLS-Kosten* Wert für Arbeitnehmer(in) (incl. 9,6 Prozent Urlaubser10,00 Euro satzleistung und 25 Prozent Sonderzahlungsanteil) Kosten für den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin 10,20 Euro

5,00 Euro 5,10 Euro

* In der Differenz zwischen „Wert" und „Kaufpreis" sind der Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung (1,4 Prozent) sowie ein Verwaltungskostenanteil (0,6 Prozent) enthalten. Bei elektronisch erstellten Dienstleistungsschecks können die Werte individuell gewählt werden. Quelle: http://www.bmwa.gv.at/NR/rdonlyres/EF8E7889-461B-408D-A62AB9A8C3DD9FF5/0/DLSInfobroschre.pdf

Der Wert des DLS (z. B. 10 €) ist nicht automatisch der für eine Arbeitsstunde zu zahlende Lohn, dieser ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei zu vereinbaren. Als Untergrenze gilt jedoch ein Stundenlohn (inkl. anteiliger Urlaubsersatzleistung und Sonderzahlungen), der mindestens den vorgeschriebenen Mindeststundenlöhnen im jeweiligen Bundesland entspricht und unterschiedlich für die jeweiligen Tätigkeiten ist. Tabelle 3 Ausgewählte Mindeststundenlöhne inkl. anteiliger Zuschläge Urlaubsabgeltung = 9,6 Prozent und Sonderzahlungen = 25 Prozent nach Bundesländern, in Euro BurgenKärnten NiederOberSalzburg SteierTirol land österreich österreich mark Reinigungskraft, Haushaltshilfe ohne Kochen bzw. Kraft für einfache Gartenarbeit 9,26 9,15 8,37 8,96 9,21 8,95 9,81 Reinigungskraft nach „Professionisten-Einsatz“ (z. B. Anstreichen der Wohnung) 12,17 12,34 10,97 11,00 11,25 13,55 13,85 Haushaltshilfe mit Kochen 9,43 9,92 8,45 9,04 9,33 9,86 9,92 Kinderbetreuung (Beaufsichtigung) 9,26 11,44 8,54 9,04 10,10 11,34 10,06 Kranken-/Altenbetreuung (persönliche Dienstleistungen wie Unterstützung bei der beim Ankleiden) 13,14 11,66 11,44 11,80 12,69 13,44 12,30 Quelle: http://www.bmwa.gv.at/NR/rdonlyres/EF8E7889-461B-408D-A62AB9A8C3DD9FF5/0/DLSInfobroschre.pdf

Vorarlberg

Wien

9,96

8,34

13,93

11,38

10,06

8,66

10,06 9,07 Körperpflege oder 14,59

11,85

Die Entlohnung darf die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von 341,16 Euro (2007) nicht überschreiten. Zuzüglich der Urlaubsersatzleistungen und Sonderzahlungen, die bei dieser Entgeltgrenze nicht zu berücksichtigen sind, beläuft sich der Wert der Schecks im Jahr 2007 auf einen maximalen Wert von 467,34 Euro pro Monat. Überschreitet der Arbeitnehmer diese Grenze, so beträgt der Sozialversicherungsbeitrag für ihn 14,7 Prozent, also 39

1,47 Euro pro 10-Euro-DLS. Dafür ist er dann in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Deutschland: Haushaltsschecks Durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 wurden auch die zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Regelungen zum Haushaltsscheckverfahren grundlegend geändert. Es sollten vor allem Förderanreize im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen geschaffen werden, um illegale Beschäftigung in reguläre Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Seit dem 01.04.2003 gilt das so genannte „Haushaltsscheckverfahren“ für geringfügige Beschäftigungen in Privathaushalten. Anstelle der sonst üblichen Beitrags- und Steuerlast für gewerbliche Arbeitgeber von 25 Prozent (Krankenversicherung: 11 v.H.; Rentenversicherung: 12 v.H.; Pauschsteuer: 2 v.H.) beläuft sich der Aufwand für Privathaushalte lediglich auf 12 v.H. (Krankenversicherung: 5 v.H.; Rentenversicherung: 5 v.H.; Pauschsteuer: 2 v.H.). Die Kosten, die dem Arbeitgeber für die Beschäftigung im Privathaushalt entstehen, werden seit dem 01.01.2003 steuerlich gefördert. Die Einkommenssteuer des Arbeitgebers ermäßigt sich für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei geringfügiger Beschäftigung, um 10 v.H. der entstandenen Kosten (max. 510 Euro). Für jeden Kalendermonat, in dem kein Beschäftigungsverhältnis besteht, ermäßigt sich der Höchstbetrag um ein Zwölftel. Seit dem 1. Januar 2006 übernimmt die Minijob-Zentrale auch die Anmeldung zur gesetzlichen Unfallversicherung und den Einzug der Unfallversicherungsbeiträge (1,6 Prozent des Arbeitsentgelts). Der Arbeitgeber (Privathaushalt) erstattet im Haushaltsscheckverfahren der Bundesknappschaft (Minijob-Zentrale) für einen in seinem Haushalt beschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich bei jeder Lohn- oder Gehaltszahlung eine vereinfachte Meldung, den so genannten Haushaltsscheck. Der Haushaltsscheck enthält gegenüber der Meldung nach § 28a SGB IV stark reduzierte Angaben. Er ist vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu unterschreiben. Die Bundesknappschaft prüft nach Eingang des Haushaltsschecks die Versicherungspflicht, berechnet die Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie die Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz und zieht den Gesamtbetrag einschließlich der ggf. zu zahlenden Pauschsteuer mittels Lastschriftverfahren vom Arbeitgeber ein. Einmal jährlich bescheinigt die Bundesknappschaft dem Arbeitnehmer sowie dem Arbeitgeber die Höhe der eingezogenen Beiträge und Steuern sowie die Inhalte der gemeldeten Daten. Die Zahl der über das Haushaltsscheckverfahren erfassten Beschäftigten betrug im Juni 2003 insgesamt 27.817 und stieg dann kontinuierlich an. Bis März 2004 erhöhte sich die Zahl bereits um 69 Prozent auf 47.054 Beschäftigte. Im März 2007 lag die Zahl der über das Haushaltsscheckverfahren erfassten Beschäftigten bei 137.675 Personen (Abbildung 7).

40

Abbildung 7 Entwicklung der über das Haushaltsscheckverfahren erfassten Beschäftigten in Privathaushalten von 2004 bis 2007 160.000 137.675

140.000 117.476

120.000 102.463 100.000 80.000 60.000 47.054 40.000 20.000 0 März 2004

März 2005

März 2006

März 2007

Quelle: Bundesknappschaft, 2007

4.2

Kinderbetreuungsgutscheine

Vereinigtes Königreich Im Vereinigten Königreich unterstützt die Regierung die betrieblich organisierte oder finanzierte Kinderbetreuung durch steuerliche Anreize und Befreiung bzw. Ermäßigung von Sozialabgaben (National Insurance Contributions = NIC). Die Arbeitgeber können ihre Beschäftigten grundsätzlich in drei Formen bei der Kinderbetreuung unterstützen: • Sie geben den Beschäftigten Kinderbetreuungsgutscheine, die diese bei anerkannten, registrierten Kinderbetreuungseinrichtungen und Tagesmüttern oder Tagesvätern („Childminders“) einlösen können. • Sie halten eigene Kinderbetreuungseinrichtungen für ihre Mitarbeiter vor oder führen solche in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. • Sie leisten direkte Zahlungen als Anteilsfinanzierung der Kinderbetreuungskosten. Die Beschäftigten haben drei Möglichkeiten, wie sie von ihrem Arbeitgeber bei der Kinderbetreuung unterstützt werden können: • Sie erhalten Kinderbetreuungsgutscheine, einen Betreuungsplatz oder Zahlungen als Zusatzsozialleistung des Arbeitgebers zusätzlich zu ihrem regulären Gehalt. • Sie können jedes Jahr aus einem vielfältigen Angebot verschiedener Sozialleistungen ihres Arbeitgebers, den so genannten „Flexible Benefit Schemes“ (Cafeteria-System), die Kinderbetreuungsgutscheine wählen. • Sie verzichten auf einen Teil ihres Gehaltes (55 Pfund pro Woche) und erhalten dafür Kinderbetreuungsgutscheine („salary sacrifice“ – Gehaltsumwandlung).

41

Am meisten verbreitet ist das letztgenannte System „Kinderbetreuungsgutschein gegen Gehaltseinbuße“. Die Gutscheine sind bis zu einem Wert von 55 Britischen Pfund pro Woche (243 Pfund pro Monat) für beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – steuer- und abgabenfrei. Wenn der Wert des Gutscheins 55 Pfund pro Woche übersteigt, müssen für die Differenz Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden (nach der Klasse 1, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Die durchschnittlichen Kosten für Kinderbetreuung schwanken sehr stark in den verschiedenen Regionen Englands: von etwa 205 Pfund pro Woche in London bis zu 127 Pfund in den Westlichen Midlands für einen Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung für unter 2Jährige (Abbildung 8). Daher verwundert es nicht, dass vor allem die Unternehmen in London ihren Beschäftigten die Kinderbetreuungsgutscheine als betriebliche Sozialleistung anbieten. Die Kosten für einen Kinderbetreuungsplatz für unter 2-Jährige liegen in England im Jahr 2007 durchschnittlich bei 152 Pfund pro Woche, die Kosten für Kinder über zwei Jahren liegen durchschnittlich bei 140 Pfund. Einige Eltern kostet demnach ein Kinderbetreuungsplatz im Jahr sogar bis zu 21.000 Pfund fast so viel wie ein Platz an einer von Englands exklusivsten Privatschulen, dem Eton College mit 24.000 Pfund. Vor allem Mütter überlegen sich daher genau, ob es sich für sie auch finanziell lohnt, wieder arbeiten zu gehen, oder ob die Kinderbetreuungskosten ihren Verdienst wieder aufbrauchen. Die Kinderbetreuungsgutscheine, die die Unternehmen ihren Beschäftigten aushändigen, können für die Betreuung von Kindern bis zum 15. Lebensjahr genutzt werden. Abbildung 8 Durchschnittliche wöchentliche Kinderbetreuungskosten in den verschiedenen Regionen Englands Durchschnittliche Kinderbetreuungskosten in den verschienden Regionen Englands, britische Pfund pro Woche im Jahr 2007 £250,00

£200,00

£150,00

152 140

£100,00

£50,00

Einrichtungen für Kinder im Alter von unter zwei Jahren

Einrichtungen für Kinder im Alter von über zwei Jahren

on

nd Lo

Lo

nd

on

In ne ns Au ta ße dt nb ez i rk Sü e dw es te n Sü do ste O W n st es en tlic gl an he d M Yo Ö i s d rk tlic l a sh nd he ire s M un id la d nd Hu s m Na be tio rs No id na e rd ler w Du es rc te No n hs ch rd os ni tt te in n En gl an d

£0,00

Quelle: DayCare Trust, National Office for Statistics, 2007

42

Das System der Kinderbetreuungsgutscheine ist sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer günstig: Arbeitnehmer können bis zu 99 Pfund pro Monat sparen (beide Elternteile also insgesamt bis zu 2.390 Britische Pfund im Jahr). Die Arbeitgeber sparen bis zu 12,8 Prozent der Sozialabgaben durch die Steuer- und Sozialabgabenbefreiung von Gutscheinen. Je mehr Beschäftigte in einem Unternehmen die Kinderbetreuungsgutscheine nachfragen, desto höher sind die Ersparnisse des Arbeitgebers (vgl. Abbildung 9). Gleichzeitig sind die Kinderbetreuungsgutscheine für viele britische Unternehmen auch Teil eines „Mitarbeiterbindungsprogramms“ geworden. Abbildung 9 Einsparpotenzial der Arbeitgeber pro Jahr in Abhängigkeit von Zahl der Kinderbetreuungsgutscheine, die im Unternehmen nachgefragt werden Kinderbetreuungsgutscheine - Einsparung der Arbeitgeber pro Jahr £186,500

Mögliche Einsparung der Arbeitgeber (Sozialversicherungsbeiträge in Britischen Pfund)

£93,250

£55,950 £18,650 £1,865

£5,595

£9,325

5

15

25

50

150

250

500

Zahl der Beschäftigten, die Kinderbetreuungsgutscheine anfordern* * innerhalb eines Unternehmens

Quelle: HMRC, 2007

Das „National Centre for Social Research“ hat von November 2005 bis April 2006 etwa 4.500 Unternehmen befragt und fand heraus: Etwa 2,5 Prozent der Betriebe im Vereinigten Königreich bieten arbeitgeberunterstützte Formen von Kinderbetreuung an; das entspricht ungefähr 17.000 Unternehmen und 175.000 Beschäftigten, die davon profitieren. Kinderbetreuungsgutscheine wurden doppelt so häufig den Beschäftigten angeboten wie direkte Zahlungen oder eigene Kinderbetreuungseinrichtungen. Große Unternehmen und solche mit vielen weiblichen Beschäftigten bieten eher betriebliche Kinderbetreuung an als kleine. Beispielsweise bietet die Hälfte der Unternehmen (49,8 Prozent) mit 1.000 bis 4.999 Beschäftigten betriebliche Kinderbetreuung an. Bei den Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten sind es sogar fast zwei Drittel (61,2 Prozent) (Kazimirski et al., 2006, 16ff.).

43

Abbildung 10 Prozent der Unternehmen, die im Vereinigten Königreich betriebliche Kinderbetreuung anbieten, nach Zahl der Mitarbeiter

61,2

10.000+ Beschäftigte

57,4

5.000 - 9.999 Beschäftigte 1.000 - 4.999 Beschäftigte

49,8 27,5

250 - 999 Beschäftigte 21,3

175 - 249 Beschäftigte 10,2

50 - 174 Beschäftigte 10 - 49 Beschäftigte

4

5 - 9 Beschäftigte

3,2

1 - 4 Beschäftigte

keine

0

10

20

30

40

50

60

70

Prozent

Quelle: Kazimirski et al., 2006, S. 18

Die wichtigsten Motive bei der Einführung von Gutscheinen für die betriebliche Kinderbetreuung sahen die Unternehmen darin, die Mitarbeiter besser an das Unternehmen zu binden und die Fluktuationsrate zu senken, ihnen besser die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, oder aber auch für Wünsche der Beschäftigten einzugehen (dies vor allem in kleineren Unternehmen). Arbeitgeber, die schon länger betriebliche Kinderbetreuung anbieten, konnten sich bereits über Produktivitätsgewinne freuen (47 Prozent) und 30 Prozent über niedrigere Krankenstände (Kazimirski et al., 2006, 66). Abbildung 11 Kinderbetreuungsgutscheine sind die wichtigste Sozialleistung britischer Arbeitgeber bei den frei wählbaren Sozialleistungen 12

Parkplätze

19

Dienstwagen

23

Mobiltelefon

33

Computer

42

Unfallversicherung

49

Freizeitgutscheine

66

Lebensversicherung

77

Private Krankenversicherung

84

Kinderbetreuungsgutscheine 0

20

40

60

80

100

Prozent

Quelle: Befragung von 579 britischen Arbeitgebern im November 2006 (www.employeebenefits.co.uk)

44

Nach einer Studie von Towers Perrin (Employee Benefits/Flexible Benefit Research) sind die Kinderbetreuungsgutscheine der Arbeitgeber im Vereinigten Königreich inzwischen zur wichtigsten wählbaren Sozialleistung („Flexible Benefit Schemes“) geworden. 84 Prozent der Arbeitgeber bieten dies ihren Beschäftigten als frei wählbare Sozialleistung an (Abbildung 11). Die wählbaren Sozialleistungen sind eine große Anzahl formaler Sozialleistungen eines Arbeitgebers, aus denen die Beschäftigten zu Beginn jeden Jahres auswählen können, je nachdem, was sie benötigen und was für sie am günstigsten ist – auch im Hinblick auf die Sozialabgaben und Besteuerung, zum Beispiel Dienstwagen, private Krankenversicherung Benzingutscheine oder Mitarbeitercomputer. In Großbritannien war die Einführung von betrieblichen Kinderbetreuungsgutscheinen im Jahr 1989 eine Reaktion des Staates auf den enormen Bedarf an qualitativ hochwertiger und dennoch bezahlbarer Kinderbetreuung, was viele Frauen davon abhielt, eine Arbeitsstelle anzunehmen. Durch die neue Mischung von privat und staatlich organisierter Kinderbetreuung ist es unter anderem zu einer wesentlich kosteneffizienteren Kinderbetreuung gekommen. Finnland Eine ähnliche Situation wie in Großbritannien gab es in den 60er und 70er Jahren bereits in Finnland. Allerdings wurde hier zunächst nur die öffentlich geförderte Kinderbetreuungsinfrastruktur ausgebaut. In den 90er Jahren gab es für jedes Kind einen gesetzlich garantierten Betreuungsplatz. Die Kehrseite dieses generösen Systems war, dass die Kinderbetreuung etwa ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes kostete (im Vereinigten Königreich war dies nur 0,01 Prozent). Nur 15 Prozent der gesamten Kinderbetreuungskosten wurden von den Eltern aufgebracht. Um die öffentlichen Ausgaben zu senken oder zumindest das System effizienter zu gestalten, wurde 1996 als Pilotprojekt ein Gutscheinsystem für private Kinderbetreuungsanbieter in 33 von 450 finnischen Kommunen eingeführt. Das Gutscheinsystem führte dazu, dass immer mehr private Kinderbetreuungseinrichtungen entstanden und die Beschäftigtenzahl in diesem Bereich stieg. Schon im Jahr 2002 waren 20 Prozent der 3.000 finnischen Kinderbetreuungseinrichtungen Privatunternehmen. Sie stellten 6 Prozent aller Betreuungsplätze. Fast zwei Drittel von ihnen (59 Prozent) gaben an, dass der Grund für ihre Existenzgründung die Einführung des Gutscheinsystems war. Allerdings verdrängten die privat organisierten Einrichtungen nicht die öffentlich organisierten, sondern viele Kinder wurden fortan nicht mehr informell betreut (durch Großeltern, Freunde oder sonstige Verwandte). Gleichzeitig stieg in Finnland die bereits sehr hohe Erwerbstätigenquote der Mütter noch weiter an und viele Teilzeitbeschäftigte wurden zu Vollzeitbeschäftigten (Viitanen, 2004, 33). Australien Das umfangreichste System von Kinderbetreuungsgutscheinen weltweit hat inzwischen Australien aufgebaut. Bereits im Jahr 1991 wurden die öffentlichen Zuschüsse für die Kinderbetreuungseinrichtungen umgewidmet in ein Gutscheinsystem, so dass sich die Eltern die von ihnen bevorzugten „Child-Care Centres“ (Kinderbetreuungseinrichtungen) selbst aussuchen konnten, ob in öffentlicher oder privater Hand. Innerhalb eines Jahres führte das Gutscheinsystem dazu, dass sich die Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen von 984 auf 2.285 mehr als verdoppelte. Und weitere zehn Jahre später gab es bereits 4.000 Kinderbetreuungseinrichtungen, die meisten von ihnen (etwa drei Viertel) in privater Hand, aufgrund der Nachfrage der Eltern. Eine Umfrage des Statistischen Bundesamtes von 45

Australien ermittelte, dass 94 Prozent mit der Infrastruktur und der Organisation der Kinderbetreuung in Australien zufrieden sind. Die umfangreiche Reform (Child-Care Benefit – CCB) zielte darauf ab, die staatliche Förderung von öffentlichen und privaten Kinderbetreuungseinrichtungen durch die Nutzer in Form von Gutscheinen selbst zu steuern (Blöndal, 2005, 18). Deutschland: Gutscheinkonzept Kinderbetreuung mit der KitaCard Hamburg Hamburg ist das erste Bundesland, das bei der Kinderbetreuung einen Paradigmenwechsel von der Objektfinanzierung hin zur Subjektförderung vollzogen hat: Müttern und Vätern wird nach sozialen Kriterien (Familienstatus, Berufstätigkeit, Einkommenshöhe) ein Betreuungsgutschein ausgehändigt, den sie bei einer beliebigen Kindertagesstätte einlösen können. Hamburg wollte damit verschiedene Ziele verwirklichen: • Anreiz zur Inanspruchnahme externer Betreuung • Entwicklung eines Kostenbewusstseins für Kinderbetreuung • Optimierung des Einsatzes öffentlicher Gelder • Vermeidung von Fehlverwendung der Gelder Mit dem Gutscheinsystem ist es Hamburg gelungen, eine neue Subventionierungsvariante von Kinderbetreuung zu testen, in der das Nachfrageverhalten der Eltern das Verhalten der Anbieter nachhaltig beeinflusst. Die Anbieter von Kinderbetreuung haben nun einen Anreiz, sich nach den Präferenzen der Nachfrager zu richten, weil sie sich über die von den Eltern nachgefragten Leistungen finanzieren. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu Beginn (2003) zog die Hansestadt im Juli 2007 nach einer vierjährigen Laufzeit des Gutschein-Systems eine sehr positive Bilanz (Behörde für Soziales der Stadt Hamburg, 2007): Der Wettbewerb unter den Kindertagesstätten sei gefördert worden und habe zu einer Qualitätsverbesserung der Betreuung und Bildung geführt. Hamburg habe bundesweit den umfangreichsten Anspruch von Eltern und Kindern verwirklicht, so die Bürgermeisterin Schnieber-Jastram: Alle Kinder zwischen drei Jahren und Schuleintritt haben Anspruch auf fünf Stunden Betreuung inklusive Mittagessen. Bei den Kindern berufstätiger Eltern gibt es für alle zwischen 0 und 14 Jahren einen Anspruch auf Betreuung, die dem benötigten Zeitraum entspricht. Die Zahl der Kinder in Kindertagesbetreuung sei von 53.898 im Jahr 2002 um 4.674 auf 58.572 im Jahr 2006 gestiegen.

4.3

Pflegegutscheine

Finnland Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Finnland keine Pflegeversicherung. Die Pflege der Menschen ist in den allgemeinen Sozialgesetzen geregelt und wird unter Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen aus Steuermitteln finanziert. Der finnische Grundsatz sieht vor, dass alle Menschen die gleichen Pflegemöglichkeiten haben sollen. In Finnland sind die Kommunen für den Bereich Pflege – stationär und ambulant – verantwortlich. Manchmal sind die Kommunen selbst Träger der Pflegedienste, manchmal kooperieren sie mit anderen Kommunen, mit privaten Anbietern oder mit Wohlfahrtsverbänden und kaufen dort die benötigten Leistungen ein. Um die Souveränität der von Pflegebedürftigkeit betroffenen Personen zu stärken, wurde 2004 ein Gutscheinsystem eingeführt. Es werden Gutscheine für die benötigten Leistun46

gen ausgegeben, womit die Leistungsbezieher die Leistungserbringer selbst auswählen können – sofern diese von den Gemeinden anerkannt sind. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten für die Pflegeleistungen und dem Wert der Gutscheine müssen die Betroffenen selbst finanzieren. An der ambulanten Pflege beteiligen sie sich mit bis zu 15 Prozent ihres Nettoeinkommens, an der stationären mit bis zu 80 Prozent des Nettoeinkommens. Vereinigtes Königreich Im Jahr 1999 legte die Regierung ein Förderprogramm mit einem Volumen von 140 Millionen Pfund auf (etwa 196 Millionen Euro). Dies geschah im Rahmen der nationalen Politikstrategie „Caring for Carers“ (etwa: Wir kümmern uns um das Pflegepersonal“). Zum ersten Mal gab es hierdurch direkte Förderung von Pflegeleistungen. Die Bezirksregierungen durften Gutscheine an die Angehörigen von zu pflegenden Menschen (Ältere oder Behinderte) ausgeben. Die Gutscheine dienten dazu, direkte Beziehungen zwischen den Pflegedienstleistern und den Pflegedienstempfängern herzustellen. Wer die Pflegedienstleistungen in Anspruch nehmen wollte, konnte die Einzelheiten direkt mit den Dienstleistern besprechen und die Gutscheine entsprechend einsetzen. Italien: Sozial- und Pflegegutscheine In Italien hat das Nationale Gesundheitswesen im Jahr 2000 eine besondere Richtlinie für betagte Personen im Rahmen ihrer Pflegegesetzgebung erlassen. Durch ein Gutscheinprojekt sollte die integrierte Pflege (gesundheitlich und sozial) verbessert werden und ein System von Pflegedienstleistungen und Sozialdienstleistungen zur ambulanten häuslichen Betreuung aufgebaut werden. Die Nachfrager dieser Dienstleistungen können die Gutscheine bei akkreditierten Dienstleistungsanbietern einlösen, die nachweislich hoch qualifiziertes Pflegepersonal beschäftigen. Mit den Pflegegutscheinen kann man ambulante Pflegedienstleistungen auf drei verschiedenen Stufen erhalten. Die Werte der Gutscheine reichen von mindestens 362 bis maximal 619 Euro. Die Gutscheine können entweder für medizinische, pflegerische oder Rehabilitationsdienstleistungen eingesetzt werden oder auch für Transport, hauswirtschaftliche Dienstleistungen oder Essen auf Rädern („meals on wheels“). Die zusätzlichen Dienstleistungen sollen die Selbstständigkeit der betagten Personen so lange wie möglich aufrechterhalten. Deutschland: Pilotprojekte Pflegegutschein, Beispiel Rheinland-Pfalz Durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 können inzwischen für alle Pflegeleistungen statt Dienst- und Sachleistungen auch „Persönliche Budgets“ bewilligt werden. Ein Forschungsverbund der Universitäten Tübingen und Dortmund sowie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg erprobt vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 in der Stadt Trier sowie den Kreisen Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich, wie das Konzept des „Persönlichen Budgets“ in Form von Gutscheinen funktionieren kann. Das Persönliche Budget ist mit Ausnahme von SGB XI-Leistungen ein Geldbetrag, den ein behinderter Mensch statt einer Sachleistung erhalten kann. Mit diesem Budget kann er sich Dienstleistungen selbst einkaufen. Er kann entscheiden, welche Hilfen er wann, wie und durch wen in Anspruch nimmt. Leistungen nach dem SGB XI werden in Form von Gutscheinen erbracht, die bei zugelassenen Pflegediensten eingelöst werden müssen. Trägerübergreifend bedeutet, dass sich das Persönliche Budget aus Geldleistungen verschiedener Leistungsträger zusammensetzt. Die Bewilligung erfolgt als „Komplexleistung“ wie aus einer Hand durch den Beauftragten. An der Leistung können somit die gesetzli47

chen Kranken- und Pflegekassen, die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der Kriegsopferfürsorge, die Jugend- und Sozialhilfeträger sowie die Integrationsämter beteiligt sein. Das trägerübergreifende persönliche Budget wird als Geldleistung bzw. bei Leistungen der Pflegekassen als Gutschein gewährt. Die Höhe bemisst sich am individuellen Bedarf. Die Aufwendungen sollen insgesamt nicht höher sein als die Kosten, die durch eine Sachleistungserbringung entstanden wären. Abbildung 12 Regionen mit Modellprojekten „Persönliches Budget“.

Quelle: http://www.projekt-persoenliches-budget.de/cms/?Modellregionen, 2007

Langfristig könnte das Konzept des Persönlichen Budgets zu einem Kostenwettbewerb zwischen den Leistungsanbietern führen. Daher wäre es sinnvoll, den Pflegebedürftigen einen festen Betrag in Form eines Gutscheins zu gewähren, dessen Höhe sich nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit richtet. Damit könnten die Pflegebedürftigen bzw. ihre Angehörigen selbst entscheiden, wann, wo und bei wem sie welche ambulanten und stationären Pflegeleistungen einkaufen. So würden die Anbieter gezwungen, wirtschaftlich zu arbeiten und qualitativ hochwertige Dienstleistungen anzubieten. 4.4 Bildungsgutscheine Bildungsgutscheine (School Vouchers) werden als alternative Finanzierungsform des staatlichen und privaten Bildungswesens immer häufiger eingesetzt. Statt die Bildungsinstitutionen direkt mit staatlichen Finanzmitteln zu versorgen, kommt immer stärker die nachfrageorientierte Finanzierungsvariante ins Spiel. Niederlande – Gutscheinsystem in der Hochschulbildung Um den Studierenden mehr Freiheit bei der Wahl von Studiengängen zu bieten, haben die Niederlande von 2001 bis 2004 versuchsweise ein Gutscheinsystem bei den HBOEinrichtungen (nicht-universitäre, berufsvorbereitende Hochschuleinrichtungen) einge48

führt. Studierende erhalten einen Gutschein über das „Recht zu lernen“. Durch das Gutscheinsystem wird die Hochschulbildung anders finanziert als zuvor: Abkehr von der direkten Finanzierung der Hochschulen durch die Regierung hin zu einer nachfrageorientierten Finanzierung. Die Studierenden entscheiden sich mit der Abgabe ihres Gutscheins einerseits für den Ort und die Art der Hochschule, andererseits kaufen sie Unterstützung beim Erwerb neuer Kompetenzen ein und entwerfen dabei selbst ihren Bildungsplan. Es stellte sich heraus, dass nicht unbedingt der Bedarf nach vielfältigeren Angeboten von den Studierenden gewünscht wurde, sondern vielmehr die individuelle Betreuung und Begleitung durch die Dozenten und Coaches. Schweiz Die Schweiz führt ihre im europäischen Vergleich hohe Beteiligung der Erwachsenen an lebenslangem Lernen1 (vgl. Abbildung 13) unter anderem auf die Tatsache zurück, dass seit dem neuen Jahrtausend Bildungsreformen zur Förderung des lebenslangen Lernens durchgeführt wurden. Im Pilotprojekt „Bildungsgutschein Genf“ werden allen in Genf wohnenden Personen mit einem Höchsteinkommen von 60.000 Euro seit 2001 Bildungsgutscheine im Wert von maximal 500 Euro angeboten. Dafür erhalten die Gutscheininhaber eine Weiterbildung von mindestens 40 Stunden. Von Jahr zu Jahr stieg die Zahl der Anträge um 30 bis 45 Prozent (2001: 1.028, 2003: 2.977; 2004: 4.359). Insbesondere Frauen nahmen die Förderung wahr (60 Prozent der Antragsteller) sowie Personen, die in den vergangenen zwölf Monaten keine Weiterbildung wahrgenommen hatten (85 Prozent der Antragsteller). Die positive Evaluation des Genfer Modells stieß ein nationales Pilotprojekt zur nachfrageorientierten Finanzierung der Weiterbildung an. Abbildung 13 Aus- und Weiterbildung in der Schweiz und in den 25 EU-Ländern im Jahr 2005 Aus- und Weiterbildung 2005 in 25 EU-Ländern und in der Schweiz Anteil der Personen von 25 bis 64 Jahren, die in den vier Wochen vor der Erhebung an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen haben EU-25: 11,0 % Schweden Vereinigtes Königreich Schweiz Dänemark Finnland Slowenien Niederlande Österreich Spanien Belgien Luxemburg Deutschland Irland Lettland Frankreich Litauen Italien Estland Tschechische Republik Malta Zypern Polen Slowakei Portugal Ungarn Griechenland

34,7% 29,1% 28,6% 27,6% 24,8% 17,8% 16,6% 13,8% 12,1% 10,0% 8,5% 8,2% 8,0% 7,6% 7,6% 6,3% 6,2% 5,9% 5,9% 5,8% 5,6% 5,0% 5,0% 4,6% 4,2% 1,8%

0,0%

5,0%

10,0%

15,0%

20,0%

25,0%

30,0%

35,0%

40,0%

Quelle: Eurostat

Quelle: Eurostat, 2006 1

Der regelmäßig erhobene Strukturindikator für das lebenslange Lernen, mit dem in der gesamten EU die Teilnahme der 25-64-Jährigen an Aus- und Weiterbildung in den jeweils vier letzten Wochen vor der Befragung gemessen wird, soll bis zum Jahr 2010 EU-weit auf 12,5 Prozent anwachsen. Im Jahr 2004 lag er noch unter 10 Prozent, im Jahr 2005 immerhin schon bei 11 Prozent.

49

Für den Kanton Bern wurde das Modell des „Bildungsgutscheins nach dem Genfer Modell“ im August 2006 abgelehnt, da es unter den gegebenen finanziellen Voraussetzungen nicht oder nur sehr beschränkt realisierbar sei. Es wurde mit dem Modell in Genf verglichen. Die in Genf im Jahr 2004 bewilligten 3.192 Bildungsgutscheine entsprächen einem Bevölkerungsanteil von 0,79 Prozent des Kantons Genf. Würde man dies umrechnen auf die Bevölkerungszahl des Kantons Bern, so müssten rund 7.581 Gutscheine abgegeben werden. Dies würde Kosten von rund 4,9 Mio. Franken verursachen und könne angesichts der Kürzungen im Bildungshaushalt nicht verkraftet werden (Antwort des Regierungsrats vom 9.8.2006 auf die Anfrage des Abgeordneten Gagnebin vom 28.3.2006). Bildungsgutscheine Österreich In Österreich wurden 1996 verschiedene Arbeitnehmerfördermodelle auf der Basis von Individualförderung – meist in Form von Bildungsgutscheinen – eingeführt. Unterschiedliche Landesgesetze regelten die Ausgestaltung auf der jeweiligen Landesebene. Seit 1999 wurden Mitglieder der Arbeiterkammer Kärntens mit dem so genannten 100Euro-Bildungsgutschein gefördert, der beim Kärntner Berufsförderungsinstitut und an den Kärntner Volkshochschulen einlösbar war. Dafür konnten Kurse in den Bereichen Informationstechnologie, Fremdsprachen, neue Medien, Studienberechtigungsprüfungen, Berufsreifeprüfungen und Kurse zum Nachholen des Hauptschulabschlusses belegt werden. Im Burgenland existiert das gleiche System der Arbeiterkammer, allerdings unter dem Namen „Euro-Bildungshunderter“. Im Jahr 2001 initiierte die Arbeiterkammer Tirol unter dem Namen „AK Zukunftsaktie“ ein Bildungsgutscheinmodell. Im ersten Jahr wurden fast 23.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Kammer mit 72.000 Zukunftsaktien à 500 ATS (= 36,34 €) unterstützt. Maximal 4.000 ATS (290,70 €) durfte die finanzielle Förderung für die Weiterbildung betragen. Bildungsgutscheine Deutschland Die Idee, Bildungsgutscheine als eine Verknüpfung von staatlicher Ausbildungsfinanzierung einerseits und Faktoren des freien Marktes andererseits zu entwickeln, wurde zunächst für das Schulwesen, inzwischen aber auch für das Hochschulwesen in Deutschland diskutiert. Die ursprüngliche Idee war mit einem sozialpolitischen Anliegen verknüpft: Kinder, deren Eltern nicht die finanziellen Mittel für eine gute Ausbildung aufbringen konnten, sollten vom Staat finanziell unterstützt werden. Im Hochschulwesen könnte das Gutscheinsystem einige grundlegende Probleme lösen wie beispielweise das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Vor allem würde es für eine Verbesserung der Anreizstrukturen für die einzelnen Bundesländer sorgen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat dazu ein eigenes Modell entwickelt: Die Grundversorgung der Hochschulen durch die Länder und den Bund bliebe bestehen. Zusätzlich würde aber ein Fonds geschaffen, in den sowohl der Bund als auch die Länder einzahlen. Aus diesem Fonds werden die Gutscheine finanziert, die einen Teil der Aufwendungen für die Hochschulausbildung decken. Dabei bemessen sich die landesindividuellen Beiträge für den Fonds danach, inwieweit das jeweilige Land von dem innerdeutschen „Braindrain“ profitiert. So findet ein innerdeutscher Finanzausgleich statt, sowohl zwischen den Bundesländern als auch zwischen Bund und Ländern.

50

Die Höhe der Gutscheine sollte dabei einheitlich 2.500 Euro betragen. Der Bund übernimmt die Finanzierung der Gutscheine für die so genannten „Bildungsausländer“ und zahlt entsprechende Summen in den Fonds ein. Abbildung 14 Das vom IW Köln entwickelte Gutscheinmodell zur Hochschulfinanzierung

Quelle: Konegen-Grenier/Plünnecke/Tröger, 2007, S. 61

Das Geld aus dieser zentralen Quelle geht als Studiengutscheine an die Studenten. Diese lösen die Gutscheine bei der Hochschule ihrer Wahl ein, die sich wiederum entsprechend der Zahl der erhaltenen Gutscheine aus dem Topf refinanziert. Der Gutscheintopf sollte mit etwa fünf Milliarden Euro gefüllt sein, die die Länder beisteuern. Außerdem müssten weitere fünf Milliarden Euro aus den Studiengebühren in die Kassen der Hochschulen fließen. Diese zehn Milliarden Euro geben den Studenten als Nachfrager mehr Gewicht und stärken die Anreize: Bummelanten würden schneller ihren Abschluss machen, die Studenten haben mehr Einfluss auf das Angebot der Hochschulen. Außerdem würden sie auch über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus zu umworbenen Personen. Schließlich bringen Gutschein plus Studiengebühr einem aufnehmenden Bundesland zusammen mit rund 2.000 Euro aus dem Länderfinanzausgleich für die gesamte Studienzeit die komplette Erstattung der Ausbildungskosten und die Chance, den späteren Akademiker als Steuerzahler zu gewinnen. Die Berechnungen des IW ergaben, dass Bayern, Schleswig-Holstein und Brandenburg neben dem Bund zu den Nettoeinzahlern gehören. Das Gutscheinmodell würde zu verbesserten Anreizstrukturen und einer höheren Investitionsbereitschaft führen. Denn durch die Fondslösung könnten die Bundesländer recht schnell für mehr Investitionen im Hochschulbereich belohnt werden: die Attraktivität ihrer Hochschulstandorte zöge mehr Studierende an, was wiederum für die regionale Wirtschaft ein großes Plus im Hinblick auf die Rekrutierung von Fachkräften wäre. Bildungsgutscheine als arbeitsmarktpolitische Maßnahme Mit Inkrafttreten des „Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ am 1. Januar 2003 können die Agenturen für Arbeit bei Vorliegen der Förderungsvoraussetzungen Bildungsgutscheine für zuvor individuell festgestellte Bildungsbedarfe aushändigen.

51

Übersicht 6 Vor- und Nachteile von Bildungsgutscheinen

Ein Bildungsgutschein gewährleistet den Lernenden die (Teil-)Finanzierung eines spezifischen Bildungsprozesses. Auf dem Bildungsgutschein sind das Bildungsziel, die Bildungsdauer, der regionale Geltungsbereich und die Gültigkeit verzeichnet. Unter den im Bildungsgutschein festgelegten Bedingungen kann der Bildungsinteressent den Bildungsgutschein bei einem für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Träger seiner Wahl einlösen. Aber auch die Maßnahme muss für die Weiterbildungsförderung zugelassen sein. Im ersten Halbjahr nach Einführung (Januar bis Juni 2003) wurden 70.800 Gutscheine ausgegeben. 86 Prozent von ihnen wurden tatsächlich bei Weiterbildungsträgern eingelöst, aber 5.300 Personen ließen ihren Gutschein verfallen. Nach zwei Jahren Gutscheinpraxis kam der Evaluationsbericht von IZA, DIW und infas zu dem Urteil, dass

52





Bildungsgutscheine einerseits Vorteile für die Kunden brächten: Wahlfreiheit verbunden mit der Stärkung von motivationsfördernder Eigeninitiative und Selbstorganisation. Andererseits führten die Bildungsgutscheine zu einer so genannten „Bestenauslese“: Nur „marktfähige Kunden seien in der Lage, mit dem Gutschein umzugehen und ihn effizient für sich zu nutzen. Nicht marktfähige Kunden seien damit überfordert“ (IZA, DIW, infas, 2005, 95).

Bildungsschecks NRW Als arbeitsmarktpolitische Maßnahme hat die Landesregierung NRW ein besonderes Angebot für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt, weil diese oft nicht weiterbildungsaktiv genug sind: Die Unternehmen mit maximal 250 Beschäftigten oder deren Mitarbeiter können einen „Bildungsscheck“ beantragen. Damit können die Unternehmen die Hälfte der Weiterbildungskosten für ihre Beschäftigten, bis maximal 750 Euro pro Bildungsscheck, erstattet bekommen. Wenn die Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen länger als zwei Jahre nicht an einer betrieblich veranlassten beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben, können sie einen Bildungsscheck beantragen. Die Bildungsschecks können auch für InhouseSchulungen verwendet werden. Allerdings darf es sich dabei nicht um Schulungen handeln, die allein im betrieblichen Interesse liegen, wie beispielsweise Produktschulungen. Durchgeführt werden muss die Bildungsveranstaltung von einer Weiterbildungseinrichtung, die entweder nach dem Weiterbildungsgesetz NRW anerkannt ist oder die ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nachweisen kann. Die Unternehmen oder die Beschäftigten erhalten den Bildungsscheck in einer von 200 Beratungsstellen in NordrheinWestfalen.

4.5

Essensgutscheine und Restaurantschecks

Belgien In Belgien sind Essensgutscheine („maaltijdcheque“, „chèque de repas“) in der privaten Wirtschaft recht weit verbreitet, weil sie als nicht zu versteuernde Sozialleistung der Arbeitgeber für beide Seiten attraktiv sind. Allerdings darf der Wert der Gutscheine nicht höher sein als der Preis eines durchschnittlichen Mittagessens, und es darf pro Arbeitstag nur ein Gutschein ausgegeben werden. Jetzt hat auch der öffentliche Dienst – die Flämische Regierung – einen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes abgeschlossen, der etwa 27.800 Beschäftigte betrifft. Unter anderem wurde vereinbart, dass jeder der Angestellten täglich einen Essensscheck im Wert von 5 Euro erhält. Finnland In Finnland müssen alle Einkommensarten, auch Sozialleistungen des Arbeitgebers (Dienstwohnung, Dienstwagen, Essensgutscheine) versteuert werden. Die Essensgutscheine werden mit 75 Prozent des aufgedruckten Wertes der Gutscheine versteuert, mindestens aber 5 Euro pro Gutschein. Überschreitet der Essengutschein den Betrag von 8,40 Euro, so ist er vollständig zu versteuern.

53

Frankreich In Frankreich sind Gutscheinsysteme weit verbreitet (Transportgutscheine, Restaurantgutscheine oder der bekannte Dienstleistungsscheck CESU = Chèque emploi service universel). Essensgutscheine wurden erstmals im Jahr 1960 angeboten. Nach dem britischen Vorbild der Luncheon Voucher Ltd. wurde die Firma „Chèque Restaurant“ gegründet. 1967 schaffte die französische Regierung die rechtlichen Rahmenbedingungen. Weitere Firmen gründeten sich, auch einer der beiden Marktführer, Sodexho, wurde 1967 in Frankreich gegründet und kaufte im Jahr 1987 die Firma „Chèque Restaurant“ auf. Italien In Italien sind die Essensbons für Mitarbeiter bis zu einem Betrag von 5,29 Euro täglich steuer- und sozialabgabenfrei. Die Kosten sind für den Arbeitgeber in vollem Umfang absetzbar (Einkommensteuer und die regionale Steuer IRAP – Imposta regionale sulle attività produttive, allerdings nicht: die anfallende Mehrwertsteuer), wenn der Betrag pro Essensgutschein den Wert von 5,29 Euro nicht übersteigt. Der Mitarbeiter darf die Gutscheine nicht kumulieren, das heißt zwei Gutscheine für ein Essen einlösen, sie sind auch weder verkaufbar, noch kann er sich Restbeträge erstatten lassen. Wenn sich der Arbeitgeber zum Einsatz der elektronischen Abwicklung dieses „Kantinenersatzdienstes“ entscheidet, kann er die Gesamtkosten absetzen (auch die MwSt.) und muss auch die Obergrenze von 5,29 Euro pro Tag nicht einhalten (Entscheidung des Finanzministeriums vom Mai 2005). Österreich In Österreich wird zwischen Essens- und Lebensmittelgutscheinen unterschieden, weil sie auch unterschiedlich besteuert werden: Durch die Abgabe eines Gutscheins an die Beschäftigten eines Unternehmens darf kein anderer Effekt eintreten, als dass der Mitarbeiter ein verbilligtes oder kostenloses Essen erhält. Die Steuerfreiheit für diese betriebliche Sozialleistung gewährt der österreichische Staat nur dann, wenn die Mahlzeit auch tatsächlich in der Betriebskantine oder in einem Restaurant in der Nähe des Arbeitsplatzes eingenommen wird. Das Essen darf weder mit nach Hause genommen werden, noch darf der Mitarbeiter an einem arbeitsfreien Tag seinen Essensgutschein einlösen, noch darf der Wert des Essens den Preis eines durchschnittlichen Essens in einer Werksküche überschreiten. Festgesetzt wurden dafür 4,40 Euro, die pro Tag steuerfrei sind. Lebensmittelgutscheine hingegen, die auch in Supermärkten oder Bäckereien eingelöst werden können, sind bis 1,10 Euro steuerfrei. Manche Unternehmen in Österreich führen inzwischen lieber Restaurantschecks ein, damit die Essensgelder nicht zweckentfremdet werden können. Beispiel: Die Tiroler Zukunftsstiftung forderte zum Jahresende 2002 knapp 700 Euro von Bediensteten zurück. Es handelte sich dabei um zweckentfremdete Essensgelder. Konsequenz: Umstellung auf „Restaurantschecks“ aus Transparenzgründen (vgl. Bericht des Landesrechungshofs Tirol über die Nachprüfung der Tiroler Zukunftsstiftung, 2003, 15). Rumänien In Rumänien sind Essensschecks sehr weit verbreitet. Nach einer Studie von PriceWaterhouseCoopers im Jahr 2006 zur Verbreitung von betrieblichen Sozialleistungen stellte sich heraus, dass knapp zwei Drittel der Unternehmen (64 Prozent) ihren Beschäftigten Essensgutscheine aushändigen (vgl. Abbildung 15).

54

Abbildung 15 Überblick über alle gewährten betrieblichen Sozialleistungen in rumänischen Unternehmen im Jahr 2006, Angaben in Prozent

90 82 80 70

77

64

60 50

45

42

40 30 20 10

29

26 18

16

14 7

4

2

0

it g e g n e rt te te en ssen ecks edite run gun rsorg ehe kantin bsspo r Arbe pake bat ität h ä o eili skr rsiche iterra sdarl n t s u e v ktiv n Anl antsc g i e r e z b i r A n t t e u e r eb le tr ie Ak eiterb r Alte Be hrten ere ie h tau nsv Mitarb Betri Be zia u b a So esond /Res Überz Lebe itar nds z nF e e M b n d e o i t i u r F e e z e h b e an ch sc ng enk gut bgesi ung tzu sch ssens ilig A stü e r t Ge e e t E B Un

Quelle: PwC-Studie „PayWell Romania 2006“

Die Unternehmensberatung KPMG hatte in ihrer Studie „Economic Impact of the Meal Voucher System in Romania“ vom Juni 2004 herausgefunden, dass der Staat durch das Einlösen der Essensgutscheine von etwa 1,6 Millionen Beschäftigten einen Einnahmeeffekt von umgerechnet etwa 78 Millionen Euro haben würde. Insgesamt berechnete KPMG, dass der Staat zwar einerseits auf 80 Euro pro Jahr und Beschäftigten durch die Steuerfreiheit der Essensgutscheine verzichtet, andererseits aber 328 Euro pro Jahr an Wert geschaffen werden (Wert des täglichen Gutscheins multipliziert mit der Anzahl der Arbeitstage). Das Essensgutscheinsystem in Rumänien würde also pro Euro entgangener Steuer 4,10 Euro Mehrwert für besseren Lebensstandard der Beschäftigten und Ausgaben für Lebensmittel schaffen. Ungarn Der Betrag, den Arbeitgeber steuerfrei ausgeben dürfen, wurde zum 1. Januar 2007 erhöht: Essensgutscheine, die ausschließlich zum Kauf von Mahlzeiten dienen (so genannte „hot meal vouchers“), können bis zu einem Betrag von 10.000 ungarischen Forinth ausgestellt werden. Essensgutscheine, die auch für Lebensmittel eingelöst werden dürfen (so genannte „cold meal vouchers“) dürfen den Betrag von 5.000 ungarischen Forinth nicht übersteigen.

55

Vereinigtes Königreich Arbeitnehmer im Vereinigten Königreich, die von ihren Arbeitgebern Essensgutscheine ausgehändigt bekommen, brauchen dafür keine Einkommenssteuer zu entrichten, unter der Voraussetzung, dass • die Gutscheine nicht auf andere Personen übertragbar sind und nur für Mahlzeiten eingesetzt werden, • die Gutscheine keinen höheren Wert als 15 Pence am Tag haben. Übersteigt der Wert des Gutscheins die 15-Pence-Grenze, muss für den Differenzbetrag Einkommenssteuer bezahlt werden. Allerdings hat die Bereitschaft der Unternehmen, ihren Beschäftigten Sozialleistungen wie Essengutscheine zu gewähren, seit der Erhöhung der Mindestlöhne im Oktober 2005 wieder abgenommen. Sechs Prozent der Unternehmen sagten, dass sie solche Sozialleistungen zurückgefahren haben, nur ein Prozent berichtete von einem Zuwachs. In den Branchen Gastgewerbe, Freizeitwirtschaft und Kinderbetreuung war der Rückgang mit Werten zwischen 10 und 8 Prozent besonders deutlich (Abbildung 16). Abbildung 16 Firmenpolitik bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen Veränderungen der Firmenpolitik bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen wie Essensgutscheine und bezahlte Auszeiten in Folge der im Oktober 2005 festgelegten Mindestlöhne, in Prozent der Unternehmen 10 9 8 7

6

6 5

Aufstockung

4

Reduzierung

3 2

1

1

t in sg es am

Br an ch en

Te xt ilin du st rie

Fr ei ze i

tw irt

sc ha ft

er be as tg ew G

du st rie

N ah ru ng sm itt el in

nd er be tre uu ng

Ki

La nd w

irt sc ha ft

0

Quelle: Low Pay Commission Report 2007, S. 296

56

Deutschland Mitarbeiterverpflegung ist in Deutschland steuerbegünstigt oder sogar steuerbefreit: Es liegt kein Arbeitslohn vor, wenn die Beköstigung überwiegend im betrieblichen Interesse stattfindet, daher fallen keine Steuer- und Sozialversicherungspflicht an (Mahlzeiten bei Dienstreisen oder Einsatzwechseltätigkeit). Steuerbegünstigt sind Essensgutscheine: 2,67 Euro ist der „Sachbezugswert“ bei dem Mittagessen; Restaurantschecks können bis zu einem Wert von 5,77 Euro ausgegeben werden; also sind 3,10 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Der Steuervorteil liegt also darin, dass der Wert des Menü-Schecks um bis zu 3,10 EUR höher sein darf als der amtliche Sachbezugswert für das Mittagessen und bis dahin steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt. Eine Pauschalversteuerung ist möglich (also dass der komplette Betrag steuer- und sozialversicherungsfrei sind), wenn vier Bedingungen erfüllt sind: • wenn tatsächlich eine Mahlzeit und keine Lebensmittel für den Gutschein in Anspruch genommen werden • wenn nur eine Mahlzeit pro Scheck eingelöst wird • wenn keine Dienstreise angetreten wird (wegen möglicher Kollision mit Dienstreiserecht) • wenn nur 15 Gutscheine pro Monat ausgegeben werden. Die Zuzahlung zum Sachbezugswert kann der Arbeitgeber einfach nachweisen: Der Arbeitnehmer zahlt 2,67 Euro für den Restaurantscheck mit einem Wert von 5,77 Euro (komplett steuer- und sozialversicherungsfrei). Der Arbeitnehmer hat einen Nettovorteil von 3,10 Euro. Um seinem Arbeitnehmer einen Nettovorteil von 3,10 Euro gewähren zu können, müsste er normalerweise 8,40 Euro einsetzen bei einem Grenzsteuersatz von 30 Prozent. Die Bruttoersparnis für den Arbeitgeber beträgt also 5,07 Euro. Über Essensgutscheine kann der Arbeitgeber den Beschäftigten eine Nettolohnerhöhung gewähren, die ihn selbst aber wesentlich weniger kostet als wenn er ein höheres Direktentgelt zahlen würde.

57

5

Volkswirtschaftliche Effekte von Gutscheinsystemen

Im Zuge einer empirischen Fundierung der theoretischen Überlegungen soll eine Abschätzung volkswirtschaftlicher Effekte einer größeren Verbreitung von Gutscheinen vorgenommen werden. Diese Quantifizierung zielt zum einen auf den Bereich der betrieblichen Personalpolitik und zum anderen auf die Effekte bei sozialen Dienstleistungen, welche über staatliche Transfers finanziert werden. Zunächst wird eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Effekte einer größeren Verbreitung von Gutscheinen im Bereich Sozialpolitik angestrebt. Die Analyse der potenziellen Auswirkungen der Einführung von Gutscheinen im Bereich der Sozialpolitik erfolgt fünfstufig: (1) Auf der Basis der in Kapitel 3 entwickelten Typologie für öffentlich finanzierte Gutscheine wird eine Abschätzung des bisher für die Erbringung von solchen sozialen Dienstleistungen aufgewendeten Transfervolumens vorgenommen, die grundsätzlich auch im Wege einer Gutscheinlösung erbracht werden könnten. Dabei wird der Bildungsbereich (Bildungsgutscheine) aufgrund spezifischer Besonderheiten (vgl. Enste/Stettes, 2005) und da es hier vordringlich um Sozialpolitik geht, nicht bei dem Transfervolumen für soziale Dienstleistungen einbezogen. Mit der Abschätzung des „Marktvolumens“ für sozialpolitisch motivierte Gutscheine wird die Grundlage für die Ermittlung einer Reformdividende geschaffen, die sich als Folge einer stärker auf Gutscheine gestützten Sozialpolitik realisieren ließe. (2) Im zweiten Schritt wird versucht eine Effizienzrendite zu beziffern. Diese setzt sich zusammen aus (1) der Produktionseffizienz bzw. der Verbesserung der innerstaatlichen Verwaltungseffizienz (Kostensenkung, Qualitätssteigerung, Bürokratiekostensenkung etc.) und (2) der Allokationseffizienz, d.h. der aus Sicht der Betroffenen verbesserten Förderung, da mehr Wahlfreiheit besteht und der Wettbewerb zu mehr Innovationen und günstigeren Preis-Leistungs-Verhältnissen beiträgt. Eine ausführliche und umfangreiche Literaturrecherche hat allerdings gezeigt, dass es bisher nur sehr wenige empirische Überprüfungen der Hypothesen bzgl. der Vorteilhaftigkeit von Gutscheinen gibt. Insbesondere kann auf erst im Oktober 2007 vorgelegte Daten hinsichtlich der Einführung der Gutscheine in Hamburg zurückgegriffen werden, wobei die Bilanz je nach Sichtweise und ideologischer Prägung durchaus unterschiedlich ausfällt. Hilfsweise wurde ergänzend die Suche nach belastbaren Daten auf den Bereich der generellen Privatisierung von sozialen Dienstleistungen ausgedehnt und auch Maßnahmen des Private-Public-Partnership bei dem Quantifizierungsversuch für eine Effizienzrendite berücksichtigt. (3) Im dritten Schritt wird die verbesserte Treffgenauigkeit von sozialpolitisch motivierten Leistungen einbezogen und damit die Auswirkungen auf die Effektivität der staatlichen Leistungserbringung berücksichtigt. Eine Quantifizierung ist dabei jedoch nicht möglich. (4) Im vierten Schritt wird das Legalisierungspotenzial ermittelt, das sich durch die Verringerung der Schattenwirtschaft in Folge der Ausgabe von Gutscheinen und dem dadurch bedingten Bürokratieabbau sowie der Erfassung eines Teils der Leistungen durch die Ausgabe von Gutscheinen ergibt. Dieses Potential ist relevant sowohl im Bereich Pflegegutscheine, Kinderbetreuungsgutscheine sowie Essensgutscheine aber auch im gesamten Bereich der haushaltsnahen, familienbezogenen Dienstleistungen. Für die Ermittlung des 58

Rückgangs der Schattenwirtschaft durch Deregulierung als ein Proxy für die Auswirkungen von Gutscheinen wird auf einen innovativen Regulierungsindex sowie auf international vergleichbare Daten zur Bürokratiemessung zurückgegriffen. (5) Im fünften Schritt werden die Ergebnisse zusammengeführt. Durch die Verknüpfung von Effizienz- und Effektivitätsrendite sowie Transfervolumen sollte ursprünglich eine Reformdividende ermittelt werden, die sich u.a. in Beschäftigungszahlen, Wertschöpfungspotenzialen und zusätzlichen Steuer- und Beitragseinnahmen beziffern lassen sollte. Die Ermittlung des Transfervolumens basiert auf zuverlässigen Datenquellen und umfangreicher Datenrecherche. Im Gegensatz dazu existieren aber nur wenige empirische Studien zu Effizienz- und Effektivtätsvorteilen von Gutscheinsystemen. Die Abschätzung der Reformrendite ist insofern als erster Versuch einer Quantifizierung zu sehen. Alle Schätzungen sind aus diesem Grund zudem als Bandbreite angegeben.

5.1

Transfervolumen sozialer Dienstleistungen

5.1.1 Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe Kinderbetreuungsleistungen sowie Jugendhilfeeinrichtungen werden aus familien- und bildungspolitischen Gründen staatlich gefördert. Zum 15.03.2006 wurden in Deutschland insgesamt rund 3 Millionen Kinder unter 14 Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in Tagespflege betreut. Der Großteil der Kinder besuchte eine Tageseinrichtung, ein geringer Teil (2 Prozent) wurde durch eine Tagesmutter oder einen Tagesvater betreut. Mehr als 2,2 Millionen der insgesamt rund 3 Millionen Kinder in Tagesbetreuung waren unter 6 Jahre alt (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2007). Im Rahmen der Jugendhilfe werden ambulante erzieherische Hilfen und Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses angeboten. 2006 wurde bei 310.561 jungen Menschen eine ambulante institutionelle Beratung abgeschlossen, 25.481 wurden am 31.12.2006 ambulant betreut. Nach einer Bestandserhebung des Statistischen Bundesamts am 31.12. erhielten im Jahr 2005 131.005 junge Menschen Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses, davon 61.806 Personen in einem Heim. Bund, Länder und Gemeinden haben im Jahr 2005 für Kinderbetreuung und Jugendhilfe über 20 Milliarden Euro ausgegeben (vgl. Übersicht 7).2 Das sind 0,4 Prozent mehr als im Jahr 2004. Etwas über die Hälfte der Gesamtausgaben wurden für den laufenden Betrieb von sowie für sonstige Investitionen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung aufgewendet. Leistungen der Hilfe zur Erziehung kosteten die öffentlichen Träger insgesamt 4,8 Milliarden Euro. Zwei Drittel dieser Ausgaben entfielen auf die Unterbringung junger Menschen außerhalb des Elternhauses in Vollzeitpflege, Heimerziehung oder anderer betreuter Wohnformen. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben für die Jugendhilfe ohne Kinderbetreuung auf über 9 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt, 2007b; Statistisches Bundesamt, 2007f).

2

Das BMSFJ und das Fraunhofer Institut kommen aufgrund anderer Abgrenzungen im Vergleich dazu auf eine Summe von rund 17 Milliarden Euro als Familienbezogene Leistungen und Maßnahmen in Deutschland. Das DIW auf rund 18 Mrd. Euro.

59

Übersicht 7 Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe, 2005 Maßnahme Tageseinrichtungen für Kinder Jugendhilfe (ohne Kinderbetreuung) Davon − Jugendarbeit − Jugendsozialarbeit − Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige und Inobhutnahme − Sonstige Ausgaben Gesamt

Betrag in EURO (in Mrd.) 11,54 9,17 1,38 0,25 5,67 1,87 20,71

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2007f

Bei den Transferleistungen der Kinder- und Jugendhilfe eignet sich ein großer Teil für die Finanzierung über Gutscheine. So kann bei den Kindertagesstätten eine vollständige Umstellung von Objekt- auf Subjektförderung erfolgen. Im Bereich der Jugendhilfe wäre eine Umstellung besonders bei der Heimerziehung und den Beratungsangeboten denkbar, die bereits unter Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Hilfen zur Erziehung in die Tabelle eingegangen sind. Die Ausgaben für ungeeignete Positionen wie Amtspflegschaft, Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen, die Adoptionsvermittlung und vom Statistischen Bundesamt nicht näher deklarierte Ausgaben werden in der Tabelle unter den sonstigen Ausgaben geführt und von dem geeigneten Transfervolumen abgezogen. Als Transfervolumen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, das über Gutscheine geleistet werden kann, verbleiben daher 18,84 Milliarden Euro. 5.1.2 Aufwendungen für Pflegeleistungen Ende 2006 waren über 2 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. 1,38 Millionen Pflegebedürftige erhielten ambulante Leistungen, 0,7 Millionen wurden stationär betreut (Bundesministerium für Gesundheit, 2007a). Übersicht 8 Leistungsempfänger/innen der Sozialen Pflegeversicherung, 2006 Pflegeart und -stufe Leistungsempfänger Geldleistung (in 1.000) (in Euro) Ambulant, davon 1.380 Pflegestufe I 800 205,00 Pflegestufe II 450 410,00 Pflegestufe III 130 665,00 Stationär, davon 700 Pflegestufe I 280 Pflegestufe II 280 Pflegestufe III 140 Insgesamt 2.080

Sachleistung (in Euro) 384,00 921,00 1.432,00 1.023,00 1.279,00 1.432,00

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2007a

60

Für die Leistungsempfänger in den verschiedenen Pflegestufen wurden 2006 über 18 Milliarden Euro aufgewendet (Bundesministerium für Gesundheit, 2007b). Die vollstationäre Pflege ist mit über 8 Milliarden Euro der kostenintensivste Bereich. Als Hilfe zur Pflege wurden 2006 aus der Sozialhilfe für ca. 260.000 mittellose Pflegebedürftige weitere 2,6 Milliarden Euro netto gezahlt (Statistisches Bundesamt, 2007c). Summa summarum beläuft sich das Transfervolumen im Bereich der Pflege auf über 20 Milliarden Euro. Übersicht 9 Ausgaben der Pflegeversicherung und Sozialhilfe für die Hilfe zur Pflege, 2006 Maßnahme Pflegeversicherung davon - Pflegegeld - Pflegesachleistung - Vollstationäre Pflege - Übrige Leistungsausgaben - Verwaltungs- u. sonstige Ausgaben Hilfe zur Pflege (Sozialhilfe) Gesamt

Ausgaben (in Mrd. Euro) 18,04 4,02 2,42 8,67 2,04 0,89 2,62 20,66

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2007b; Statistisches Bundesamt, 2007c

Im Bereich der stationären Pflegeleistungen kann eine vollständige Umstellung von Objekt- auf Subjektförderung erfolgen, indem die Pflegesätze in Form eines Gutscheins oder Pflegebudgets an die Versicherten ausgezahlt werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden 2,12 Milliarden aus der Hilfe zur Pflege für stationäre Leistungen aufgebracht. Mit den Ausgaben der Pflegeversicherung in Höhe von 8,67 Milliarden ergibt sich ein Transfervolumen im Bereich der Pflegeleistung von 10,79 Milliarden Euro. Auch die Pflegesachleistungen könnten ggf. über einen Gutschein abgerechnet werden, so dass sich ein Volumen von rund 13 Mrd. Euro ergäbe. Die Verwaltungsausgaben von derzeit rund 900 Mio. Euro bieten Anlass zur Hoffnung, dass die Einführung von Pflegegutscheinen zu einer deutlichen Effizienzsteigerung beitragen könnte. 5.1.3 Eingliederungshilfe für Behinderte Ein in der Öffentlichkeit kaum beachteter Teil sozialer Transfers fließt an Menschen mit Behinderung. Im Jahr 2006 beliefen sich die Ausgaben zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen auf netto 10,6 Milliarden Euro. Das sind 58 Prozent der gesamten Sozialhilfeausgaben. Im Vergleich zu 2005 stiegen diese Ausgaben um 4,4 Prozent. (Statistisches Bundesamt, 2007c). Im Jahr 2005 lebten in Deutschland 8,6 Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung (Statistisches Bundesamt, 2006), davon waren knapp 474.000 Menschen leistungsberechtigt, d.h. pro Leistungsempfänger wurden 2005 etwas über 20.000 Euro an Eingliederungshilfe aufgewendet.

61

Übersicht 10 Bruttoausgaben der Sozialhilfe an Leistungsberechtigte der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach Leistungsart, 2005 Leistungsart Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, davon z. B. - heilpädagogische Leistungen für Kinder - Hilfen zu selbst bestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten - Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, Hilfe zu einer schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf und zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten Nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben Sonstige Leistungen der Eingliederungshilfe Gesamt

Ausgaben (in Mrd. Euro) 0,09 0,24 3,30 5,1 0,82 3,61 0,43 0,78 0,05 0,02 0,06

1,67 11,31

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2007

Ab dem 1. Januar 2008 haben Behinderte Anspruch auf ein persönliches Budget. Grundsätzlich sind nach SGB IX alle allgemeinen und besonderen Leistungen der Eingliederungshilfe für das persönliche Budget geeignet. Deshalb kann von einem für Gutscheine/persönliches Budget verwendbaren Volumen von rund 11,3 Milliarden Euro ausgegangen werden, welches wir bei der Berechnung der Reformdividende entsprechend berücksichtigen werden. 5.1.4 Grundsicherung des Lebensunterhalts Asylbewerber Im Jahr 2006 lebten in Deutschland 165.000 Asylsuchende und geduldete Ausländer, davon waren ca. 60 Prozent nicht erwerbstätig (Statistisches Bundesamt, 2007g). Diese Personen dürfen gar nicht oder nur unter sehr restriktiven Bedingungen für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Stattdessen erhalten sie Leistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die durchschnittliche Leistungshöhe liegt mit knapp 225 Euro für einen Alleinstehenden oder Haushaltsvorstand unter dem Niveau der Sozialhilfe. Insgesamt wurden 2005 jedoch über 1,2 Milliarden Euro als Grund- und Sonderleistungen an Asylbewerber und Geduldete ausgezahlt. Nach dem Abzug der Einnahmen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz (z. B. Aufwendungsersatz- und Kostenersatz, Rückzahlung gewährter Hilfen usw. nach § 7 AsylbLG) entstanden den öffentlichen Haushalten damit Ausgaben in Höhe von 14.800 Euro pro Asylbewerber oder Geduldeten (Statistisches Bundesamt, 2007g). Über die Form der Auszahlung der Leistungen entscheiden die Kommunen. Der größte Teil wird in Gutscheinen und Sachleistungen erbracht, ca. 40 Prozent erfolgt als Geldleistung. Nach vorsichtigen Schätzungen wird davon ausgegan-

62

gen, dass 40 Prozent des gesamten Transfervolumens - also 480 Millionen Euro - für eine Umstellung auf Gutscheine geeignet ist. Tabelle 4 Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nach Alter

Haushaltsvorstände und Alleinstehende Kinder 0 bis 6 Jahre Kinder 7 bis 13 Jahre Haushaltsangehörige ab 14 Jahren

Leistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG 184,07

Barbetrag nach § 3 Abs. 1 AsylbLG 40,90

Grundleistung gesamt 224,97

Anteil an Leistungsempfängern 53%

112,48 158,50

20,45 20,45

132,94 178,95

13% 14%

158,50

40,90

199,40

20%

Quelle: Classen, 2005, S. 56; Eigene Berechnungen

Sozialhilfe Die Sozialhilfe unterscheidet zwischen Hilfen zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII) und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII). Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor. a) Hilfe zum Lebensunterhalt Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Für diese Sozialleistung wurden 2006 netto, d.h. nach Abzug insbesondere von Erstattungen anderer Sozialleistungsträger, 682 Millionen Euro ausgegeben, das entspricht 4 Prozent der gesamten Sozialhilfeausgaben. Brutto belaufen sich die Ausgaben auf 1,07 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2005 stiegen die Ausgaben für diese Hilfeart um über 10 Prozent. 2006 erhielten 306.000 Anspruchsberechtigte Hilfe zum Lebensunterhalt. Davon wurden 224.000 in Wohn- oder Pflegeheimen unterstützt, 82.000 erhielten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen (Statistisches Bundesamt, 2007c,d,e). Im Wohn- und Pflegeheimbereich kann von einer überwiegenden Eignung für die Gutscheinfinanzierung ausgegangen werden, so dass sich 678 Millionen Euro als mögliches Transfervolumen für die Hilfe zum Lebensunterhalt ergeben. b) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung kann bei Bedürftigkeit von 18 bis 64-jährigen Personen, wenn diese dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sowie von Personen ab 65 Jahren in Anspruch genommen werden. Die Nettoausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lagen im Jahr 2006 bei 3,1 Milliarden Euro; dies entspricht 17 Prozent der Sozialhilfeausgaben insgesamt. Brutto beliefen sich die Ausgaben auf 3,22 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Ausgaben für diese Hilfeart um 12,0 Prozent gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erhielten im Jahr 2005 630.295 Anspruchsberechtigte diese Hilfe (Statistisches Bundesamt, 2007c). Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurden 750 Millionen 63

Euro für Leistungsempfänger in Heimen ausgegeben. Dieser Betrag wird deshalb insgesamt als Transfervolumen ausgewiesen. Übersicht 11 Bruttoausgaben der Sozialhilfe an Leistungsberechtigte der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, 2005 Maßnahme Hilfe zum Lebensunterhalt, davon - laufende Leistungen - einmalige Leistungen an Empfänger laufender Leistungen - einmalige Leistungen an sonstige Leistungsberechtigte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Gesamt

Ausgaben (in Mrd. Euro) 1,16 1,02 0,11 0,03 2,86 4,02

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2007f

Leistungen nach SGB II Am 1. Januar 2005 wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe von einer neuen Sozialleistung abgelöst, der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II). Das Arbeitslosengeld II (ALG II) soll erwerbsfähige Menschen in die Lage versetzen, ihre materiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen, wenn diese nicht aus eigenen Mitteln oder durch die Hilfe anderer gedeckt werden können. Nichterwerbsfähige Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Erwerbsfähigen zusammenleben, erhalten Sozialgeld, welches auch in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit aufgeführt wird. Im August 2007 bezogen 5,3 Millionen Personen ALG II. Davon waren 2,5 Millionen arbeitslos gemeldet. 2,8 Millionen Leistungsempfänger bezogen ALG II ohne arbeitslos gemeldet zu sein. Gründe dafür können z. B. ein Schulbesuch, die Betreuung kleiner Kinder oder die Aufstockung des Erwerbseinkommens sein. Im Vergleich zum Vorjahr gab es insgesamt 2 Prozent weniger ALG II-Empfänger. Sozialgeld erhielten knapp 2 Millionen Personen (Bundesagentur für Arbeit, 2007). 2006 wurden für die Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld etwas über 23 Milliarden Euro gezahlt. Das sind knapp 700 Millionen Euro mehr als im Jahr 2005. Für die Ansprüche auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wurden 3,8 Milliarden Euro aufgewendet. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beliefen sich die Verwaltungskosten 2006 auf 3,14 Milliarden Euro.

64

Übersicht 12 Ausgaben für Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Finanzsysteme der Bundesagentur für Arbeit, 2006 Maßnahme Arbeitslosengeld II und Sozialgeld Leistungen zur Eingliederung in Arbeit Sonstige Ausgaben Verwaltungskosten Gesamt

Ausgaben (in Mrd. Euro) 23,05 3,84 0,13 3,14 30,16

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2006

Beim Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld sind in erster Linie Effektivitätsvorteile durch ein Gutscheinsystem zu erwarten. 9,22 Milliarden Euro (das sind 40 Prozent der gesamten Ausgaben) ließen sich in Gutscheinen auszahlen. Im Bereich der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wird bereits mit Gutscheinen (z. B. Vermittlungsgutscheine) und Beauftragung Dritter gearbeitet, so dass dieser Posten nicht in unsere Berechnung einfließt.

65

5.1.5 Übersicht und Zusammenfassung Die oben genannten Transfervolumina werden hier in einer Übersicht zusammengefasst und es erfolgt eine Abschätzung der unter Umständen auf Gutscheine umzustellenden Zahlungen. Übersicht 13 Transfervolumina von sozialen Dienstleistungen Soziale Dienstleistungen

Kinder- und Jugendhilfe, davon − Tageseinrichtungen für Kinder − Jugendhilfe (Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung, sonstige Ausgabe, ohne Kinderbetreuung) Pflegeleistungen, davon − Pflegeversicherung (Pflegegeld, Pflegesachleistung, Vollstationäre Pflege, sonstige Ausgaben) − Hilfe zur Pflege (Sozialhilfe) Behindertenhilfe Behindertenheime/werkstätten, Grundsicherung des Lebensunterhalts − Asyl − Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) − Hilfe nach SGB II Gesamtes Transfervolumen im Bereich sozialer Dienstleistungen

Gesamtausgaben

20,71 11,54 9,17

Potenziell Anteil an Gutschein re- Gesamtlevante Aus- ausgaben gaben 18,84 91,0% 11,54 7,3

20,66 18,04 2,62

10,79 8,67 2,12

52,2%

11,29

11,29

100%

28,27 1,2 4,02

11,13 0,48 1,43

39,4%

23,05 80,93

9,22 52,05

64,3%

Quelle: Eigene Zusammenstellung, ohne Anspruch auf Vollständigkeit

Basierend auf dieser Datenzusammenstellung ergibt sich somit ein potenzielles Transfervolumen für Gutscheine im Bereich soziale Dienstleistungen von rund 50 Mrd. Euro pro Jahr.

66

5.2

Effizienzpotenziale und Reformdividende – Soziale Dienstleistungen

Die theoretische Analyse hat es ermöglicht, ein systematisches Bewertungsraster zu entwickeln, das als Basis für die Ermittlung verschiedener Effizienzrenditen dienen kann. In diesem Kapitel soll die Übersicht und das Bewertungsschema dahingehend gefüllt werden, dass den theoretischen Wirkungserwartungen empirische Daten gegenübergestellt werden. Die umfangreiche, internationale Literaturrecherche hat ergeben, dass es auch unter Einbeziehung internationaler Daten, bislang wenig Studien bezüglich der Effizienz von Gutscheinsystemen generell gibt. Die vorhandenen Ergebnisse werden im folgenden zusammenfassend dargestellt. 5.2.1 Wettbewerb und Kinderbetreuung Die folgende Übersicht dokumentiert die bislang vorliegenden empirischen Befunde für den Bereich der Kindertagesstätten bzw. Kinderbetreuung generell. Erst Mitte Oktober 2007 sind erste Analysen erschienen, welche über den Erfolg des Kita-GutscheinSystems in Hamburg Auskunft geben (Bange/Arlt/Klipp, 2007a, b; Hilgers/Strehmel, 2007). Weitere internationale Ergebnisse insbesondere aus Finnland (Viitanen 2005, 2007) und Großbritannien (Bryson, 2006) fließen ebenfalls in die Dokumentation ein. Die Auswertung der Studien konzentriert sich hier vor allem auf die empirischen Daten. Kosten Eine Studie von Levin, Henry M. (2000) geht davon aus, dass es durch die Einführung von Gutscheinen im ersten Schritt zu einer Erhöhung von Bürokratiekosten kommt – und zwar in Höhe von rund 25 Prozent. Dieses Gegenargument für die Einführung von Gutscheinen kann allerdings dahingehend entkräftet werden, dass es sich dabei vor allem um einen Einführeffekt handelt, der später durch die laufende Kostenersparnis wieder aufgefangen wird. Dennoch darf dieser Aspekt der Einführkosten eines neuen Systems insbesondere mit Blick auf politische Entscheidungsprozesse nicht unterschätzt werden. Dies gilt insbesondere, wenn es zu einer Parallelität von bisherigen Zuweisungssystemen plus eines Gutscheinsystems kommt. Eine aktuelle Untersuchung, welche am 9.11.2007 mit dem Consozial-Preis ausgezeichnet wurde, ermittelt laufende Bürokratiekosten im bestehenden System am Beispiel einer stationären Jugendhilfeeinrichtung. Nur rund die Hälfte des Tagessatzes von 120 Euro wird für die eigentliche pädagogische und therapeutische Betreuung verwendet. Die externen Bürokratiekosten von Seiten des Staates belaufen sich auf 22 Euro und die internen Bürokratiekosten der Einrichtung sogar auf 35 Euro. Damit werden fast 50 Prozent der Einnahmen für Verwaltungskosten verschwendet. Mit einem Gutscheinsystem ließen sich diese Kosten mehr als halbieren. Andere Studien zeigen nämlich im Bereich der allgemeinen Kosten im normalen Betrieb des Systems, dass es dort zu deutlichen Einsparungen gekommen ist. Die Kosten einer privaten Bereitstellung von Kinderbetreuung lagen in Finnland nur bei 60 bis 90 Prozent der Kosten, die die öffentliche Bereitstellung der Kinderbetreuung betreffen. Diese Ergebnisse zeigen, dass es durch eine entsprechende Umstellung von öffentlicher zu privater Betreuung eine Reduktion der Kosten zwischen 10 und 40 Prozent geben könnte. Ein Gesamtkostenvergleich legt sogar noch größere Effizienzvorteile nahe. So werden in Finnland 6 Prozent der Plätze mit privaten Betreuungseinrichtungen abgedeckt. Die Kosten für die Kommunen betragen hingegen nur 1,5 Prozent der gesamten Kosten für die Kinderbetreuung. Dies würde einen Kostenvorteil von 400 Prozent bedeuten. Allerdings lassen 67

diese Betrachtungen Unterschiede bezüglich der Qualität und Art der Betreuung außer Betracht. Die Erfahrungen mit dem Kita-Gutscheinsystem in Hamburg zeichnen vordergründig ein anderes Bild. Die Ausgaben stiegen nach Einführung der Kita-Gutscheine von 2002 bis 2006 von 296,5 auf 345,1 Millionen Euro. Das Kita-Budget ist also um fast 50 Millionen Euro erhöht worden. Zur gleichen Zeit hat sich allerdings die Zahl der betreuten Kinder um 12,5 Prozent erhöht, da tausende Kinder berufstätiger Eltern zuvor nicht oder informell betreut wurden. Die Kostensteigerung ist also in erster Linie auf die erhöhte Zahl an betreuten Kindern zurückzuführen. Auch das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen in Bayern teilt mit, dass die Einführung des BayKiBiG zu einer Kostensteigerung und gleichzeitig zu einem erheblichen Ausbau der Kinderbetreuung im Bereich der Kleinkinder und der Schulkinder geführt hat. 69 Prozent aller Gemeinden melden, dass sie neue Plätze geschaffen haben. Insgesamt wird hier nicht berücksichtigt, inwiefern es möglicherweise eine effektivere und eine bessere Betreuung im Sinne der Eltern durch die Einführung des Kita-Systems gibt. Dies ist eine reine Kostenbetrachtung, welche im Folgenden erweitert werden soll. Lenkt man den Blick weg von den Kosten auf den Bereich der Effizienz, Qualität und Effektivität, so zeigen sich bei einer differenzierten Betrachtung sowohl Verbesserungen als auch Verschlechterungen. Produkt- und Allokationseffizienz Sowohl die Erfahrungsberichte der Stadt Hamburg als auch die Publikationen aus Finnland und Großbritannien zeigen, dass durch den Einsatz von Gutscheinen Ineffizienzen der zentralen Planung erkannt und abgeschafft werden konnten. Zum einen gab es in Folge der zentralen Planung in Hamburg untergenutzte oder leer stehende Betreuungsangebote, da das Finanzierungssystem Institutionen und nicht die Nutzer finanzierte und die rückläufige Nutzung nicht immer als Minderbedarf erkannt wurde. Damit wurden auch keine Finanzmittel für einen bedarfsgerechten Ausbau an anderer Stelle frei. Zeichen für eine höhere Flexibilität des Systems sind die seit Einführung der Gutscheine 74 neu gegründeten Kindertagestätten. Ihnen stehen 25 Einrichtungen gegenüber, die geschlossen wurden. Ähnliches wurde in Finnland beobachtet: 22 Prozent der Einrichtungen wurden 1995 mit Einführung der Gutscheine gegründet. In 2002 sind bereits 20 Prozent der Einrichtungen in privater Trägerschaft und betreuen 6 Prozent der Kinder. Auch die Struktur der Betreuungszeiten hat sich dem Betreuungsbedarf der Eltern entsprechend geändert. In Hamburg stieg aufgrund der hohen Nachfrage nach fünfstündigen Betreuungsplätzen mit Mittagessen der Versorgungsgrad „Elementar halbtags“ überproportional von 37,5 Prozent im Jahr 2002 auf 49,4 Prozent im Jahr 2006, während er bei den Ganztagesplätzen von 43,7 Prozent auf 38,3 Prozent zurückgegangen ist. Der Anteil der Krippenkinder mit einer ganztägigen Betreuungsleistung von acht bis zwölf Stunden reduzierte sich von 79 Prozent im Jahr 2002 zugunsten einer entsprechenden Ausweitung der vier- beziehungsweise sechsstündigen Betreuung auf 59 Prozent im Jahr 2006.

68

Übersicht 14 Veränderung der Angebotsstruktur zwischen 2002 und 2006

Krippenbetreuung

Elementarbetreuung

der

Krippen-

und

Elementarbetreuung

4 - 6 Stunden 8 - 12 Stunden 2002 2006 2002 2006 21% 41% 79% 59% 4-5 Stunden 6 Stunden 8-12 Stunden 2002 2006 2002 2006 2002 2006 38% 52% 13% 13% 49% 35%

Quelle: Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, 2007

Außerdem zeigte sich beim Start des Gutscheinsystems ein weiterer Mangel der Zentralplanung. Tausende Kinder berufstätiger Eltern wurden nicht oder informell betreut. Nach Einführung der Gutscheine stieg die Zahl der betreuten Kinder von rund 68.200 im Jahr 2002 auf etwa 71.300 im Jahr 2006 an. Ein besonders starker Anstieg ist bei Kindern unter drei Jahren zu verzeichnen. Allein in diesem Bereich hat die Zahl der betreuten Kinder von etwa 7.300 auf knapp 9.000 Kinder in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege zugenommen. Seit 2002 stieg der jahresdurchschnittliche Versorgungsgrad im Krippenbereich von 15,9 Prozent auf 19,5 Prozent im Jahr 2006 an. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich der Versorgungsgrad im Hortbereich von 20,9 Prozent auf 21,0 Prozent. Auch im Elementarbereich war ein Anstieg von 81,2 Prozent auf 87,7 Prozent zu verzeichnen. In Großbritannien ist der Anteil der Familien, die von Kinderbetreuung Gebrauch machen in den Jahren 1999 bis 2004 ebenfalls stark gestiegen. Als direkte Reaktion auf die Einführung des Gutschein-Systems in Finnland wurde ein Anstieg bei der Nutzung von privaten Anbietern beobachtet: 3,5 Prozent bei den 1 bis 2-jährigen und fast 5 Prozent bei den 3 bis 6-jährigen. Da die öffentlichen Einrichtungen kein Minus verzeichneten ist davon auszugehen, dass die Kinder zuvor informell betreut wurden. Insgesamt zeigt die Veränderung, dass offensichtlich mit dem Gutschein-System eine sehr viel zielgenauere und auf die Bedürfnisse von Familie und Beruf abgestimmte Betreuungsleistung möglich ist. Für Hamburg zeigt sich, dass es zu einer sehr viel besseren Auslastung der Kindertagesstätte gekommen ist. Eltern holen, da die Betreuung in der Einrichtung bedarfsgerechter erfolgt, ihre Kinder nicht mehr so häufig vorzeitig aus der Einrichtung ab. Sie können nun entsprechend ihrer Wünsche und Vorstellungen entsprechende Stunden buchen. Eine indirekte Subventionierung beispielsweise von Nachmittagsbetreuung, weil Eltern ihre Kinder vorzeitig abholen, gibt es damit allerdings nicht mehr. Qualität der Betreuung Nach vier Jahren Kita-Gutschein-System hat auch die Vereinigung der Hamburger Kindertagesstätten eine positive Bilanz gezogen und festgestellt, dass das Gutschein-System den Wettbewerb unter den Kindertagesstätten gefördert und zu einer Qualitätssteigerung der Betreuung und frühkindlichen Bildung geführt hat. Erste Qualitätsverbesserungen zeigen sich beispielsweise dadurch, dass es eine stärkere Differenzierung im Angebot der einzelnen Kitas gibt. Alle Kitas bieten mittlerweile eine gezielte Förderung – besonders im Jahr vor der Einschulung – an. Viele Kitas haben darüber hinaus Bildungsangebote in Form von Fremdsprachen, Musik oder naturwissenschaftlichen Anregungen. Ferner ist in Hamburg das Fort- und Ausbildungsangebot für die Erzie69

herinnen ausgebaut und mit neuen Schwerpunkten versehen worden. Zu allen Bildungsbereichen wurden 2006 zusätzliche Fortbildungen durchgeführt. Insgesamt ergab sich im Zeitraum 2004 bis 2007 eine Ausweitung der Anzahl der Veranstaltungen von 36 Prozent. Obwohl die Zahl der Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen im Verlauf dieser vier Jahre von 6.050 auf 6.500 Personen angestiegen ist, ist kein positiver Effekt auf den Personalschlüssel zu erkennen. Dieser blieb in den meisten Leistungsarten unverändert bzw. wurde nur geringfügig erhöht. Lediglich im 4-stündigen Elementarbereich wurde eine massive Erhöhung vorgenommen. In der 8-stündigen Krippenbetreuung und der 5-stündigen Betreuung der Hortkinder wurde der Personalschlüssel sogar gekürzt. Übersicht 15 Änderung des Personalschlüssels (Anzahl Kinder pro Erzieherin) zwischen 2002 und 2005

Leistungsart Krippe 8 Std. Krippe 6 Std. Elementar 8 Std. Elementar 6 Std. Elementar 4 Std. Hort 5 Std. Hort 3 Std.

2005 6,211 6,00 10,23 10,23 11,25 18,00 13,87

2002 6,15 6,15 10,26 10,26 13,68 17,05 14,55

Veränderung des Personalschlüssels -1% +2% 0% 0% +18% -6% +5%

Quelle: Bange/Arlt/Klipp, 2007b

Gerade beim pädagogischen Personal finden sich die meisten Kritikpunkte. Die pädagogischen Bezugspersonen werden durch Teilzeitarbeitsverträge, verlängerte Öffnungszeiten und belastende Arbeitsbedingungen als Ansprechpartner möglicherweise demotiviert, was auch zur Reduktion ihrer Empathiefähigkeit führen kann (Hilgers/Strehmel, 2007). Darüber hinaus wird festgestellt: Bei mehr als 30 Prozent der Einrichtungen wurden Vorbereitungszeiten für die pädagogischen Mitarbeiter/innen und Ausflüge mit den Kindern reduziert. Zwischen 20 und 30 Prozent der Kitas meldeten Einbußen bei der Stadtteilarbeit, bei Teamsitzungen, Gruppenreisen, Kleingruppenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungen. Zeit für Qualitäts- und Personalentwicklung, das heißt für Vorbereitung, Fortbildung, Teamsitzungen oder Supervision fehlt. Auch besondere pädagogische Angebote für Kinder – wie Kleingruppenarbeit, Ausflüge etc. – werden reduziert oder entfallen gänzlich. Auch die Arbeitssituation des pädagogischen Personals hat sich verschlechtert: Nur noch 24 Prozent des pädagogischen Personals sind vollbeschäftigt, ein knappes Drittel arbeitet zwischen 30 und 40 Stunden und knapp 30 Prozent der Beschäftigten 20 bis unter 30 Stunden. Viele Verträge werden jedoch je nach Bedarf zeitlich befristet aufgestockt, wenn von der jeweiligen Einrichtung genügend Kita-Gutscheine eingeworben werden konnten. Der Anteil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse stieg von 2005 (15,8 Prozent) nach 2006 (18,3 Prozent) weiter an (Hilgers/Strehmel, 2007). Allerdings dokumentieren diese Veränderungen keine dauerhafte Verschlechterung, sondern sind in erster Linie auf die strukturellen Verschiebungen zurückzuführen. Diese eher kritische Betrachtung mit Blick auf die Qualität verdeutlicht, dass es im Anpassungsprozess Korrekturen bezüglich Personalschlüssel und Arbeitseinsatz der Mitarbeiter 70

gibt. In einem weiteren Schritt wird die Wettbewerbskomponente von größerer Bedeutung sein. Unerwünschte Entwicklungen können korrigiert werden, wenn sich mittelfristig nicht nur preisgünstige sondern insbesondere auch qualitativ hochwertige Angebote durchsetzen, wobei dann wieder Zeiten und Freiräume geschaffen werden für Qualitäts- und Personalentwicklung. Insofern bedarf es hier einer weiteren Längsschnittbetrachtung.

Effektivität Als Verbesserung im Bereich der Effektivität der Betreuung ist zu berücksichtigen, dass mit dem Kita-System in Hamburg eine größere Einzelfallgerechtigkeit möglich ist, da zum Beispiel die Behindertenversorgung effizienter und zielgenauer gestaltet werden konnte. Mit Blick auf die Partizipationsgerechtigkeit fällt das Ergebnis der Einführung der Gutscheine hingegen eher kritisch aus. Nach Zahlen der Behörden sank in den Stadtteilen mit besonderen Problemlagen der Krippenversorgungsgrad von 2002 nach 2005 um 10 Prozent, in den besser situierten übrigen Stadtteilen stieg er im gleichen Zeitraum um 25 Prozent. In den Stadtteilen mit besonderen Problemlagen sank der Hortversorgungsgrad von 2002 nach 2005 um 5 Prozent, in den besser situierten übrigen Stadtteilen stieg er im gleichen Zeitraum um 14,3 Prozent. Zusätzlich wurde in diesem Zeitraum für die Kinder in den benachteiligten Stadtteilen, das heißt Quartieren mit hoher Arbeitslosenquote und einem hohen Anteil von Familien mit Migrationshintergrund, ein Drittel weniger Ganztagsplätze im Elementarbereich bewilligt. Nach Angaben der Behörden ist 2005 der Anteil und auch die absolute Zahl der Kinder, welche Gutscheine nach dem Kriterium mit sozialen und pädagogischen Begründungen erhalten, um etwa ein Sechstel geringer als 1999. Übersicht 16 Veränderung in den Versorgungsgraden nach Stadtteilen mit und ohne soziale Problemlagen Prozentuale ÄndeGanz Hamburg rungsraten prozentual … bis unter ... Jahren 2002-2005 Krippe (0,5-3j.) 0,153 Elementar (3-6j.) 0,12 Hort (6-12j.) 0,09 Insgesamt (0,5-12j.) 0,099 Quelle: Hilgers/Strehmel, 2007

Stadtteile mit Problemlagen prozentual 2002-2005 -0,1 9.9 % -0,05 0,03

Stadtteile ohne Problemlagen prozentual 2002-2005 0,25 0,126 0,143 0,117

Quantifizierungsversuch Basierend auf den obigen Ausführungen lässt sich durch die Gutscheine eine Kostenersparnis von bis zu 15 Prozent erwarten, wobei zu berücksichtigen ist, dass es bei der Einführung zu einer Kostensteigerung von bis zu 25 Prozent kommen kann, was sich jedoch mittelfristig in einer Kostenersparnis von bis zu 40 Prozent deutlich kompensieren lässt. Bezüglich der Qualität ergibt sich kein einheitliches Bild. Allerdings zeigt sich insbesondere mittelfristig, dass durch Wettbewerb in anderen Feldern nicht nur Kosteneinsparungen, sondern auch deutliche Qualitätsverbesserungen erzielt werden können. Es wird von einer Verbesserung um rund 5 Prozent ausgegangen. Im Bereich der verbesserten Wahlfreiheit für die Eltern zeigt sich eindeutig eine Verbesserung, die im Bereich von 10 bis 15 Prozent liegen könnte. Die Approximation erfolgt unter Bezugnahme auf Evaluationen in anderen Bereichen (vgl. Kapitel 5.2.5 Sonstige Evaluationen). 71

Ein Blick auf die Effektivität offeriert aus empirischer Sicht in diesem Feld unterschiedliche Ergebnisse. Allerdings lassen sich die Verschlechterungen mit Blick auf die Partizipationsgerechtigkeit insbesondere mit politischen Entscheidungen begründen, die weniger mit dem System der Kindertagesstättengutscheine zu tun haben, als vielmehr mit der politischen Fokussierung und Ausrichtung auf andere Zielgruppen (Hilgers/Strehmel, 2007). Insofern darf auch hier generell eher von einer verbesserten Effektivität für den Transfergeber ausgegangen werden, die mit rund 5 Prozent angenommen werden. Basierend auf diesen Vorgaben ließe sich eine verbesserte Bereitstellung von Kinderbetreuung bezüglich der Effektivität, Effizienz und Qualität um 5 bis 25 Prozent erwarten. Dies gilt allerdings nur in einer mittelfristigen Betrachtung. Gegenzurechnen sind die Kosten für den Betrieb des Gutscheinsystems. Die private Bereitstellung umfasst in unserem Falle das Verwaltungssystem, Verarbeitung und Erfassung der Bewegungs- und Abrechnungsdaten, KITA-Modul für Eltern und Einrichtungen mit Darstellung freier Plätze, Maintainance, Systemnutzung, Updates, technische Hotline und Nutzerhotline. Erste Berechnungen gehen von durchschnittlich 70 Cent pro Kind und Monat aus. Bei einer angenommenen Gutschein-Höhe von rund 300 Euro pro Monat betragen die Verwaltungskosten damit 0,25 Prozent. Die Reformdividende, Effizienz-, Effektivitäts- und Qualitätssteigerungen zusammengenommen und bezogen auf die gesamte Kinder- und Jugendhilfe könnte somit mittelfristig bei einem Betrag zwischen 0,89 (4,75 Prozent) und 4,66 (24,75 Prozent) Milliarden Euro liegen, vorausgesetzt es würde eine umfassende vollständige Umstellung der Finanzierung von Kinderbetreuung auf ein Gutscheinsystem erfolgen. Dies setzt die Abschaffung der bisherigen Systeme voraus. In einer Übergangszeit würden die Kosten für die Umstellung und den teilweisen parallelen Betrieb verschiedener Systeme höhere Kosten verursachen, so dass von einer perspektivischen Reformdividende gesprochen werden muss. 5.2.2 Förderung der Eigenverantwortung bei den Pflegebedürftigen Belastbare empirische Befunde für die Wirkungen der Einführung von Gutscheinen im Bereich der Pflege liegen bislang nicht vor. Im Rahmen von Modellprojekten werden derzeit wissenschaftliche Begleitstudien durchgeführt, mit deren Hilfe die Vor- und Nachteile der Einführung von Pflegebudgets in Deutschland ermittelt werden. Die bisher vorliegenden, allerdings aufgrund der geringen Fallzahlen noch mit Unsicherheiten behafteten Daten aus dem Jahr 2006 geben durchweg Hinweise darauf, dass sowohl die Produktionseffizienz als auch die Allokationseffizienz durch die Umstellung der Förderung von Sach- auf Geldleistung gesteigert werden konnte und durch die freie Verfügbarkeit der finanziellen Mittel die Zufriedenheit der Betroffenen deutlich verbessert wurde. Exemplarisch wird von deutlichen Effizienzsteigerungen auf Seiten der Anbieter gesprochen, wenn die Pflegebedürftigen die Zahlungen direkt leisten und somit die Leistungserfüllung – soweit möglich – stärker kontrollieren, weil das Gefühl von Leistung und Gegenleistung stärker ausgeprägt ist. Ein Wirkungsergebnis der deutschen Modellversuche ist, dass zum einen der Umfang der Inanspruchnahme professioneller Dienste zunimmt (im Durchschnitt bei den 329 Befragten von 6 auf 10 Stunden) und zum anderen aber die Kosten pro Stunde von professioneller Pflege der Inanspruchnahme geringer sind, als in der Kontrollgruppe (rund 32 Euro). Die Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörige haben über das Budget entsprechend ein Eigeninteresse an einer zwar umfangreichen, aber eben auch nicht zu teueren Pflege (vgl. zur ausführlichen Dokumentation 72

www.pflegebudget.de). Auch anhand von Fallbeispielen lassen sich die Effizienzvorteile offenlegen. In Extremfällen, bei denen die Pflege zweier Menschen im Monat 6.000 Euro kostete, konnten die Kosten um 30 Prozent durch das Pflegebudget und den Einsatz von Fallmanagern gesenkt werden und gleichzeitig die Qualität der Pflege verbessert werden (Fallbeispiel aus Annaberg). Bereits in den ersten zwölf Monaten des Projektverlaufs zeigten sich im Bereich der ergänzenden Hilfeleistungen (haushaltsnahe Dienste) deutliche Tendenzen zur Professionalisierung in Verbindung mit einer Entlastung der Angehörigen: Statt 44 Stunden pro Woche erledigten Angehörige „nur“ noch 37 Stunden pro Woche Arbeiten für die Pflegebedürftigen, während unterstützende Dienstleistungen (wie z. B. legale Haushaltshilfe, Menüdienste) fast dreimal so viel in Anspruch genommen wurden (Zunahme von 6 auf 17 Stunden). In der Kontrollgruppe (ohne Budget) zeigte sich die gegenteilige Entwicklung mit einer Zunahme der von Angehörigen investierten Zeit um 11 Stunden bei gleichzeitigem Rückgang der professionellen Unterstützung (Blinkert, 2005). Bereits 2001 stellte auch Cancedda (2001, 32) fest, dass die Gutscheine indirekt den Ausbau der haushaltsnahen Dienstleistungen begünstigen, indem sie die Nachfrage unterstützen. In Vergleichsstudien in den USA haben 96 Prozent der Teilnehmer der entsprechenden Modellprojekte gesagt, sie würden wieder an entsprechenden Maßnahmen (Pflegebudget) teilnehmen und diese weiterempfehlen (Spermann/Thomsen/Ruppert, 2006). Andere Studien, welche auch Pflegegutscheine in die Analyse mit einbeziehen, kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Mehr Angebotsdifferenzierung, Transparenz, Steigerung der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der Pflegebedürftigen stellt beispielsweise Weinkopf (2007) als positive Ergebnisse heraus. Die OECD betont, dass Gutscheine eine besserer Differenzierung ermöglichen (OECD, 2001, 84). Ein Nebeneffekt ist, dass Pflegegutscheine zur Legalisierung und Professionalisierung von haushaltsnahen Dienstleistungen bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung beitragen (Hartl/Kreimer, 2004). Weitergehende Evaluationen und Ergebnisse der Wirkungsanalysen des Pflegebudgets werden am 6. und 7. Dezember 2007 auf einem entsprechenden Pflegekongress vorgestellt. Angesichts fehlender originärer und pflegegutscheinspezifischer empirischer Daten bezüglich der Effizienzrendite werden hier die Herleitung und Abschätzung aus dem Bereich der Kita-Gutscheine übernommen und es wird ebenfalls von einer Bandbreite von 5 bis 25 Prozent ausgegangen. Die entsprechende Reformdividende basierend auf einem Transfervolumen von 10,79 Mrd. Euro liegt dann bei geschätzten 0,53 bis 2,7 Mrd. Euro, wobei auch hier erst mit Einführungskosten des Systems zu rechnen ist, bevor die Reformdividende wirksam wird und für die Versorgung der zunehmenden Zahl von Pflegebedürftigen verwendet werden kann. 5.2.3 Konsumentensouveränität in der Behindertenhilfe Bevor sich die Bundesregierung zur flächendeckenden Einführung der Persönlichen Budgets (PB) entschied, fanden in acht Bundesländern Modellversuche statt, die in der Zeit von 2004 bis 2007 wissenschaftlich begleitet wurden (Deutscher Bundestag, 2006). Zudem stützte man sich auf internationale Erfahrungen bei der Einführung ähnlicher Leistungsfinanzierungssysteme zum Beispiel in Niederlande, Großbritannien und Schweden. Die Ergebnisse der Evaluation zeigen ein fast ausschließlich positives Bild der Wirkungen von Persönlichen Budgets wie auf individueller Ebene der Budgetnehmer so auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene der Leistungsträger sowie bei der Verfolgung gesellschaftlicher Ziele. 73

Insbesondere ließen sich folgende Effekte bzw. Wirkungen von Persönlichem Budget ermitteln: 1. Steigerung der Lebensqualität behinderter Menschen. Die meisten Teilnehmer der Modellversuche in Deutschland berichteten von einer Steigerung ihrer Lebensqualität und -zufriedenheit: So gaben in Rheinland-Pfalz insgesamt 88,5 Prozent aller Befragten an, dass sich ihre Lebenszufriedenheit im Vergleich zur Situation vor der Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets deutlich verbesserte. Die Budgetnehmer in Hamburg bestätigten diese Ergebnisse: nur 10 Prozent der Budget-Nutzer kehrten zur vorherigen Sachleistungsform zurück, der Rest beantragte eine erneute Bewilligung des PB. Die Verbesserung der Lebensqualität war hier vor allem auf den Zugewinn an Flexibilität, an Selbständigkeit, verbesserte Wahlmöglichkeiten und eine verstärkte Teilhabe an der Gesellschaft durch beispielsweise einen Umzug in eine eigene Wohnung zurückzuführen. 2. Bedarfsgerechte Unterstützung, Hilfesteuerung nach Maß. In vielen Fällen entschieden sich die Budgetnehmer für individuelle Lösungen mithilfe der PBs und gegen gewohnte Anbieterstrukturen. Dadurch ließ sich insbesondere die „Kompetenz der Menschen mit Behinderung [steigern], sich individuell sinnvolle Partizipationsmöglichkeiten zu erschließen und damit tendenziell die Nachfrage nach weiteren individualisierten Unterstützungsleistungen“ zu fördern (Deutscher Bundestag, 2006, 18). Dies zeigt auch, dass durch eine Objektförderung eine differenziertere und zielgenauere Lösung möglich ist, welche zudem durch neue Angebote innovative Entwicklungen auslösen kann. 3. Effektiverer und effizienterer Mitteleinsatz aus der Sicht des Leistungsträgers. Besondere Kosteneffekte ließen sich bei den Modellversuchen in Baden-Württemberg beobachten. Dort erreichten die überörtlichen Sozialhilfeträger, die in der Behindertenhilfe tätig waren, durch die Flexibilisierung und eine größere Kostentransparenz der Angebote eine Kostenersparnis in Höhe von 715 Euro pro Person und Monat. Auch in Hamburg verzeichnete man eine Effizienzsteigerung auf der Kostenseite: die Ausgaben für die Persönlichen Budgets waren um ein Drittel niedriger als für die vorherigen Sachleistungen. Keine eindeutigen Kosteneffekte konnten jedoch zum Beispiel Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen feststellen. Allerdings fand man auch hier eine gestiegene Allokationseffizienz und Partizipationsgerechtigkeit sowie langfristige Kostensparpotenziale vor. Denn dem teilweise angestiegenen Zeitaufwand für die Bearbeitung der Anträge und der Assistenz für behinderte Menschen stehen spezifische „Gewinne“ durch persönlichere Unterstützung und ausführliche Beartung gegenüber, die von den Budgetnehmern als sehr positiv beurteilt werden. Zudem reduzierte sich der am Anfang erhöhte Zeitaufwand erheblich mit der fortschreitenden Erfahrung und Routine bei der Bearbeitung der Anträge. Durch die angestrebte Zusammenfassung formaler Bearbeitungsinstanzen erhofft man sich zudem eine Komplexleistung „aus einer Hand“ und damit einen zukünftigen Bürokratieabbau. 4.Teilweiser Anstieg des Leistungsangebotes. In mehreren Bundesländern, die sich an Modelversuchen beteiligten, berichteten die Organisatoren von der Ausweitung des Leistungsangebotes beziehungsweise der Erhöhung der Zahl der Leistungserbringer. Zum Beispiel entstanden in Baden-Württemberg zahlrei74

che neue ambulante Dienste, die ihr Angebot auf die PBs abstimmten. In NRW beurteilten Leistungsanbieter die Einführung von PB sehr positiv und sahen darin „Chancen zum Ausbau offener Hilfen und mehr Dynamik des Dienstleistungsmarktes“ (Deutscher Bundestag, 2006, 18). Die Ergebnisse dieser Modellversuche zeigen, dass Effizienzrenditen von bis zu 33 Prozent möglich sind. Auch die Erfahrungen in anderen Ländern weisen auf vielfältige positive Effizienz und Effektivitätsgewinne hin. Bei der Ermittlung der Reformdividende kann somit bei einem Transfervolumen von 11,29 Mrd. Euro mittelfristig von 0,6 bis 3,4 Mrd. Euro ausgegangen werden. 5.2.4 Rendite in der Grundsicherung des Lebensunterhalts In einigen Kommunen werden Gutscheine für z. B. Asylbewerber bereits genutzt, systematische Evaluationen liegen uns aber bisher nicht vor und konnten nicht recherchiert werden. Basierend auf den Erfahrungen in anderen Bereichen und in Anlehnung an die Überlegungen bei Pflege und Behindertenhilfe wird die Rendite dennoch auf 5 bis 15 Prozent und damit auf bis zu 1,67 Mrd. Euro geschätzt. 5.2.5 Sonstige Evaluationen 1. Schulgutscheine Ergänzend wurde im Bereich der Schulgutscheine eine Recherche nach entsprechenden Daten bezüglich der Effizienz und Effektivität von Schulgutscheinen durchgeführt, auch wenn diese nicht die originäre Thematik dieser Untersuchung sind. Hintergrund für die Zusammenstellung der entsprechenden Daten ist, dass für Gutscheine im Allgemeinen kaum Daten vorliegen. Bei Schulgutscheinen gibt es einige Daten für die USA und einige weitere Länder, die aber auch nur in Ausnahmefällen konkrete Effizienzberechnungen beinhalten. Die Mehrzahl der vorliegenden Studien, kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit Schulgutscheinen im Bereich der Effizienz deutliche Vorteile ergeben, allerdings wird die Effektivität insbesondere die Problematik der Gleichbehandlung/Partizipationsgerechtigkeit in der Regel weniger positiv bewertet. So zeigen sich im Bereich der Effizienz Vorteile in Höhe von bis zu fast 300 Prozent (Hoxby, 2003). Levin vermutet hingegen negative Auswirkungen auf die Kosten im Bereich der Schulen von bis zu 25 Prozent durch das neue System. Andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Absolventen von Schulsystemen in den Gutscheinen eingesetzt werden, später bis zu dem zwei- bis dreifachen des Gehaltes erzielen können, das Schüler von anderen Schulen erzielen. Diese und weitere Ergebnisse sind allerdings nicht unumstritten, da sie jeweils unter sehr restriktiven Bedingungen und in der Regel nur in einer kleinen Fallzahl ermittelt wurden. Vorteile von Gutscheinen Die von Hoxby 2003 durchgeführte Untersuchung von öffentlichen Schulen in den Gemeinden der USA, die Schulgutscheine zur Schulwahl eingeführt hatten, bescheinigte eindeutige positive Effekte der Gutscheine. Im Fokus der Untersuchung standen Grundschulen. Das Hauptergebnis der Studie war ein Anstieg der Anzahl der Schüler mit höherem Leistungsniveau. Die Leistungsverbesserungen wurden insbesondere in Naturwissenschaften, Mathematik und Lesefähigkeiten mit Hilfe von standardisierten Tests festgestellt. Zur Validierung wurden Schulen mit vielen, wenigen und ohne per Gutschein „zugeteilten“ Schülern untersucht. Wie erwartet, waren die Leistungssteigerungen in den Schulen mit 75

den meisten „Gutschein-Schülern“ am auffälligsten und in den Schulen, die sich an den Modellversuchen nicht beteiligt haben, konnten keine Unterschiede in der Schülerleistung vor und nach der Einführung von Gutscheinen festgestellt werden. Alle Ergebnisse sind als statistisch signifikant anzusehen. Somit konnte gezeigt werden, dass die öffentlichen Grundschulen produktiver geworden sind. Die Produktivität wuchs um 0,7-1,7 nationale Perzentilpunkte pro Tausend Dollar Ausgaben. Zum Beispiel gaben öffentliche Vergleichsschulen in fünf untersuchten Städten durchschnittlich 9.662 US-$ pro Schüler aus. Die Gutschein-Schulen setzten demgegenüber nur durchschnittlich 2.427 US-$ pro Schüler ein (Differenz zwischen Ausgaben und Schulgeld). Auf diese Weise ergab sich eine Produktivitätssteigerung von 298 Prozent. Dabei muss hinzugefügt werden, dass den Verzerrungen bei der Untersuchung durch Randomisierung von Leistungsniveau und Motivation der teilnehmenden Schüler vorgebeugt wurde. Und „Even if we think that the 298 percent measured difference in productivity is somewhat off, it is very unlikely that the true productivity difference is zero or small”. Die letzte Erkenntnis aus der Studie bezog sich darauf, dass die öffentlichen Schulen, durchaus konstruktiv auf Wettbewerb reagieren können und die Qualität ihres Unterrichts verbessern, um die Abwanderung der Schüler sowie Einnahmeneinbußen zu verhindern. Diese Untersuchung bestätigte die Ergebnisse der auf ähnlichen Daten basierenden Studie von 1998, die ebenfalls ausdrückliche positive Effekte des Einsatzes von Gutscheinen bei der Schulwahl bescheinigte. Im Einzelnen zeigte die damalige Studie, dass die durch Gutscheine unterstützten Wahlmöglichkeiten zwischen den Schulen letztendlich zu einer statistisch signifikanten Verbesserung der Schülerleistungen in privaten Schulen um 3 bis 4 Prozent führte, auch wenn die Ausgaben pro Schüler um bis zu 17 Prozent gesenkt wurden (Hoxby, 1998, 144f.). Außerdem spürten die öffentlichen Schulen ebenfalls den Wettbewerbsdruck, was dazu führte, dass die Schülerleistungen in diesen Schulen ebenfalls – allerdings weniger stark – anstiegen. Schulgutscheine – Ergebnisse der Evaluation/Levin 1998 Henry Levin (1998) zweifelt frühere Ergebnisse von Hoxby an (Hoxby, 1996). Denn einerseits stammten die Daten von Hoxby aus verschiedenen und teilweise schwer vergleichbaren Quellen, und andererseits kämen viele andere Studien zu anderen Ergebnissen. Nichts desto trotz stimmt Levin zu, dass Schüler in privaten bzw. gutscheinsubventionierten Schulen bessere Leistungen in Mathematik im Vergleich zu Schülern in öffentlichen Schulen erzielen. Diese Erkenntnisse – so Levin – ließen sich allerdings nicht generalisieren und auf andere Schulen übertragen. Eindeutiger konnten die Ergebnisse der Studien in Bezug auf die Produktivität und Effizienz interpretiert werden: Private Nicht-Eliteschulen beziehungsweise gutscheinsubventionierte Schulen wirtschafteten bei etwa gleich bleibender Schülerleistung deutlich effizienter mit den öffentlichen Ressourcen. Allerdings warnt Levin davor, die öffentlichen Ausgaben pro Schüler und das in privaten Schulen zu entrichtende Schulgeld beziehungsweise den durch Gutscheine finanzierten Teil der Ausgaben pauschal als vergleichbare Kostengrößen anzusehen. Da durch die drei Finanzierungsmodelle teilweise verschiedene Ausgabenposten abgedeckt werden: Ausgaben pro Schüler an öffentlichen Schulen enthielten viel mehr zusätzliche Leistungen als die zum Vergleich angesetzten Gutscheine oder das Schulgeld. Als ein Hauptergebnis präsentierte Levin zudem eine deutliche Steigerung von Bildungsausgaben, falls das bestehende System öffentlicher Schulfinanzierung durch die Gutscheinfinanzierung ersetzt würde. Die geschätzten Gesamtausgaben des öffentlichen 76

Budgets würden um 25 Prozent ansteigen. Denn die steigende Autonomie und der Wettbewerb, der durch die Gutscheinfinanzierung ausgelöst würden, würden die Kosten der Berichterstattung und Kontrolle der Schulen, der Information über die Schule und des Schülertransports deutlich erhöhen. Übersicht 17 zeigt, dass es durchaus eine ambivalente Bewertung von Schulgutscheinen gibt und das Fehlen von präziseren Effizienzsteigerungsmöglichkeiten durch Gutscheine in der Tabelle, ist auf die auch hier nur begrenzt aussagefähige Datengrundlage zurückzuführen. Alles in allem zeigen diese empirischen Ergebnisse jedoch, dass es im Endeffekt positive Wirkungen im Bereich der Effizienz/Bürokratiekosten gibt, die zusammengenommen einen Vorteil im Bereich der Effizienz von bis zu 20 Prozent erwarten lassen. Auch diese Prozentzahl hängt in entscheidendem Maße von den institutionellen Veränderungen, die durch die Einführung von Gutscheinen angestoßen werden, ab. Übersicht 17 Effekte von Gutscheinsystemen auf Ziele o= keine signifikante Änderung; + Verbesserung; - Verschlechterung; +/o oder -/o = teils/ teils; Schweden

USA direkte Gutschein

Schulwahl

Wahlfreiheit Produktvielfalt

+'/o o

+ +'/o

Qualität Kosten

+'/o o

+'/o o

Gutscheinmodell

Land Niederlande

Schulwahl Schulwahl Allokationseffizienz + o + o Produktionseffizienz o o o o Politische Ziele o o

soziale Segregation +'/o +'/o soziale Kohäsion o o Quellen: USA: Hoxby, 2003, Ladd, 2003, Gill et al. 2001, Belfield/Levin, 2002 Niederlande: Dijkstra et al., 2001, Patrinos, 2002, Ritzen et al. 1997 Schweden: Skolverket, 2004, Björklund et al., 2004 Neuseeland: Ladd/Fiske, 2001 Großbritannien: Fitz et al., 2002, Levacic, 1994 und 2001

Neuseeland direkter Schulwahl Gutschein

England Schulwahl

+ +'/o

+'/o o

+ +'/o

o o

o o

+'/o +'/o

o

+'/o o

-'/o o

Quelle: Enste/ Stettes, 2005

2. Vermittlungsgutscheine – Ergebnisse der Evaluation Die 2002 probeweise eingeführten Vermittlungsgutscheine fanden nicht die angestrebte Verbreitung: Nur 20 (West) beziehungsweise 37 (Ost) Prozent der Anspruchsberechtigten nahmen im Jahr 2004 den Vermittlungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit tatsächlich in Anspruch. Eingelöst wurden davon auch nur knapp 7,5 Prozent. Allerdings ließen sich bei diesen Personen im Vergleich zu Nicht-Beziehern der VGS eindeutige positive Beschäftigungseffekte beobachten (Pfeiffer/Winterhager, 2006, 405ff.). Im Durchschnitt wurden nach 12 Monaten 5,9 (Ost) beziehungsweise 5,3 Prozent (West) mehr VGS-Bezieher in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt als Nicht-VGS-Bezieher. Dabei variierte der Vermittlungseffekt in Abhängigkeit von bestimmten soziodemografischen und bildungs-/berufsbezogenen Merkmalen, wie Alter, Berufsausbildung und Dauer der Arbeitslosigkeit. So konnten auch die höheren Gutscheinprämien für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen keinen ausreichenden Anreiz für die Vermittlungsunternehmen in Bezug auf diese Zielgruppe bieten.

77

Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist insbesondere der Unterschied in den Arbeitseinkommen zwischen den VGS-Beziehern und anspruchsberechtigten Nicht-Beziehern auffällig. Personen, die einen Vermittlungsgutschein für eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt über einen privaten Anbieter eingesetzt haben, konnten in den 12 Monaten nach der Gutscheinausgabe ein fast doppelt so hohes Arbeitseinkommen vorweisen als Arbeitslose, die keinen Gebrauch von ihrem Recht gemacht haben. In Ostdeutschland bezog ein VGSBezieher in diesem Zeitraum durchschnittlich 3.457 Euro; dieser Betrag lag um 109 Prozent über dem Einkommensniveau eines Nicht-Beziehers. In Westdeutschland war der Unterschied mit 78 Prozent (3.702 vs. 2.083 Euro pro Person) zwar nicht so groß jedoch ebenfalls beachtlich. Aus der Perspektive der Transferleistungsgewährung ließen sich ebenfalls positive Entwicklungen beobachten: Die VGS-Bezieher erhielten in der Untersuchungsperiode im Durchschnitt niedrigere Transferleistungen als die Nicht-Bezieher. In einer ganzheitlichen Kosten-Nutzen-Einschätzung des Instruments ergaben sich ebenfalls signifikante positive Effekte: Für Ostdeutschland betrug der Gesamtnettonutzen bei vorsichtigen Schätzungen 54,3 Mio. Euro, für Westdeutschland lag er bei 50,5 Mio. Euro. Das positive Ergebnis bleibt auch bei der Berücksichtigung von eventuellen negativen indirekten Wirkungen in anderen Gruppen von Arbeitslosen bestehen. Die Verdrängungsoder Substitutionseffekte könnten bis zu 70 Prozent betragen, bevor der geschätzte Gesamtnettonutzen negativ wird (Pfeiffer/Winterhager, 2006, 412). Und obwohl die positiven Wirkungen auf bestimmte Gruppen und einen bestimmten Zeitraum beschränkt bleiben, zeugen sie von einer höheren Wirksamkeit von Gutscheinen im Vergleich zur öffentlichen Vermittlung von bis zu 70 Prozent. 3. Public Private Partnership Eine andere Möglichkeit, eine bessere Kombination von öffentlicher Finanzierung und privater Bereitstellung zu erreichen, stellen sogenannte Public Private PartnershipMaßnahmen dar (PPP). Diese Maßnahmen kombinieren in einer anderen Art, als dies über das Gutscheinsystem erfolgt, die Vorteile der effizienteren privaten Bereitstellung mit der staatlichen Finanzierung. Gemeinsam mit dem Gutscheinsystem ist den PPP's, dass auch hier der Verstärker marktlicher Steuerungs- und Lenkungssysteme genutzt wird und es darüber zu Effizienzvorteilen kommt. Eine Übersicht der Effizienzrendite von Public Private Partnership-Maßnahmen des Finanzministeriums NRW vom August 2007 (www.ppp.nrw.de) zeigt, dass bei verschiedensten Maßnahmen mit unterschiedlichen Volumina (zwischen 8 und 34 Millionen Euro) Effizienzrenditen zwischen 3 und 15 Prozent erzielt werden konnten. Dies sind die bislang konkretesten und aussagekräftigsten Daten, welche die Effizienz von Public Private Partnership-Maßnahmen an ganz konkreten Beispielen verdeutlichen können. Diese bieten Anhaltspunkte für Effizienzvorteile in der Folge einer besseren Steuerung durch die Kombination von staatlicher und privater Initiative.

78

5.3

Volkswirtschaftliche Gesamteffekte bei Essensgutscheinen

Während es bei der Einführung von Gutscheinmodellen bei sozialen Dienstleistungen um eine andere Lösung für die Finanzierung und Steuerung staatlich finanzierter Leistungen geht, kann dies nicht der Vergleichsmaßstab bei Essensgutscheinen sein. Der Staat ist hier nur mittelbar über die steuerliche Vergünstigung der Mittagsverpflegung von Arbeitnehmern beteiligt. Die volkswirtschaftlichen Effizienz- und Effektivitätsvorteile müssen sich aus der Verhaltensänderung ergeben und liegen weniger in der Reduktion von Verwaltungskosten. Vergleichspunkt ist die Erbringung der Leistung durch Kantinen oder die eigene Mittagsverpflegung. 5.3.1 Potenzielles Umsatzvolumen Ziel dieses Gutachtens ist nicht die betriebswirtschaftliche Potenzialanalyse von Essengutscheinen, sondern die Abschätzung der volkswirtschaftlichen Gesamteffekte. Um diese vornehmen zu können, verwenden wir unterschiedliche Kennziffern und Methoden. Ausgangspunkt ist die Verpflegungssituation in Deutschland generell. Im Jahr 2005 gab es in Deutschland 117.720 Unternehmen die im Bereich des Gaststättengewerbes bzw. Kantinen tätig waren. Diese Unternehmen setzten 2005 über 24 Milliarden Euro um (Statistisches Bundesamt, 2007a). Der Bedarf an Arbeitsplatzverpflegung wird in erster Linie von den Betriebsrestaurants bedient. 79 Prozent der Ausgaben werden in Kantinen getätigt. Weniger als ein Viertel der gesamten Ausgaben fließen in Mensen, Cafeterias, Automatenverpflegung und andere Arbeitsplatzverpflegung. (ZMP, 2004). Abbildung 17

Ausgaben für Arbeitsplatzverpflegung, in %

10%

5%

6%

79%

Betriebsrestaurants

Automatenverpflegung

Mensa, Cafeteria an Schule/Uni

andere Arbeitsplatzverpflegung

Quelle: ZMP, 2004

Dennoch, mehr als ein Drittel der Konsumenten der Bedienungsgastronomie nutzen die Mittagszeit zwischen 11 und 14 Uhr. Damit ist die Mittagszeit nur unwesentlich weniger stark besucht als die mit 39 Prozent am stärksten frequentierte Öffnungszeit am frühen Abend zwischen 17:00 und 20:00 Uhr (ZMP, 2004). Geht man davon aus, dass die Ausgaben pro Besuch über den Tag verteilt gleich sind, so setzt die Bedienungsgastronomie 79

in den Mittagsstunden 4,57 Milliarden Euro um. Der tatsächliche Betrag dürfte jedoch geringer sein, da die Mittagsverpflegung häufig eine kurze und schnelle Verköstigung ist. Abbildung 18 Bedienungsgastronomie in Deutschland: Tageszeit und Besuche in % 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 05:0010:59

11:0013:59

14:0016:59

17:0019:59

20:0022:59

23:0004:59

Quelle: ZMP, 2004

Nach Angaben eines der größten Anbieter von Essenschecks Sodexho werden in Deutschland jährlich rund 40 Millionen Essenzuschüsse mit einem Gesamtvolumen von rund 200 Millionen Euro ausgestellt. Mehr als 14.000 Unternehmen geben dabei die Schecks an ca. 350.000 Mitarbeiter aus, die diese in über 40.000 Akzeptanzstellen deutschlandweit einlösen können. Abbildung 19

Anteil der Mitarbeiter, Nutzung von Essenschecks in Prozent

D eu ts ch Sc lan hw d ed Sl en ow Ö ak st er ei re ic h Ita Fr l an ien kr Lu ei xe ch m R bur um g än i Be en Ts lgie ch n ec h U ei ng ar n

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Quelle: Wanjek, 2005

Ein Vergleich zwischen dem Umsatz der Bedienungsgastronomie in der Mittagszeit und dem Gesamtvolumen der Essenzuschüsse zeigt die geringe Verbreitung der Es80

senschecks in Deutschland. Demnach bezahlen lediglich 1,8 Prozent der Beschäftigten bisher ihre Verpflegung am Arbeitsplatz mit Essenschecks. In anderen Ländern ist der Verpflegungsbereich, der über Essenswertmarken gesteuert wird, ausgeprägter (Wanjek, 2005). Die obigen Ausführungen veranschaulichen das theoretische Entwicklungspotential der Menügutscheine. Würde der gesamte mittägliche Umsatz der Bedienungsgastronomie über Gutscheine abgewickelt, stiege das Gesamtvolumen der Essenszuschüsse um mehr als das zwanzigfache. Dabei sind noch die Personen unberücksichtigt, die derzeit nicht auf Außer-Haus-Verpflegung, sondern auf die mittägliche Eigenverpflegung zurückgreifen. Inwieweit sich der Bedarf dieser Beschäftigten an Außer-Haus-Verpflegung durch die Ausgabe von Gutschein erhöhen und wie sich das auf den Gesamtumsatz des Gaststättengewerbes auswirken könnte, kann mit diesem Ansatz nicht ohne Weiteres abgeschätzt werden. Dazu ist ein alternativer, ergänzender Ansatz erforderlich. Als weitere Methode zur Quantifizierung des maximalen Umsatzvolumens für Essensgutscheine kann die Höhe der steuerlichen Vergünstigung der Arbeitsplatzverpflegung, welche sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer vorteilhaft ist, verwendet werden. Um das mögliche Volumen auf Basis der steuerlichen Förderung zu ermitteln, welches über die bereits bestehenden Systeme hinaus generiert werden könnte, ist es notwendig, zum einen die Mitarbeiterzahl abzuziehen, welche bisher bereits Essensgutscheine nutzen sowie Unternehmen auszunehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, da diese – annahmegemäß – in der Regel über eine Kantine verfügen. Je nach Herangehensweise liegt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Unternehmen, welche potenziell für ein Essensgutscheinsystem gewonnen werden könnten, bei 18 bis 20 Millionen Beschäftigten. Auf Basis dieser Angaben zur Beschäftigtenzahl von rund 19 Millionen kann unter Berücksichtigung eines Gesamtwertes von derzeit 5,77 Euro sowie der Möglichkeit der Nutzung an 15 Tagen im Monat (aufgrund steuerrechtlichen Bestimmungen können nicht 220 Arbeitstage im Jahr zugrunde gelegt werden) folgendes ermittelt werden: Pro Jahr kann jeder Beschäftigte letztlich einen Umsatz von 1.038,6 Euro in Form von Essensgutscheinen verausgaben. Bei angenommenen 19 Millionen Beschäftigten würde das insgesamt im Bereich der Essensgutscheine ein Volumen von 19,7 Milliarden Euro Umsatz über die Essensgutscheine bedeuten. Dies ist allerdings nur als eine Abschätzung eines volkswirtschaftlichen Gesamtpotenzials zu verstehen, das nicht vollständig realisierbar ist. Nach vorliegenden Markterhebungen und Umfragen in Unternehmen und Betrieben wird das tatsächliche Potenzial, welches zusätzlich für Gutscheine aktivierbar ist, realistischerweise auf 3 bis 9 Prozent des Gesamtvolumens taxiert. Dabei ist dies sehr stark abhängig von den jeweiligen Branchen. Das potenzielle Gutscheinvolumen beträgt dann zwischen 600 Millionen und 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Prozentsätze und das Volumen lassen sich aber dann erhöhen, wenn es eine gesellschaftliche Debatte über Gutscheine und deren Wirksamkeit gibt, so dass eine zunehmende Zahl von Menschen (und Unternehmen) anders über das Instrument denken. Ziel wäre somit eine Präferenzänderung in Unternehmen und Politik zu bewirken. Untersuchungen der beiden großen Essensgutscheinanbieter in Deutschland gehen davon aus, dass es unter den gegebenen Rahmenbedingungen ein potenzielles Wachstum 81

von rund 5 Prozent pro Jahr bei der Nutzung von Gutscheinen in Deutschland geben könnte. Die oben genannten Volumina wären dann erst in 22 bis 46 Jahren erreichbar. Eine gesellschaftliche Debatte, welche die Akzeptanz verdoppelt würde, könnte hingegen schon zu einem Volumen von 600 Millionen Euro pro Jahr in rund 10 Jahren beitragen. 5.3.2 Potenzielle Effektivitäts- und Effizienzvorteile Da das Gutachten nicht auf eine betriebswirtschaftliche, sondern auf eine volkswirtschaftliche Analyse abzielt, beschränkt sich die Ermittlung der Effekte in diesem Kontext auf die Abschätzung des effizienteren Einsatzes von Produktionsfaktoren sowie hinsichtlich der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Ergänzend werden Effekte auf die Gesundheit und die Motivation bzw. Mitarbeiterbindung der Beschäftigten auf betriebswirtschaftlicher Ebene hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Effekte untersucht. Mögliche positive Effekte auf Beschäftigung im Gaststättengewerbe und hinsichtlich nachgelagerter Steuereinnahmen runden die Betrachtung ab. Komparative Kostenvorteile und Förderung der Arbeitsteilung Mit der flächendeckenden Einführung von Gutscheinen kann vor allem bei den Tätigkeiten der Beschäftigten im Bereich des Haushalts mit einer höheren Effizienz gerechnet werden. Hintergrund dafür ist die bessere Ausnutzung der komparativen Kostenvorteile und Arbeitsteilung und der Nutzung von steigenden Skalenerträgen im Bereich der Gastronomie. Die bisher mit weniger produktiven Tätigkeiten betrauten hochqualifizierten Personen können sich durch den Einsatz von Essensschecks stärker gemäß ihrer eigentlichen Qualifikation betätigen. An den Arbeitstagen entfällt für diesen Personenkreis das aufwändige Einkaufen und Kochen, sofern auch die Verpflegung der im Haushalt lebenden Kinder gewährleistet ist. Die Verpflegung an Ganztagsschulen und Kitas könnte ebenfalls über Essensgutscheine erfolgen, so dass der mittägliche Stress – insbesondere für berufstätige Mütter entfallen würde. Im Schnitt werden in einem Haushalt täglich 2,25 Stunden mit Einkaufen, Kochen und Abspülen verbracht, davon leisten Frauen den wesentlich größeren Anteil (zwei Drittel). Männer beteiligen sich an diesen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten mit einer knappen Dreiviertelstunde (Statistisches Bundesamt, 2004). Dies entspricht einem Drittel der Gesamtzeit. Insbesondere der Zeitaufwand für das Kochen und Anteile des Einkaufs entfallen, was rund 1,2 Stunden pro Tag entspricht. Mit der Einführung von Essensgutscheinen für jeden der 12 Millionen männlichen und 9,5 Millionen weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Statistisches Bundesamt, 2007h) stünden so rein statistisch 12,4 Millionen Stunden pro Tag zur Verfügung, die nicht für Mittagsverpflegung aufgewandt werden müssten. Umgerechnet entspricht dieses Zeitvolumen 1,5 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen. Dieses Arbeitsvolumen wird jedoch nicht vollständig zusätzlich generiert werden können, da ja ein gewisser Zeitanteil zusätzlich für die außer Hausverpflegung aufgewandt werden muss. Ein Großteil wird aber bereits jetzt in der Zeitverwendungsstudie erfasst. Gleichwohl werden auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere auch für geringer Qualifizierte in der Gastronomie geschaffen werden. Außerdem wird die bessere Auslastung der vorhandenen Kapazitäten (Kapitalgüter wie Küche, Gasträume, Maschinen etc.) zusätzliche positive volkswirtschaftliche Effekte haben. Die durchschnittliche Kapitalproduktivität wird steigen, da die Zeiten der Nichtnutzung verringert werden und so der Kapitalstock besser ausgelastet ist (Wanjek, 2005). Einschränkend gilt es zu berücksichtigen, dass bereits Gutscheine zur Mitarbeiterverpflegung eingesetzt werden oder Kantinen vorhanden sind und genutzt werden. Außerdem 82

wird nicht für jedes Haushaltsmitglied eine Außer-Haus-Verpflegung möglich sein, so dass in manchen Haushalten diese Arbeiten weiterhin anfallen. Eine andere Frage ist, wie diese zusätzliche Zeit von den Beschäftigten genutzt wird und ob daraus volkswirtschaftliche Effekte abgeleitet werden können. Die Annahme eines positiven Effekts auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt dabei allerdings nahe, denn gerade Frauen würden von der Verpflegung durch Gutscheine profitieren und die gewonnene Zeit z. B. in eine höhere Erwerbsbeteiligung investieren können. Insgesamt überwiegen die volkswirtschaftlichen, realen Effekte der Bereitstellung von Gutscheinen die Kosten in Form von Steuerausfällen durch die Gutscheinsubventionierung, da die Arbeitsteilung gefördert und der Abgabenkeil – wenngleich unsystematisch nur für ein Segment – verringert wird. Ähnliche positive Effekte zeigen sich durch die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen, wo eine Legalisierung erreicht wurde und das volkswirtschaftliche ineffiziente Do-it-Yourself verringert wurde. Weitere Effekte auf das Arbeitsangebot Darüber hinaus können Essensgutscheine positive Effekte auf der betrieblichen Ebene haben. Mit Blick auf die Volkswirtschaft sind aber nicht die einzelwirtschaftlichen Effekte, sondern nur die generelle höhere Motivation und ggf. die Gesundheitsvorsorgeeffekte relevant. Neben der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität hat der Essenscheck auch unmittelbaren Einfluss auf die Ernährung der Mitarbeiter. Zum einen unterstützt er die Arbeitnehmer in der Entscheidung sich eine Mittagspause zu nehmen, die aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ein wichtiges Kriterium zum Stressabbau und damit der Gesunderhaltung ist. Zum anderen nimmt der Arbeitnehmer gesünderes Essen zu sich, da der Einsatz von Gutscheinen die Qualität des Essens insgesamt bei den teilnehmenden Restaurants erhöht (Wanjek, 2005). Der Essenscheck trägt damit aktiv zur Gesundheitsförderung bei und ist eine gezielte Maßnahme zur Senkung des Krankenstandes. Dies hat auch volkswirtschaftliche Effekte, die jedoch nur schwer konkret zu beziffern sind. In Deutschland verfügen lediglich 0,5 Prozent der Unternehmen über ein Betriebsrestaurant. Knapp 80 Prozent der Arbeitnehmer haben so nicht die Möglichkeit, die Mittagsmahlzeit in einer Kantine einzunehmen und sind damit steuerlich benachteiligt, denn das Essen in den Betriebkantinen ist steuerbegünstigt. Der Essenscheck kann hier für einen Ausgleich sorgen, denn er ist völlig unabhängig von der Größe des Unternehmens und flexibel einsetzbar. Durch den Menügutschein ist eine steuerliche Gleichbehandlung aller Beschäftigten möglich. 5.3.3 Potenzieller Gesamteffekt Zur Ermittlung des gesamten Nettoeffektes müssen zum einen Annahmen über die Quantifizierung der Effizienz-Effektivitätseffekte getroffen werden, da kaum empirische Ergebnisse vorliegen. Zum anderen sind die Kosten der Administration der Gutscheine gegenzurechnen. Genaue Daten und Angaben liegen dazu nicht vor, da diese Verwaltungskosten und Betriebskosten sich im Wettbewerb der Anbieter als Preise bilden. Nach den uns vorliegenden Informationen betragen diese jedoch zwischen 4,5 und 6 Prozent des Umsatzvolumens, wobei die genaue Höhe stark vom georderten Transfervolumen abhängt. Basierend auf den bislang vorliegenden Forschungsergebnissen aus anderen Gutscheinsystemen sowie Erfahrungen in anderen Ländern, lässt sich unter Berücksichtigung der o. g. Bürokratiekosten ein Gesamteffekt in einer Größenordnung von 3 bis 11 Prozent abschätzen, der im wesentlichen auf der größeren Gleichbehandlung der Arbeitnehmer so83

wie den positiven Arbeitsangebotseffekten basiert. Unbefriedigend an diesem Ergebnis ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt mit Annahmen gearbeitet werden muss, wodurch die empirische Belastbarkeit der Aussage gering ist. Weitere Forschungen auf diesem Feld sind deshalb dringend angezeigt, weil die Kernidee der Gutscheine im politischen Raum größere Akzeptanz findet und es insgesamt ein Instrument ist, welches auch im Bereich der betrieblichen Personalpolitik vermehrt genutzt werden sollte. Im politischen Raum von noch größerem Interesse sind die konkreten Folgen für den Bereich der Schwarzarbeitsbekämpfung durch die Förderung von Gutscheinen.

84

5.4

Volkswirtschaftliche Effekte – Schattenwirtschaftsreduktion

5.4.1 Bürokratiekostensenkung durch Gutscheinsysteme Zur Verbesserung der Datengrundlage für die Erfassung der Effizienzvorteile des Einsatzes von Gutscheinen, wird hier noch ergänzend ein alternativer Ansatz auf makroökonomischer Ebene verwendet, um weitere Daten bei der Abschätzung der volkswirtschaftlichen Gesamteffekte bereitzustellen. Basierend auf der Grundhypothese, dass mit Hilfe von Gutscheinen insbesondere die Bürokratiekosten, aber auch insgesamt die Intensität staatlicher Eingriffe bei gleicher Wirkung verringert werden können, werden im Folgenden sowohl der Einfluss von Bürokratiekosten auf die Schattenwirtschaft als auch der Einfluss von genereller Regulierung auf die Schattenwirtschaft dargestellt. Ergänzend werden weitere Zusammenhänge zwischen Bürokratie und öffentlich Beschäftigten sowie zwischen Schattenwirtschaft und öffentlich Bediensteten skizziert, um deutlich zu machen, dass dort Wechselwirkungen bestehen und sich die Effizienz von Gutscheinsystemen u.a. über die Verringerung von ineffizienten öffentlichen Verwaltungsstrukturen ergibt. Basierend auf dem in Abbildung 20 dargestellten Zusammenhang zeigt sich, dass Menschen umso mehr in die Schattenwirtschaft ausweichen, je höher die Bürokratiekosten in den jeweiligen Ländern sind. Abbildung 20 Schattenwirtschaft und Bürokratie 2005

Schattenwirtschaft in Prozent des BIP

40 PL

35

EST; LV; LT, Malta, Zypern

SLO

30 25

B S FIN

20 15

DK

GR H I SK E P

CZ

y = 2,822x + 9,3485 R2 = 0,4654

DE

IRL

UK

F NL

10

A

5 0 1

2

3

4

5

6

7

Bürokratiekosten in Prozent des BIP

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Daten Enste/Schneider, 2006; Erhebung der Bürokratiekosten von Seiten der EU (MEMO/06/425 vom 14.11.2006)

85

Abbildung 21 Bürokratiekosten und Öffentlich Beschäftigte

Bürokratiekosten in Prozent des BIP

8

H

GR

7 6 I

5

EA P

NL

4

IRL

3 FIN

2

CZ

DK

S

B

SK SLO DE

F y = 0,5709x + 0,1869 R2 = 0,2406

UK

1 0 3

4

5

6

7

8

9

10

11

Öffentlich Beschäftigte in Prozent aller Erw erbstätigen

Quelle: Eigene Berechnungen

Abbildung 21 veranschaulicht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Bürokratiekosten auf der einen und der Zahl der öffentlich Beschäftigten auf der anderen Seite – ohne dass etwas über die Kausalität ausgesagt werden kann. Beide Grafiken zusammengenommen können unter der Annahme, dass mit Gutscheinen Bürokratiekosten abgebaut werden können und gleichzeitig eine geringere Zahl von öffentlich Beschäftigten notwendig ist, um das System zu managen, verdeutlichen, dass mittels Gutscheinen die Schattenwirtschaft verringert werden kann. Abbildung 22 Schattenwirtschaft und Öffentlich Beschäftigte

Schattenwirtschaft in Prozent des BIP (2007)

SLO

H

30

GR

I

25

E 20 FIN 15 Japan

10

CH

DK IRL CAN NL

P

CZ

N S

SK B DE

AUS UK ANZ USA

F y = 1,7506x + 4,9774 R2 = 0,1625

5 0 3

4

5

6

7

8

9

10

Öffentlich Beschäftigte in Prozent aller Erw erbstätigen (2005)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Daten von Enste/Schneider, 2006

Diese makroökonomischen Daten zeigen, dass mit einer Verringerung der Bürokratiekosten von nur einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes die Schattenwirtschaft um 3 Prozentpunkte gerechnet in Prozent des BIP verringert werden könnte. Für Deutschland um86

gerechnet bedeutet dies, dass ein Bürokratieabbau über die Einführung eines Gutscheinsystems, der die gesamten Bürokratiekosten nur um einen Prozentpunkt senken würde, den Umfang der Schattenwirtschaft schon um 10,5 Milliarden Euro verringern würde. 5.4.2 Deregulierung durch Gutscheinsystem Mit einer umfassenden Einführung eines Gutscheinsystems könnten die Kontrollen und staatlichen Eingriffe deutlich verringert und zielgenauer ausgestaltet werden. Insgesamt sinkt dadurch die Regulierungsdichte in Deutschland insgesamt. International vergleichbare Makrodaten sollen zur Analyse der Auswirkungen genutzt werden. Für die Messung der Intensität der Regulierung bietet der IW-Regulierungsindex eine Datenbasis, die Durchschnittswerte für die zwei Zeiträume 1995 bis 2000 und 2001 bis 2005 enthält. Erfasst werden die Bereiche Arbeits-, Kapital- und Produktmarkt, Bildung und Innovation sowie die Qualität staatlicher Institutionen. Da es sich bei der Regulierung um institutionelle Rahmenbedingungen handelt, die kaum einer kurzfristigen Variation in erheblichem Umfang unterliegen, z. B. durch Gesetzesänderungen, liegen die Werte für die betrachteten Zeiträume naturgemäß eng beieinander (Loayza/Oviedo/Serven, 2005). Um die Regulierung mit der Schattenwirtschaft und Letztere mit anderen Einflussgrößen in Beziehung zu setzten, wurden für all diese Größen ebenfalls Durchschnittswerte gebildet, die sich auf die gleichen Zeiträume beziehen. Der Frage nach dem empirischen Zusammenhang zwischen Schattenwirtschaft und Gesamtregulierung kann zunächst durch eine einfache Gegenüberstellung der entsprechenden Werte nachgegangen werden. Die Abbildung 23 gibt einen ersten Hinweis auf die auch theoretisch erwartete positive Beziehung. In den Ländern, in denen die gesamtwirtschaftliche Regulierung höher ist, ist auch das Ausmaß der Schattenwirtschaft höher. Die mit dem IW-Index gemessene Regulierungsintensität variiert innerhalb der 25 verglichenen OECD-Länder deutlich (Enste/Hardege, 2007). Sehr gering reguliert sind Neuseeland, USA und das Vereinigte Königreich, die auf einer Skala von 0 (gering reguliert) bis 100 (hoch reguliert) Punktwerte von 23, 24 bzw. 26 (Werte für 2001-2005) aufweisen und auch nur eine kleine Schattenwirtschaft haben. Am anderen Ende liegen Polen (66), Griechenland (61) und Italien (59). Deutschland findet sich mit 50 Punkten im hinteren Mittelfeld (Platz 22) wieder. Der ungewichtete OECD-Durchschnitt liegt bei 38 Punkten (Enste/Hardege, 2007).

87

Abbildung 23 Schattenwirtschaft und Regulierung Höhere Regulierung – mehr Schwarzarbeit

35 SL

30

ITL*

Schattenwirtschaft

H H*

25 20 15

NZ* GB* NZ

FIN* DK* S FIN DK CAN* IRL* IRL CANAUS* NL* GB AUS NL

USA* USA

10

B* B NOR* S* NOR

CH* CH

ITL

P* E P

CZ CZ*

E* D* F* F

A A* J

PL* GR* PL GR

SL*

D

y = 0,3548x + 3,2393 R2 = 0,541

J*

5 0 15

25

35

45

55

65

75

Regulierungsindex

* = Land in den Jahren 1995-2000 Quelle: Schattenwirtschaft 1995-2000 and 2001-2005 in Prozent des BIP (Enste/ Schneider 2006; Schneider 2005); Regulierung basierend auf IW-Regulierungsindex (0 = keine, 100 höchste Regulierung 1995-2000/2001-2005) Enste/ Hardege (2007). Eigene Berechnungen

Um sich gegen den Vorwurf zu wehren, dies wäre eine Scheinkorrelation, werden differenziertere Analysen durchgeführt. Um neben der Regulierung auch die anderen als theoretisch relevant erachteten Parameter simultan zu berücksichtigen, wird eine Regressionsanalyse mit mehreren unabhängigen Variablen durchgeführt. Dadurch kann der Einfluss jeder einzelnen Größe auf die Schattenwirtschaft – unter Konstanthalten der anderen Größen – untersucht werden. Es wird hierzu die folgende Modellgleichung unterstellt: Schattenwirtschaft = β1(Steuerlast) + β2(Pro-Kopf-Einkommen) + β3(Arbeitslosenquote) + β4(Steuermoral) + β5(Regulierung)+ε Die Einflussvariable Regulierung wird dabei zunächst als Gesamtregulierung aufgefasst, die als Mittelwert der fünf Teilindikatoren des IW-Regulierungsindex definiert ist (vgl. hierzu ausführlich Enste/Hardege, 2007). Anschließend werden einzelne Regulierungsteilindikatoren einbezogen. Die Schätzung bestätigt die auf theoretischer Grundlage angenommenen Wirkungsrichtungen. Bis auf das Pro-Kopf-Einkommen weisen alle Koeffizienten signifikante positive Vorzeichen auf. Mit einer Zunahme der entsprechenden Größen – beispielsweise der Steuerlast und der Gesamtregulierung – steigt auch das Ausmaß der Schattenwirtschaft (Tabelle 6, Spalte 1). Selbst wenn weitere Einflussfaktoren wie die Steuermoral und das Pro-Kopf-Einkommen (Tabelle 6, Spalte 2) sowie die Arbeitslosenquote (Tabelle 6, Spalte 3) in die Analyse mit aufgenommen werden, ist die Regulierungs88

dichte weiterhin neben der Steuerlast die wichtigste Ursachen der Schwarzarbeit. Auch die Signifikanz des Einflusses bleibt sehr hoch, obwohl durch die zusätzlichen Variablen naturgemäß der Erklärungsbeitrag einzelner Faktoren sinkt. Der standardisierte BetaKoeffizient der Regulierungsdichte bleibt mit 0,276 bis 0,526 aber hoch. In weiteren Modellspezifikationen werden die Einflüsse der übrigen Variablen genauer untersucht, wobei hier der Übersicht halber nur ausgewählte, für den Einfluss der Regulierung relevante Ergebnisse aufgelistet werden. Einen signifikanten Erklärungsbeitrag liefert die Steuermoral nur, wenn die Steuerlast nicht in das Modell einbezogen wird (Tabelle 6, Spalte 4). Da zwischen der Höhe der Steuerlast und der Steuermoral enge Beziehungen bestehen, ist dies jedoch gut erklärbar. Ein positiver Zusammengang bedeutet hier, dass die Schattenwirtschaft größer wird, wenn die Akzeptanz der Steuerhinterziehung steigt. Eine gute Qualität der staatlichen Institutionen hat den erwarteten negativen Einfluss auf die Größe der Schattenwirtschaft (Tabelle 6, Spalte 5). Die Qualität des Rechtssystems, eine effiziente und effektive Verwaltung, eine geringe Korruptionsneigung und ein effizientes, transparentes Steuersystem, dessen Ausgestaltung – auch unabhängig von der Höhe der Steuersätze – die Arbeitsanreize nicht unterminiert, sind Variablen zur Messung der Qualität staatlicher Institutionen. Neben der Gesamtregulierung sind einzelne Teilbereiche und deren Bedeutung für irreguläre Aktivitäten von Interesse – zum Beispiel die Regulierung von Produkt- und Arbeitsmarkt. Auch die Produktmarktregulierung (Tabelle 6, Spalte 6) ist signifikant positiv mit der Schattenwirtschaft korreliert und liefert in einem Modell zusammen mit Steuerlast und Arbeitslosenquote einen hohen Erklärungsbeitrag (Beta-Koeffizient = 0,314). Eine geringere Regulierung der Produktmärkte bedeutet größere ökonomische Freiheit der Wirtschaftsakteure, weniger bürokratische Hürden und einen intensiveren Wettbewerb. In den Ländern, in denen diese Regulierungsintensität geringer ist, sind tendenziell auch die Aktivitäten in der Schattenwirtschaft weniger ausgeprägt. Es bestehen dann geringere Anreize, Tätigkeiten aus der offiziellen Wirtschaft auszulagern.

89

Tabelle 6 Schattenwirtschaft und ihre Ursachen Ergebnisse einer multivariaten Analyse Größe der Schattenwirtschaft Variablen

(1) OLS

(2) OLS

(3) OLS

(4) OLS

(5) OLS

(6) OLS

(7) OLS

Gesamtregulierungs-

0,526***

0,302***

0,276**

0,351***

-

-

-

dichte

(5,1)

(2,8)

(2,4)

(3,0)

Steuer- und Abgaben-

0,390***

0,303***

0,285***

-

0,313***

0,367***

-

last

(3,7)

(3,0)

(2,8)

(3,1)

(3,4)

Steuermoral

-

0,112

0,114

0,212**

0,133

-

(1,3)

(1,3)

(2,5)

(1,5)

Pro-Kopf-Einkommen

-

-0,443***

-0,412***

-0,452***

-,367***

(4,0)

(3,5)

(3,6)

(2,8)

0,201* (2,0)

-

0,571*** (4,8)

Arbeitslosenquote

-

-

0,085

0,15

0,1

0,312***

0,217*

(0,8) Qualität staatlicher In-

-

-

-

(1,3)

(0,9)

(2,9)

(2,0)

-

-0,270***

-

-

-

-

-

-

-

-

0,221**

-

-

-

-

-

0,314***

stitutionen Arbeitsmarkt-

(2,2)

regulierung Produktmarkt-

(2,2)

regulierung Dummy Shift Variable F-Werte

-

(2,9) 0,01

0,156

0,152

0,142

0,116

0,016

0,202**

(0,0)

(1,8)

(1,8)

(1,5)

(1,2)

(0,2)

(2,1)

28,391

25,597

24,525

20,833

20,448

20,565

18,396

R korrigiert

0,626

0,715

0,712

0,669

0,704

0,615

0,64

Anzahl der Beobach-

50

50

50

50

50

50

50

2

tungen

Standardisiert Beta- Koeffizienten and Regression Ergebnisse (t-Statistik); */**/*** = Signifikant auf dem 10/ 5/ 1 Prozentniveau Quelle: Eigene Berechnungen

Zur Kontrolle der Ergebnisse wurde zum einen eine Dummy Shift Variable in die Modelle integriert, um sicherzustellen, dass die OLS-Schätzungen nicht durch die Verwendung der gleichen Länder zu zwei Zeitpunkten verzerrt werden. Zum anderen wurde sowohl eine gepoolte Klumpen-OLS-Schätzung sowie eine Zeitreihenanalyse (Random-Effekt- Panel Modell) durchgeführt, welche zu sehr ähnlichen Ergebnissen wie die in der Tabelle 6 aufgeführten OLS-Schätzungen kommen. Wie aufgrund der verwendeten Methoden zu erwarten, sinken die T-Werte und damit die Signifikanzniveaus geringfügig, der Erklärungswert der einzelnen Variablen verändert sich hingegen kaum. Ein Test bezüglich der Interaktionseffekte zwischen den beiden Zeiträumen hat zudem gezeigt, dass die Regressionskoeffizienten sich zwischen den Zeiträumen nicht signifikant unterscheiden, d.h. die Koeffizienten und damit die Modelle sind zwischen den beiden Zeiträumen ähnlich und es gibt keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich des Einflusses der Variablen zwischen den Zeiträumen.

90

Somit zeigt sich, dass Regulierungen einen Einfluss auf die Schattenwirtschaft haben. Da wir im Gutachten gezeigt haben, dass durch Gutscheine Regulierungen obsolet werden, folgt als logischer Schluss, dass die Gutscheineinführung zur Schattenwirtschaftsreduktion beitragen kann. Auf Basis dieser Analyse des Einflusses von Regulierungen auf die Schattenwirtschaft können auch die Legalisierungspotenziale in Deutschland errechnet werden. Dafür wird geschätzt, in welchem Umfang die Schattenwirtschaft infolge einer Deregulierung verringert werden könnte und wie viel Wertschöpfung beziehungsweise wie viele Arbeitsplätze damit aus der Schattenwirtschaft in die offizielle Wirtschaft verlagert werden könnten. Die Reduktion der Regulierungsdichte um eine Standardabweichung (12 Punkte beim IWRegulierungsindex) kann je nach Modellrechnungen – in Abhängigkeit von der Zahl zusätzlich berücksichtiger Variablen – die Schattenwirtschaft um 1,62 bis 4,25 Prozentpunkte verringern, denn die (nicht standardisierten) Regressionskoeffizienten liegen zwischen 0,135*** und 0,355***. Übertragen auf Deutschland bedeutet dies: wenn Deutschland seine Regulierungsdichte von 50 Punkten auf das durchschnittliche Niveau in den Industrieländern (38 Punkte) verringern würde (dies entspricht nur zufällig einer Standardabweichung), würde die Schattenwirtschaft in Relation zum BIP im besten Fall um 4,25 Prozentpunkten von 15 Prozent (2006) auf 10,75 Prozent sinken. Da diese in Prozent des BIP dimensioniert ist, entspricht dies bei einem BIP von 2.245 Mrd. Euro (2006) einem Rückgang des Umfangs der Schattenwirtschaft um bis zu 95 Mrd. Euro. Tabelle 7 Legalisierung irregulärer Aktivitäten in Deutschland Auswirkungen einer Verringerung der Regulierungsdichte – Berechnungsschritte Regulierungsindex

Deutschland OECDDurchschnitt Angelsächsisches Cluster

Differenz zu Deutschland in Regulierungspunkten 50 0 38 12

*Steigungs -faktor (0,355)

26

8,5

24

0 4,25

abzgl. 1/3 davon wiederwg. illegaum nur 1/3 lelen Gütern galisierbar **) u. a. *) Angaben in Prozent des BIP 0 0 2,83 0,9 5,67

1,9

*) Legalisierung der Produktion dieser Güter (Drogen etc.) unerwünscht bzw. Wertschöpfung wird bereits im BIP erfasst; **) Gemäß Umfrageergebnissen würde nur rund 1/3 der Güter und Dienstleistungen auch unter offiziellen Rahmenbedingungen nachgefragt Quelle: Eigene Berechnungen

Für die Berechnung der zusätzlichen offiziellen Wertschöpfung sind aus diesen Zahlen jedoch die verbotenen Güter (Drogen etc.), kriminellen Aktivitäten (illegale Ausländerbeschäftigung) und die bereits im BIP enthaltenen Anteile herauszurechnen. Das Potential für legale Güter und Dienstleistungen liegt dann bei rund zwei Dritteln der gesamten Schattenwirtschaft (2,8 Prozent des BIP und bis zu 63 Mrd. Euro). Allerdings zeigen Umfragen, dass bei Wegfall der illegalen Beschäftigungsmöglichkeiten nur rund ein Drittel der Güter und Dienstleistungen auch legal unter den offiziellen Bedingungen und zu den höheren Preisen nachgefragt würden (Feld/Larsen, 2005). Die übrigen Arbeiten würden in Eigenleistung erbracht oder nicht mehr nachgefragt. Das offizielle BIP würde durch die ge91

ringere Schattenwirtschaft realistischer Weise um bis zu 20 Mrd. Euro (rund 1 Prozent des BIP) durch Absenkung des Regulierungsniveaus auf OECD-Durchschnitt ansteigen. Für die Berechnung der sich aus der geringeren Schwarzarbeit ergebenden Beschäftigungspotenziale alleine durch Deregulierung ist zu beachten, dass wiederum nur ein Teil dieser Wertschöpfung in der Schattenwirtschaft tatsächlich auf dem Einsatz von Schwarzarbeitsstunden basiert. Der Anstieg des offiziellen BIP um bis zu 20 Mrd. Euro basiert demnach nur zu zwei Dritteln auf Schwarzarbeitsstunden. Dies entspricht somit bis zu 14 Mrd. Euro. Bei einem durchschnittlichen Umsatz von 57.000 Euro pro Schwarzarbeiter im Jahr (die entspricht etwa der Hälfte des offiziellen Pro-Kopf-Umsatzes in den arbeitsintensiven Branchen), könnten durch den Abbau der Regulierung auf das durchschnittliche Niveau der OECD-Länder bis zu 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze aus der Schattenwirtschaft in die offizielle Wirtschaft verlagert werden (Tabelle 8). Tabelle 8 Reguläre Jobs statt Schwarzarbeit Beschäftigungs- und Wertschöpfungspotentiale durch Abbau von Regulierungen in Deutschland auf das durchschnittliche Niveau in den Industriestaaten bzw. in den angelsächsischen Ländern Basis

OECDDurchschnitt Angelsächsische Länder

Schattenwirtschaft (ohne illegale Schwarzarbeit und bereits im BIP enthaltene Ak- (= 6 bis 7 Prozent des BIP) tivitäten = ca. 9 - 11 Prozent des BIP) Offizielle Wertschöpfung Reguläre Arbeitsplätze (bei Umsatz pro Beschäftigtem vom durchschnittlich 57.000 Euro) + 8 bis 20 in 0,4 bis 0,9 in + 100.000 bis 250.000 Mrd. Euro Prozent des BIP + 16 bis 40 in 0,8 bis 1,8 in + 200.000 bis 500.000 Mrd. Euro Prozent des BIP

Quelle: Eigene Berechnungen

Bei einer Orientierung an der Regulierungsdichte der angelsächsischen Länder (26 Punkte) würden hingegen sogar bis zu 500.000 Jobs legalisiert und ein um bis zu 40 Mrd. Euro größeres offizielles BIP erstellt. Nicht eingerechnet sind dabei dynamische Effekte aufgrund der Belebung der offiziellen Wirtschaft sowie Ersparnisse aufgrund geringerer Rechtsverfolgungs- und -durchsetzungskosten sowie Bürokratiekosten. Wenn also die Absenkung der Steuer- und Abgabenlast aus politischen und fiskalischen Gründen nicht gelingt, bietet der Abbau von Vorschriften und Regulierungen zum Beispiel über ein Gutscheinsystem gemäß der obigen Berechnungen einen tragfähigen, alternativen wirtschaftspolitischen Ansatz. Bereits bestehende Arbeitsplätze könnten durch weniger Vorschriften legalisiert werden. Zudem mobilisiert eine Verringerung der Regulierungsintensität auch in der offiziellen Wirtschaft zusätzliche Erwerbstätigkeit und Wertschöpfung (Enste/Hardege, 2007). Zusätzliche reguläre Arbeitsplätze im Umfang von bis zu 250.000 sind dabei nicht unrealistisch.

92

Diese eher indirekte Wirkungskette veranschaulicht, dass mit Hilfe des Gutscheinsystems alleine durch die Vereinfachung im Bereich der Produktionseffizienz deutliche Wachstumspotenziale generiert werden können, da die Schattenwirtschaft verringert werden kann. Darüber hinaus sind die theoretisch erwarteten Verbesserungen im Bereich der Allokationseffizienz sowie im Bereich der Effektivität zu berücksichtigen, so dass sich weitergehende positive gesamtwirtschaftliche Effekte vermuten lassen, welche jedoch auf empirischer Basis bislang leider nicht belegt werden können. 5.4.3 Essensgutscheine und Schattenwirtschaftsreduktion Wesentlich direkter sind die Auswirkungen der weiteren Verbreitung von Essensgutscheinen auf die Schwarzarbeitsbekämpfung. Der Gastronomiebereich zählt mit fast 13 Prozent am Umfang der Schwarzarbeit in Deutschland verschiedenen Studien zu Folge zu den am meisten von Schwarzarbeit betroffenen Branchen. Abbildung 24 dokumentiert die jüngsten Umfrageergebnisse hierzu: Abbildung 24 Verbreitung der Schwarzarbeit nach Branchen in Deutschland (2007)

4,3

Arbeiten im und am Haus, Hausbau

2,0 1,7 1,1 18,7

Hausarbeiten

5,6

KFZ-Reparatur Gastronomie, Hotelgewerbe

12,1

Frisieren, Schöhnheitspflege Nachhilfe, Kinderbetreuung

15,8

Unterhaltungs-, Vergnügungsbranche Kranken-, Altenpflege

12,2

Gehobene Dienstleistungen, Beratung Industrie

12,8

13,7

Supermarkt, Einzelhandel

Quelle: TNS Emnid Umfrage im Auftrag des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (2007)

Eine europäische Vergleichsstudie, die Ende Oktober 2007 veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass im Durchschnitt aller 27 EU-Staaten rund 8 Prozent der Schwarzarbeit auf das Hotel- und Gaststättengewerbe entfällt. Nach Angaben der 26.659 Befragten in den 27 EU-Staaten werden nur in der Baubranche (16 Prozent) und rund um den Haushalt (19 Prozent) mehr Leistungen schwarz erbracht als hier. In Südeuropa ist die Gastronomie mit 17 Prozent sogar die zweitgrößte Schwarzarbeitsbranche (Eurobarometer. 284/Wave 67.3, Oktober 2007). Legt man diese Angaben zur Struktur der Schwarzarbeit bei der weiteren Analyse zugrunde und überträgt dann diese Strukturdaten auf die gesamte Schattenwirtschaft (siehe Ab93

bildung 25), ergibt sich ein Umfang der schattenwirtschaftlichen Aktivitäten im Bereich der Hotellerie und Gastronomie von rund 45 Mrd. Euro. Da die Schattenwirtschaft neben dem reinen Zeiteinsatz weitere Wertschöpfungsprozesse erfasst (siehe folgende Übersicht 18), kann nicht der gesamte Umsatz von rund 45 Mrd. Euro von der Schattenwirtschaft durch – z. B. den Einsatz von Gutscheinen in die offizielle Wirtschaft transferiert werden. Neben dem Schwarzarbeitszeiteinsatz (ca. 18-20 Mrd. Euro) kann noch der Materialeinsatz (ca. 10 Mrd. Euro) hinzugerechnet werden (Übersicht 18). Abbildung 25 Entwicklung der Schattenwirtschaft in Deutschland (2007), in Mrd. Euro

400 350

322,3 329,8

350,4

370

356,1 346,2 345,5

349

300 241,1

250 200 147,9

150 100

80,2

50

102,3

29,6

07 20

06 20

20

05

04 20

20

03

02 20

01 20

00 20

95 19

90 19

85 19

80 19

19

75

0

Quelle: Schneider/Enste, 2007, makroökonomische Verfahren

Übersicht 18 Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit im Vergleich Anteil des Gastronomiebereichs

Art/Quelle der schattenwirtschaftlichen Wertschöpfung Schwarzarbeit (Umfrageergebnisse) + Materialeinsatz + illegale Aktivitäten, Güter/DL + im BIP enthaltene Aktivitäten

= Schattenwirtschaft

140-160

Umsatz im Hotel-/ Gastronomiebereich in Mrd. Euro (jeweils 12,8 Prozent) 18 - 20,5

3,0 - 4,0

70 - 90

9 - 11,5

4,0 – 5,0

90 - 112

11,5 – 14

1,0 - 2,0 15,0

23 - 45 ca. 350

3–6 ca. 45

Umfang in Prozent des BIP 6,0-7,0

Umfang in Mrd. Euro

(Bargeldumlauf/ DYMIMIC) Quelle: Eigene Berechnungen

94

Von diesen rund 30 Mrd. Euro lässt sich jedoch wiederum nur ein Teil legalisieren, da viele Menschen diese Dienstleistung – wenn sie nicht schwarz angeboten würden – entweder gar nicht nachfragen würden (48 Prozent) oder sie selber erstellen würden (30 Prozent). Rund ein Viertel (22 Prozent) würde nach Angaben der Befragten in Deutschland auch unter offiziellen Bedingungen nachgefragt werden (Repräsentative Umfrage (19. 29. Januar 2007; 1.018 Befragte ab 18 Jahren, durch TNS Emnid). In der EurobarometerUmfrage liegt der Wert für die EU-27-Staaten hingegen sogar bei rund 50 Prozent. Für Skandinavien weisen Umfragen einen Wert von rund 30 Prozent als Legalisierungspotenzial aus (Feld/Larsen, 2006). Bei einer vorsichtigen Schätzung auf Basis der deutschen Ergebnisse kann somit von einem Legalisierungspotenzial von 30 Mrd. Euro* 25 Prozent = 7,5 Mrd. Euro ausgegangen werden – bei einem Gesamtumsatz in Hotel und Gastronomie von 43,2 Mrd. Euro im Jahr 2005 (Statistisches Bundesamt, 2007a). Rund 60 Prozent entfallen davon auf das Gastgewerbe. Die Ausgaben pro Restaurantbesuch liegen bei durchschnittlich 6 bis 8 Euro pro Person. Bei der Verpflegung im Betriebsrestaurant sind dies rund 2,77 Euro (ZMP, 2004). Ein einfacher Weg einer zumindest teilweisen Legalisierung der Wertschöpfung im Gastronomiebereich führt über Essensgutscheine. Insbesondere bei der Mittagsversorgung, die rund 40 Prozent der Ausgaben im Außer-Haus-Verpflegungsmarkt in Restaurants ausmacht (ZMP, 2004), könnten Essensgutscheine auch positive Effekte bei der Schattenwirtschaftsbekämpfung erzielen. Als Größenordnung können 7,5 Mrd. Euro * 60 Prozent (Anteil Gastronomie) * 40 Prozent (Anteil Mittagsversorgung) = 1,8 Mrd. Euro angesetzt werden, die mittels Essensgutscheinen legalisiert werden könnten. Dies ist eine vorsichtige Potentialabschätzung, da der Anteil der schattenwirtschaftlichen Aktivitäten im Bereich Gastronomie – aufgrund der leichteren Möglichkeit der Verschleierung – tendenziell höher als im Hotelbereich liegen dürfte, so dass die Verwendung der offiziellen Anteilsstruktur zu einer konservativen Schätzung führt.

5.4.4 Kita-Gutscheine und Schwarzarbeitsverringerung Der Einsatz von Gutscheinen im Bereich der Kinderbetreuung würde gemäß nationaler und internationaler Erfahrungen ebenfalls die informelle bis hin zur illegalen Betreuung deutlich verringern und die offizielle Beschäftigung in zweifacher Form fördern. Zum einen steigt die Nachfrage nach legalen Betreuungsmöglichkeiten und damit die Zahl der Beschäftigten. Zum anderen wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf systematisch verbessert, so dass insbesondere die Frauenerwerbstätigkeit erhöht wird. Denn die Kinderbetreuung wird häufig durch informelle Betreuungsformen bereitgestellt: So wird im Bereich Nachhilfe und Kinderbetreuung ein Anteil von 12,1 Prozent der gesamten Schwarzarbeitszeit – dies entspricht rund 18 Mrd. Euro – jenseits der offiziellen Wege geleistet. Zahlen aus Hamburg verdeutlichen die Situation. Mit der Einführung des Gutscheinsystems mussten über 3.000 neue Plätze in der Kindertagesbetreuung geschaffen werden, da die manuell gepflegten Warte- und Vormerklisten in den Bezirksämtern und den Tageseinrichtungen keine belastbaren Daten enthielten. Als das Gutschein-System startete, zeigte die nun in einem zentralen EDV-System geführte Warteliste auf, dass in Hamburg mehrere tausend Kinder von berufstätigen Eltern oder von solchen in Ausbildung zuvor unversorgt waren. Zwischen 2002 und 2006 ist die Zahl der betreuten Kinder in Kindertagesbetreuung anschließend um 4,5 Prozent von rund 68.200 auf etwa 71.300 gestiegen. Ein Anstieg von über 23 Prozent ist bei Kindern unter drei Jahren zu verzeichnen, da in 95

dieser Altersgruppe ein großer Bedarf vorhanden war und das Platzangebot stark erweitert wurde (Bange/Arlt/Klipp 2007a/b). Auch in Finnland hat sich die Betreuungssituation mit der Einführung des GutscheinSystems stark geändert. Die Inanspruchnahme öffentlicher Kinderbetreuung stieg für die 3 bis 6-jährigen im Schnitt um 3-5 Prozent an; in Gegenden mit einem hohen Bedarf sogar um 5-9 Prozent. Bei den 1 bis 2-jährigen konnte ein Anstieg von 3,5 Prozent beobachtet werden (Viitanen, 2007). In England konnte eine ähnliche Entwicklung beobachtet werden. Hier nutzen nun wesentlich mehr Familien die angebotene Kleinkindbetreuung (Bryson/Kazimirski/Southwood, 2006). Diese Ergebnisse geben erste Hinweise darauf, dass mit Einführung des Gutscheinsystems und dem damit verbundenen Anspruch auf einen bedarfsgerechten Platz in einer Tageseinrichtung, ein signifikanter Anteil von Kindern von informeller Betreuung zu formeller Betreuung wechselt. Bei 2,2 Millionen Kindern in Deutschland unter 6, die sich in der Kinderbetreuung befinden und einem Transfervolumen von 11,54 Milliarden Euro ergäbe sich eine Gutscheinhöhe von durchschnittlich 435 Euro pro Kind und Monat. Bei Zugrundelegung der Hamburger und finnischen Daten kann man bei Einführung eines Gutscheinsystems und eines bedarfsgerechten Platzangebots von einem durchschnittlichen Zuwachs betreuter Kinder von 4,5 Prozent ausgehen, d.h. knapp 100.000 Kinder in Deutschland würden zusätzlich, statt informell betreut zu werden, Kindertageseinrichtungen besuchen, da ihre Eltern entweder berufstätig sind oder sich in Ausbildung befinden. Das entspricht einem weiteren Transfervolumen von ca. 520 Millionen Euro pro Jahr. Sicherlich muss berücksichtigt werden, dass die informelle Betreuung nicht dieses Volumen umfasst, da dort nur die wirklich benötigten Stunden und zudem meist geringere Entgelte gezahlt werden oder im Bereich der Betreuung durch Verwandte keinerlei Geldtransfer stattfindet. Dennoch wird sicherlich ein großer Anteil auch aus der Schattenwirtschaft in die offizielle Wirtschaft verlagert und dort besteuert werden. 5.4.5 Pflegegutscheine und Schwarzarbeitslegalisierung Der Pflegebereich ist aktuell besonders häufig in der Diskussion, wenn es um illegale Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte in deutschen Haushalten geht. Eine rund-um-dieUhr-Betreuung zu Hause kostet regulär rund 6.000 Euro pro Monat und kann von vielen Familien nicht aufgebracht werden. Stattdessen werden osteuropäische Pflegekräfte oder Haushaltshilfen, die häufig mit Touristenvisum einreisen, für drei Monate beschäftigt. Diese müssen dann wieder ausreisen und werden durch Angehörige ersetzt, so dass im Ringtausch die Pflege zu Hause gesichert werden kann. Nicht alle derartigen Beschäftigungsverhältnisse sind per se illegal. Unter bestimmten Bedingungen lassen sie sich legalisieren, wobei allerdings die Schwarzarbeit dominiert. Problematisch wird dies vor allem dann, wenn die Qualität der Pflege nicht gesichert werden kann und es zu einem ungleichen Wettbewerb zwischen legalen und illegalen Anbietern kommt. Durch die Einführung von Pflegegutscheinen wird der Anreiz erhöht, die Pflege legal durchführen zu lassen, da nur legal erbrachte Leistungen gegen Gutscheine abgerechnet werden können. Neben dem geringeren Umfang bei der illegalen Beschäftigung, erwartet Weinkopf (2007) den Ausbau und die weitergehende Differenzierung des Angebots. Damit einher geht nach Erwartungen von Hartl/Kreimer (2004) eine Reduktion der Arbeitslosigkeit und Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit insgesamt sowohl aufgrund der zusätzlichen Jobs im Bereich sozialer Dienstleistungen als auch aufgrund der besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt die Studie 96

von Schupp/Schäfer (2005), was das „Wachstumspotenzial von privatwirtschaftlich angebotenen haushaltsnahen und personenbezogenen Dienstleistungen“ betrifft. Wenngleich neuere Studien zeigen, dass die damals erwartete Zunahme der Beschäftigungsmöglichkeiten gering Qualifizierter überschätzt wurde, zeigen sich insbesondere positive Auswirkungen auf den Anteil der im Schwarzmarkt geleisteten Arbeit an der Gesamtzeit, wenn die steuerliche Belastung sinkt (Schupp/Schäfer, 2005, 62) und Überprüfungsmöglichkeiten z. B. im Rahmen von Gutscheinsystemen geschaffen werden. Wichtig ist die Abgrenzung zwischen pflegerischen Leistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen, die beide in einem Haushalt mit Pflegebedürftigen anfallen und zum Wohlergehen des Betroffenen beitragen. Während pflegerische Leistungen Fachpersonal vorbehalten bleiben sollten, müssten Pflegegutscheinlösungen breitere Anwendungsgebiete bezüglich der ergänzend notwendigen Leistungen ermöglichen, um die Kosten in Grenzen zu halten. Haushaltsnahe Dienstleistungen können zwar nicht ohne jede Qualifikation erbracht werden, stellen jedoch weniger Ansprüche an die Beschäftigten als die Pflegeleistungen. Eine Differenzierung des Leistungsspektrums z. B. des Pflegebudgets oder der Gutscheine würde dem Rechnung tragen. Insgesamt umfasst der Bereich des informellen und des Haushaltssektors fast 50 Prozent des offiziellen BIP. Diese unbezahlte Arbeit zusammengenommen erreicht dabei nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ein Jahresvolumen von rund 100 Mrd. Stunden, die zu 60 Prozent von Frauen geleistet werden. Die Erwerbsarbeit macht gut 56 Mrd. Stunden aus, die zu etwa zwei Dritteln von Männern geleistet wird. Wegezeiten für die Erwerbsarbeit (10 Mrd. Stunden) sowie die Schwarzarbeitszeit (mindestens 2,1 Mrd. bis 4,2 Mrd. Stunden, siehe oben) kommen noch hinzu (Übersicht 19). Übersicht 19 Jahresvolumen bezahlter und unbezahlter Arbeit in Mrd. Stunden

Erwerbsarbeit Hausarbeit Wegezeiten Gesamt

Frauen 19,6 57,6 3,5 80,7

Männer 36,4 38,4 6,5 81,3

Gesamt 56 96 10 162

Bevölkerung ab 12 Jahren; nachrichtlich: zusätzlich 2,1 – 4,4 Mrd. Stunden Schwarzarbeit Quelle: Statistisches Bundesamt (2004) und eigene Berechnungen

Die Haushaltsproduktion erreicht auf Basis der Angaben des Statistischen Bundesamtes selbst bei vorsichtigen Schätzungen im Jahr 2001 eine Wertschöpfung von 987 Mrd. Euro. Darin enthalten sind u. a. die mit einem Nettostundenlohn (einschließlich Bezahlung von Urlaub und Krankheit) von 8,85 Euro pro Stunde bewertete Arbeitszeit (850 Mrd. Euro), die kalkulatorischen Einnahmen aus Wohnungsvermietung (56 Mrd. Euro) sowie die Abschreibungen auf dauerhafte Gebrauchsgüter und eigengenutztes Wohneigentum (72 Mrd. Euro) (vgl. Tabelle 9). Allerdings gibt es in diesem Bereich auch viel nicht erfasste Schwarzarbeit: In rund 3,6 Millionen Privathaushalten wird die Hausarbeit regelmäßig (2/3) oder zumindest gelegentlich (1/3) von einer nicht angemeldeten Haushaltshilfe ausgeführt, wie auf Basis des Sozioökonomischen Panel ermittelt werden kann. Das Bundesfinanzministerium beziffert den Wert der Arbeiten auf 55 Milliarden Euro (Schupp/Schäfer, 2005, 78). 97

Tabelle 9 Eine Billion Euro Wertschöpfung in Privathaushalten Sektor Beschreibung

Jahr Wertschöpfung in Mrd. Euro Im Verhältnis zum offiziellen BIP in %

Offizieller Sektor 2) Privatwirtschaft (Unternehmen, Haushalte) und Staat = offizielles Bruttoinlandsprodukt

1992 1.613

2001 2.074

100

100

Haushaltsektor3) v. a. unbezahlte Haus-/ Gartenarbeit; Kinderbetreuung; Pflege der Älteren; Nachbarschaftshilfe, Ehrenamtliche Tätigkeiten 1992 2001 839 987 52

48

1) Angaben für das Jahr 1992 und 2001 (basierend auf der Zeitbudgeterhebung 2001/2002); 2) Einschließlich 130 Mrd. Euro (1992) bzw. 214 Mrd. Euro (2001) aus Haushaltsproduktion, die ins BIP eingerechnet werden; 3) Unbezahlte Hausarbeit bewertet mit dem Nettolohn eines Generalisten (einschl. Bezahlung für Krankheit und Urlaub) in Höhe von 8,85 Euro sowie Abschreibungen und Sonstiges Quelle: Statistisches Bundesamt, 2004

Die Zahl der angemeldeten Haushaltshilfen beläuft sich verglichen damit auf nur rund 150.000, wenngleich sich die Zahl in den letzen vier Jahren mehr als versechsfacht hat. Abbildung 26 Haushaltsnahe geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten 160.000

140.000

120.000

100.000

80.000

60.000

40.000

20.000

0 Jun 03 Sep 03 Dez 03 Mrz 04 Jun 04 Sep 04 Dez 04 Mrz 05 Jun 05 Sep 05 Dez 05 Mrz 06 Jun 06 Sep 06 Dez 06 Mrz 07

Quelle: Bundesknappschaft/Minijob-Zentrale, Stand: Mai 2007

98

6 Zusammenfassung Gutscheine werden zu Weihnachten – und nicht nur dann – in Deutschland zu einem immer beliebteren Geschenk: Jeder Dritte wünschte sich Geschenkgutscheine und jeder Dritte bekam sie, wie eine repräsentative Bevölkerungsumfrage (2007) von 2.000 Bundesbürgern über 18 Jahren zeigt (Deloitte Christmas Survey, 2007). Damit gehören Gutscheine zu den beliebtesten und zugleich häufigsten Geschenken. Auch in 14 weiteren EU-Ländern, in denen die Umfrage durchgeführt wurde, liegen Gutscheine neben Büchern und Bargeld auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Besondere Vorteile von Gutscheinen sind für den Beschenkten Wahlfreiheit und Flexibilität sowie der geringe Aufwand bei der Einlösung. Gleichzeitig ist der Gutschein persönlicher als Bargeld und der Schenker kann bedingt mitbestimmen, wofür das Geld ausgegeben wird. Aus ganz ähnlichen Gründen wird der Einsatz von Gutscheinen von wissenschaftlicher Seite seit rund 50 Jahren auch in der Bildungs- und Sozialpolitik propagiert: Ziel ist es dabei, staatliche Leistungen effizienter und bedarfsgerechter anzubieten und eine optimale Mischung aus staatlicher Lenkung, wirtschaftlicher Bereitstellung und Wahlfreiheit zu finden. Eine Vielzahl von theoretischen Beiträgen der letzten Jahre befasst sich mit den Problemen, den Konsequenzen und der praktischen Umsetzung von Gutscheinmodellen. In Deutschland ist das Konzept bisher von der Politik allerdings kaum aufgegriffen worden. Eine Ausnahme bildet die jüngste Initiative des Bundesfamilienministeriums. Obwohl es in zahlreichen Anwendungsbereichen – wie bei sozialen Dienstleistungen – Hinweise darauf gibt, dass staatliche Eingriffe mittels Gutscheinen effizienter und zielgenauer erfolgen können als durch direkte staatliche Bereitstellung oder eine Objektförderung. Auch in der betrieblichen Praxis spielen Gutscheine in Deutschland – zum Beispiel im Bereich der Mittagsverpflegung – anders als in einigen europäischen Ländern bisher faktisch nur eine untergeordnete Rolle. Dieser Ausgangsbefund ist der Anlass für die vorliegende Untersuchung über die Effekte eines verstärkten Einsatzes von Gutscheinen als Instrument sowohl der öffentlichen Sozialpolitik wie der betrieblichen Personalpolitik. Ziel dieser Studie ist es, belastbare Antworten auf folgende Leitfragen zu finden: • • •

Welche Einsatzmöglichkeiten bieten Gutscheine einer auf Mitarbeiterbindung bedachten betrieblichen Personalpolitik? Welche sozialpolitischen Leistungen lassen sich mit Gutscheinen effizienter als bisher anbieten? Welche volkswirtschaftlichen Effekte kann ein verstärkter Einsatz von Gutscheinen auslösen?

Die Beschreibung und Erläuterung der theoretischen Grundlagen schafft ein tragfähiges Fundament für die Ermittlung der Effizienzpotentiale. Die sich daran anschließende Bestandsaufnahme fasst bisherige Erfahrungen mit Gutscheinen in verschiedenen Bereichen der Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik und in unterschiedlichen Ländern zusammen. Diese Daten bilden die Grundlage für die Abschätzung der Effizienzreserven und deren Realisierungschancen. Die darauf aufbauende Analyse erfolgte mit Blick auf Soziale Dienstleistungen einerseits und die betriebliche Personalpolitik andererseits.

99

Im Bereich der betrieblichen Personalpolitik lassen sich folgende Kernpunkte als Ergebnisse der Studie festhalten: • • •







Essensgutscheine tragen als Baustein der betrieblichen Gesundheitsförderung zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten bei. Essensgutscheine bieten den Unternehmen eine (steuer-)günstige Option der Gehaltserhöhung für ihre Beschäftigten. Essensgutscheine werden sich angesichts der demografischen Entwicklung zu einem wichtigen Faktor der Unternehmensbindungsprogramme weiterentwickeln: Im Rahmen der freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen werden sie künftig von immer mehr Unternehmen als Teil ihres Cafeteria-Systems angeboten. Unternehmensintern können Essensgutscheine dazu beitragen, Ungleichbehandlungen zwischen Hauptstelle (mit Kantine) und Niederlassungen (ohne Kantine) zu vermeiden, da über Gutscheine allen eine vergünstigte Mittagsversorgung ermöglicht wird. Indirekt werden so Peripheriestandorte aufgewertet und für Mitarbeiter attraktiver. Bisher haben rund 80 Prozent der Arbeitnehmer keine Möglichkeit, von der steuerbegünstigten Mittagsverpflegung zu profitieren. Bislang bezahlen lediglich 1,8 Prozent der Beschäftigten ihre Verpflegung am Arbeitsplatz mit Essenschecks. In anderen Ländern liegt diese Quote deutlich höher: zum Beispiel in Österreich und Italien bei10 Prozent bis hin zu 80 Prozent in Ungarn. Nach vorliegenden Markterhebungen und Umfragen in Unternehmen und Betrieben wird das tatsächliche Potenzial, welches zusätzlich für Gutscheine aktivierbar ist, realistischerweise auf 3 bis 9 Prozent des Gesamtvolumens von 19,7 Milliarden Euro taxiert. Dabei ist dies sehr stark abhängig von den jeweiligen Branchen. Das potentielle erreichbare Gutscheinvolumen beträgt dann zwischen 600 Millionen und 1,8 Milliarden Euro pro Jahr.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bieten Essensgutscheine ebenfalls Vorteile, die sich u.a. aus der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und Bürokratiekosteneinsparungen ableiten lassen. • •

Die gesamtwirtschaftlichen Netto-Effizienz- und Effektivitätsvorteile belaufen sich schätzungsweise auf 3 bis 11 Prozent. Durch die Essensgutscheine können Restaurantleistungen zumindest partiell legalisiert werden, da über Gutscheine im Gegensatz zur Barzahlung eine Dokumentation der Verkäufe erfolgt. Dies kann zur Verringerung der Schwarzarbeit und der Schattenwirtschaft beitragen. Ergänzend führt die mögliche Verringerung von Bürokratie und Regulierung durch ein Gutscheinsystem dazu, dass das Schattenwirtschaftsvolumen insgesamt um rund 1,8 Milliarden Euro gesenkt werden kann.

100

Bei den Sozialen Dienstleistungen werden die volkswirtschaftlichen Gesamteffekte der Einführung von Gutscheinsystemen mit dem Ziel der ersten Abschätzung einer Effizienzrendite ermittelt, die sich im Wesentlichen aus folgenden Teileffekten zusammensetzt: •









Bürokratiekosten: Kurzfristig ist durch die Umstellung der bestehenden Systeme zwar mit hohen Einführungskosten zu rechnen. Mittel- bis langfristig ergeben sich jedoch deutliche Einspareffekte (J-Kurveneffekt). Qualität: Durch die Restrukturierung bei Finanzierung und Angebot ist übergangsweise mit geringfügigen Qualitätseinbußen zu rechnen, die aber im Zeitablauf schnell mehr als ausgeglichen werden. Wahlfreiheit: Unmittelbar positiv beeinflusst werden – bei entsprechende Bereitstellung von Informationen und ggf. Infrastruktur – Auswahl, Vielfalt, Kreativität und Innovation der Angebote. Effektivität: Für den Staat bieten sich Vorteile durch die Differenzierung nach Bedürftigkeit, Höhe und Art der Leistungen, so dass einzelne Gruppen zielgenau gefördert werden können. Dazu gehören Sprachförderkurse, bedürftigkeitsgemäßer Stundenumfang für die Kinderbetreuung oder auch die bessere Ernährung durch Schulessen. Damit kann die Chancengerechtigkeit verbessert und die Gleichbehandlung aller entsprechend der Bedürftigkeit sichergestellt. Mitnahmeeffekte und überflüssige Angebote werden hingegen vermieden. Gesamtwirtschaftliche Effekte: Positiv wirken sich Gutscheine letztlich auch auf Beschäftigung und Wachstum aus – nicht zuletzt durch die Verringerung der Schwarzarbeit aufgrund der Verringerung von Regulierungsdichte und Legalisierungseffekten.

Alle oben genannten Effizienzbausteine zusammen addieren sich zu einer Reformdividende, die je nach Bereich schätzungsweise zwischen 5 und 30 Prozent liegt. Basierend auf den jeweiligen Transfervolumina in den Bereichen Kinderbetreuung, Pflegeleistungen, Behindertenhilfe sowie Leistungen im Bereich der Grundsicherung entspricht dies umgerechnet Effekten in Höhe von bis zu 4,7 Milliarden Euro durch Qualitätsverbesserungen und Kosteneinsparungen. Dies entspricht einer mittelfristigen Reformdividende von rund einem Viertel des jährlichen Transfervolumens bei der Kinderbetreuung. Die umfangreichen Analysen und die Vielzahl an Einzelergebnissen werden in der Übersicht 1 zusammenfassend dargestellt, wobei die komplexen Zusammenhänge im Bereich der Sozialen Dienstleistungen natürlich nur grob vereinfacht skizziert werden können. Eine systematische Umstellung des Angebots von sozialen Dienstleistungen in allen Bereichen würde mittelfristig eine Reformrendite von insgesamt 2,6 Milliarden bis zu 12,5 Milliarden Euro ermöglichen. Das genaue Ausmaß hängt stark von der Art der Ausgestaltung der Gutscheine ab und bedarf auch einer weiteren empirischen Überprüfung durch Experimente oder die Evaluation von Gutschein- bzw. Quasigutscheineinführungen. Insbesondere müssen Kostenersparnis sowie Qualitätsveränderungen simultan erhoben werden, um häufige Vorwürfe entkräften zu können, dass die Kostenersparnis insbesondere zu Lasten der Qualität gehe. Dazu zählt insbesondere, parallel durchgeführte Budgetreduktionen nicht dem Gutscheinsystem als Makel zu zuschreiben. Weitergehende empirische Überprüfungen wie beispielsweise in Form von Modellversuchen sowie eine ökonometrische Analyse der Daten aus Hamburg, Berlin oder Bayern im Bereich der Kinderbetreuungslösungen wäre wünschenswert. Basierend auf der umfangreichen theoretischen Literatur könnten so 101

nachhaltiger die tatsächlichen empirischen Folgen der Einführung von Gutscheinsystems überprüft werden. Fazit der Studie ist, dass es eine umfangreiche theoretische Auseinandersetzung gibt, welche die Vorteilhaftigkeit eines Gutscheinsystems dokumentiert. Gleichzeitig zeigt die internationale Literatur- und Datenrecherche, dass es erst in Ansätzen empirische Überprüfungen der Vorteilhaftigkeit gibt, so dass dieses Gutachten insbesondere als Überblicksartikel über die bisher vorliegenden empirischen Ergebnisse im Bereich der Gutscheine dient. Gleichzeitig liefert es ein Forschungsraster, anhand dessen die Bereiche lokalisiert werden können, in denen weitere Forschungen zur empirischen Wirkung erforderlich sind. Ein mögliches Feld zum Einsatz von Gutscheinen könnte dabei die Bekämpfung von Kinderarmut und Mangelernährung mit Essensgutscheinen sein. Die Gutscheine könnten ergänzend an bedürftige Haushalte mit Kindern ausgegeben werden und zum Beispiel für ein gesundes Schulessen eingelöst werden. Die Verwendungsmöglichkeiten lassen sich beschränken, so dass die Gutscheine nicht für den Kauf der vielzitierten Flachbildschirme oder für Genuss- und Rauschmittel genutzt werden könnten. Dabei könnte zudem auf bereits erfolgreich eingeführte Systeme bei Essensgutscheinen zurückgegriffen werden, so dass eine teuere und kostspielige Neukonzeption und -einführung vermieden werden kann und auch kurzfristige Erfolge möglich sind.

102

Übersicht 20 Übersicht über Forschungsergebnisse und Reformdividenden von Gutscheinen Effizienzbaustein

1. Produktionseffizienz - Theoretische Wirkungserwartung - Bürokratiekosten kurzfristig langfristig - Kosten (allg.) - Qualität kurzfristig langfristig 2. Allokationseffizienz - Theoretische Wirkungserwartung - Wahlfreiheit - Innovationsdruck 3. Effektivität - Theoretische Wirkungserwartung - Differenzierung (Einzelfallgerechtigkeit) - Partizipationsgerechtigkeit - Gleichbehandlung 4. Volkswirtschaftliche Effekte - Beschäftigung - Wachstum - Schattenwirtschaftsbekämpfung 5. Transfervolumen in Mio. Euro 6. Reformdividende in Prozent in Mio. Euro

Kinderbetreuung

Pflege*)

Behindertenhilfe*)

Grundsicherung#)

+++

+++

+++

+++

--+++ ++

x x x

x x

+ + x

++

x x

x x

++ ++

++

++

++

++

++ x

+ x

+ x

++ x

++

++

++

++

+

x

++

+

-

x

x

-

+++

x

x

x

++ o ++

x x ++

x x x

x x x

18.840

10.790

11.290

11.130

5-25 942 – 4.710

5-25 540-2.697

5-30 564-3.387

5-15 556-1.670

#)

Basis für Bewertung: *) Modellversuche; Vermittlungsgutscheine +++/ ++/ +/ = positive Effekte; ---/--/- = negative Effekte; o = neutral; x = keine Daten Quelle: Eigene Zusammenstellung und Einschätzung

103

7

Literatur

Arntz, Melanie / Spermann, Akexander, 2004, Wie lässt sich die gesetzliche Pflegeversicherung mit Hilfe personengebundener Budgets reformieren?, in: Sozialer Fortschritt I/2004, S. 11-22 Bange, Dirk / Arlt, Sören / Klipp, Beate, 2007a, Das Hamburger „Kita-Gutschein-System“, Eine erste Bilanz nach vier Jahren – Teil 1, Behörde für Soziales und Familie, Abteilung Familie, Kindertagesbetreuung und Gleichstellung, Hamburg, in: KiTa aktuell ND 7-8/2007 Bange, Dirk / Arlt, Sören / Klipp, Beate, 2007b, Das Hamburger „Kita-Gutschein-System“, Eine erste Bilanz nach vier Jahren – Teil 2, Behörde für Soziales und Familie, Abteilung Familie, Kindertagesbetreuung und Gleichstellung, Hamburg, in: KiTa aktuell ND 9/2007 Bartlett, Will / Le Grand Julian, 1993, The theory of quasi-markets in: Bartlett, Will / Le Grand Julian, Quasi-markets and social-policy, Hongkong, S. 13-34. Baumol, William G. / Bowen, William J., 1966, Performing Arts – The Economic Dilemma, New York Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Stadt Hamburg, 2007, Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege, URL: http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/soziales-familie/kita/start.html [Stand: 200711-10] Belfield, Clive R., 2000, Economic Principles for Education – Theory and Evidence; Cheltenham Belfield, Clive R. / Levin, Henry M., 2002, The effects of competition between schools on educational outcomes: A review for the United States, in: Review of educational research, Vol. 72, Nr. 2, S. 279-341 Berg, Bernard van den / Hassink, Wolter H.J., 2005, Moral Hazard and Cash Benefits in Long-Term Home Care, IZA Diskussionspaper Nr. 1532, Bonn. Blinkert, Baldo, 2005, Begleitforschung zum Budgetprojekt, Symposium in Erfurt – 8.12.2005, URL: www.pflegebudget.de [Stand: 2007-11-01] Blöndal, Jon, 2005, The Role of Market Type Mechanisms in the Provision of Public Services, OECD, Bangkok. Boss, Alfred / Rosenschon, Astrid, 2002, Subventionen in Deutschland: Quantifizierung und finanzpolitische Bewertung, Kieler Diskussionsbeiträge Nr. 392/393, Institut für Weltwirtschaft, Kiel Bradford, David F. / Shaviro, Daniel N., 1999, The Economics of Vouchers. NBER Working Paper No. 7092, Cambridge

104

Bryson, Caroline / Kazimirski, Anne / Southwood, Helen, 2006 Childcare and Early Years Provision: A Study of Parents’ Use, Views and Experience, Nottingham Bundesagentur für Arbeit, 2007, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland August 2007, Nürnberg Bundesknappschaft/Minijob-Zentrale, 2007, URL: www.minijob-zentrale.de [Stand: 200710-20] BMGS – Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, 2003, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssystemen – Bericht der Rürup-Kommission, Bonn BMGS – Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, 2001, Zweiter Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung, Bonn BMG – Bundesministerium für Gesundheit, 2007a, Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung, URL: www.bmg.bund.de [Stand: 2007-11-01] BMG – Bundesministerium für Gesundheit, 2007b, Die Finanzentwicklung der sozialen Pflegeversicherung, URL: www.bmg.bund.de [Stand: 2007-11-01] Cancedda, Alessandra, 2001, Beschäftigung in haushaltsnahen Dienstleistungen, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Dublin Cave, Martin, 2001, Voucher Programmes and their Role in Distributing Public Services, in: OECD Journal on Budgeting, Vol. 1, No 1, S. 59-88 Classen, Georg, 2005, Sozialleistungen für MigrantInnen und Flüchtlinge. Grundlagen für die Praxis, in: Flüchtlingsrat, Zeitschrift für Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Sonderheft 106/107, Februar 2005 Colberg-Schrader, Hedi / Zehnbauer, Anne, 1996, Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Bedarfsplanung, Notlösungen, alternative Angebote. Deutsches Jugendinstitut, München Deutscher Bundestag, 2006, Bericht der Bundesregierung über die Ausführung der Leistungen des Persönlichen Budgets nach § 17 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 16/3983 Diller, Angelika / Leu, Hans Rudolf / Rauschenbach, Thomas, 2004, Kitas und Kosten – Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen auf dem Prüfstand, Wiesbaden Dohmen, Dieter, 2004, Kita-Gutscheine – einige Anmerkungen zur aktuellen Diskussion, in: Diller, Angelika / Leu, Hans Rudolf / Rauschenbach, Thomas, Kitas und Kosten – Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen auf dem Prüfstand, Wiesbaden, S.127-140 Dürsteler, Reto / Stutzer, Alois, 2005, Versagen in der staatlichen Krippenförderung. Betreuungsgutscheine als Alternative. Center for Research in Economics, Management and the Arts, Working Paper 2005-26, Basel

105

Enste, Dominik H., 2004, Die Wohlfahrtsverbände in Deutschland, IW-Analysen, Nr. 9, Köln Enste, Dominik H. / Schneider, Friedrich, 2006, Jahrbuch Schattenwirtschaft 2006 / 2007, Zum Spannungsfeld von Politik und Ökonomie, Münster Enste, Dominik H. / Schneider, Friedrich, 2007, Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit, LIST-Forum, Bd. 33, H3/2007, 251-286 Enste, Dominik H. / Stettes, Oliver, 2005, Bildungs- und Sozialpolitik mit Gutscheinen, Zur Ökonomik von Vouchers, IW-Analysen, Nr. 14, Köln Enste, Dominik H. / Hardege, Stefan, 2007, Regulierung und Schattenwirtschaft, in: IWTrends, 34. Jahrgang, Heft 1, S. 47-60 Europäische Kommission, 2007, Undeclared Work in the European Union, Special Eurobarometer 284/ Wave 67.3 – TNS Opinion & Social, URL: ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_284_en.pdf [Stand: 2007-11-01] Falck, Oliver, 2004a, Das Hamburger „Kita-Gutscheinsystem“ – besser als sein Ruf?, in: Sozialer Fortschritt, 53. Jg., Heft 3, S. 68-74 Falck, Oliver (2004b): Gutscheine als bildungs- und familienpolitisches Instrument – Milton Friedmans Sozialpolitik, in: Pies, Ingo / Leschke, Martin (Hrsg.), Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, Tübingen Färber, Gisela, 1998, „Dezemberfieber“, in: WiSt, 27. Jg., Heft 12, S. 601 Feld, Lars P. / Larsen, Claus, 2005, Black Activities in Germany in 2001 and 2004, A Comparison Based on Survey Data, Study No. 12, The Rockwool Foundation, Copenhagen Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007, Public Private Partnership, URL: www.ppp.nrw.de [Stand: 2007-11-01] Fritsch, Michael / Wein, Thomas / Evers, Hans-Jürgen, 2004, Marktversagen und Wirtschaftspolitik: Mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handels, München Fuchs, Harry, 2004, Praxiskommentar zu § 17 SGB IX Ausführung von Leistungen zur Teilhabe in Bihr, Dietrich / Fuchs, Harry / Krauskopf, Dieter / Ritz, Hans-Günther (Hrsg.), SGB IX – Kommentar und Praxishandbuch, Sankt Augustin Furkel, Daniela, 2005, Mittagessen gegen Papierschnipsel, in: Personal-Magazin, 4/2005, S. 60-62 Gabriel, Karl, 2001, Die soziale Herausforderung des Sozialstaates und die kirchlichen Wohlfahrtsverbände, in: Gabriel, Karl, Herausforderungen kirchlicher Wohlfahrtsverbände, Bd. 25, Berlin, S. 61-72

106

Gill, Brian / Timpane, Michael / Ross, Karen / Brewer, Dominic, 2001, Rhetoric Versus Reality: What we know and what we need to know about vouchers and charter schools, Santa Monica Gradstein, Mark, 1999, An economic rationale for public education: the value of commitment, CESifo Working Papers No. 209, München Gradstein, Mark / Justmann, Moshe, 2000, Human capital, social capital, and public school, in: European Economic Review, 44. Jg., Nr. 4-6, S. 879-890 Hartl, Katja / Kreimer, Margareta, 2004, Am Rande des Arbeitsmarktes, Haushaltsnahe Dienstleistungen, Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft Nr. 90, Wien Haug-Schnabel, Gabriele / Joachim Bensel, 2005, Grundlagen der Entwicklungspsychologie, Herder, Freiburg Heinze, Anja / Spermann, Alexander / Winterhager, Henrik, 2006, Deregulating Job Placement in Europe: A Microeconometric Evaluation of an Innovative Voucher Scheme in Germany. IZA Discussion Paper No. 2109, Bonn Hilgers, Andrea / Strehmel, Petra, 2007, Was leistet das Kita-Gutscheinsystem – und was nicht? Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte, Hamburg, in: Kita aktuell 10/2007 HMRC – HM Revenue & Customs, 2007, Childcare, Britisches Ministerium für Finanzen und Zölle, URL: http://www.hmrc.gov.uk/childcare/ [Stand: 2007-11-10] Hoxby, Caroline M., 1998, Analyzing school choice. Reforms that use America’s Traditional Forms of Parenthal Choice, in: Peterson, Paul E. / Hassel, Bryan C., Learning from school choice, Washington Hoxby, Caroline M., 2001, School choice and school productivity (or could school choice be a tide that lifts all boats?), Cambridge Hoxby, Caroline M., 2003, School choice and school competition: Evidence from the United States, in: Swedisch Economic Policy Review, 10/2003, S. 11-67 Hoxby, Caroline M., 2006, School choice: The three essential elements and several policy obtions, Wellington IZA (Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit) / DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) / infas (Institut für angewandte Sozialwissenschaft), 2005, Evaluation der Maßnahmen zur Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission, Modul 1b: Förderung beruflicher Weiterbildung und Transferleistungen Katz, Michael L. / Shapiro, Carl, 1994, System competition and network effects, in: The Journal of Economic Perspectives, 8. Jg., Nr. 2, S. 93-115 Kazimirski, Anne / Morgensen, Elvira / Lemetti, Francesca / Smith, Ruth, 2006, Monitoring of the Reform of the Income Tax and National Rules for Employer-Supported Childcare. URL: http://www.hmrc.gov.uk/research/report23-final.pdf [Stand 2007-06-29] 107

Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, 2007, Empfehlungen und Hinweise zum Bedarf nach dem TAG, URL: www.kvjs.de [Stand: 2007-11-01] Konegen-Grenier, Christiane / Plünnecke, Axel / Tröger, Michael, 2007, Nachfrageorientierte Hochschulfinanzierung: Gutscheine sorgen für Effizienz, IW-Analysen, Nr. 29, Köln Krauß, Günther, 2002, Erprobung eines neuen Fördermodells für Kindertagesstätten in Bayern, in: Dohmen, Dieter / Cleuvers, Birgitt A. (Hrsg.), Nachfrageorientierte Bildungsfinanzierung. Neue Trends für Kindertagesstätte, Schule und Hochschule, Bielefeld Kreyenfeld, Michaela / Spieß, Katharina C. / Wagner, Gert G., 2001, Finanzierungs- und Organisationsmodelle institutioneller Kinderbetreuung – Analysen zum Status quo und Vorschläge zur Reform, Neuwied, Berlin Levin, Henry M., 1998, Educational vouchers: Effectiveness, choice, and costs, in: Journal of Policy Analysis and Management, Bd. 17, Nr. 3, S. 373–392 Levin, Henry. M., 2000, Recent Developments in the Economics of Education: Educational Vouchers Levin, Henry M., 2002, A comprehensive framework for evaluating educational vouchers, in: Educational Evaluation und Policy Analysis, Bd. 24, Nr. 3, S. 159–179 Loayza, Norman / Oviedo, Ana Maria / Serven, Luis, 2005, The Impact of Regulation on Growth and Informality, Cross-Country Evidence, World Bank Policy Research, Working Paper No. 3623 Lutz, Roman, 2005, Determinanten betrieblicher Zusatzleistungen. Diskussionspapier 35, Erlangen-Nürnberg. European Commission, 2006, Measuring administrative costs & reducing administrative burdens in the EU, Memo/06/425, 14.11.2006, URL: http://europa.eu [Stand: 2007-09-10] Meyer, Dirk, 2003, Für mehr Wettbewerb im stationären Altenhilfesektor – Handlungsbedarf aufgrund Kapazitätsprognose 2050, Berlin Monopolkommission, 1998, Marktöffnung umfassend verwirklichen, 12. Hauptgutachten – 1996/97, Bonn Morley-Fletcher, Edwin, 2002, Vouchers and personal welfare accounts, Arbeitspapier zum 9. B.I.E.N. International Congress 2002 in Genf Niskanen, William A., 1973, Bureaucracy – servant or master?: Lessons from America, Wolverhampton OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development, 2001, OECD Journal on Budgeting, Vol. 1, No. 2, Paris

108

OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development, 2004, Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland, Paris Oerter, Rolf / Montada, Leo, 2002, Entwicklungspsychologie, Beltz Pfeiffer, Friedhelm / Winterhager, Henrik, 2006, Selektivität und direkte Wirkungen von Vermittlungsgutscheinen: Empirische Befunde aus der Einführungsphase, ZEW Discussion Paper No. 06-017, Bonn Ploeg, Frederick van der, 2005, The Making of Cultural Policy: A European Perspective. CESifo Working Paper No. 1524 URL: http://www.cesifo.de/pls/guestci/download/ CESifo%20Working%20Papers%202005/CESifo%20Working%20Papers%20August%20200 5/cesifo1_wp1524.pdf [Stand: 2007-05-10] o. V., 1999, Restaurant-Schecks. Die Alternative für Steuersparer, in: Der Arbeitgeber 8/51, S. 31-32 Schneider, Friedrich, 2005, Shadow Economies around the world: What do we really know?, European Journal of Political Economy, Vol. 21, Issue 3, S. 598-642 Schröder, Christoph, 2007, Die Arbeitskosten der deutschen Wirtschaft, IW-Trends, 34. Jg., Heft 2, S. 55-68 Schupp, Jürgen / Schäfer, Andrea, 2005, Familienunterstützende Dienstleistungen (FUD) - Wachstum, Beschäftigung, Innovation, Event Documentation, 3/2005, 27. September 2005, Berlin Sodexho, Essenmarken in Deutschland, Arbeitspapier, 2007, Frankfurt Spermann, Alexander / Thomsen, Stephan Lothar / Ruppert, Martin, 2006, Erste Erkenntnisse der ökonomischen Wirkungsforschung, 3. Symposium zum Pflegebudget 7.8.12.2006, Koblenz Spieß, C. Katharina / Wagner, Gert G. / Kreyenfeld, Michaela, 2000, Kindertageseinrichtungen in Deutschland – Ein neues Steuerungsmodell bei der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen, in: DIW-Wochenbericht, 18/2000, S. 269-275 Spieß, C. Katharina / Wrohlich, Katharina, 2005, Wie viele Kinderbetreuungsplätze fehlen in Deutschland, in: DIW Wochenbericht, 14/2005, S. 223-227 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2007, Kindertagesbetreuung Regional 2006, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2004, Alltag in Deutschland, Analysen zur Zeitverwendung, Beiträge zur Ergebniskonferenz der Zeitbudgeterhebung 2001/02 am 16./17. Fenruar 2004 in Wiesebaden, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2006, Pressemitteilung Nr. 502 vom 01.12.2006, Wiesbaden

109

Statistisches Bundesamt, 2007a, Binnenhandel, Gastgewerbe, Tourismus 2007, Fachserie 6 Reihe 7.3 Statistisches Bundesamt, 2007b, Pressemitteilung Nr. 018 vom 12.01.2007, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2007c, Pressemitteilung Nr. 316 vom 10.08.2007, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2007d, Pressemitteilung Nr. 377 vom 18.09.2007, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2007e, Sozialhilfe – Länderübersicht Ausgaben und Einnahmen 2006, Wiesbaden, 2007 Statistisches Bundesamt, 2007f, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2005, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2007g, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Ausländische Bevölkerung, Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2006, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2007h, Statistisches Jahrbuch, Wiesbaden Steuers, Geert / Struyven, Ludo, 2004, Quasi-market reforms in employment and training services: First experiences and evaluation reforms, Luxembourg Straubhaar, Thomas / Winz, Manfred, 1992, Reform des Bildungswesens, Bern Tesch-Römer, Clemens, 2002, Lebensqualität im hohen Alter – Herausforderungen für Forschung und Praxis, in: Blätter der Wohlfahrtspflege, 149. Jg., Nr. 5, S. 165-168 Trautner, Hanns M., 2002, Allgemeine Entwicklungspsychologie, Stuttgart Vandenberghe, Vincent, 1996, Functioning and regulation of educational quasi-markets, Louvain-la-Neuve Varian, Hal. R., 2003, Grundzüge der Mikroökonomik, Oldenbourg Viitanen, Tarja K., 2004, Experimental Evidence of a Private Child Care Voucher, Vortragsmanuskript, European Economic Association and Economic Society, 20.-24.8.2004, Madrid Viitanen, Tarja K., 2005, Public versus Private Provision of Day Care presented at the Royal Economic Society’s 2005 Annual Conference at the University of Nottingham on Wednesday 23 March, Nottingham Viitanen, Tarja K., 2007, Public versus Private Provision of Daycare: An Experimental Evaluation, University of Sheffield and IZA Waldo, Staffan, 2006, School Vouchers and Public School Productivity – The Case of the Swedish Large Scale Voucher Program, Working Paper No. 8/2006, URL: http://www.nek.lu.se/publications/workpap/Papers/WP06_8.pdf [Stand: 2007-05-10] Wanjek, Christopher, 2005, Food at Work, International Labour Organization, Geneva 110

Weinkopf, Claudia, 2007, Professionelle bezahlbare Dienstleistungen als Mittel gegen illegale Beschäftigung in der Pflege?, in: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Pflege und Erwerbstätigkeit Frauen entlasten – Potenziale von Männern stärken, Berlin, S. 23-28 Weltbank, 2005, A Guide to Competitive Vouchers in Health, Washington Werthmanns-Reppekus, Ulrike, 1996, Jugendhilfeplanung und Neue Steuerungsmodelle, in: Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung e.V.: Das Neue Steuerungsmodell, Remscheid Wiemeyer, Joachim, 2001, Ökonomische Herausforderungen für kirchliche Wohlfahrtsverbände, in: Gabriel, Karl (Hrsg.), Herausforderungen kirchlicher Wohlfahrtsverbände, Band 25, Berlin, S. 125-154 Wissert, Michael, 2005, Case Management – Aufgaben, Rollen, Qualifikationen, URL: www.pflegebudget.de [Stand: 2005-01-28] Wolter, Stefan C., 2001, Bildungsfinanzierung zwischen Markt und Staat, Chur ZMP – Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft GmbH, 2004, Der Außer-Haus-Markt - Strukturen der kommerziellen Gastronomie und Arbeitsplatzverpflegung

111

View more...

Comments

Copyright � 2017 SILO Inc.