Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.v. Mitteilungsblatt Heft 38/2011

April 14, 2016 | Author: Catharina Lehmann | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

1 Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.v. Mitteilungsblatt Heft 38/20112 Titelbild: Johann Strauss NEUES LEBEN, Polka ...

Description

Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.V. Mitteilungsblatt Heft 38/2011

Titelbild: Johann Strauss NEUES LEBEN, Polka française für das Pianoforte, op. 278 Klavierausgabe – Privatbesitz Werner Abel, Titelblatt Für die Verwendung in diesem Mitteilungsblatt mit GIMP 2.0 grafisch nachbearbeitet Johann Strauss widmete Herzog Ernst II. im Herbst 1863 die Polka „Neues Leben“, die Strauss persönlich in einer Prachthandschrift im Wiener Palais Coburg überreichte. Diese wurde dem Herzog nach Coburg übersandt. Für die Widmung bedankte sich Herzog Ernst 1864, als der Notendruck bei Haslinger erschien, mit der Verleihung der Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft.

Herausgeber:

DEUTSCHE JOHANN STRAUSS - GESELLSCHAFT e.V. Eingetragener Verein, Amtsgericht Coburg, VR 667 Gemeinnütziger Verein, Finanzamt Coburg, Steuer-Nr. 212/107/60110 Bankverbindung: VR-Bank Coburg (BLZ 783 600 00), Konto-Nr. 810 894 Internet: www.djsg.de E-Mail: [email protected] Vorstand: 2. Vorsitzender: Dr. Ingolf Roßberg, Dresden Schatzmeister: Dr. Michael Mahlert, München 1. Schriftführerin: Inge Röhre, Ürzig 2. Schriftführer: Manfred Drescher, Bamberg Weitere Mitglieder: Georg Günther, Kurt Hinrichs, beide Coburg Geschäftsstelle: Kurt Hinrichs Creidlitzer Straße 68 96450 COBURG Tel. 09561 – 200758 Fax 09561 – 200757

Redaktion:

Werner Abel Rüdesheimer Str. 28 64295 DARMSTADT Tel. 06151 – 64109 Dr. Ingolf Roßberg (Lektorat, Schlussredaktion und Layout) Chemnitzer Str. 89e 01187 DRESDEN Tel. 0351 – 479 29 993

Namentlich gekennzeichnete Beiträge sind Beiträge der jeweiligen Autoren und geben dadurch nicht unbedingt die Meinung der Redaktion, des Vorstandes oder der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft e.V. insgesamt wieder. Für Nachdruckgenehmigungen wird hiermit freundlich gedankt.

Druck:

DCT GmbH Nicolaus Zech Straße 64-68 96450 COBURG Tel. 09561-83450 Fax 09561-834545

„N E U E S L E B E N“ Mitteilungsblatt der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft, Heft 38/2011 Inhaltsverzeichnis DJSG im Um- und Aufbruch: Bilanz 2011 und Ausblick 2012

4

Aus unserem Verein und aus den Schwestergesellschaften

6

Johann Strauss in Weimar Die Fledermaus in der Neuen Oper Erfurt Neue Satzung der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft Protokoll der Jahreshauptversammlung 2011 Informelles Strauss-Treffen in Möriken (Schweiz) Alfred Dreher zum 90. Bundesverdienstkreuz für Manfred Drescher IN MEMORIAM: Hubert Köhler IN MEMORIAM: Norbert Nischkauer „Kulturverein Wiener Blut“ gegründet Tanz-Signale 2012 Nachträglich: Herzliche Wünsche besonderer Art

Fachbeiträge Walzerklang und Revolution – Zum kulturpolitischen Stellenwert der Wiener Tanzmusik im Vormärz „Die Fledermaus“ – Ein Pariser Vaudeville à la viennoise Bearbeitungswahn um Johann Strauss 40 Jahre Alt-Wiener Strauss-Ensemble Stuttgart (1972-2012) Der „Wienerlieder“-Mann „Maske in Blau“ – ein Operettenklassiker?

Gesehen – gehört: Rezensionen „Die Fledermaus“ flatterte über die Luisenburg in Wunsiedel 50 Jahre Operette vom Feinsten Gut Immling ist eine Reise wert „Viktoria und ihr Husar“ bei der Coburger Sommeroperette

Informationen, Termine, CD’s, Nachrichten, letzte Meldungen... Konzerttermine Alt-Wiener Strauss-Ensemble Johann-Strauss-Festival 2012 an der „Staatsoperette Dresden“ Joseph Labitzky und Karlsbad Strauss-Vater-Gesamtaufnahme vor dem Abschluss In eigener Sache

6 8 9 13 13 14 15 16 17 18 19 19

20 20 31 36 42 45 50

53 53 54 56 59

60 60 60 61 62 62

DJSG im Um- und Aufbruch: Bilanz 2011 und Ausblick 2012 Liebe Mitglieder, liebe Straussianer,

ein für die Deutsche Johann-Strauss-Gesellschaft turbulentes Jahr 2011 neigt sich dem Ende zu: Turbulent sicher zum einen, da die Wechsel im Vorstand der DJSG für keinen Verein alltäglich sind. Und sicher auch turbulent, war doch die komplette Streichung der Durchführung der geplanten Johann-Strauss-Tage 2012 und des Alexander-GirardiGesangswettbewerbes durch die Stadt Coburg nicht vorhersehbar. Nach dem Rücktritt von Werner Abel als 2. Vorsitzender im Februar und dem Rücktritt von Ralph Braun als 1. Vorsitzender im August, meiner Nachwahl als 2. Vorsitzender im Juli, der Nachwahl von Manfred Drescher als 2. Schriftführer ebenfalls im Juli diesen Jahres und der Entscheidung des Vorstandes, die Position des 1. Vorsitzenden bis zur Neuwahl 2012 vakant zu halten, waren Veränderungen im Vorstand in einem Umfang gegeben, die für einen Verein schon außergewöhnlich sind. An dieser Stelle gilt den Ausgeschiedenen ein herzlicher Dank für Ihre Arbeit für die DJSG, mit der sie auch verbunden bleiben werden: Werner Abel weiterhin mit der Arbeit auch an diesem Heft „Neues Leben“ und Ralph Braun mit seiner musikwissenschaftlichen Forschung. „Nach außen“ ist unser Verein handlungsfähig geblieben, aber die Amtsniederlegungen führten zu Entscheidungen, die die Handlungsfähigkeit der DJSG auch „nach innen“ absichern. Quasi aus dem Stand heraus wurde die überfällige Vorbereitung der Jahreshauptversammlung 2011 mit einem ansprechenden Rahmenprogramm geleistet, aus den Erfahrungen heraus wurde eine neue Satzung (nicht zuletzt sieht diese eine neue Besetzung und Arbeitsweise des Vorstandes vor) vorbereitet und auch eine regelmäßige, kontinuierliche Vorstandsarbeit steht auf dem Programm, kam doch der Vorstand im Juli 2011 erstmalig nach 1 ½ Jahren wieder zusammen. Auch unsere Webseite www.djsg.de wurde aktualisiert: Seit 1. Oktober „klingt“ sie, unterlegt durch „Wiener Blut“ (op. 354), gespielt durch das Orchester der Wiener Volksoper unter dem Dirigenten Alfred Scholz. Angesichts des uns im Sommer bekannten Vorbereitungsstandes für die Johann-Strauss-Tage 2012 und auch vor dem Hintergrund der Streichung aller finanziellen Zuschüsse durch die Stadt Coburg wollten wir – sehr schweren Herzens – als Vorstand das Verschieben der Tage (trotz der bekannten Jubiläen) den Mitgliedern empfehlen: Es erschien uns nicht machbar, ein angemessenes Programm mit eigenen Kräften und aus eigenen Mitteln vorzubereiten, zumal die Vorarbeiten eher vage waren und sich auch nicht zu einem Ganzen fügen wollten. Doch wie so häufig kam es anders als man denkt: Während der Jahreshauptversammlung kamen aus den Reihen der Mitglieder so viele Angebote und persönliche Unterstützungsvorschläge einschließlich deren finanzieller Absicherung auf den Tisch, dass der Vorstand sich verpflichtet sah, intensiv in die Vorbereitung zu gehen, schien es dadurch möglich, sie dennoch durchführen zu können. Die Deutsche Johann Strauss-Gesellschaft zeigte sich einmal mehr als aktiver, kreativer und höchst lebendiger Verein, der gerade in einer solchen komplizierten Situation den Schulterschluss bewies, und nicht nur energisch forderte, dieser Finanzstreichung der Stadt Coburg – die man wohl eher als unüberlegten Schnellschuss betrachten muss – ein eigenständiges Konzept entgegen zu setzen, sondern durch eigenes Engagement das Ereignis „Johann-Strauss-Tage 2012“ abzusichern. Das ist aus meiner Sicht „Bürgersinn“ im besten Wortsinn und wie es vielleicht Johann Strauss in seinem wunderbaren und so ausdrucksvollen Walzer vorgeschwebt haben könnte. 4

Zum Redaktionsschluss dieses Heftes können wir zwar seitens des Vorstandes noch nicht endgültig sagen, ob es nächstes Jahr Johann-Strauss-Tage geben wird, die finanziellen Zusagen der wichtigsten Partner liegen nur teilweise schriftlich vor: Aber es gibt positive Signale – und wenn es Johann-StraussTage 2012 geben wird, dann werden sie vom 4. bis zum 8. Juli 2012 in Coburg stattfinden. Diesen Zeitraum sollten Sie, dann auch mit Blick auf die Jahreshauptversammlung (mit Wahlen) am 7. Juli 2012 in Coburg, sich zunächst in jedem Fall vormerken, sind doch hie und da schon Sommerferien und die Urlaubsplanung für das neue Jahr beginnt in mancher Familie schon kurz nach Weihnachten. Ihnen allen aber zunächst viel Freude beim Stöbern in diesem Heft, für dessen Zusammenstellung wir uns sehr herzlich wieder bei Werner Abel bedanken. Dank aber auch an alle, die durch ihre fundierten Beiträge das Heft wieder zu einer musikalischen und musikwissenschaftlichen Fundgrube werden lassen. Auf eine Änderung weise ich noch hin: Ab 2012 wird es zweimal im Jahr „Neues Leben“ geben, „Telegramme“ werden wir künftig nur noch per e-Mail versenden. Als eine Art „Newsletter“ sollen sie diejenigen Mitglieder auf dem Laufenden halten, die uns ihre Mailadresse mitgeteilt haben oder hoffentlich demnächst noch mitteilen werden. Dafür haben wir die Mittelseiten des Heftes so gestaltet, dass Sie sie herausnehmen können und sie bitte an uns zurücksenden: Hier können Sie uns Ihre e-MailAdresse mitteilen, uns – falls noch nicht geschehen – eine Einzugsermächtigung für Ihren Mitgliedsbeitrag erteilen und mit der Sie uns auch mitteilen können, ob Sie frühzeitig und mit Preisnachlass Karten für das Neujahrskonzert in Coburg erhalten wollen. Also: Wenn Sie noch nicht dabei sind – Mittelblatt heraus heften und an die Geschäftsstelle zurücksenden, es lohnt sich! Und herzlichen Dank für Ihre Mühe bereits jetzt. Eines bleibt – summa summarum – als Fazit des Jahres 2011 des Hervorhebens wert: Dieses kraftvolle „Ja“ zur Jahreshauptversammlung der DJSG wurde nicht nur verbal geäußert, es wird auch auf die vielfältigste Weise umgesetzt. Und das macht es uns um die Zukunft unserer Gesellschaft nicht bange. Wenn es uns allen jetzt noch gelingt, Schritt für Schritt jüngere aktive Mitglieder an uns zu binden oder neu zu gewinnen, dann geht es weiter aufwärts – und mit Johann Strauss „Mutig voran“: Sprechen Sie doch einfach in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis darüber, Strauss-Freunde gibt es so viele und viele von ihnen wissen noch nicht einmal, dass es unsere DJSG gibt!

Ihnen und Ihren Angehörigen wünsche ich im Namen des gesamten Vorstandes, aber auch ganz persönlich ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr 2012, das sicher für uns vielfältigste Begegnungen untereinander und mit der Musik und der Persönlichkeit von Johann Strauss bereithalten wird.

Mit herzlichen Grüßen aus Coburg als auch aus meiner Heimatstadt „An der Elbe“ verbleibe ich,

Ihr

Ingolf Roßberg 2. Vorsitzender

5

Aus unserem Verein und aus den Schwestergesellschaften Johann Strauss in Weimar von Manfred Drescher Der Sitz der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft ist in Coburg und sie macht von hier aus seit vielen Jahren auch erhebliche Werbung für die Vestestadt. Umso unverständlicher für die Mitglieder war die Entscheidung des Stadtrates der Stadt Coburg, neben dem Alexander-Girardi-Wettbewerb (der ebenfalls weit über die Grenzen der Stadt bekannt war und nicht unerheblich Werbung für diese machte) auch die Coburger Johann-Strauss-Tage mit einem Federstrich – wenigstens vorerst – einfach abzuschaffen. Dies ist umso unverständlicher, weil hier, wenn man diese Strauss-Tage etwas abgespeckt hätte, was problemlos machbar gewesen wäre, ein Vielfaches an Imagewerbung für die Stadt, sowie ein ebensolches Plus an Besuchern für die Stadt Coburg hätte herausgeholt werden können. Dies war auch ein Hauptthema bei der diesjährigen Mitgliederversammlung der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft, die in Weimar stattgefunden hat. Hier konnten die Mitglieder auch zum ersten Mal die neu formierte Vorstandschaft kennen lernen. Im Frühjahr dieses Jahres war Werner Abel aus Darmstadt aus persönlichen Gründen als stellvertretender Vorsitzender ausgeschieden. Anfang Juli wurde dann Dr. Ingolf Roßberg aus Dresden vom Vorstand als 2. Vorsitzender bis zur Neuwahl, die im nächsten Jahr stattfindet, gewählt und eingesetzt. Unmittelbar danach legte Ralph Braun, der bisherige 1. Vorsitzende sein Amt nieder und Dr. Roßberg führt seitdem den Verein amtierend. Der bisherige Pressereferent Manfred Drescher aus Bamberg wurde als 2. Schriftführer im Frühjahr ebenfalls in den Vorstand berufen und übernahm die gesamte Organisation der Mitgliederversammlung.

Mitglieder der DJSG beim Stadtrundgang in Weimar

Man traf sich am Freitag in Weimar zu einer interessanten Stadtführung und fuhr nach dem Abendessen gemeinsam nach Erfurt um dort die ThalbachInszenierung von „Die Fledermaus“ anzusehen. An der Hotelbar wurden nach der Aufführung die pro und contra Positionen zu dieser, vorsichtig: nicht unbedingt pflegeleichten, Inszenierung ausgetauscht. Auch wenn nach langen Diskussionen die Befürworter der „Dracula-Inszenierung“ und die Gegner ihre Positionen weitgehend beibehielten,

war man sich jedoch über eines einig: In jedem Fall hatte musikalisch „Die Fledermaus“ wieder einmal überzeugt – das Meisterwerk von Johann Strauss Sohn bleibt auch in einer gewöhnungsbedürftigen Inszenierung ein Meisterwerk. Schade eigentlich, dass die bekannten Werke immer wieder neu interpretiert werden, anstatt die fast vergessenen Werke wieder neu auf die Bühne zu bringen… Eine gesonderte Rezension von Roland Rösch ist im folgenden Beitrag zu finden. Am nächsten Vormittag fand die Mitgliederversammlung statt, bei welcher sich Dr. Roßberg den Mitgliedern vorstellte. Er bedankte sich zunächst bei Ralph Braun für seine engagierte Arbeit für die Deutsche Johann Strauss-Gesellschaft und wünschte sich, dass dieser seine musikwissenschaftlichen 6

Kenntnisse weiterhin in den Dienst der Gesellschaft stellen sollte. Einen herzlichen Dank zollte er besonders Werner Abel für seine langjährige und überaus engagierte Arbeit, die er zum Wohle der Gesellschaft geleistet hatte. Lang anhaltender Beifall der zahlreich erschienenen Mitglieder unterstrichen seine Dankesworte eindrucksvoll. Dann wurde den Mitgliedern die neue Satzung zur Abstimmung vorgelegt. Da die alte Satzung von 1991 in etlichen Punkten veraltet gewesen war, hatte der Vorstand sie einer „Frischzellenkur“ unterzogen und den Mitgliedern mit der Einladung zur Jahreshauptversammlung zugesandt. Dass der Vorstand gute Arbeit geleistet hatte, wurde dadurch deutlich, dass die Satzung einstimmig, ohne Gegenstimme und ohne Enthaltung angenommen wurde. Ein weiterer Punkt war eine äußerst spannend verlaufende Diskussion zur Möglichkeit etwaiger JohannStrauss-Tage 2012 in Coburg. Allgemeines Unverständnis, ja Unmut – und da gab es keine Ausnahme – der Mitglieder gab es über die aus Sicht der Gesellschaft nicht nachvollziehbare Entscheidung der Stadt Coburg, diese Strauss-Tage, ohne überhaupt wenigstens über finanziell abgespeckte Tage nachzudenken, einfach mit einem Federstrich zu streichen. Scheinbar ist es der Stadt Coburg bis heute nicht klar geworden, welches Potential in der Verknüpfung der Person des Walzerkönigs mit der Stadt Coburg liegt: Nicht nur ein hohes ideelles Ansehen ist damit verbunden, sondern auch ein probates Mittel, weitere Besucher nach Coburg zu ziehen, die dann hier ja auch entsprechende Umsätze tätigen. Dieses hätte man in eine vernünftige Relation setzen können und müssen. Der Vorstand musste unter diesen Umständen über den Wegfall der Johann-Strauss-Tage 2012 und für fundierte Überlegungen für 2013 plädieren. Da kannte man die Mitglieder aber schlecht. Fast einstimmig wurde der Vorstand gebeten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen um mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln entsprechend verkürzte Johann-Strauss-Tage 2012 auf die Beine zu stellen. Was allerdings nicht nur allgemein blieb, nein: Spontan erklärten sich eine ganze Reihe der anwesenden Mitglieder bereit, kostenfrei entsprechend mitzugestalten. Es wurde ein musikalisch umrahmter Informationsabend zu Johann Strauss angeboten, eine Ausstellung über die vergangenen Jahre wurde – ebenfalls kostenfrei – in Aussicht gestellt. Verschiedene Mitglieder erklärten sich bereit an Vorträgen mitzuwirken, es wurde ein Eröffnungsgottesdienst angeregt, ein Empfang und natürlich musikalische Veranstaltungen und vieles mehr: Die DJSG zeigte sich von ihrer engagiertesten Seite, denn schließlich sind Forderungen allenthalben sehr bequem, hier aber ganz konkret mitzuarbeiten, ja, auch der Stadt Coburg eine adäquate Antwort auf die wenig intelligente Mittelstreichung zu geben, das war auch für eine Jahreshauptversammlung neu. Kurzum: Der Vorstand wurde damit beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten, mit welchen Mitteln man bei einem auf 3 bis 4 Tage verkürzten Strauss-Festival zu rechnen habe und ob es, da die Gesellschaft zu wenig eigene Mittel besitzt, Möglichkeiten gibt, Sponsoren aus dem Coburger Raum dazu zu bewegen, sich hier mit einzubringen. Sie würden dem Namen von Johann Strauss, trotz der Kürzungen der Stadt Coburg, aber auch ihrem eigenen Image als Sponsoren mit Sicherheit Ehre einlegen. Diese Diskussion und der Enthusiasmus der Mitglieder zeigte aber auch, wie sehr man sich mit Johann Strauss aber auch mit Coburg als Johann-Strauss-Stadt identifizierte. Einig war man sich am Schluss, dass die Tage, wenn man es einigermaßen finanziell schaffen könnte, in jedem Fall durchgeführt werden sollten: Einfach auch um die Kontinuität zu wahren und der Stadt Coburg vielleicht auch die Möglichkeit zu eröffnen über den Wiedereinstieg bei den nächsten Johann Strauss Tagen zumindest nachzudenken. Herr Dr. Roßberg gab bekannt, dass die Internetseite der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft (www.djsg.de) nun auch mit dem Walzer op. 354 „Wiener Blut“ untermalt sei und alle Publikationen der Gesellschaft aus diesem Jahr vollständig enthalte. Der Internetauftritt der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft soll weiter ausgebaut und gestalterisch modernisiert werden, um auf diese Weise auch jüngere Menschen anzusprechen und sie vielleicht als neue Mitglieder zu gewinnen.

7

Nach drei lebendigen und mit vielen Diskussionen vollgepackten Stunden schloss Dr. Roßberg mit einem Dank an alle Beteiligten die Mitgliederversammlung. Bereits im Anschluss traf sich der Vorstand, um das weitere Vorgehen und die nächsten Schritte zu besprechen. Nach dem Mittagessen fuhr man weiter nach Gotha, wo Oberbürgermeister Knut Kreuch die Mitglieder der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft herzlich begrüßte und wo auch ein hochinteressanter Überblick über Treffen mit Gothas OB Kreuch (stehend vorn) im Rathaus über die Stadt Gotha und deren Verbindung mit Coburg gegeben wurde. Herr Kreuch jedenfalls würde sich sehr über die Durchführung der Johann Strauss Tage im nächsten Jahr in Coburg freuen und stellte zu diesem Anlass eine Delegation der Stadt Gotha unter seiner Leitung in Aussicht. Eine interessante Stadtführung durch Gotha schloss sich der Begrüßung an und ein gemütliches Kaffeetrinken im Pagenhaus in Gotha ließ die Veranstaltung ausklingen. Alle Teilnehmer waren beeindruckt von den Erlebnissen, die ihnen in den vergangenen zwei Tagen geboten wurden und freuen sich nun auf die weiteren Aktivitäten der Deutschen Johann StraussGesellschaft in Coburg, aber auch in allen weiteren Regionen Deutschlands und der Schweiz (von denen einige Vertreter den langen Weg nach Weimar gern auf sich genommen hatten). Jedenfalls erwies sich die Jahreshauptversammlung der DJSG ihres Namensgebers würdig. Weimar war also doch für alle Anwesenden und die Gesellschaft insgesamt – ein „Reiseabenteuer“ der besonderen Art gewesen.

Die Fledermaus in der Neuen Oper Erfurt von Roland Rösch 3. Akt: Es öffnet sich nach der zweiten längeren Pause der Vorhang nicht für ein „fideles Gefängnis“ sondern eher für ein versifftes Gruselkabinett, in welchem nicht „gebrummt“, sondern mancherlei perverse Gefühle ausgelebt und die Gefangenen in Käfigen an die Decke gehängt werden. Das ist doch sehr übertrieben, wenn Gefängnisdirektor Frank seinen Knast als „sein schönes Vogelhaus anpreist“. Jeder Tierschutz- und erst recht jeder Menschenrechtsverband würde dagegen Sturm laufen. Als dann noch ein Sarg herein bugsiert wird, ist der Schwachsinn auf den Punkt gebracht: Ein Sarg in der Meisteroperette von Johann Strauss, der bekanntlich Krankheit und Sterben immer verdrängt hat, wirkt so absurd, wie wenn man Beethovens Neunte in Faschingskostümen zur Aufführung bringen würde. Da hat nur noch gefehlt, dass dem immer wieder geöffneten Sarg, der Jean selbst, und nicht der bei Vollmond erwachte Prinz Orlofsky entstiegen wäre. Bestimmt hätte er dann seinen Librettisten, den Richard Genée, aufgefordert, den Schlussgesang des Chores sofort zu ändern: „Oh Fledermaus, oh Fledermaus, mach diesen Blödsinn schnellstens aus“ wäre angebrachter gewesen. Was nämlich der oft erwartete 3. Akt-Komiker, der Frosch, zum Besten gab, war langweilig und so stark mit Lokalkolorit versalzen, dass es einem übel werden konnte. Dennoch wollen wir noch die ebenso versalzene Suppe der beiden ersten Akte auslöffeln. Das Schlafgemach im Hause Eisenstein „in einem Badeort nahe einer großen Stadt“ zeigt sich zunächst von 8

der biederen Seite, in welches der fensterlnde Alfred mehrmals vergeblich versucht Einlass zu bekommen. Dann aber setzt die Gruselorgie ein, als Dr. Falke im Fledermauskostüm über der Szene schwebt und aus der Höhe die Balleinladung („Wir sind heut’ auf einer Villa…“) für das emsig agierende Stubenmädchen Adele abwirft. Dies war jedoch kein nagelneuer Regieeinfall von Katharina Thalbach, denn bereits 1929 ließ Max Reinhardt im Deutschen Theater-Berlin den Dr. Falke über die Bühne flattern – Dirigent war damals Erich Wolfgang Korngold. Die Flugnummer im Erfurter Theater war allerdings plausibel, denn wie hätte er, der Doktor, sonst schnell seinen weiten Weg vom fernen Transsilvanien, wohin er sein Domizil nach der Blamage im Fledermauskostüm verlegt hatte, in die Stadt der Walzerseligkeit zurücklegen können? Dr. Falkes Schachzug gelingt auch in Erfurt. Eisenstein, Adele, Rosalinde ja selbst Gefängnisdirektor Frank folgen der Einladung in den 2. Akt. Dort aber befindet man sich nicht in einem Ballsaal, viel weniger in einer Villa, sondern direkt im schaurigen Gewölbe eines Dracula-Verschnitts, welcher sich letztendlich als Prinz Orlofsky outet. Nun fragt man sich zurecht, wie ein Chor, der ja aus lauter Vampiren, also Untoten besteht, und für die es weder Raum noch Zeit gibt, intonieren kann: „Wie fliehen schnell die Stunden fort, die Zeit wird sicher keinem lang…“ Schließlich identifiziert Eisenstein Adele nicht als jene altbekannte Kammerzofe, sondern als eine Putzfrau. Dazu hätte sie allerdings im 1. Akt weit hausbackener und langweiliger agieren müssen. Langweilig schleppt sich der 2. Akt dahin, und selbst an den Haaren herbeigezogene Gags wie der, dass sich Rosalinde nicht als „ungarische Gräfin“, sondern als Sissi verkleidet und prompt von ihrem auch anwesenden, aber längst verblichenen Franz-Josef aus der Zombie-Gesellschaft erkannt wird, wirken eher peinlich. Nicht nur Ärger Zum Lob muss allerdings gesagt werden, dass am aufwändigen Bühnenbild und der Kostümierung nicht gespart wurde. Man hat es dem oft läppischen Geschehen auf der Bühne wie aus einem Guss angepasst. Das Gleiche gilt für das Orchester und die Akteure, die oft mit sehr guten Stimmen und Spielfreude aufwarten. Der verhaltene Beifall galt zu Recht nur ihnen. Die Buh-Rufe für die Regie habe ich zurückgehalten. Gefallen hat mir meine 42. Fledermaus-Aufführung jedenfalls nicht. Da gehe ich doch lieber ins Nationaltheater Mannheim oder in die Volksoper in Wien. Dort weiß man, zumindest gegenwärtig, was man der Königin der Operette schuldig ist.

Neue Satzung der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft Da in Weimar zur Jahreshauptversammlung der DJSG eine komplett neue Satzung einstimmig beschlossen wurde, und dies auch Konsequenzen für unsere nächste Jahreshauptversammlung hat, geben wir hier ihren ab sofort geltenden Wortlaut bekannt: §1 Name und Sitz des Vereins Der Verein führt den Namen "Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e. V.". Er hat seinen Sitz in Coburg und ist im Vereinsregister des Amtsgerichts Coburg eingetragen.

§2 Aufgabe und Zweck des Vereins (1) Aufgabe und Zweck des Vereins ist die bundesweite Förderung von Kunst und Kultur durch die Förderung von Ansehen, Werk und Bedeutung von Johann Strauss (Sohn) in der Öffentlichkeit. (2) Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch: 9

a) Schaffung und Ausprägung eines Vortrags- und Diskussionsforums über das Gesamtwerk von Johann Strauss (Sohn) und dessen Bedeutung für das nationale und internationale kulturelle Leben; b) die Förderung dieser Diskussion soll auch thematisch Kinder und Jugendliche erreichen, c) Veröffentlichung oder Förderung von Publikationen, die das vielfach verfälschte Bild von Johann Strauss (Sohn) korrigieren, d) Durchführung oder Förderung öffentlicher Veranstaltungen, wie Konzerte, Aufführungen, Symposien, Vorträge, Präsentation von Werksanalysen u. ä., e) Herausgabe eigener Publikationen zur Dokumentation des bekannten Wissenstandes und Präsentation im Internet, f) Förderung der Aufführungen auch weniger bekannter Werke von Johann Strauss (Sohn) in Theater, Konzert, Rundfunk und Fernsehen, g) intensiver Kontakt mit den in anderen Ländern bestehenden Johann-Strauss-Gesellschaften, h) Anregung und Förderung von Wettbewerben, auch für die Jugend, sowie i) Vermittlung oder Organisation von Bildungsreisen für Mitglieder, die zur Verwirklichung des Zwecks erforderlich sind. (3) Der Zweck des Vereins wird auch dadurch verwirklicht, dass die Musiker der Familie von Johann Strauss (Sohn), insbesondere sein Vater und seine Brüder Josef und Eduard, in die Arbeit des Vereins mit einbezogen werden. (4) Der Verein verfolgt außerdem den Zweck, die musikwissenschaftliche Forschung betreffend Johann Strauss (Sohn) und dessen wesensverwandte Zeitgenossen zu betreiben und zu fördern. (5) Eine Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Institutionen (Volksbildungswerken, Volkshochschulen, Universitäten, Musikhochschulen, Museen, Archiven, Rundfunk- und Fernsehanstalten) wird zur Verwirklichung des Zwecks des Vereins ausdrücklich angestrebt.

§3 Gemeinnützigkeit (1) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung. (2) Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. (3) Mittel der Körperschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft. (4) Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.

§4 Mitgliedschaft (1) Mitglieder können natürliche oder juristische Personen werden, sofern sie sich mit den Zwecken des Vereins identifizieren und bereit sind, zu deren Verwirklichung beizutragen. (2) Zum Erwerb der Mitgliedschaft ist ein schriftlicher Aufnahmeantrag erforderlich, über den der Vorstand mit einfacher Mehrheit entscheidet. Ablehnungen von Beitrittserklärungen durch den Vorstand bedürfen einer sachlichen Begründung. (3) Die Mitgliedschaft endet: a) durch Tod (bei natürlichen Personen), b) durch Austritt, c) bei Auflösung oder Aufhebung (bei juristischen Personen) oder d) durch Ausschluss (4) In besonderen Fällen kann eine Ehrenmitgliedschaft verliehen werden.

§5 Beendigung der Mitgliedschaft (1) Der Austritt aus dem Verein kann nur zum Ende des Vereinsjahres erfolgen und muss drei Monate vorher schriftlich dem Vorstand durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt werden. Andernfalls gilt der Austritt als nicht erklärt. (2) Ein Mitglied kann durch Beschluss des Vorstandes ausgeschlossen werden, wenn es durch sein Verhalten dem Ansehen des Vereins in erheblichem Maße schadet, oder wenn es gegen Bestimmungen der Satzung verstößt,

10

insbesondere wenn es trotz Mahnung mit der Zahlung des Jahresbeitrages in Rückstand ist. Der Ausschluss ist dem Mitglied mitzuteilen. (3) Gegen die Entscheidung kann innerhalb von vier Wochen Beschwerde zur nächsten ordentlichen oder außerordentlichen Mitgliederversammlung eingelegt werden. Bis zu deren Entscheidung bleibt die Mitgliedschaft erhalten.

§6 Finanzen des Vereins (1) Die Mittel für die Erfüllung der Aufgaben des Vereins werden aufgebracht: a) durch Beiträge der Mitglieder, deren Höhe die Mitgliederversammlung festlegt, wobei die Zahlung im ersten Quartal eines jeden Jahres fällig ist; Ehrenmitglieder sind von der Beitragszahlung befreit, b) durch Spenden, c) durch Sponsoring und d) durch öffentliche Mittel. (2) Die nicht beruflich im Verein ausgeübten Funktionen sind Ehrenämter. Eine Vergütung für ehrenamtliche Tätigkeit ist ausgeschlossen. (3) Haupt- oder nebenberuflich Beschäftigten der Gesellschaft kann ein ihren Aufgaben entsprechendes Entgelt gezahlt werden. (4) Die Honorierung wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeiten sowie sonstiger Hilfskräfte, die nicht Mitglieder des Vereins sind, ist zulässig. (5) Kosten und Auslagen, die einem Vorstandsmitglied oder einem beauftragten Mitglied durch die Ausübung des Amtes oder des Auftrages entstanden sind, werden auf Antrag an den Vorstand mit entsprechenden Nachweisen erstattet. (6) Verträge und Aufträge nach Abs. 3 bis 5 bedürfen eines vorherigen Vorstandsbeschlusses, in dem auch die zu erwartende Höhe der finanziellen Aufwendungen anzugeben ist. Näheres regelt die Geschäftsordnung des Vorstandes. (7) Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.

§7 Organe des Vereins Organe des Vereins „Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e. V.“ sind a) der Vorstand b) die Mitgliederversammlung und c) der Beirat

§8 Vorstand (1) Der Vorstand besteht aus bis zu neun Personen und zwar der bzw. dem 1. Vorsitzenden, der bzw. dem 2. Vorsitzenden, der Schriftführerin bzw. dem Schriftführer, der Schatzmeisterin bzw. dem Schatzmeister und bis zu fünf Beisitzern bzw. Beisitzerinnen. Ehrenmitglieder des Vereins gehören dem Vorstand mit beratender Stimme an. (2) Der Vorstand legt in eigener Zuständigkeit die Verteilung der Aufgaben fest. Er gibt sich eine Geschäftsordnung. Einem Beisitzer bzw. einer Beisitzerin obliegt dabei die Leitung der Geschäftsstelle in Coburg. (3) Die Sitzungen des Vorstandes werden vom 1. Vorsitzenden je nach Bedarf, jedoch mindestens einmal im Kalenderhalbjahr einberufen und geleitet. (4) Der Vorstand wird jeweils für die Dauer von drei Jahren durch die Mitgliederversammlung gewählt. Nach Ablauf der Amtszeit führt er bis zur Wahl eines neuen Vorstandes die Vereinsgeschäfte weiter, höchstens jedoch drei Monate über seine Amtszeit hinaus. Wiederwahl ist zulässig. (5) Jedes Vorstandsmitglied muss in einem getrennten Wahlgang, auf Antrag mindestens eines Mitgliedes in geheimer schriftlicher Wahl, gewählt werden. Als gewählt gilt, wer die Mehrheit der von den anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern abgegebenen Stimmen erhält. In einem etwa erforderlich werdenden zweiten Wahlgang gilt als gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereint. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Die Beisitzer können auch, sofern sich kein Widerspruch erhebt, in verbundener Einzelwahl gewählt werden.

11

(6) Der oder die 1. Vorsitzende und der oder die 2. Vorsitzende vertreten den Verein im Sinne des § 26 BGB. Sie sind jeweils allein vertretungsberechtigt. Der oder die 2. Vorsitzende soll nur im Fall der Verhinderung des oder der 1. Vorsitzenden von der Vertretung Gebrauch machen. (7) Scheidet ein Vorstandsmitglied während einer laufenden Amtszeit des Vorstandes aus, so wählt dieser für die verbleibende Amtszeit von sich aus ein neues Vorstandsmitglied aus den Reihen der Mitglieder hinzu.

§9 Mitgliederversammlung (1) Mindestens einmal im Vereinsjahr muss eine ordentliche Mitgliederversammlung als Jahreshauptversammlung stattfinden. Sie sollte möglichst mit einer Johann-Strauss-Veranstaltung verbunden werden. (2) Die Mitgliederversammlung wird durch den 1. Vorsitzenden oder im Falle seiner Verhinderung durch den 2. Vorsitzenden unter Bekanntgabe der Tagesordnung einberufen. Die Einladungen müssen schriftlich erfolgen und mindestens vier Wochen vor dem Termin der Versammlung herausgehen, wobei das Datum des Poststempels entscheidet. Jede ordnungsgemäß geladene Mitgliederversammlung ist beschlussfähig, unabhängig von der Zahl der erschienenen Mitglieder. (3) Die Mitgliederversammlung hat insbesondere folgende Aufgaben a) Entgegennahme des Tätigkeits- und Kassenberichts des Vorstandes, b) Entlastung des Vorstandes nach entsprechendem Bericht der Kassenprüfer, c) Festsetzung des Mitgliederbeitrages, d) Beschlussfassung über Satzungsänderungen und die Auflösung des Vereins, e) Wahl des Vorstandes, f) Wahl zweier Kassenprüfer die Dauer von drei Jahren, g) Wahl der Ehrenmitglieder und Verleihung der Schirmherrschaft, h) Beratung von Anträgen aus dem Kreis der Mitglieder und Beschlussfassung hierüber, wobei Anträge spätestens sieben Tage vor Versammlungstermin beim 1. Vorsitzenden schriftlich einzureichen sind. (4) Der Vorstand muss eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, wenn die Einberufung von mindestens einem Viertel der Mitglieder schriftlich begründet verlangt wird. In diesem Fall ist die Versammlung binnen vier Wochen einzuberufen. Der Vorstand kann eine Mitgliederversammlung einberufen, wenn er es im Interesse des Vereins für erforderlich hält. (5) Jedes Mitglied ist berechtigt, vor der Mitgliederversammlung Anträge auf Ergänzung oder Erweiterung der Tagesordnung zu stellen. (6) Die Mitgliederversammlung wird vom 1. oder 2. Vorsitzenden geleitet. Mit der Sitzungsleitung kann auch ein anderes Vorstandsmitglied betraut werden. (7) Für Beschlüsse der Mitgliederversammlung ist die einfache Mehrheit der erschienenen Mitglieder erforderlich und ausreichend – mit Ausnahme der Fälle, in denen die Satzung oder ein Gesetz ein anderes Mehrheitsverhältnis verlangt. (8) Beschlüsse über Satzungsänderungen sowie über die Auflösung des Vereins oder die Änderung der Zweckbestimmung bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder. (9) Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung werden durch den von der Versammlung zu bestimmenden Schriftführer in einem Ergebnisprotokoll zusammengefasst. Dieses Protokoll ist vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterzeichnen. Es wird allen Mitgliedern in Auszügen mitgeteilt und auf Wunsch, vorwiegend in elektronischer Form, zugeleitet.

§ 10 Beirat (1) Zur fachlichen Beratung des Vereines soll ein Beirat gebildet werden. Dem Beirat gehören an: a) der 1. Vorsitzende der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft b) bis zu 7 (sieben) weitere Beiräte. Diese sollen die notwendige Fachkompetenz besitzen und müssen nicht Mitglieder des Vereins sein. Sie werden vom Vorstand berufen. c) Ehrenmitglieder der Gesellschaft (2) Die Sitzungen des Beirates werden vom 1. Vorsitzenden je nach Bedarf einberufen und geleitet. An ihnen können auf Wunsch auch die weiteren Vorstandsmitglieder teilnehmen. (3) Der Vorstand nimmt Empfehlungen und Anregungen des Beirates entgegen und wird sie in Übereinstimmung mit Beschlüssen der Mitgliederversammlung umsetzen. 12

§ 11 Schirmherrschaft Die Mitgliederversammlung kann profilierten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens die Schirmherrschaft über den Verein antragen, sofern diese Persönlichkeiten sich in der Vergangenheit für die Pflege der Strauss‘schen Musik eingesetzt haben. Bei Annahme dieses Antrages sind sie in dieser Eigenschaft gleichzeitig Ehrenmitglieder des Vereins.

§ 12 Auflösung des Vereins Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des Vereins an die Johann-Strauss-Stiftung, die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke, insbesondere zur Förderung von Kunst und Kultur, speziell für die Aus- und Fortbildung künstlerischen Nachwuchses, zu verwenden hat.

Protokoll der Jahreshauptversammlung 2011 Das Protokoll der Jahreshauptversammlung am 1. Oktober 2011 in Weimar steht satzungsgemäß (§ 9 Abs. 9) allen interessierten Mitgliedern in voller Länge auf unserer Webseite (www.djsg.de) als PDFDatei zur Verfügung. Es kann aber auch bei unserem 2. Schriftführer, Manfred Drescher, Rodelbahn 6, 96049 Bamberg, angefordert werden.

Informelles Strauss-Treffen in Möriken (Schweiz) von Rudolf Maeder

Alle zwei Jahre wieder... – im Oktober treffen sich Strauss-Freunde aus der Schweiz und aus Deutschland zu einem informellen Treffen in Möriken (Kanton Aargau, Schweiz). Dies ist zu einer Tradition geworden, denn dieses Treffen findet nun schon seit geraumer Zeit statt. Der Anlass dazu ist eine Aufführungsserie der Operette Möriken (Männer- und Frauenchor Möriken, Berufskünstler, Halbamateure und Amateure von nah und fern und ein immer begeistertes Operettenpublikum von überallher). Die Möriker Operette hat eine ganz grosse Tradition: Nachdem seit Ende des 19. Jahrhunderts dort Theater gespielt wurde, fand 1924 die erste Aufführung eines musikalischen Werkes statt: Carl Maria von Webers „Preziosa“. Das schlug so ein, dass man beschloss, in Zukunft immer wieder Operetten zu spielen. Die erste, „Das Dreimäderlhaus“, erschien 1927. Besonders beliebt beim Publikum waren und sind bis heute die Werke von Zeller und Millöcker, aber auch von Fall, Strauss und Lehár. Möriken darf sich rühmen, wohl das einzige Operettentheater zu sein, dass drei Karl-Zeller-Werke gespielt hat: „Der Vogelhändler“, „Der Obersteiger“ und „Der Kellermeister“. Auch Millöckers „Der Vizeadmiral“ betrat die Möriker Bühne seit der Uraufführung zum ersten Mal wieder! Nachdem zwischen 1937 und 1945 aus verständlichen Gründen nicht gespielt wurde, setzte man 1945 die Aufführungen fort, die nun im Abstand von zwei Jahren das Publikum erfreuen. Der schon mehrmals gespielte „Bettelstudent“ ist dieses Jahr wieder zu Gast (15. Oktober bis 3. Dezember 2011). Und zu dieser Operette der Goldenen Ära der Wiener Operette haben sich die Strauss-Freunde versammelt. Dieses Werk ist sicher ein besonderer Glücksfall (wie die „Fledermaus“ oder die „Lustige Witwe“), denn bei ihm kommen so viele Komponenten zusammen, die einfach zum Erfolg führen mussten: herrliche, abwechslungsreiche Musik, gutes Buch, interessante Charaktere, dankbare Chorszenen usw. usw.). Von der dritten Reihe aus, in der wir sassen, war es nicht mehr weit auf die Bühne, wir hätten fast mitspielen können. Das hat seine Vorteile, leider aber auch den Nachteil, dass es manchmal etwas gar laut aus dem Orchestergraben dringt. Die Bühnenbilder waren sehr einfach gehalten und haben den Ablauf des Geschehens nicht behindert. Die Kostüme waren eine echte Augenweide, denn sie kopierten vollendet die Mode des 18. Jahrhunderts. Ollendorf mokierte sich gekonnt über den Schlag Lauras mit dem Fächer in sein Gesicht. Laura, Bronislawa, Jan und Simon waren sehr liebenswerte Paare, die sich durch alle Liebeswirren hindurch doch endlich zum Schluss umarmen 13

konnten. Mutter Palmatica war leider eine Fehlbesetzung, denn sie war weder stimmlich noch darstellerisch für die Rolle geeignet. Die restlichen Darsteller fügten sich ausgezeichnet in den Rahmen der sächsischen Besetzung Polens und seiner Befreiung ein. Wir haben einen herrlichen Abend erlebt, für den wir der Operette Möriken nur herzlich danken können! Am nächsten Morgen fand im kleinen Saal des Theaters ein Experiment statt. Friedhelm Kuhlmann, unser Freund aus Hamburg, hatte sich bereit erklärt, einen Vortrag zum Thema „Hamburg im Zeichen von Oscar Fetrás und Robert Vollstedt“ zu halten. Rudolf Maeder steuerte dazu die musikalische Illustration bei. Der Vortrag darf als sehr gelungen angesehen werden, um so mehr als er zwei Komponisten vorstellte, die die Binnenländer kaum oder gar nicht kennen. „Mondnacht auf der Alster“ oder „Fröhliche Brüder“ vielleicht einmal ausgeschlossen. Ein besonderer Aspekt kam dabei zum Vorschein: die Verbindung von Fetrás und Adele Strauss, also eine weitere Seite der Strauss-Forschung. Rudolf Maeder stellte anschliessend einige musikalische Kuriositäten vor, darunter einen Lenzburger Konfitüren-Walzer (die Lenzburger Konservenfabrik Hero schenkte ihren guten Kunden um die Jahrhundertwende eine Klavierkomposition mit kräftig roten Erdbeeren auf dem Titelblatt), einen Alpina-Walzer (die Firma Lindt & Sprüngli rief sich mit einem Walzer für ihre Alpina-Schokolade in Erinnerung) und eine Komposition eines Herrn E. W. Strauss, eines mit der Strauss-Familie nicht verwandten Österreichers, der nach Rumänien auswanderte, dort dirigierte und komponierte, einen Rumänin heiratete und in Bukarest starb). Otto Horber und Rudolf Maeder fanden sein gut erhaltenes Grab auf dem riesigen Bukarester Bellú-Friedhof)! In zwei Jahren... wollen wir uns alle wieder in Möriken treffen. Das ausgewählte Stück steht schon fest, es wird Emmerich Kálmáns 1928 in Wien uraufgeführte Operette „Die Herzogin von Chicago“ sein. Kálmán erwartete nach „Die Czárdásfürstin“ und „Gräfin Mariza“ einen dritten Welterfolg, der leider nicht eintraf. Die fast vergesse Operette wurde erst vor ein paar Jahren wiederentdeckt und an verschiedenen Bühnen wieder gespielt. In ihr stossen die Alte Welt (Walzer, Csárdás, Wiener Lied) mit der neuen Welt (Slowfox, Charleston) zusammen und ergeben so einen herrlichen Cocktail. Wenn sie Erfolg hat, erscheinen vielleicht eines Tages ihre Schwestern, die „Faschingsfee“ und das „Hollandweibchen“, auch wieder auf der Bühne. Möriken hat in puncto Kálmán einiges nachzuholen! Wir wünschen der Operette Möriken viel Spass bei den Vorbereitungen und uns, dass wir uns dann gesund und frohgemut wiedersehen...

Dank und neue Adresse Unsere 1. Schriftführerin, Inge Röhre, hat uns um folgende Mitteilung gebeten, der wir gern nachkommen: Auf diesem Wege bedanke ich mich sehr herzlich bei allen für die vielen Grußkarten und Glückwünsche zu meinem 85. Geburtstag. Ich habe mich über die vielen guten Worte sehr gefreut. Sie bittet gleichzeitig um Bekanntgabe ihrer neuen Adresse und ihrer Telefonnummer: Inge Röhre, Würzgarten Str. 9, D-54539 Ürzig, Tel.: 06532/9542065.

Alfred Dreher zum 90. Unser Ehrenmitglied Alfred Dreher ist seit dem 1. Oktober 2011 90 Jahre jung! Offener Brief von Werner Abel und dem Vorstand der DJSG Lieber Alfred! Der Vorstand und die Mitglieder der Deutschen Johann-Strauss- Gesellschaft gratulieren dir nachträglich zu deinem 90. Geburtstag, wünschen dir alles erdenklich Gute und natürlich weiterhin viel Gesundheit und Erfolg bei deinen Forschungen. 14

Du bist seit 1978 Mitglied der Strauss-Gesellschaft, bist also einer von denen, die fast von Anfang an dabei gewesen sind. Du hast vor allem in dieser Zeit, aber auch später und bis heute sehr viel für die Deutsche Johann-Strauss-Gesellschaft geleistet. Zusammen mit Werner Abel, Dr. Friedrich Klose und Heiner Schumacher hast du z. Bsp. in Coburg im Jahre 1987 die ersten Johann-Strauss-Tage organisiert und erfolgreich durchgeführt. Du streckst immer wieder überallhin deine Fühler aus, um neue Informationen zu bekommen, und verarbeitest sie dann in deinem stillen Kämmerchen. Für uns bist du immer ein Vorbild in deiner Beharrlichkeit und der lebende Beweis dafür, dass die StraussGesellschaften nie ermüden sollten in ihrem Bemühen zusammenzuarbeiten. Noch immer bist du sehr aktiv und forschst mit viel Erfolg. Dein Wissen ist oft sehr gefragt, nicht nur in Sachen Strauss-Familie, sondern auch was ihre Zeitgenossen angeht. Dabei sind besonders deine Dokumentationen über Eduard Strauss hervorzuheben, die du bis ins kleinste Detail ausgearbeitet hast. Leider konntest du deinen 90. Geburtstag nicht so feiern, wie du dir das wahrscheinlich vorgestellt hattest. Wegen eines Unfalls bei dir zu Hause musstest du ins Heilbronner Krankenhaus und dann in die Brackenheimer Reha. Doch du bist guten Mutes, wie wir das von dir gewöhnt sind! Wir wünschen dir, dass du bald wieder im vollen Besitz deiner Kräfte bist und deine Forschungen wieder aufnehmen kannst. Unser Dank gebührt deiner Frau Anneliese, die immer dafür sorgt, dass es dir bei deinen Forschungen in eurem behaglichen Heim an nichts fehlt. Lieber Alfred, Kopf hoch – und wir sind sicher, dass du es mit der Musik, die wir so lieben, schaffen wirst! Werner Abel Der Vorstand und die Mitglieder der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft Strauss-Freunde im In- und Ausland

Bundesverdienstkreuz für Manfred Drescher Am 27.Mai 2011 nahm Manfred Drescher, Pressesprecher und 2. Schriftführer der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft, aus der Hand von Staatssekretärin Melanie Huml, in Bamberg, die ihm von Bundespräsident Christian Wulff in Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste verliehene Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (im Volksmund: Bundesverdienstkreuz) in Empfang. In ihrer Laudatio würdigte Staatssekretärin Melanie Huml die vielfältigen Tätigkeiten, die Manfred Drescher schon seit seiner Jugend für die Politik, die Gesellschaft und die Kultur geleistet hat. Neben seinen politischen Aktivitäten begleitete Manfred Drescher über die ganzen Jahre hinweg eine Vielzahl von Ehrenämtern: So war er ehrenamtlicher Richter am Amtsgericht Bamberg, Vorsitzender des Stadtjugendrings Bamberg, seit fast 30 Jahren freie Persönlichkeit des Stadtjugendrings Bamberg, Personalratsvorsitzender des Arbeitsamtes Bamberg, Vorsitzender der Landeselternvereinigung der Wirtschaftsschulen in Bayern, seit 14 Jahren Vorsitzender des Bürgervereins Bamberg-Bug und seit nunmehr sechsunddreißig Jahren Geschäftsführer des Motorbootclubs Regnitz-Main. Auch von seiner großen Liebe zur Musik profitiert die Allgemeinheit in hohem Maße. Einige Jahre war Manfred Drescher Rezensent der in Berlin erscheinenden Opernzeitschrift „orpheus“ und seit über dreißig Jahren organisiert er Musikreisen mit dem Bus zu Opern- und Operettenaufführungen nach Verona, Bad Ischl, Bregenz, Mörbisch, St. Margarethen, Chemnitz, zum Coburger Operettensommer in Heldritt, Erfurt, Gut Immling, Leipzig, zu den Luisenburgfestspielen in Wunsiedel, nach Meiningen und Plauen. Viele Menschen führte Manfred Drescher durch diese Musikreisen erstmals an die Musik heran. 15

Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am 27.5.2011: Manfred Drescher mit seiner Gattin Edeltraud und Staatssekretärin Huml (rechts)

Manfred Drescher hat über Jahrzehnte hinweg seine Zeit und Energie in uneigennütziger Weise in den Dienst seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger, zu denen auch die Deutsche Johann Strauss-Gesellschaft gehört, gestellt: Wir gratulieren ihm sehr herzlich zu dieser hohen Auszeichnung.

IN MEMORIAM: Hubert Köhler 17. Februar 1927 – 15. Juli 2011 Nachrufe auf unseren langjährigen Schatzmeister Tiefe Trauer in Coburg und bei der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft Mit großer Bestürzung haben der Vorstand und die Mitglieder der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft e.V. die Nachricht vom Ableben unseres langjährigen Schatzmeisters, Hubert Köhler, erfahren. Nicht nur, dass Hubert Köhler über 18 Jahre die Finanzgeschäfte unseres Vereins führte, hat er doch vieles in unserer Gesellschaft initiiert oder maßgeblich vorangebracht: Die Deutsche Johann Strauss Gesellschaft wurde von ihm besonders mitgeprägt. Dazu gehört aber auch sein Humor und seine freundliche Art, die sich vielen unserer Mitglieder ganz besonders eingeprägt haben. Ihm gehört unser aller Dank für sein unermüdliches Wirken. Seinen Angehörigen gilt unsere aufrichtige Anteilnahme: Er hat in der Geschichte der DJSG einen herausragenden, würdigen und unvergessenen Platz. Ein persönlicher Nachruf Am 1. Januar 2011 erklang im Rahmen des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker der Walzer Abschieds-Rufe, op. 179, unseres Meisters Johann Strauss. Johann Strauss widmete dieses Werk Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahre begangen wird. Das Werk erlangte im heurigen Jahr besondere Aktualität: Am 12. Februar 2011 verstarb in Wien der bekannte Entertainer Peter Alexander Am 6. März trat Werner Abel als 2. Vorstand der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft zurück Am 4. Juli 2011 brach Seine kaiserlich-königliche Hoheit Erzherzog Dr. Otto von Habsburg, der letzte Thronfolger der altösterreichischen Monarchie (unsere geliebte Musikrichtung entstand in diesem Zeitalter) zu neuen Ufern auf 16

Am 13. Juli 2011 sagte der beliebte norddeutsch-österreichische Volksschauspieler Heinz Reincke der Welt Adieu Am 15. Juli wurde in Coburg unser ehemaliger Schatzmeister, Hubert Köhler, in die ewige Heimat abberufen, der für die finanziellen Angelegenheiten der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft 18 Jahre lang verantwortlich zeichnete. Mit Hubert Köhler verband der Autor dieses Nachrufes eine langjährige Freundschaft. Am 4. Oktober 1999 war Herr Professor Helmut Reichenauer bei mir, um mir ein Exemplar des damals neuen Buches über Johann Strauss-Vater zu überreichen. Bei dieser Gelegenheit entschied ich mich, der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft beizutreten. Herr Prof. Reichenauer rief Herrn Köhler an, um meine Aufnahme zur Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft in die Wege zu leiten. Herr Köhler war neben seiner Funktion als Schatzmeister auch ein tüchtiger Organisator von Reisen, wie zum Beispiel nach Berlin im Jahre 2000 oder Bad Reichenhall 2008. Die von ihm organisierte Busreise von Coburg nach Berlin zählt zu meinen bedeutendsten Ereignissen seit meiner Mitgliedschaft der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft. Lieber Herr Köhler haben Sie den Dank der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft für Ihren Beitrag! Vielen Dank für die Freundschaft und Zusammenarbeit! In der Erinnerung, in den Fotos der von ihm organisierten Reisen und in den mit Coburg in Verbindung gebrachten Werken der Familie Strauss lebt Herr Köhler weiter! Das entbietet in tiefster Dankbarkeit Johannes Böck

IN MEMORIAM: Norbert Nischkauer 24. Dezember 1941 – 26. Oktober 2011 Nachrufe auf einen langjährigen Strauss-Forscher Tiefe Trauer beim Wiener Institut für Strauss-Forschung „Tief betroffen geben wir bekannt, dass der Vizepräsident des Wiener Instituts für Strauss-Forschung, Strauss-Sammler und Enthusiast Prof. Norbert Nischkauer in der Nacht vom 25. Auf den 26. Oktober 2011 verstorben ist. Die Strauss-Welt erleidet einen schweren Verlust. Wir werden ihm stets ein ehrendes, dankbares Andenken bewahren!“ (Quelle: www.johann-strauss.at – Wiener Institut für Strauss-Forschung) Diesem Nachruf schließen sich der Vorstand und die Mitgliedschaft der Deutschen Johann StraussGesellschaft an, Professor Nischkauer hatte mit seinen tiefgründigen Forschungen vor allem die Johann Strauss (Vater)-Gesamtaufnahme begleitet. Die Deutsche Johann Strauss-Gesellschaft bewahrt ihm ein ehrendes Angedenken. Seinen Angehörigen gilt unser Mitgefühl für diesen plötzlichen und schmerzlichen Verlust. Ein persönlicher Nachruf Am 27. Oktober 2011 ereilte den Autor dieses Nachrufes die Nachricht vom Ableben eines der engagiertesten Strauss-Forschers, Sammlers von Dokumenten und Vizepräsidenten dies Wiener Institutes für Strauss-Forschung – Herrn Prof. Norbert Nischkauer. Neben seinem Hauptberuf als Zentralbetriebsrat der Österreichischen Elektrizitätswirtschaft und gewerkschaftlichen Verpflichtungen investierte der gelernte Elektromonteur seine freie Zeit in Sammeln, Bewahren und Pflege der Musik der Familie Strauss und Zeitgenossen. 17

Er gründete den Musikverein Symphonia, mit dem er viele Konzerte mit Werken sowohl der Familie Strauss als auch Zeitgenossen und Vertretern der Goldenen und Silbernen Operettenära und der alten Schlager (zum Beispiel: Walter Jurmann) gab. Sein Archiv im Dachgeschoß seiner Wohnung auf der Wiener Schmelz (wo zur Zeit der Monarchie die Militärparaden und –übungen stattfanden – die ParadeQuadrille, op. 45 und die Bivouac-Quadrille, op. 58, von Josef Strauss erinnern daran) im 15. Wiener Gemeindebezirk ist gefüllt mit zahlreichen Dokumenten von Strauss und Zeitgenossen. Hier wurden auch die Dokumente zur Erstellung der Johann Strauss-Vater-Gesamtaufnahme, von der demnächst die Folge 20 erscheinen wird, aufbewahrt. Zu seinen Konzerten und sonstigen Gedenkveranstaltungen erstellte Herr Prof. Nischkauer umfangreiche Konzertprogramme mit Dokumenten und Noten aus jener Zeit, nach denen der Musikliebhaber diese am Klavier nachspielen kann. Wie die Herren Prof. Eberhard Würzl, Prof. Max Schönherr und Prof. Franz Mailer leistete Herr Prof. Nischkauer eine gewaltige Pionierarbeit. In den Vereinigten Staaten von Amerika spricht man im Gedenken an die Wegbereiter vom Pioniergeist! Dieser Pioniergeist lebt auch in der Strauss-Welt. Das Mitgefühl gegenüber den Familienangehörigen und dem Wiener Institut für Strauss-Forschung und tiefste Dankbarkeit für seinen intensiven Beitrag zur Strauss-Forschung und -Pflege entbietet Johannes Böck

„Kulturverein Wiener Blut“ gegründet Der Kulturhistoriker und Strauss-Forscher Prof. Helmut Reichenauer, seit vielen Jahren engagiertes und gestaltendes Mitglied der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft, des Wiener Instituts für StraussForschung sowie der Johann Strauss Society of Great Britain, hat im Herbst dieses Jahres in Wien den „Kulturverein Wiener Blut“ gegründet. Zielsetzung Reichenauers, der durch zahlreiche Fachpublikationen und Vorträge im In- und Ausland Anerkennung gefunden hat, ist die Herausgabe eines vierteljährlich erscheinenden Strauss-Magazins mit dem viel versprechenden Titel „Almanach – Die magische Welt der Strauss-Familie“. Die erste Ausgabe dieses Periodikums ist bereits erschienen. Neben aktuellen Berichten über Konzert- und Theaterleben im In- und Ausland, neuen Forschungsergebnissen, Presseberichten und eigenen Rezensionen soll die zu Zeiten Prof. Franz Mailers geübte Tradition kulturhistorischer Recherche wiederbelebt und aktualisiert werden. Diesmal jedoch soll dieses in enger Zusammenarbeit mit dem Wiener Institut für StraussForschung und anderen qualifizierten Institutionen geschehen. Eine effektive Koordination mit der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft gilt aus Sicht des Vereins ebenfalls als grundlegende Voraussetzung für weiteres Gedeihen der Strauss-Forschung im gesamten deutschen Sprachraum. Fernziel des „Kulturvereins Wiener Blut“ ist die Errichtung eines Internationalen Museums der Strauss-Dynastie. Bleibt daher zu hoffen, dass die Stadt Wien, „Welthauptstadt der Musik“, das Anliegen des neu gegründeten Kulturvereins früher oder später auch zu würdigen weiß. Mit dem „Strauss-Almanach“, der durch sorgfältige Recherche, aber auch durch reichhaltiges Bildmaterial hervorragend ausgestattet ist, will das Team des „Kulturvereins Wiener Blut“ neue Freunde der Strauss-Musik in aller Welt gewinnen: Bereits die erste Ausgabe ist eine Fundgrube für alle Operettenfreunde, z. B. jene, die schon immer wissen wollten, auf welche Musikstücke denn Adolf Müller seinerzeit zugegriffen hatte: Zugegeben, „Wiener Blut“, „Leichtes Blut“ und manches andere erschließt sich leicht, anderes ist hervorragend versteckt. Die Einschätzung Reichenauers, dass die Operette gerechterweise „Operette von Adolf Müller nach Motiven Strauss’scher Werke“ heißen 18

müsste, ist jedenfalls hervorragend belegt: Informatives und auch Verblüffendes findet der Leser die Fülle in der ersten Ausgabe, die Lust auf mehr bereiten. Wer diese Arbeit unterstützen und/oder durch seine Mitgliedschaft fördern möchte, möge sich bitte unter [email protected] melden: Alle kulturinteressierten Menschen sind herzlich willkommen. Und schließlich ist Prof. Reichenauer unter uns kein Unbekannter!

Tanz-Signale 2012 „Das Leben ein Tanz oder Der Tanz ein Leben“ Das Wiener Institut für Strauss-Forschung (WISF) veranstaltet nun zum neunten Mal in Folge die Vortragsreihe, die 2012 unter dem Thema des gleichnamigen Walzers op. 218 von Johann Strauss (Vater) steht und von Donnerstag, 15. März, bis Samstag, 17. März 2012 stattfinden wird. Fragen, wie: Wie hat das Leben die Tänze, die Tanzkultur des 19. Jahrhunderts beeinflusst? Tut es das heute noch? Et vice versa: Wie haben Tänze das Leben im 19. Jahrhundert beeinflusst? Tun sie es heute noch? Ekstase und Exzesse als Folge von Galopp und Walzer? Galopp und Walzer als Ausdruck einer Lebensform? stehen im Mittelpunkt. Musik als „Droge“? Eine spannende Frage, wohl doch nicht erst heute mit den Auftritten von „boy groups“ und „kreischenden Teenies“... Weitere Informationen unter: www.johann-strauss.at.

Nachträglich: Herzliche Wünsche besonderer Art von Ingolf Roßberg Sich herzlich nachträglich allen Gratulanten zum 21. Geburtstag von Thomas Strauss am 24. Januar 2011 und zum 23. Geburtstag von Michael Strauss am 28. Juli 2011, den beiden jüngsten Vertretern der „Strauss-Familie“, anzuschließen – was ich hiermit tue –, ist bestimmt ungewöhnlich: Bei Michael Strauss wurde im Juli 2010 „akute lymphatische Leukämie (ALL)“ diagnostiziert. Trotz Chemotherapie – mit all ihren Konsequenzen – konnte er die Krankheit nur überwinden dank seines Bruders Thomas‘ Stammzell-Spende im Januar 2011; Thomas hatte sich als „genetischer Zwilling“ herausgestellt. Die Anspannungen und die großen Belastungen haben die Brüder, wie die britische Johann-Strauss-Gesellschaft in ihrer neuesten Ausgabe ihres „Newsletters“ (Ausgabe 269) zu berichten weiß, in einer berührenden Art gemeinsam bewältigt: Eine solche Art der „Bluts-Brüderschaft“ gab es jedenfalls in der Strauss-Dynastie bisher nicht. Beiden, und ihren Eltern, die in diesem Jahr im September Silberhochzeit feierten, gelten deshalb herzliche Wünsche und beste Grüße. Ganz persönlich, aber sicher auch im Namen vieler unserer Leser, an Michael, Thomas und die gesamte Familie Dr. Strauss am Ende dieses für die Familie besonders verlaufenen Jahres: Alles Gute – und frohe Weihnachten!

19

Fachbeiträge Walzerklang und Revolution – Zum kulturpolitischen Stellenwert der Wiener Tanzmusik im Vormärz von Helmut Reichenauer Walzerklang und Revolution – passt das zusammen? Auf den ersten Blick wohl nicht! Dass beides dennoch in einem bemerkenswerten kulturhistorischen Kontext steht, soll im nachstehenden Bericht näher erläutert werden. Der starre Despotismus Kaiser Franz I. und die Regierungsunfähigkeit seines Nachfolgers Ferdinand (ab 1835) bewirkten zweifellos eine Lähmung und wirtschaftliche Stagnation. Staatskanzler Metternich sorgte zudem durch ein perfekt organisiertes Spitzel- und Überwachungssystem für politische Friedhofsruhe im Lande. Nichts fürchtete das österreichische Kaiserhaus mehr, als eine Revolution der Volksmassen zu erleben, wie jene von 1789 oder 1830 in Paris. Gleichzeitig hatte das Prinzip der hemmungslosen Ausbeutung der arbeitenden Menschen in den sozial niedrigen Schichten der Bevölkerung dramatische Ausmaße angenommen.

Abb. 1: Straßenszene im vormärzlichen Wien (aus Bäuerles „Theaterzeitung“) Ein Besuch in den hellerleuchteten Ballsälen der kaiserlichen Residenzstadt war für kleine Handwerker und Lohnarbeiter vielfach ein unerreichbarer Traum. „Jeden Tag Ball und kein Kreuzer Geld im Sack“ lautet der Untertitel einer satirischen Darstellung aus der Wiener Theaterzeitung. Grell und unverhüllt trat die soziale Problematik auch im Bereich der Kinderarbeit in Erscheinung. 69jährige Kinder wurden in Tages- und Nachtschichten in den Textil- und Spinnfabriken eingesetzt. Aufgrund dieser und zahlreicher anderer Missstände nimmt es eigentlich nicht wunder, dass um das Jahr 1840 eine gewaltige Auswanderungswelle nach Amerika einsetzte. Die Illusion, im gelobten Land zu Wohlstand und Reichtum zu kommen, war die letzte Hoffnung der Verzweifelten. 20

Abb. 2: Szene in einer Schneiderwerkstätte (aus Bäuerles „Theaterzeitung) Es gab allerdings auch Wohlstand in der kaiserlichen Konsum- und Luxusstadt Wien. Aber eben nur für eine exklusive Oberschicht. Der Bedarf an kostbaren Garderoben und Ballkleidern in Kreisen des gut situierten Bürgertums war zu jener Zeit enorm. Dementsprechend hatten Schneiderwerkstätten wie etwa der berühmte ‚Gunkel‘ in Wien Hochsaison. Gerade in diesem Berufszweig aber zeigt sich die verhängnisvolle Differenzierung in ein wohlhabendes großbürgerliches Unternehmertum auf der einen Seite und ein Heer von armselig dahinvegetierenden Handwerkern und Lohnarbeitern auf der anderen Seite. Ein Schneidergeselle hatte um 1840 eine 97-Stundenwoche abzuleisten. Dafür bekam er etwa 8 Gulden pro Woche. Die Hälfte davon wurde ihm vom Meister abgezogen für Quartier und Verpflegung. Um zu ermessen, wie kärglich diese Besoldung war, braucht man sich nur in Erinnerung zu rufen, dass die Monatsmiete einer bürgerlichen Wohnung innerhalb der Basteien von Wien damals 5000 Gulden kostete! In der offiziellen zensurbereinigten Presse in der Zeit des Vormärz war von all den sozialen Nöten der arbeitenden Bevölkerung nichts lesen. Vielmehr feierte der Verharmlosungs-Journalismus fröhliche Urstände. Fast täglich hörte man von Tanz- und Lebenslust, Kleiderpracht und Luxus, aber jeder wusste, dass es sich dabei um Privilegien einer Minderheit handelte. Das absolutistische Regime im Biedermeier setzte dem Geistesleben jener Zeit sehr enge Grenzen. Dafür sorgte schon die Zensur. In Nestroys Theaterstück „Freiheit in Krähwinkel heißt es: „Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition“. In seinem autobiographischen Werk „Aus meinem Leben“ schildert der namhafte Musikwissenschaftler und Kulturkritiker Eduard Hanslick das geistige Leben in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Er schreibt: „Es ist mir eine wertvolle Erinnerung, die letzten Jahre des vormärzlichen Wien mit durchlebt zu haben (...). Von allen großen geistigen Interessen abgesperrt, warf sich das Wiener Publikum auf den Kultus des 21

schlechtweg Zerstreuenden, Unterhaltenden in der Kunst. Die Theater florierten nicht nur, sie bildeten den Hauptgegenstand der Konversation, die wichtigste Rubrik der Tagesblätter. In Ermangelung politischer Organe las man mit wunderlicher Wichtigkeit die ‚Theaterzeitung‘, den ‚Humoristen‘ usw. Auf musikalischem Gebiet herrschte die italienische Oper, das Virtuosentum, der Walzer. Strauß und Lanner waren vergöttert. Ich wäre der letzte, das glänzende Talent dieser beiden Männer zu unterschätzen, welche ... die originellsten in sich vollendetsten und hinreißendsten Erscheinungen jener Musik-Epoche waren. Um Strauß und Lanner darf jede Nation Österreich beneiden...“(Zitat Ende) Schon mehrmals in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts waren schwere soziale Unruhen und Aufstände in den Provinzen der Donaumonarchie mit Militärgewalt niedergeschlagen worden. (Aufstand der schlesischen Weber, Unruhen in den italienischen Provinzen, Aufstand der polnischen Bauern, die Autonomiebestrebungen in Ungarn etc.) Notwendige Reformen wurden nicht einmal ansatzweise verwirklicht. Erzherzog Johann, der „grüne Rebell“ der Steiermark und wohl intelligenteste der damals regierenden Habsburger (Bruder des Kaisers Franz) - schrieb am 1. Jänner 1848 in sein Tagebuch: „Wir stehen am Vorabend von Ereignissen der bedenklichsten Art.. Und noch will man nicht begreifen, dass es auf dem bisher eingehaltenen Wege nicht mehr gehen kann..(...) Die große französische Revolution und die napoleonischen Kriege haben Kräfte aufgeweckt, die man nicht mehr beiseite schieben kann...“ Adolph Bäuerle, der Verfasser humorvoller Theaterstücke und Herausgeber der allseits beliebten Theaterzeitung, erfreute seinen Leserkreis im Jänner 1848 mit einer trefflichen Bildsatire: „Bittersüsse Carnevals-Bonbons“. Es lohnt sich, diese Karikatur näher zu betrachten.

Abb.3: Bittersüsse Carnevals Bonbons 1848. Karikatur aus Bäuerles Theaterzeitung. Der Zeichner thematisiert das Dilemma einer Gesellschaft, die den Boden der Realität unter den Füßen verloren hat und betäubt in den Wahnwitz flüchtet. Mephisto erscheint in den Lüften, den Taktierstock in der Rechten, worauf die Noten ängstlich das Weite suchen. Voll Energie und Selbstbewusstsein 22

schlägt Strauß Vater den Takt, während die Musiker auf skurrilste Weise aneinandergeraten, statt diszipliniert zu spielen. Unwillkürlich stellt sich uns die Frage: War dieses Bild ein harmloser Faschingsscherz oder bereits ein Psychogramm der letzten Tage des Wiener Biedermeier? Am 22. Februar 1848 überrascht Strauß Vater sein Publikum im Sophienbad-Saal mit einem Walzer, der den höchst zeitgemäßen Titel „Sorgenbrecher“ trug. Ironie der Geschichte. Am Tag der Uraufführung dieses Walzers brach in Paris die Februar-Revolution aus. Nach dem Sturz des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe hatten die Franzosen innerhalb weniger Tage die Republik in Frankreich ausgerufen. Natürlich hat sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer in ganz Europa verbreitet und war auch in Wien zum alles beherrschenden Gesprächsthema geworden. Vor dem Kärntnertor gab es einen großen Volksauflauf: Ein Plakat verkündete die unglaubliche, ja ketzerische Nachricht: „In einem Monat wird Fürst Metternich gestürzt sein. Es lebe das constitutionelle Oesterreich!“ - Das Plakat hing nur wenige Stunden, bis es die Polizei entfernte. Die Botschaft indessen sollte sich als richtig erweisen. Im Hause Habsburg brannte nun das sprichwörtliche „Feuer am Dach“. War ein Übergreifen des revolutionären Funkens auf die Metropole der Donaumonarchie überhaupt noch zu verhindern? 13.März 1848. Vom Universitätsgebäude der Inneren Stadt strömen Bürger und Studenten in Scharen zum Landhaus in die Herrengasse, wo eben die traditionelle Beratung der niederösterreichischen Landstände begonnen hat. Allen Sturmzeichen zum Trotz ist Staatskanzler Metternich noch immer nicht bereit, Willenskundgebungen des Volkes ernst zu nehmen, geschweige denn, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sich alsbald herausstellen sollte. Eine tausendköpfige Menge steht vor dem Landhaus in der Herrengasse und in lauten Sprechchören ertönen die Forderungen der Bürger und Studenten: Pressefreiheit! Religionsfreiheit! Lehr- und Lernfreiheit! Volksvertreter! Konstitution! – Regierungstruppen gehen in Stellung, um die Demonstranten einzuschüchtern. Wenige Tage zuvor hatte der Vertreter Ungarns, Lajos Kossuth, in einer aufsehenerregenden Rede vor dem Preßburger Reichstag den Regierungsstil der kaiserlichen Hofburg in Wien einer vernichtenden Kritik unterzogen. Unter anderem formuliert er in wirkungsvollem Pathos: „Ja, auf uns ruht der schwere Fluch eines erstickenden Qualms, aus der Beinkammer des Wiener Systems weht eine verpestete Luft auf uns, die unsere Nerven lähmt und sogar unseren Geistesflug bannt.“ Der 13. März 1848 endete blutig. Die kaiserlichen Truppen ritten in die Herrengasse ein, um die Demonstranten zu zerstreuen. Nachdem dies nicht gelang, wurde das Feuer eröffnet. Die Menge floh panisch, aber 4 Männer und eine Frau lagen tot auf der Straße. Die Revolution hatte ihre ersten Opfer. Am nächsten Tag gab das Kaiserhaus nach. Nicht zuletzt deshalb, weil in den Vorstädten aufgebrachte Arbeiter bereits Fabriken stürmten und die ihnen verhassten Maschinen zerstörten. Die Zensur wurde aufgehoben. Eine Verfassung in Aussicht gestellt. Die Studenten als treibende Kraft der neuen politischen Bewegung werden wunschgemäß mit Waffen aus dem Zeughaus versorgt. Johann Strauß Vater illustriert das politische Geschehen musikalisch mit seinem „Marsch der Studenten-Legion“ op. 223. Aber auch Johann Strauß Sohn, der im April von seiner Balkan-Tournee nach Wien zurückkehrte, schreibt einen „Studenten-Marsch“ op. 56. Metternich hatte bereits einen Tag nach Ausbruch der Revolution das Land verlassen und war nach England geflohen.

23

Die Zensur war nun tatsächlich aufgehoben und eine unübersehbare Flut von politischen Schriften, Plakaten, Aufrufen und Karikaturen ergoss sich auf ein verwirrtes Bürgertum, das im Augenblick gar nicht wusste, wie es nun weitergehen sollte. Am 5. April marschierten Studenten zum Stephansplatz und rissen den Wiener Erzbischof mit einer sogenannten ‚Katzenmusik‘ aus dem nächtlichen Schlaf. Auch Brot- und Bäckereiläden wurden geplündert. Einen Tag später waren die ‚Ligourianer‘ an der Reihe. Die Klosterbrüder des Redemptoristenordens, die als habgierig und reaktionär verschrien waren und angeblich auch Spitzeldienste für Metternichs Polizeiapparat geleistet hatten, wurden von einer aufgebrachten Menge aus ihrem Kloster neben der Kirche am Gestade gejagt und vertrieben.

Abb. 4: Die Vertreibung der Ligourianer. Karikatur aus Bäuerles Theaterzeitung. Das war die Stunde des jungen Johann Strauß. Mit seinen „Ligourianer-Seufzern“ op. 57 schreibt er ein Stück Musikgeschichte. Ein keck-fröhlicher Gassenhauer eröffnet die Scherz-Polka. Im Trio blendet Strauß den Spottvers „Ligouri ci gouri“ in den Instrumentalsatz ein. Schließlich folgt eine „Katzenmusik“ mit allen dazugehörigen Geräuschkomponenten. Im Mai des Jahres 1848 verließ Kaiser Ferdinand, dem der Boden zu heiß geworden war, Wien und floh mit dem gesamten Hofstaat nach Innsbruck. Diese Entwicklung erfüllte aber nicht nur den Adel, sondern auch das gehobene Besitzbürgertum mit Unbehagen. Wohin sollte das noch alles führen? Die konservativen Kräfte sahen nun die Stunde gekommen, zum Gegenschlag auszuholen. Die kaiserlichen Regierungsvertreter unterstellten die Nationalgarde dem Militärkommandanten Auersperg. Dieser verlangte per Maueranschlag die Auflösung der „Academischen Studentenlegion“ binnen 24 Stunden. Gleichzeitig zogen kaiserliche Infanterie- und Kavallerietruppen in die Innere Stadt. Als das Militär auch noch die Universität schließen will, greifen die Studenten neuerlich zu den Waffen. Spontan wird in den Straßen mit dem Bau von Barrikaden begonnen. Erstmals beteiligen sich auch 24

Bauern und Arbeiter aus den Vorstädten am allgemeinen Widerstand. Überrascht von der Intensität des Aufruhrs, verzichten die kaiserlichen Truppen vorerst auf eine militärische Auseinandersetzung. Zwei Tage später erklangen im Casino Zögernitz in Döbling unter der schwungvollen Leitung des jungen Strauß zum ersten Mal dessen „Barricaden-Lieder“, eine anmutige Walzerkette, die später unter dem neutralen Titel „Freiheits-Lieder“ op. 52 im Druck erschienen ist. Dass Johann Strauß Junior echte Revolutionsmusik schreiben konnte, bewies wohl am besten sein Marsch op. 54 mit dem unmissverständlichen Titel „Revolutions-Marsch“.

Abb. 5: Revoltierende Studenten im Jahre 1848. Karikatur aus Bäuerles Theaterzeitung. Das Werk besticht trotz seiner Molltonalität durch grazil-elegante Leichtigkeit, durch seine markante Ostinato-Rhythmik, und setzt im Trio mit einem luftig-fröhlichen Mittelteil einen überaus reizvollen Kontrast zum energischen Hauptthema des Marsches. Es ist der studentischen Jugend Wiens sicher nicht schwer gefallen, sich mit diesem Marsch zu identifizieren. Dieser zündende Marsch sollte nur wenige Monate später Opfer der politischen Zensur werden. Verboten und eingestampft, durfte er nach 1848 nicht mehr gespielt werden und geriet fast 150 Jahre lang in Vergessenheit. Auch Johann Nepomuk Nestroy verdanken wir eine grandiose Revolutionssatire. „Freiheit in Krähwinkel“ hieß das Stück und wurde in der Zeit von Juli bis Oktober 1848 alltäglich vor ausverkauftem Haus im neu erbauten Carl-Theater in der Leopoldstadt gespielt. Manche Liedstrophen des Theaterstücks wurden so populär, dass sie sich wie ein Lauffeuer in ganz Wien verbreiten. Laut Regieanweisung erklang jeweils am Ende der Vorstellung Straussens „RevolutionsMarsch“. Das beliebteste Spottlied jener Tage war zweifellos das so genannte „Fuchslied“. Als im Revolutionsjahr 1848 der Wiener Theaterschriftsteller Roderich Benedix das Fuchslied in sein Bühnenstück „Das bemooste Haupt“ aufnahm, erlag auch Wien dem zwingenden Bann dieses Gassenhauers. Ort des Geschehens: Das Theater an der Wien. 25

Abb. 6: Straßenszene vor dem Theater an der Wien um 1840 Ganze Kompanien von Studenten strömen Abend für Abend ins Theater. Bei jeder Aufführung marschieren sie dann laut Regieanweisung singend über die Bühne. Das Fuchslied, dessen Originaltext mit den Worten beginnt: “Was kommt dort von der Höh‘?“, diente fortan als Grundlage für verschiedenste aufrührerische Texte und wurde von den Studenten fast bis zum Überdruss gesungen. Ein schönes Beispiel einer musikalischen „Kontrafaktur“. Es würde verwundern, wenn Strauß Junior dieses Lied nicht gekannt hätte. Natürlich hat er es gekannt. Er verwendet die Melodie dieses politverdächtigen Gassenhauers geschickt in der Coda seines neuen Walzers „Burschenlieder“ op.55. Und auch in seiner amüsanten Polka „Geisselhiebe“ klingt das ‚Fuchslied‘ an. Im August schlug die politische Stimmung plötzlich um: Dem greisen Feldmarschall Radetzky war es am 6. August gelungen, die italienischen Truppen aus Piemont-Sardinien zu besiegen und die schon verloren geglaubte Lombardei samt Mailand neuerlich zu besetzen. Den italienischen Nationalismus hatte Radetzky damit keineswegs auslöschen können. Der italienische Befreiungskampf, das sogenannte „Risorgimento“, stand ja erst am Anfang einer mächtigen, dauerhaften Bewegung, die letztlich zur nationalen Einigung Italiens und zum Hinauswurf der habsburgischen Herrschaft führen sollte. Weltgeschichtlich gesehen war dieser militärische Sieg Radetzkys also kaum von Bedeutung. Aber er hatte Signalwirkung: Trotz aller revolutionären Wirren in Wien gab es also noch immer ein schlagkräftiges, der Monarchie ergebenes Heer. Kaiser Ferdinand kehrte nach dieser Frohbotschaft am 23. August aus seinem Tiroler Exil nach Wien zurück. Wenige Tage später kam es dann zur blutigen Niederschlagung eines Arbeiteraufstandes durch die Nationalgarde.

26

Dieses schreckliche Ereignis, welches als harmloser Protest gegen unzumutbare Lohnkürzungen begonnen hatte, ging als „Praterschlacht“ in die Annalen österreichischer Geschichte ein. Der Zeitzeuge Victor Zenker berichtete: „Am Eingang der Jägerzeile stießen die Arbeiter auf die Garden. Man weiß nicht, von welcher Seite die Feindseligkeiten eröffnet wurden, genug, die Garden feuerten wiederholt in den aus unbewaffneten Männern, Weibern und Kindern bestehenden Knäuel, sie hieben noch in die Fliehenden ein und verschonten selbst Kinder nicht. Zahlreiche Leichen und Hunderte von Verwundeten bedeckten das Pflaster.“ (Zitat Ende). Eduard Strauß, der jüngste der drei Strauß-Söhne, – er war damals gerade 13 Jahre alt – berichtet in seinen 1906 verfassten autobiographischen Erinnerungen, dass sein Bruder Johann an diesem Tag als Nationalgardist in der Leopoldstadt Wache hielt. Als dieser von der Arbeiterdemonstration hörte, ließ er sein Gewehr im Schilderhaus stehen und eilte schnurstracks heim ins Hirschenhaus am Karmeliterplatz, wo Familie Strauß wohnte. Er konnte es einfach mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, als bewaffneter Nationalgardist auf demonstrierende Arbeiter zu schießen. Eine Entscheidung, die wir ihm posthum hoch anrechnen dürfen. Am 31. August 1848 gibt es in den Parkanlagen des Wasserglacis ein großes Siegesfest zu Ehren des Feldmarschalls Radetzky. An diesem Tag erklang auch erstmals der „Radetzky-Marsch“ op. 228, persönlich dirigiert von Johann Strauß Vater. Gäbe es diesen Marsch nicht Jahr für Jahr als rituelle Zugabe zum Neujahrskonzert, wer würde heute noch über Feldmarschall Radetzky reden?

Abb. 7: Feldmarschall Radetzky in der Schlacht von Novara 1849 Wir wissen, dass Strauß Vater es verstanden hat, zündende Märsche zu schreiben. Dennoch ist es bedauerlich, dass Millionen Menschen ihre Vorstellung über Strauß Vater ausschließlich über die Musik des Radetzky-Marsches beziehen und kein anderes Werk von ihm kennen: Immerhin hat er uns über 250 hochwertige Kompositionen hinterlassen. 27

Im Oktober 1848 begann der letzte Akt des Wiener Revolutionsdramas. Nach dem Gemetzel gegen die demonstrierenden Arbeiter im August plante die Regierung als nächstes, die Revolution im benachbarten Ungarn niederzuschlagen. Aber das revolutionäre Potential der Wiener Bevölkerung war noch lange nicht erschöpft. Als Kriegsminister Latour kaiserliche Truppen abkommandieren will, um den Aufstand in Ungarn niederzuschlagen, erheben sich Bürger, Studenten und Arbeiter gemeinsam gegen die geplante konterrevolutionäre Militäraktion. Der Abmarsch der Truppen am Tabor wurde blockiert, zahlreiche Mitglieder der kaiserlichen Truppen liefen prompt zu den Revolutionären über. Als die Aufständischen in die Innenstadt zurückkehrten, wurden sie am Stephansplatz von den „Schwarz-Gelben“ mit Gewehrsalven empfangen. Bürgerkrieg in Wien. Panikartig flüchten die Angegriffenen in den Stephansdom, doch auch sie entkamen dem Gemetzel nicht. Im Kirchenschiff wurde weitergeschossen. Es gab 15 Tote und 95 Verwundete. Diese Ungeheuerlichkeit brachte die Bevölkerung so sehr in Weißglut, dass sie das Kriegsministerium „Am Hof“ stürmte und den für das Massaker verantwortlichen Kriegsminister Latour erschlug. Die Leiche Latours wurde an einer Laterne aufgehängt. Noch am selben Abend stürmten Arbeiter und Studenten das Zeughaus und erzwangen die Herausgabe aller brauchbaren Waffen. Am nächsten Tag flieht Kaiser Ferdinand, der erst vor kurzem zurückgekehrt war, samt Hofstaat neuerlich aus Wien. Diesmal nach Olmütz. Etwa 20.000 Wiener verlassen ebenfalls die Stadt. Alle anderen bleiben aber und stellen sich hinter die Revolution. Wien war in diesen Tagen völlig in der Hand der Aufständischen. Oberkommandierender wird Wenzel Caesar Messenhauser, ein 35jähriger Oberleutnant. Ihm unterstehen 25.000 bewaffnete Männer, die bereit sind, die Wiener Innenstadt und die Bezirke innerhalb des Linienwalls zu verteidigen. Von außen her näherten sich jedoch in den Folgetagen konterrevolutionäre Truppenverbände in einer Gesamtstärke von über 100.000 Mann. Kaiser Ferdinand hatte den Stadtkommandanten von Wien, Fürst Windischgrätz zum Oberkommandierenden der kaiserlichen Armeen ernannt. Windischgrätz kam gerade aus Prag zurück, wo er die aufständischen Tschechen mit eiserner Faust niedergeschlagen hatte. Von Osten her näherte sich der kroatische Heerführer Jellacic, der im Auftrag des Kaisers auch gegen die ungarischen Revolutionäre vorging. Der Kampf gegen eine solche Übermacht kaiserlicher Truppen war natürlich aussichtslos. Am 26. Oktober beginnt der Kampf um Wien. Durch das Bombardement der kaiserlichen Artillerie geraten ganze Häuserzeilen in Brand. Dennoch gelingt es Windischgrätz keineswegs sofort, die heldenhaft verteidigten Stellungen rund um Wien einzunehmen. In der Nacht vom 29. zum 30. Oktober brannte die gesamte Jägerzeile in der Leopoldstadt. Ein furchtbares Bild bot der zerstörte Odeonsaal in der Circusgasse, der schönste und größte Tanzsaal in Europa, in welchem Johann Strauß Vater zwischen 1845 und 1848 unzählige Male mit seinem Orchester brilliert hatte.

28

Abb. 8: Brand der Jägerzeile (heute Praterstraße) im Revolutionsjahr 1848

Abb. 9: Brand des Odeon-Saals in der Leopoldstadt. Am 30. Oktober verkündet Messenhauser die Kapitulation. Noch einmal beginnt Windischgrätz die Stadt zu bombardieren und schließlich erstürmen die Seressanertruppen des kroatischen Heerführers Jellacic das verbarrikadierte Burgtor. Es war die letzte Bastion gewesen. Die Revolution war zu Ende. 29

Nun folgte der Rachezug der Konterrevolutionäre. Tausende wurden verhaftet und verschwanden hinter Festungsmauern. 24 Revolutionsführer wurden hingerichtet, unter anderem auch Robert Blum, der Deputierte der Frankfurter Nationalversammlung. Und am 16. November starb der mutige Oberleutnant Messenhauser unter den Kugeln des Hinrichtungskommandos im Wiener Stadtgraben. Die Welt des Biedermeier war zu Ende. Am 2. Dezember wurde der 18-jährige Habsburger Franz Joseph auf Betreiben seiner Mutter, der mächtigen Erzherzogin Sophie, zum Kaiser von Österreich gekrönt. Dem geistesschwachen Ferdinand hatte man die Abdankungsurkunde zum Unterschreiben vorgelegt. Der Tor hatte seine Schuldigkeit getan. In diesen welthistorischen Tagen bekam Johann Strauß Junior Schwierigkeiten mit der Polizeibehörde. Bei einem Konzert im Gasthaus „Zum Grünen Thor“ in der Josephstadt hatte er auf Wunsch der Gäste die „Marseillaise“ gespielt. Daraufhin wurde er von der Polizei vorgeladen.

Abb. 10: Johann Strauss Junior als Dirigent Der junge Kapellmeister verteidigte sich geschickt, indem er zu Protokoll gab, dass er sich im Interesse der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung gezwungen sah, den Wünschen des Publikums nachzukommen. Wörtlich sagte er: „Wenn aber ein diesfälliges Verbot streng gehandhabt werden soll, muß ich bitten, daß wir als Musikdirectoren vor Insulten und Exzessen durch eine Inspektionswache geschützt werden, weil unsere Weigerung, dies oder jenes nicht zu spielen, oft nicht hinreicht.“ Die Behörde ließ den jungen Musikdirektor laufen. Aber die stockreaktionäre Zeitschrift „Die Geissel“ griff den Vorfall auf und attackierte Johann Strauss wegen seiner musikalischen Unbotmäßigkeiten. Der wiederum ließ dies nicht auf sich sitzen und komponierte eine Polka mit dem Titel „Geisselhiebe“: Dieses 30

kleine Werk mit der Opusnummer 60 ist ein kecker Geniestreich, an dem sich der musikalisch Eingeweihte auch heute noch erfreuen kann. Mit genialer Leichtigkeit verwob der junge Strauß die Melodie eines böhmischen Liedes mit Zitaten der verbotenen Marseillaise und Teilen des nunmehr ebenfalls verbotenen Fuchsliedes. Mit dem kurzen, aber unüberhörbaren Spottchor-Motiv aus Webers „Freischütz“ setzte Strauß einen weiteren Glanzpunkt in die Partitur dieses Meisterwerkes. Gegen diese subtile Form des Protests war selbst Kaiser Franz Joseph machtlos. Die Revolution von 1848 gehört zu den zentralen Umwälzungen der letzten 250 Jahre. Sie nahm viele gesellschaftliche Erneuerungen vorweg und etablierte für kurze Zeit politische Einrichtungen, die erst ein halbes Jahrhundert später dauerhaft verwirklicht wurden. Am Widerstand der herrschenden politischen Kräfte, aber auch an den eigenen sozialen und nationalen Konflikten war die Revolution von 1848 gescheitert. Aber sie hatte Ideen und Visionen hervorgebracht, die späteren Generationen einen Weg in eine bessere Zukunft ermöglichten. Die letzten Worte des Journalisten und Freiheitskämpfers Hermann Jellinek vor seiner Hinrichtung am 23. November 1848 lauteten: „Ideen können nicht erschossen werden“

Abb. 11: Der Wiener Stephansdom zur Zeit der Geburt von Johann Strauss Vater Anliegen dieses historischen Berichtes war und ist es, dem Leser von der Rolle der Musik, und hier vor allem vom Engagement der beiden „Walzerkönige“ Johann Strauß Vater und Sohn zu berichten in einer bewegten Zeit österreichischer Geschichte.

„Die Fledermaus“ – Ein Pariser Vaudeville à la viennoise Von Mathias Spohr* „Die Fledermaus“ (1874) gilt ein absoluter Höhepunkt des Goldenen Zeitalters der Wiener Operette. Sie ist das Bühnenwerk von Johann Strauss, das am häufigsten gespielt wird und zum Symbol der Wiener 31

Operette schlechthin geworden ist. Etwas Typischeres lässt sich für die österreichische Metropole kaum denken! Die ganze Atmosphäre des Fin de Siècle ist in ihr eingefangen: eine bürgerliche Gesellschaft in aristokratischer Verkleidung; die finanziellen Sorgen während des grossen Niedergangs ab 1873; die verlorenen Hoffnungen auf politischen Einfluss („Glücklich ist, wer vergisst...“) oder die Sublimierung des unbefriedigten Sexualtriebs, wie dies Sigmund Freund beschrieben hat (man vergleiche die Geldheiraten wie diejenige von Rosalinde und Eisenstein). In dieser Operette bewundert man immer wieder die gleichermassen tiefen wie oberflächlichen musikalischen Empfindungen. Der Walzer, das wichtigste Narkotikum der Österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, erscheint in ihr die vollendete Lösung zu sein, um die täglichen Jammer zu verdecken. Zahllose Interpreten haben die „Fledermaus“ als Diagnose des Zustands der Donaumonarchie bezeichnet. Wie die Kammerzofe Adele ist auch der Gerichtsdiener Frosch (Nomen est omen!) zum Prototyp des populären Theaters geworden. Gleichzeitig gerissen und naiv, scheint er den „Braven Soldaten Schwejk“ von Jaroslav Hašek (1883–1923) oder den „Herrn Karl“ von Helmut Qualtiger (1928–1986) vorwegzunehmen. Frosch gehört nicht zur „Champagner-Gesellschaft“ wie die Gäste des Prinzen, sondern zur „Slivovitz-Gesellschaft“ (ein slawischer Pflaumenschnaps). Adele dagegen bezahlt ihren Zugang zur Gesellschaft des Prinzen mit ihrem eigenen Körper, mit Prostitution. Sie spricht freizügig darüber in ihrem Couplet im 3. Akt, das vor der Premiere von der Zensur verboten wurde. Zu jener Zeit strich die Zensur übertriebene Frivolitäten und jede politische Anspielung. Die Bürgerlichen mit ihrem Champagner und die Dienstboten mit ihrem Slivovitz stellen zwei streng getrennte Gesellschaftsklassen dar. Eine solche gesellschaftliche Trennung ist sogar in der Konstruktion der Theater sichtbar: Das Theater an der Wien hatte wie die meisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten Theater zwei streng voneinander getrennte Treppen und Foyers. Ein Teil des Theaters für die Bürgerlichen und die Offiziere, ein anderer Teil für die Soldaten und die Dienstboten, genannt „die Kinder des Olymp“, weil sie sich weit oben in der 3. und 4. Galerie aufhielten. Die Vision einer klassenlosen Gesellschaft von Brüdern und Schwestern („Brüderlein und Schwesterlein“) zu Ende des 2. Aktes ist nur auf den Alkohol, weit entfernt von der ernüchternden Wirklichkeit des nächsten Morgens, zurückzuführen. Handelt es sich also um eine Wiener Variante von Beethovens Neunter Symphonie? Eine Johann-Strauss- Biografie stellt das ohne jede Ironie fest. Trotz aller Interpretationsversuche haben die österreichischen oder andere deutschsprachige Chauvinisten nicht Recht. Die meisten dramatischen Elemente dieser Operette sind ganz und gar nicht wienerisch. Diese so grundlegend wienerisch erscheinenden Züge stammen aus einem französischen Vaudeville namens „Le Réveillon“ (Der Ausdruck „réveillon“ wird im französischen Sprachgebiet mit den Festen vor Weihnachten und vor Neujahr, also dem 24. und 31. Dezember – und vor allem mit ihren kulinarischen Genüssen – verbunden. Anm. des Autors), das sehr getreu ins österreichische Deutsch übertragen wurde. Als Modell dafür wird manchmal eine deutsche Komödie, „Das Gefängnis“ (1851), von Julius Roderich Benedix (1811–1873) zitiert, aber beide haben nur eines gemeinsam: Statt des Ehemanns wird der Liebhaber arretiert. Das französische Vaudeville wurde wie das Libretto von Offenbachs „Schöner Helena“ (1864) oder Bizets „Carmen“ (1875), zwei nicht weniger berühmte Werke, von Henri Meilhac (1830–1897) und Ludovic Halévy (1834–1908) geschrieben. Karl Haffner (1804–1876) hat „Le Réveillon“ übersetzt und Richard Genée hat Verse dazu beigetragen, damit sich das Werk in eine Opéra comique verwandelt. Diese beiden Textdichter sind keine Österreicher, sie sind preussischer Abstammung und wurden nach Erfolgen in der Provinz ans Theater an der Wien verpflichtet. Zu diesem Theater ist zu sagen, dass es das grösste im deutschsprachigen Raum war. Künstler und Künstlerinnen strebten danach, hier ihre Karriere zu krönen. Vaudeville und Operette Was ist eigentlich ein Vaudeville? Es ist eine kleine Komödie, die „bekannte Weisen“, manchmal auf einen neuen Text gesungen, enthält. Die Operette hingegen ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine 32

Diese A 4-Seite bitte herausnehmen, ausfüllen, und an die Geschäftsstelle zurücksenden (für Versand im Fensterbriefumschlag bereits vorbereitet)

Danke für Ihre Mithilfe!

Der Vorstand der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft Im Auftrag

Dr. Ingolf Roßberg 2. Vorsitzender

Ich möchte gern schnell und aktuell informiert werden. Hier meine E-Mail-Adresse: .....…………………………@.......................

Ich möchte dazu beitragen, dass die Bezahlung des Beitrages der Gesellschaft schnell und unkompliziert durchgeführt werden kann. Ich erteile hiermit der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft die Vollmacht den Jahresbeitrag per Lastschrift von meinem Konto einzuziehen (kann jederzeit wieder zurückgezogen werden): Kontonummer: …………………………………… Bankleitzahl: …………………………………… Kreditinstitut: …………………………………… Diese Vollmacht bestätige ich durch meine Unterschrift am Ende des Briefes.

2.

[email protected]

1.

96450 Coburg

An die Geschäftsstelle der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft Herrn Kurt Hinrichs Creidlitzer Straße 68

……………………………………………………………………………………....................….

Absender: ...............................................................……………………………………………..

nein

.................................................... Unterschrift

................................................................................................................................................................

………………...…………………………………………………………………………................................................................

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………..

Wünsche/Sonstiges/Hinweise

…………………………………… Ort, Datum

4.

Der Rechnungsbetrag wird nach meiner jeweiligen offiziellen Bestellung von mir auf das dann angegebene Konto von Herrn Gerhard Schad (dem hiermit herzlicher Dank gesagt wird, für die Bereitschaft, die Karten für die Deutsche Johann Strauss Gesellschaft zu besorgen) überwiesen. Erst dann werden die Karten an mich übersandt werden.

ja

3. Ich möchte gern Karten für das Coburger Neujahrskonzert rechtzeitig und als Mitglied der DJSG zu einem vergünstigten Preis erhalten. Ich möchte deshalb vor der Bestellung der jeweiligen Karten kontaktiert werden – und kann dann für jedes Jahr mitteilen, wie viel Karten ich haben möchte.

heitere Opéra comique (Opéra comique bedeutet hier „Oper mit gesprochenen Dialogen“. Vom Vaudeville unterscheidet sich die Opéra comique dadurch, dass die Musik neu komponiert und nicht aus anderen Werken zusammengestellt wurde und einen grösseren Stellenwert besitzt. Anm. des Autors): Ihre Musik setzt sich nicht nur aus bereits bekannten Melodien, sondern auch aus grossen Musiknummern wie in der Oper zusammen, wobei der gesprochene Text erhalten bleibt. Welches sind in unserem Falle die Unterschiede zwischen dem Vaudeville und der Operette? Das Stück erzählt die Geschichte einer Rache. In dem französischen Werk ist das Kostüm eines „blauen Vogels“ die Ursache für die Rache, das der Notar Duparquet am Morgen nach dem Fest zum Gespött aller tragen muss. In dem deutschen Werk wird aus dem Vogel eine Fledermaus. Diese wirkt weniger märchenhaft und kläglicher. Doch der blaue Vogel erinnert an Spottlieder, die typisch sind für das Vaudeville: „Ah! Le bel oiseau, maman“ (Ach, der schöne Vogel, Mama) in „Les amours champêtres“ (Die ländlichen Liebschaften) 1751, von Charles Simon Favart, 1710–1792, und „Toi que l’oiseau ne suivrait pas“ (Du, dem der Vogel nicht folgen würde) aus „Wilhelm Tell“, 1828, von Gioacchino Rossini, 1792–1868. Das deutsche Theater kennt diese Tradition nicht, also wird sie nicht übernommen. Natürlich werden die Namen der Personen ebenfalls geändert: Aus Fanny wird Rosalinde, Gaillardin (gaillard/e franz. spassig, lebenslustig) verwandelt sich in Eisenstein und Duparquet (du parquet, franz. vom Gericht)) in Falke (siehe Frosch!). Die Strauss-Operette ist erfüllt von Tanzmusik, aber nach dem Text tanzen die französischen Personen öfter und hingebungsvoller als die Wiener Figuren, auch ohne Musik. Dies ist wohl eine andere Tradition, Komödie zu spielen. Es wird deutlich, dass die Wiener weniger beweglich sind als ihre französischen Kollegen. Diese scheinen ununterbrochen zu tanzen, sobald sie auf der Bühne sind. So sieht man z. Bsp. zwei Männer, die miteinander zu tanzen beginnen, während sie „die Melodie einer Quadrille summen“ (I, 9). Oder sie machen „eine Art Luftsprung“ (I, 13) oder „kleine Luftsprünge“ (III, 2). Die Unterschiede in der Handlung sind aber unerheblich. Zu unserer Überraschung verändert sich das Stück bei der Adaption nicht so sehr. Sogar das berühmte Melodram des 3. Aktes kommt im französischen Werk vor. In der Vorlage erscheint bereits im 2. Akt ein Walzer. Das Orchester des russischen Prinzen, ein ungarisches – welch ein Zufall!, spielt bereits bei Meilhac und Halévy. Sollten wir etwa glauben, dass die Aufnahme von ungarischen Elementen auf den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 zurückzuführen ist, so werden wir arg enttäuscht. Strauss schreibt kein Bühnenorchester vor, aber er behält das Lokalkolorit. Das ist der einfache Grund, aus dem er den berühmten Csárdás schreibt. Die deutsche Adaption ist aber keineswegs eine blosse Kopie. Eine der grössten Änderungen betrifft die Personen Rosalinde, Adele und Alfred. In der Operette ist Alfred kein Geiger mehr, der Opernmelodien spielt, um Rosalinde zu bezaubern. Im Vaudeville wird als bekannte Arie eine Melodie aus der Oper „La Favorite“ (1840) von Gaetano Donizetti (1797–1848) auf der Geige gespielt. Den Geige spielenden Tanzmeister hätte man für eine Darstellung des Komponisten Strauss halten können, allerdings wäre er etwas zweifelhaft erschienen, weil es sich um den Liebhaber einer verheiraten Frau handelt. Um solche Bezüge in der Operette zu vermeiden, macht man aus dem Geiger einen Tenor und Gesangslehrer, der kein Mitglied des Hoforchesters des Prinzen ist. Rosalinde und Adele hingegen gehören zum „Kreis“ der vom Prinzen auf Falkes Empfehlung eingeladenen Kokotten. So werden ihre Rollen grösser und interessanter. Im 2. Akt erscheint aber keine richtige Halbwelt mehr. Métella, Toto und Madame de Saint-Esplanade kommen nur im Vaudeville vor. In der Operette sind die Bürgerlichen selber die Halbwelt. Bei der Uraufführung wurde die Rosalinde von Marie Geistinger, Star und Mitdirektorin des Theaters, gespielt. Die Begegnung von Rosalinde und Eisenstein (der sie nicht erkennt) hat mehr Sprengkraft als diejenige im Vaudeville, wo eine andere Figur, die Kurtisane Métella, den Herrn an der Uhr erkennt, die 33

früher im Takt ihres Herzens geschlagen hat. Die Idee ist überzeugend, aber nicht neu. Im Jahre 1869 sah man die gleiche Situation im selben Wiener Theater in dem Stück „Nach Egypten“ von Anton Bittner. Ein in ein Harem eingeladener Ehemann erkennt seine verschleierte Frau nicht, der er den Hof macht. Die Methode der Bearbeiter ist eindeutig: Ohne nach grossen Neuheiten zu suchen, wiederholt man, was so viele Male Erfolg gehabt hat. Komische und realistische Wirkungen Im Jahre 1878 wurde der Gefängniswärter namens Frosch von dem berühmten Alexander Girardi dargestellt. Seine mimischen und textlichen Improvisationen („ex tempora“) machten ihn zum Modell für ganze Schauspielergenerationen. Hans Moser und Fritz Muliar haben ihn gespielt. Der „3.-AktKomiker“ wurde zu einem Charakteristikum der Wiener Operette. Aus welchem Grund? Der grosse Applaus, die Verbeugungen, die Vorhänge und die Überreichung der Blumen fanden nach dem 2. Akt statt. Das Wesentliche war vorüber. Weil das Publikum nicht mehr so konzentriert der Handlung folgte, musste der 3. Akt unkomplizierter sein. In der Operette wird der Realismus des Vaudevilles (eine Sensation war in Paris, dass das Publikum den Duft der servierten Speisen riechen konnte) oft durch komische Wirkungen gebrochen, die älter, also altmodisch, kindisch für die Franzosen sind. Der Advokat erscheint wie der der Commedia dell’Arte oder einer Rossini-Oper entsprungene „dottore“. In ähnlicher Weise fühlt sich der „Marquis“ Eisenstein, der nicht Französisch kann, lächerlich, wenn er als Ersatz ein Kauderwelsch spricht. Das heisst, die komischen Wirkungen der Operette, die sprechenden Namen de Personen eingeschlossen (sie werden zu einem kleinen Karneval der Tiere: Frosch, Falke, Renard [Fuchs] und Fledermaus) scheinen konventioneller als diejenigen des Vaudevilles, damit sie alle verstehen können. Die Musik weist in dieselbe Richtung: Sie unterstützt die Geschichte, damit ein besseres Verständnis gewährleistet ist – oder das Gegenteil: Man soll beim Hören der Strauss-Melodien gar nichts mehr verstehen. Zum Beispiel ersetzt die Kindersprache „Duidu, la, la, la“ im 2. Akt unverständliche Verse. Es ist ein Paradox, dass das lebhafte und schnelle Vaudeville und die sentimentalere und langsamere Operette ohne grössere Schwierigkeiten nebeneinander bestehen können. In seiner Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts schreibt Carl Dahlhaus (1928–1989), das die Musik von Johann Strauss statisch bleibe (wie die Musik der Wiener Operette im Allgemeinen), während die Musik von Jacques Offenbach (näher beim Vaudeville) dynamisch sei. Vor welchem Hintergrund spielt sich das ab? Was sind die Beweggründe? Die Stadt Wien hat sich während der Urbanisierung in der Ringstrassen-Zeit (eine kreisrunde Strasse, die den 1. Bezirk umschliesst, wurde nach den Pariser Grands Boulevards der 1850er-Jahre gebaut) vergrössert. Viele Menschen, Arme und Reiche, waren vor allem aus Osteuropa eingewandert. Aus diesem Grunde verstand ein wichtiger Teil des Theaterpublikums nicht sehr gut Deutsch und noch weniger gut den Wiener Dialekt, der in den volkstümlichen Theatern der Stadt gesprochen worden war. Zu jener Zeit brachte die Tanzmusik die Wiener zusammen. Die Strauss-Brüder und ihre Orchester waren dafür ein Symbol. Der Historiker Moritz Csáky (1936– ) erwähnt den „Kulturschock“, den Wien erlebte. Die Einwohner mussten eine friedliche Lösung finden, um trotz der unterschiedlichen Art miteinander auszukommen. Johann Strauss und das Theater Warum wurde der Geiger und Dirigent Johann Strauss Sohn, Spezialist für Tanzvergnügen, von der Operette angezogen? Man kann feststellen, dass er sich ab 1863 immer mehr seinen Operettenkompositionen widmete. Dieser Richtungswechsel in seiner Laufbahn war nicht unbedingt freiwillig. Als Dirigent war Strauss fast jeden Abend beschäftigt und seine Gesundheit begann sich bei dieser Lebensweise zu verschlechtern. Er musste einen neuen Weg finden. Der Erfolg der Operetten von Jacques Offenbach eröffnete ihm die Möglichkeit eines mehr ausgeglichenen Lebens und eines Erfolgs, bei dem er nicht unbedingt anwesend sein musste. Ausserdem konnten die Autorenrechte im 34

Musiktheater besser wahrgenommen werden als bei der Tanzmusik. Wenn man dem Musikologen Norbert Linke Glauben schenken darf, war Johann Strauss ein weniger begabter Komponist als sein Bruder Josef. Er komponierte nicht gern, er hatte keine Erfahrung in Vokalmusik, aber er war fleissig und hatte viele Helfer. Johann Strauss lässt sich später von den Theaterdirektoren Friedrich Strampfer und Maximilian Steiner dazu überreden, Operetten zu schreiben, ein Beruf, der ihm fremd ist. Das Theater schickt ihm den Spezialisten Richard Genée, Dichter und Komponist in einer Person, um die mangelnde Theatererfahrung wettzumachen. Genée schreibt nicht nur die zur Strauss’schen Tanzmusik passenden Texte, er komponiert auch Teile der Musik, die die Fähigkeiten des Meisters übersteigen wie z. Bsp. die Aktschlüsse (Finali). Strauss lernt seinerseits sehr schnell (sogar mit 50) und immer in der Absicht, alles selber zu machen (ein Wunsch, der sich bei der Komposition des „Zigeunerbarons“ (1885) erfüllt). Einerseits spürte Strauss die Notwendigkeit, mit den Theatern zusammenzuarbeiten. Andererseits hatte der Direktor des Theaters an der Wien, Maximilian Steiner, begriffen, dass man die Tänzer der Wiener Lustbarkeiten ins Theater locken musste. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchte er einen Namen, der in diesen Kreisen einen guten Klang hatte. Die Wirtschaftskrise nach dem Krach von 1873 machte die Lage noch viel dramatischer. Mit seiner Idee versuchte er das Theater vor dem Ruin zu bewahren. Früher, lange vor Strauss, wurden die französischen Vaudevilles in eine Lokalposse auf deutschsprachigen Bühnen verwandelt. Der Dramatiker Johann Nestroy kannte sich darin aus. Richard Genée berichtete, dass Direktor Steiner für eine stattliche Summe die deutschsprachigen Rechte für das Vaudeville „Le Réveillon“ gekauft hatte, das in Paris viel Erfolg gehabt hatte, und dann Angst bekam, das Stück könnte in Haffners Bearbeitung Schiffbruch erleiden. Nach seiner Meinung würde die StraussMusik das Werk retten. Der Erfolg der „Fledermaus“ ist das Ergebnis dieser Anstrengungen. Die Musik und die Diven Warum sollte man also eine Oper aus einer fast durchwegs gesprochenen Komödie machen? Die Musik in den Wiener Volkstücken nahm seit den 1850er-Jahren immer mehr Raum ein, auch die weiblichen Rollen gewannen an Bedeutung. Während dieser Jahre feiern die manchmal exzentrischen Diven wie Josefine Gallmeyer Triumphe. Fast jedes Stück des Volkstheaters enthält eine Hosenrolle für diese Damen. Die Frau in Hosen ist eine erotische Sensation, da alle Frauen im täglichen Leben lange Kleider tragen. Ihre Beine sind sichtbar wie bei den Tänzerinnen. Vielleicht war dieses aufreizende Kostüm diskriminierend für die Darstellerinnen, aber die Hosenrollen erlaubten ihnen ein freieres Benehmen – mindestens auf der Bühne. Die zweideutige Figur des Prinzen Orlofsky in der „Fledermaus“ ist eine Hosenrolle. Er ist ein Objekt der Begierde, ein Märchenprinz, jung, reich, adlig – aber gleichzeitig ein Symbol der Dekadenz. Man kann nicht erkennen, ob der Prinz sich für Frauen oder für Männer oder für gar niemand interessiert. Vom bürgerlichen Standpunkt aus stellt er die „schlechte“ Aristokratie dar, denn er ist ein verwöhntes Kind, faul und vergnügungssüchtig. Orlofsky könnte die Hauptfigur sein, aber in diesem Stück darf die Hosenrolle dem Star, nämliche Rosalinde, keine Konkurrenz machen. Bis heute beunruhigt die fehlende Identität des Prinzen. Von 1929 an liess man manchmal den Orlofsky von einem Mann oder einem Jungen spielen, um ihn „natürlich“ erscheinen zu lassen. Doch der Prinz ist nicht die einzige Figur der Operette, die ein Objekt der Begierde ist: Alfred, der frühere Geliebte von Rosalinde, ist es ebenfalls, wenn man in Betracht zieht, dass die Frauen im Publikum in steigendem Masse Einfluss auf den Theaterbesuch hatten. Die Bürgerlichen besuchten es als Ehepaar. Im Laufe der Operettengesichte sollten sich die verführerischen Tenöre zu einer Konkurrenz der Diven entwickeln... 35

Bibliografie – – – – – – –

Jeanne Benay (Hrsg.): L’Opérette viennoise. Publications de l’université. Rouen. 1998. Moritz Csáky: Ideologie der Operette und Wiener Moderne. Ein kulturhistorischer Essay zur österreichischen Identität. Böhlau. Wien. 1998. 2. Aufl. Carl Dahlhaus. Die Musik des 19. Jahrhunderts. Laaber. Wiesbaden. 1980. Marion Linhardt: Inszenierung der Frau – Frau in der Inszenierung. Operette in Wien zwischen 1865 und 1900. Schneider. Tutzing. 1997. Norbert Linke: Musik erobert die Welt oder Wie die Wiener Familie Strauss die „Unterhaltungsmusik“ revolutionierte. Herold. Wien. 1987. Oswald Panagl, Fritz Schweiger: Die Fledermaus. Die wahre Geschichte einer Operette. Böhlau. Wien. 1999. Mathias Spohr: Das „letzte“ Volksstück im Theater an der Wien. „Nach Egypten“ von Anton Bittner und Adolf Müller (1869). In: Nestroyana, 14:1994, c. 3-4, pp. 81-90.

Zum Autor und zum Text * Mathias Spohr wurde an der Schauspielakademie Zürich ausgebildet und in Literaturkritik an der Universität Zürich promoviert. Er arbeitete als Schauspieler, Bühnenmusiker und im Medien- und Verlagsbereich. Er war Assistent am Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth, habilitierte sich in Theaterwissenschaft, schrieb musikalische Kompositionen und Theaterstücke. Als Studiengangsleiter war er eine Weile an der Hochschule der Künste Bern beschäftigt. Er arbeitet als Dozent, Autor und Dramaturg. Der vorliegende Text wurde von unserem Schweizer Mitglied Rudolf Maeder vom französischen Original ins Deutsche übertragen. Dieses wurde ins Portugiesische übersetzt und erschien im Programm des Teatro Nacional de São Carlos (TNSC) in Lissabon zur Aufführung der „Fledermaus“ (in deutscher Sprache).

Bearbeitungswahn um Johann Strauss von Peter Ziegler Am 13. November 2010 hatte die Johann-Strauss-Operette „Eine Nacht in Venedig“ in der so genannten „Wiener Fassung“ ihre erfolgreiche Coburger Premiere. Dies war der Anlass für ein Interview mit Michael Weiger, Gastdirigent aus Ulm, mit dem „Coburger Tageblatt“. Auf die Frage zur Entscheidung für die „Wiener Fassung“ äußerte sich Weiger, der musikalische Leiter der Coburger Produktion: „In Wien käme natürlich niemand auf die Idee, die Korngold-Fassung nicht zu machen. Die große Stärke der Korngold-Fassung ist, dass sie sehr viele Bühnenerfahrungen integriert. Korngold hat zudem sehr viel bei der Instrumentierung verändert. Er hat da schon toll gezaubert…“ Inge Röhre meinte: Ein sehr geplagtes Musenkind Der Dirigent Weiger hält also das einstige Wiener Wunderkind Erich Wolfgang Korngold für einen „tollen Zauberer“ und hätte dafür gewiss großen Beifall vom leider verstorbenen Korngold-Freund Marcel Prawy erhalten. Prawy pries übrigens auch die diversen Bearbeitungen Korngolds weiterer Werke des Walzerkönigs. Unser Vorstandsmitglied Inge Röhre hatte bereits im Juni 1993 einen Beitrag über „das sehr geplagte Musenkind – Eine Nacht in Venedig“ geschrieben und dabei die Korngold-Lobhudeleien des Marcel Prawy kritisiert, speziell die über „Eine Nacht in Venedig“. „Die Geschichte von dem schlechten Textbuch rief dann auch bald die ‚Bearbeiter’ auf den Plan. Aber anstatt die schon genannten Librettistensünder behutsam zu korrigieren, wurde alles noch ärger. Und endlich fiel man dann auch über die Musik her: ‚Der richtige Durchbruch der ‚Nacht in Venedig’ kam erst mit der glänzenden Bearbeitung der Musik durch Erich Korngold und des Librettos durch Ernst Marischka – ein echter Dienst an Johann Strauss!’ Wie ein Evangelium verkündete Marcel Prawy diese These mit der versteckten Behauptung, dass man den ‚unzulänglichen’ Strauss unbedingt ‚verbessern’ muss. Da kann man nur sagen: Aber glauben muss man dran! 36

Eines stimmt schon: Die 1923 zum ersten Mal gespielte Korngold-Fassung hatte einen großen Erfolg und wurde nun ein Repertoire-Stück – aber nicht weil sie besser ist wie das Original, sondern für den Bühnenbetrieb bequemer: angepasst an die damalige konfektionierte Schablonenoperette mit ihren gängigen Typen, dazu Nachtanz, falscher Abgang, ausgedünnte Ensembles, vergröberte Instrumentation und dazu die Texte von Marischka, die weitere Albernheiten hereinbrachten.“ Auf Marcel Prawy müssen wir wohl noch einmal zurückkommen, um die Lobpreisungen zu überprüfen, die er hauptsächlich seinen Freunden zukommen ließ und um Inge Röhre Recht zu geben. „Schlüssige“ Fassung in Dresden Just in der 2. Ausgabe der WIENER BONBONS von 1993, dem Hausblatt der Wiener Johann-StraussGesellschaft, berichtet Wolfgang Dosch über die Staatsoperette Dresden und die dortige Strauss-Pflege: „1954 inszenierte Otto Schneidereit ‚Eine Nacht in Venedig’. Schneidereit, auch in Österreich durch seine zahlreichen Veröffentlichungen u.a. über Massary, Tauber und Operette im allgemeinen bekannt (er schrieb auch eine Johann-Strauss-Biografie), war damals Oberspielleiter und Chefdramaturg der Staatsoperette Dresden. Für seine ‚Nacht in Venedig’-Inszenierung benutzte er die Bearbeitung Walter Felsensteins, die heute noch zu den wenigen durchweg schlüssigen Fassungen dieses Stückes gehört.“ Blättern wir doch in Schneidereits „Operettenbuch“, 1964 in der 10. Auflage (207. -250. Tausend) erschienen, was der damalige Chefdramaturg des Berliner Metropoltheaters über „unser“ Stück zu berichten wusste. Jedenfalls will Schneidereit herausgefunden haben, dass „Eine Nacht in Venedig“ bis zum Ende des 1. Weltkrieges auf allen deutschsprachigen Bühnen nicht mehr als 500 Aufführungen erlebte, die „Fledermaus“ in diesem Zeitraum runde 12 000. Der Autor nennt die bekanntesten Bearbeiter, so Hagemann (Baden-Baden 1919), Korngold (1929 sic.!) und Tutein (Oldenburg 1936). Der Johann-Strauss-Biograph Ernst Decsey setzte die Erstaufführung der Bearbeitung durch den Wiesbadener Staatstheater-Intendanten Dr. Carl Hagemann in den Monat August 1918 und dies anlässlich von Operettenfestspielen in Baden-Baden (als Intendant des Mannheimer Nationaltheaters hatte er 1907 den vom Wiener Kollegen Karczag verschmähten „Fidelen Bauern“ von Leo Fall uraufgeführt). Als dritten Bearbeiter nennt er Karl Tutein, Oldenburg 1936. Tutein wirkte bis 1945 als Generalmusikdirektor am Danziger Theater und bearbeitete neben der „Nacht in Venedig“ auch „Cagliostro in Wien“ zusammen mit dem Texter Gustav Quedenfeldt, UA 1941 in Danzig. Nach seiner Vertreibung leitete Tutein die Abendkonzerte des Kissinger Kurorchesters, wobei seine Wahl der Stücke neben Oper und Konzert immer wieder Melodien von Johann Strauss beinhaltete. Als Beispiel jener Bearbeiter, die das Werk durch Zutaten, Umstellungen und Verfälschungen entstellten, nannte Schneidereit die „berüchtigte“ Hamburger Produktion von Fritz Fischer aus dem Jahre 1953. Fischer, den die westdeutsche Bühnengenossenschaft noch 1952 mit einem Johann-StraussRing ausgezeichnet hatte, beurteilte der DDR-Theatermann Schneidereit folgendermaßen: „Diese Bearbeitung war eine bewusste Zerstörung des musikalischen Straussbildes und von Verdi-Einlagen bis zur Verjazzung ein Attentat auf Strauss. Das vom Publikum mit dem finanziellen Ruin des betreffenden Unternehmens bestraft wurde.“ Sicherlich wusste Schneidereit auch über die Tätigkeit Fischers am Münchner Gärtnerplatztheater Bescheid, dem dieser während des 3. Reiches als Intendant vorstand. Zur Bayerischen Staatsoperette „erhoben“, zerpflückte er dort auch klassische Operetten wie die „Fledermaus“ „in 33 Episoden“, wie zuvor Lehárs „Lustige Witwe“ in „33 Episoden“, wobei Schlagerkomponist Peter Kreuder als Bearbeiter auftrat. Obwohl Kreuder Lehárs Musik „verjazzt“ hatte, war der Führer Adolf Hitler von dieser 37

Produktion so angetan, dass er sie mehrmals besuchte. Kreuder durfte sich „Musikdirektor“ des Theaters nennen, wurde aber bald wieder abgesetzt. Nach der Abrechnung mit Fritz Fischers „Nacht in Venedig“ lobte er die Bearbeitung des Werkes von Walter Felsenstein für die Ostberliner Komische Oper im Jahre 1954. Laut Schneidereit ließ sich der damals bekannte Regisseur von der Stanford-Universität in Kalifornien einen Mikrofilm der Originalpartitur kommen „und konnte danach dem Werk eine Form geben, die von allen bekannten Fassungen dieses Werkes die textlich logischste ist.“ Von nun an stand in den Programmheften der DDRBühnen: „Eine Nacht in Venedig“, Operette in zwei Akten (fünf Bildern) nach Zell und Genée von Walter Felsenstein. Marcel Prawys Erinnerungen an amerikanische Aufführungen Der Wiener Marcel Prawy begann seine Karriere als Sekretär des Star-Tenors Jan Kiepura und wanderte nach der Besetzung Österreichs durch die Nazis in die Vereinigten Staaten aus. Nach Kriegsende nach Wien zurückgekehrt, führte er an der Volksoper das amerikanische Musical ein, wobei er hauptsächlich für Aufführungen der „Westside Story“ seines Freundes L. Bernstein sorgte, die er verdeutscht hatte. Hauptsächlich sein Wirken als Opernführer im Fernsehen machte ihn auch in Deutschland bekannt. Außer seiner intensiven Werbung für das Lebenswerk seines Freundes Robert Stolz, zusammen mit dessen Witwe Einzi, tat er für die Wiener Operette eigentlich gar nichts. Neben den bereits durch Inge Röhre vorgestellten Lobpreisungen der Korngold-Bearbeitung der „Nacht in Venedig“ schrieb Prawy in seiner Strauss-Biografie auch Erinnerungen an meist selbst erlebte Aufführungen von Strauss-Operetten nieder: „Der ‚Zigeunerbaron’ war durch das Betreiben von Frau Adele hofopernfähig geworden, durch sie wurde 1929 eine dritte Operette ihres Gatten staatsopernfähig: ‚Eine Nacht in Venedig’… Die Jeritza brillierte als Annina und Hubert Marischka debütierte an der Staatsoper als Caramello“. In die Vereinigten Staaten ausgewandert, machte er mit der in Amerika sehr populären Operette „The Great Waltz“ Bekanntschaft, einer entsetzlichen Verballhornung der ebenfalls von Korngold bearbeiteten Nachlassoperette nach Johann Strauss aus dem Jahre 1931 (dieser weiteren „Bearbeitungs-Sünde“ werden wir noch nachgehen). 1942 erlebte Prawy die „Fledermaus“-Fassung von Max Reinhardt, natürlich unter der Leitung von Erich Wolfgang Korngold. Noch brauchte er einige Zeit, bis sich seine Ohren an den englischen Text gewöhnt hatten, z.B.: ‚Happy he, happy she, who forget what cannot be…“ Diese Produktion der „Rosalinda“ war auf eine Inszenierung Max Reinhardts von 1929 im Berliner Deutschen Theater zurückzuführen. Laut Prawy hatte Korngold, der als musikalischer Leiter und Bearbeiter fungierte, „schwerwiegende Eingriffe“ vorgenommen. Hans Weigels „Flucht vor der Größe“ Hans Weigel emigrierte 1938 in die Schweiz und kehrte nach 1945 nach Wien zurück, wo er seit 1932 als freier Schriftsteller gewirkt hatte. Bereits als junger Mann wirkte er bei Operettenlibretti mit (1936 „Axel an der Himmelstür“, von R. Benatzky; 1937: „Roxy und ihr Wunderteam“ von Paul Abraham und „Madame Sans-Gêne“ nach Sardou, Musik Bernard Grün). Sein 1960 erschienenes Werk „Flucht vor der Größe“ trägt den Untertitel „Beiträge zur Erkenntnis und Selbsterkenntnis Österreichs“ und will beweisen, dass „die Götter des wienerischen Olymps wie Raimund, Nestroy, Grillparzer, Stifter, Schubert und sogar Johann Strauss in Wahrheit Unbequeme waren“. Auf seinem „Weg zu Johann Strauss“ waren dem Autor behilflich: der Johann Strauss-Experte Max Schönherr und Johann Strauss, der Enkel von Eduard Strauss. 38

Gegen Schluss von Weigels Abhandlung über den Walzerkönig kommt man zur Auffassung, dass die eigentliche Unbequeme die Witwe Adele Strauss war, besonders wenn es um Tantiemen ging, die wiederum auch die miserabelsten Operetten-Bearbeitungen brachten. Weigel beginnt den Reigen der so genannten Nachlassoperetten mit „Wiener Blut“, wobei Johann Strauss noch bei der Auswahl der Musikstücke mitwirken wollte. Erst sein plötzlicher Tod brachte Adolf Müller jun. als Helfer in Einsatz. Die Uraufführung vom 25. Okt. 1899 wurde zum Misserfolg. Vier Monate später erschoss sich der Direktor Jauner in seinem Büro im Carltheater. Wird dies wohl den meisten Strauss-Freunden bekannt sein, so wohl weniger ein Bericht in der „Fackel“ vom Oktober 1899: ‚Man weiß ja, dass unmittelbar nach dem Tode von Johann Strauss ein Feilschen und Kreischen anhob und, da die Seele eines Künstlers auf Walzerschwingen in die Ewigkeit einzog, im Nebenzimmer bereits getandelt und im ‚Nachlass’ herumgestiert wurde … Eine so mätzchenreiche Komödie ward Johann Strauss’ Andenken getrieben, so abscheulich ward da an sein Ruhm ausgewuchert…’ Nun setzte der Bearbeitungswahn ein, hauptsächlich nach 1904, nachdem „Wiener Blut“ im Theater an der Wien in zweiter Aufführungsserie äußerst erfolgreich war. Hans Weigel schrieb weiter über die nicht enden wollenden „neuen“ Strauss-Operetten: „Die Helfer, Helfershelfer, Arrangeure und Bearbeiter sind seither nicht zur Ruhe gekommen. Hugo Felix bearbeitet ‚Indigo’, was zu einem Zivilprozess mit der Witwe des Komponisten führte. Später bearbeitete Reiterer das Werk und gab ihm den Titel „Tausendundeine Nacht“, wodurch es aber nicht viel besser wurde. Derselbe Bearbeiter machte auch, gemeinsam mit Léon, aus ‚Simplicius’ und ‚Blindekuh’ eine neue Operette ‚Gräfin Pepi’. Felix Salten bearbeitete unter dem Pseudonym Stollberg ‚Die Göttin der Vernunft’ und gab der neuen Handlung den Titel ‚Reiche Mädchen“, Hagemann bearbeitete die ‚Nacht in Venedig’, ebenso Korngold, der auch ‚Cagliostro in Wien’ verdickte und vergröberte und für ein Singspiel mit der Strauss-Musik ‚Walzer aus Wien’ verantwortlich ist. Man spielte einen neuen ‚Karneval in Rom’ unter dem Titel „Der blaue Held’, spielte ‚Strauss-Operetten’ namens „Faschingshochzeit’, ‚Casanova’ (Benatzky), ‚Die Tänzerin Fanny Elßler’ (Stalla und Grün) und eine weitere Fassung von ‚Indigo’: ‚Nacht am Bosporus’. Kaum war eine echte Pietät, gewissenhafte Rettungsabsicht das Hauptmotiv, es dominierte das Theatergeschäft und die Witwe Adele ließ all dies zu und ermutigte es zumeist. 1929, vor Ablauf der Schutzfrist, veranstaltete Max Reinhardt in Berlin gemeinsam mit Rößler, Schiffer und Korngold eine überdimensionale Veranstaltung der ‚Fledermaus’. 1932 wurde Nestroys Posse ‚Einen Jux will er sich machen“ zu einer Operette ‚Freut euch des Lebens’ mit der Musik von Johann und Josef Strauss missbraucht. 1946 spielte man in Wien ‚Die Straussbuben’ (Text: Hubert Marischka und Rudolf Weys, mit der Musik von Johann und Josef Strauss ‚unter Verwendung bisher unveröffentlichter Nachlassmusik’), als Gegenstück zum ‚Dreimäderlhaus’ ein nicht minder garstiges, doch glücklicherweise minder erfolgreiches ‚Dreibuberlhaus’“ Kritik der „Nacht in Venedig“ von 1923 Laut der Statistik des Theaters an der Wien wurde diese Operette von 1883 bis 1925 160mal aufgeführt. Weiter schreibt der Chronist Anton Bauer, „zur begeisterten Aufnahme gaben 35 en-suite-Aufführungen Zeugnis. 1923 bearbeitete W.E. Korngold diese Operette und verwob darin Jazzrhythmen“. Über „Jazz“ ist in der Kritik der „Neuen Freien Presse“ nicht die Rede. Ohne Angabe des Kritikers stand am 27. Oktober 1923 in der bekanntesten Wiener Zeitung: „In einer Pause der heutigen Operettenkonjunktur blättert das Theater an der Wien in seinen Erinnerungen, und zwar in jenem Kapitel, über dem der größte Name der leichten Wiener Musik steht: Johann Strauss. Die gestrige Neuinszenierung der ‚Nacht in Venedig’ hat E.W. Korngold mit sehr viel Takt und künstlerischem Feingefühl besorgt und mit liebevoll-gründlicher Johann Strauss-Kenntnis. Das sich 39

den Bahnen der italienischen Buffo-Oper zu- bewegende Werk, in dem viele Striche gemacht wurden, sollte offenbar den heutigen Operettenbedürfnissen angepasst werden, daher die zahlreichen Einfügungen von Motiven aus dem ‚Prinz Methusalem’ und anderen Strauss-Operetten von Walzern und Polkas, die zum Teil als moderne Tanznachspiele verwendet werden. Aber Stil und Stimmung sind immer gewahrt, und die alte Musik kommt auch im neuen Gewande zu bezaubernder Geltung. Die auf heutigen Operettenprunk gestimmte Aufführung zeigt, dass das Theater genau weiß, wozu es der Walzerdynastie verpflichtet ist. Also eine wirkliche erstklassige Besetzung.“ Es folgt die Aufzählung der damaligen Stars wie Richard Tauber, Hubert Marischka und Betty Fischer und als Resultat: „Wiederholungen, Hervorrufe, Galeriejubel in einer Fülle, die es gewiss bei keiner Johann Strauss-Premiere gegeben hat …“ Nun muss doch endlich recherchiert werden, warum das Operetten-Uraufführungstheater an der Wien auf die „alte“ Strauss-Operette zurückgegriffen hatte. 1923, das Jahr der Operettenflops Im Chronologischen Verzeichnis aller Aufführungen des Theaters an der Wien werden für das Jahr 1923 drei Uraufführungen angegeben: „Die gelbe Jacke“ von Franz Lehár, vom 9.2. bis zum 14.5.1923 98mal, „Die Bacchusnacht“ von Bruno Granichstaedten, vom 18. Mai bis zum 11.11.1923 115mal und „Die Perlen der Cleopatra“ von Oscar Straus, vom 17. November 1923 bis zum 16.1.1924 61mal. Dies war ursprünglich bestimmt nicht vorgesehen. War Lehárs Operette „Frasquita“ vom Vorjahr nicht außerordentlich erfolgreich, rechnete Direktor Karczag damit, dass sein neuestes Werk „Die gelbe Jacke“, erfolgreicher werden würde. Doch dieser Vorgänger von „Das Land des Lächelns“ wollte den Erfolg der „Lustigen Witwe“ nicht wiederholen. Hatte die Tenorrolle in „Frasquita“ sein Schwiegersohn Hubert Marischka gesungen, der als Publikumsliebling galt, engagierte Karczag trotzdem den Opernsänger Richard Tauber für 8 Tage und erzielte dadurch tatsächlich ausverkaufte Vorstellungen. Neben seinen Verpflichtungen an der Staatsoper sang Tauber nochmals ab dem 25. November 1922 bei Karczag in Lehárs „Zigeunerliebe“. Nur den Chinesenprinzen in der „Gelben Jack“ sang Marischka und noch nicht Richard Tauber, der hauptsächlich durch sein Wirken in den späten Lehár-Operetten weltberühmt wurde. Ab Mai 1923 Granichstaedtens „Bacchusnacht“ auf den Spielplan zu setzen, war gewiss eine Verlegenheitslösung. Bernard Grun berichtet in seiner „Kulturgeschichte der Operette“ über die denkwürdigen Premiereneindrücke, stand doch im zweiten Finale Hubert Marischka als geigender Kaiser Nero vor der Kulisse, die das brennende Rom andeutete, was das Publikum mit Pfeifen, Zischen und Hohngelächter bestrafte. Wieder sollte wohl Richard Tauber ein größeres Fiasko vermeiden helfen und sang ab dem 3. Juli 1923 den Kaiser Nero und dies doch einigermaßen erfolgreich, was die für einen „Durchfall“ lange Laufzeit betrifft. Zwischendurch setzte Karczag den „Letzten Walzer“ von Oscar Straus ein, wobei für Tauber bessere Gesangsaufgaben vorhanden waren. Die Premiere der Neufassung von „Eine Nacht in Venedig“ mit Tauber und Marischka konnte Wilhelm Karczag nicht mehr erleben, er war am 10.10.1923 in Baden bei Wien verstorben. Doch der Premiere der „Nacht in Venedig“ vom 26.10.1923 folgte noch eine am 17.11. und zwar „Die Perlen der Cleopatra“ von Oscar Straus. Dieses für Fritzi Massary geschriebene Werk sollte in Berlin aufgeführt werden, doch die katastrophale Inflation im Deutschen Reich ließ die Beteiligten eine Entscheidung für das Theater an der Wien treffen. Trotz der Starbesetzung mit der Massary und zusätzlich Richard Tauber und noch der Massary-Gatte Max Pallenberg, konnte sich dieses Werk, das sich keinesfalls als Operetten-Perle erwies, nur zwei Monate halten. Doch der alte Karczag hatte für seinen Schwiegersohn und Nachfolger Hubert Marischka vorgesorgt, indem er Emmerich Kálmáns neuestes Werk für sein Theater erwerben konnte, nachdem Kálmán seit 40

der „Csárdásfürstin“ nicht mehr an der Wien gegeben wurde. Marischka führte in diesem Werk die Regie, seine Frau Lilian besorgte die Ausstattung und außerdem sang Hubert Marischka die männliche Hauptrolle auf der Bühne, der er auch noch als Direktor vorstand. „Gräfin Mariza“ hieß dieser letzte große Wurf Kálmáns, noch einmal von Wien um die Welt gegangen. Die „Verlegenheits“-Premiere der „Nacht in Venedig“ geriet alsbald in Vergessenheit. Doch nicht der Bearbeiter Korngold und dies dank Marcel Prawy. E.W. Korngold, ein Freund von Marcel Prawy Nicht nur Korngold als Bearbeiter hob Prawy in den Himmel, sondern auch einen viel unbedeutenderen wie Peter Kreuder. So schrieb er über „eine ganz unbedeutende Polkamelodie aus „Blindekuh“, Peter Kreuder hätte daraus einen Weltschlager im Dreivierteltakt gemacht, ‚Sag beim Abschied leise Servus’. Bravo Peter Kreuder!“ In Prawys Erinnerungen ist Korngold abgebildet und die Bildunterschrift heißt: „Wir waren Freunde. Meine Lebensmelodie ist ‚Glück das mir verblieb’ aus seiner Oper ‚Die tote Stadt’.“ Außerdem nannte Prawy weitere Taten seines Freundes, „so schrieb er eine Operette nach Leo-Fall-Musik ‚Rosen aus Florida’ und eine ganze Operette ‚Das Lied der Liebe’ für Richard Tauber in Berlin nach völlig neu bearbeiteten, unbekannten Johann-Strauss-Melodien.“ Während das Werk nach Leo-Fall-Melodien immerhin am Theater an der Wien im Jahre 1929 acht Monate lief, versagte die „Strauss-Korngold-Tauber“-Operette, die im Dezember 1931 am Berliner Metropol-Theater nur eine kurze Laufzeit hatte und kurz noch in Dresden gezeigt wurde. Korngold und die Marischkas endeten beim Film Seine Freundschaft mit Korngold wurde laut Prawy „ganz intensiv in der amerikanischen Emigration. Korngold wurde in Hollywood der erste Starkomponist des Films.“ Korngold arbeitete bereits 1934/35 in den USA und übernahm das Arrangement der MendelsohnBartholdy-Musik für Max Reinhardts Aufführung von „Ein Sommernachtstraum“ in Hollywood Bowl und der anschließenden Verfilmung. Warner Brothers unterbreiteten ihm ein Angebot für Filmmusiken, so ging Korngold 1936 erneut nach Amerika. Dort entstanden die berühmten Filmpartituren von „Captain Blood“ (1936) und „The Adventures of Robin Hood“ (1937/38). 1935 musste Hubert Marischka den Spielbetrieb des Theaters an der Wien aufgeben. Neben den hohen Steuern versetzte auch der Tonfilm der Operette den Todesstoß und Marischka wandte sich von nun an diesem Metier zu. Bereits in einem Stummfilm von 1913 trat Marischka neben Alexander Girardi auf. 1932 wirkte Marischka auch in der Verfilmung der „Gräfin Mariza“ mit. Nach dem Konkurs des Theaterunternehmens an der Wien wandte sich Hubert Marischka ganz dem Film zu. „Konfetti“ hieß der erste Filmerfolg, Hubert als Regisseur und Bruder Ernst als Autor und die Musik –„Oft genügt ein Gläschen Sekt“- von Robert Stolz. Sein erfolgreichster Film sollte „Ein Walzer mit Dir“ mit Lizzi Waldmüller in der Hauptrolle und der Musik von Franz Grothe aus dem Jahre 1943 werden. Eine „Familienproduktion“ konnte man den 1951 verfilmten „Fidelen Bauer“ nach der Leo-Fall-Operette nennen. Hubert Marischka zeichnete als Autor, Georg Marischka führte Regie, die künstlerische Oberleitung hatte Hubert Marischka und unter den Darstellern wirkte Franz Marischka mit. Der Regisseur Geza von Cziffra erinnerte sich auch an die Hubert-Marischka-Söhne „Schurli“ und „Zwetschi“ die in den 1960er Jahren ebenfalls Regisseure wurden. Georg Marischka neigte eher zu seriösen Stoffen, während Franz Marischka in einem seiner Filme – finanziell sehr erfolgreich – „Grüße aus der Lederhose“ sandte… Und Huberts Bruder Ernst, der Textdichter, erinnerte sich an ein Singspiel, das sein Bruder und er 1932 nach einem Lustspiel von Ernst Decsey für das Theater an der Wien bearbeitet hatten. „Sissy“ hieß dieses Stück um das Zusammentreffen der bayerischen Prinzessin Elisabeth mit dem jungen Kaiser Franz 41

Joseph in Ischl. Aus diesem Bühnenstoff machte Ernst Marischka den berühmten „Sissy“-Film mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm, dem noch zwei Fortsetzungen folgten. Auch dies konnte man eine „Bearbeitung“ – wenn auch keine musikalische – nennen. Nur wird Ernst Marischka daran mehr verdient haben, als alle Bearbeiter von Strauss-Operetten zusammen. Literatur: – – – – – – – – – –

Otto Schneidereit: Das Operettenbuch, 10. Auflage, Berlin 1964 Anton Würz: Reclams Operettenführer, Stuttgart 1953 Otto Schneidereit: Richard Tauber – Ein Leben – eine Stimme, Berlin 1981 Otto Schneidereit: Johann Strauss und die Stadt an der schönen blauen Donau, Berlin 1985 Anton Bauer: 150 Jahre Theater an der Wien, Wien 1952 Hans Weigel: Flucht vor der Größe, Wien 1960 Rudolf Ulrich: Österreicher in Hollywood, Wien 1993 Franz Mailer: Weltbürger der Musik, Eine Oscar-Straus-Biographie, Wien 1985 Marcel Prawy: Johann Strauss, Wien 1991 Marcel Prawy erzählt aus seinem Leben, Wien 1996

40 Jahre Alt-Wiener Strauss-Ensemble Stuttgart (1972-2012) gegründet als DAS STUTTGARTER STRAUSS-ENSEMBLE von Ralph Kulling Rund 300 Abende im Jahr sitzen sie im Orchestergraben der Württembergischen Staatsoper und spielen, was sie oft hundertfach gespielt haben. Da mag sich schon Routine einschleichen. Gute Musiker haben jedoch etwas gegen pure Routine, die an der Kreativität zehrt. Und so entstand 1972 – weitab von der schönen blauen Donau – das Stuttgarter Strauss-Ensemble. Unter der Prämisse: Was die Kollegen Boskovsky und Puschacher in Wien können, das können wir auch in Stuttgart, konzipierte Konzertmeister Arthur Kulling seine ersten Arrangements, die neben den Kompositionen der StraussDynastie auch Tanzkompositionen der Wiener Klassik von Mozart, Beethoven und Schubert umfassten. Aus der zwischen Orchesterprobe, Abendvorstellung und Kantine besprochenen Idee wurde eine Realität: Sechs Streicher und sechs Bläser fanden sich zusammen, um ein schillerndes Kapitel galanter Musikgeschichte neu aufzublättern.

42

Arthur Kulling, der das Ensemble als Geiger leitet, arrangierte zu diesem Zweck das Repertoire des Strauss-Ensembles für die spezielle Besetzung mit drei Violinen, Bratsche, Cello, Kontrabass, Flöte, Klarinette, Oboe, Fagott und zwei Waldhörnern. Das Gründungsensemble:

Leitung und Solovioline 1. Violine 2. Violine Viola Cello Kontrabass Flöte Oboe Klarinette Fagott 1. Horn 2. Horn

Arthur Kulling Robert Sistek Roland Feneberg Peter Peschke Helge Voit Fritz Straub Hans Christoph Bernhardt Dietmar Keller Klaus Krüger Karl Steinbrecher Kurt Krumbein Karl Ludwig

Mehr als hundert Jahre zuvor hatte es der große Tanzgeiger und Walzerkomponist Johann Strauss Sohn ähnlich gemacht, als er sich 1844 mit zunächst kleinem Orchester in Wien-Hietzing im Casino Dommayer vorstellte. In den Ballsälen und Wirtschaftsgärten der Donaumetropole wurden damals die Musikanten der Familien Strauss und Joseph Lanner zu den gefeierten Stars der leichten Muse. Dass ihre alten Tanzmelodien bis heute trotz Swing, Rock und Pop nichts von ihrem Charme eingebüßt haben, zeigten schon die ersten Erfolge des Stuttgarter Strauss-Ensembles. Zunächst spielte man in Altersheimen und bei Wohltätigkeitskonzerten, fand bei der Eröffnung der Ludwigsburger Gartenschau „Blühendes Barock” erstmals ein großes Publikum und debütierte 1974 zu Weihnachten in den Württembergischen Staatstheatern. Die Anfangserfolge waren so eindeutig, dass sogleich Konzertverpflichtungen nach Baden-Baden und vielen anderen Orten folgten. Als „Gäste im Studio” traten die zwölf Künstler am 3. April 1976 erstmals im Süddeutschen Rundfunk auf; im Mai wirkten sie in der SDR-Veranstaltung „Damals und heute” in der Stuttgarter Liederhalle mit und fanden ein begeistertes Publikum, das sie schon am „Schwäbischen Sonntag” 1975 in Stuttgart kennengelernt hatte. 1977 kam die erste Auslandsreise nach Spanien, und während der Bundesgartenschau in Stuttgart war das Strauss-Ensemble ebenfalls zu hören. Es folgten weitere Auslandstourneen nach Italien, Südafrika, Schweden, Dänemark, Österreich und Norwegen sowie zwei eigene Sendungen im ZDF („Weibergschichten von den Strauß-Brüdern” und „Strauss in Mainz”), weitere Fernsehauftritte bei „Verstehen Sie Spaß” und monatliche Sendungen im SWR. Mittlerweile hatte sich das Ensemble in Alt-Wiener Strauss-Ensemble Stuttgart umbenannt. Einer der Gründe war eine begeisterte Kritik des Wiener Strauss-Kenners und Forschers Dr. Marcel Prawy, der dem Ensemble und den Arrangements Arthur Kullings das besondere Prädikat verlieh, meinte, es klinge wie im "Alten Wien". Auslöser war der Vergleich – es sei kein Unterschied in Instrumentation und Spielweise hörbar! – mit einigen von ihm gefundenen Tonwalzen, auf denen Eduard Strauss mit der legendären Strausskapelle original zu hören war. Fünf Jahre nach der Gründung war das Ensemble in das Große Haus der Staatsoper Stuttgart umgezogen und spielte dort ab 1977 über 30 Jahre lang in Folge die Neujahrskonzerte am 1. Januar. Neben den Konzerten in Stuttgart wurden die Neujahrskonzerte des Ensembles auch in der Strauss-Stadt Coburg und in Bayreuth zur beliebten Tradition, die sich bis zum heutigen Tag erhalten hat und 2012 in Coburg ebenfalls ein Jubiläum feiern kann: Das 25-jährige. Arthur Kulling, der seine Arrangements mittlerweile auch auf die Operetten des Genius Johann Strauss ausgedehnt hatte und damit vielen kleinen Bühnen Aufführungen auch mit kleiner Orchesterbesetzung ermöglichte, hat als musikalischer Leiter der Operettenproduktionen von "joke" (Junges Operetten und 43

Konzert Ensemble) in Stuttgart und Umgebung die Operette wieder etabliert. Im Wilhelma-Theater, in der Filderhalle, in der Alten Reithalle Stuttgart und in der Stadthalle Fellbach, in Basel und Möriken konnten die Produktionen unter seiner Leitung Erfolge feiern. Dieses unermüdliche Engagement für die Strauss'sche Musik gipfelte 1991 für Arthur Kulling in der Wahl zum 1. Vorsitzenden der Deutschen Johann Strauss-Gesellschaft mit Sitz in der Strauss-Stadt Coburg. Er

hat dieses Amt bis 2006 mit Leidenschaft und großen Erfolgen ausgefüllt, nur einer der vielen Aspekte, die im Juni 2002 dazu führten, dass er für sein unermüdliches kulturelles Schaffen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Nach seinem 75. Geburtstag übergab Arthur Kulling 2001 die Leitung des Ensembles an seinen ältesten Sohn Ralph Kulling, der ganz in des Gründers Tradition die Konzerte des Ensembles weiterführt. Seit 1978 zu-nächst als 2. Geiger, dann an der 1. Geige Mitglied des Ensembles, hatte er seit 1997 damit begonnen, im eigenen kleinen Schallplattenlabel Edition HERA die wunderbaren Melodien Strauss'scher

44

Kompositionskünste in Arthur Kullings unnachahmlichen Arrangements für das AWSE auf CD einzuspielen. Beginnend mit der ersten Langspielplatten-Einspielung 1976 (So klang's im alten Wien") entstand nach und nach die mittlerweile auf 9 CDs angewachsene Tonträgerkollektion. Die aktuelle CD (HERA 02009) erschien im Oktober 2011 unter dem Titel: "Alles Walzer !...oder was ?” und ist dem 2009 tragisch verstorbenen Genius Arthur Kulling gewidmet, von dessen liebenswerten und innigen Arrangements hier wohl einige der schönsten zu hören sind, darunter die geniale Version des Rosenkavalierwalzers von Richard Strauss. Dass es auch nach Arthur Kullings Ableben mit der Kunst des Arrangements weitergehen wird, zeigen zwei hervorragende Bearbeitungen von Klaus Kulling, der damit als zukünftiger Notenlieferant für das AWSE auf der neuesten CD sein Debüt feiert.

Der „Wienerlieder“-Mann Eine Biographie des gefeierten „Alt-Wiener“ Musikers Carl Wilhelm Drescher von Peter Kemp (Auszug – Übersetzung: Ilke Panz) In der Zeit um 1800 und in den frühen 1900er Jahren waren Berühmtheiten glücklich, Autogramme und Handschriftliches an ihre Bewunderer zu geben. Die einzelnen Komponisten der Wiener Strauss-Familie z.B. fügten ihre Unterschriften unzähligen Autogramm-Alben und Zetteln bei – oft auch mit einigen Takten ihrer Kompositionen. Die Tatsache, dass Läden in Wien Verehrern ausgefüllte Fragebögen verkauften, beweist, dass eine große Anzahl von Künstlern bereit war, die Wünsche ihrer Bewunderer zu erfüllen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Empfänger eines solchen Fragebogens der Komponist C.W. Drescher, eine führende Persönlichkeit im Bereich der Wiener Tanzmusik, deren Stern im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts leuchtete. Einst ein 1. Violinist im Strauss-Orchester, blieb er eine beliebte Gestalt in Wiens Musikleben bis zu seinem Tod im Jahre 1925. Der Musikwissenschaftler und Wiener Autorität für leichte Musik, Prof. Max Schönherr, betrachtete Drescher als „den prominentesten Rivalen“ von Eduard Strauss und Carl Michael Ziehrer im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Die Antworten, die Drescher im Fragebogen gab, enthüllen einerseits seine Bereitwilligkeit und gewähren anderseits auch einen Einblick in die zeitgenössische Kulturszene. Drescher datierte und unterzeichnete das ausgefüllte Formular ordnungsgemäß: „Wien am 18.12.1901/C.W. Drescher/MusikDirektor“ und fügte ein Visitenkarten-Foto und seine persönliche Maxime in die dafür vorgesehene Stelle ein. Sein Motto lautete: „Weana san ma, Weana bleim ma.“ Fragebogen Deine Lieblingseigenschaften am Manne? Deine Lieblingseigenschaften am Weibe? Deine Lieblingsbeschäftigung? Deine Idee von Glück? Welcher Beruf scheint Dir der beste? Wer möchtest Du wohl sein, wenn nicht Du? Wo möchtest Du leben? Wann möchtest Du gelebt haben? Deine Idee von Unglück? Dein Hauptcharakterzug? Dein Lieblingsschriftsteller? Dein Lieblingsmaler und Bildhauer? Deine Lieblingskomponisten?

Kein Simandl (Pantoffelheld) sein Fesch und munter Gut essen und trinken ---Hausherrngeschäft Die Schöne von New York (nach der Operette von Gustav Kerker?) Nur in Wean Vor dem Rassenhass Jo, wan i mei Weiberl verlier Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst Julius Löwy, den Einzigen (1851 – 1905, Schriftsteller und Journalist) Der mich gut trifft weiland Josef Strauss (1827 – 1870 Komponist/Dirigent, 45

Deine Lieblingsfarbe und -blume? Lieblingshelden in der Geschichte?

Lieblingsheldinnen in der Geschichte?

Lieblingscharaktere in der Poesie? Deine Lieblingsnamen? Welche geschichtlichen Charaktere kannst Du nicht leiden? Welche Fehler würdest Du am ersten entschuldigen? Deine unüberwindliche Abneigung? Wovor fürchtest Du Dich? Lieblingsspeise u. Trank? Dein Temperament?

jüngerer Bruder von Johann Strauss II) Blond und Veilchen Guschelbauer, der alte Drahrer (Edmund Guschelbauer, 1839 – 1912, Volkssänger und Autor von lustigen Liedern. Er hatte seinen größten Erfolg mit Johann Siolys Lied: Der alte Drahrer („Baumdreher“) Hansi Niese (1875 – 1934), gefeierte Volksschauspielerin und Frau von Josef Jarno (1866 – 1932), Schauspieler und Direktor des Josefstädter Theaters ---Alle ---------Ich fürchte niemanden als Gott ein „Kalbsgollasch“ und Pilsner Nur munter

Carl Wilhelm Drescher wurde am 12. Dezember 1850 in Wien als Sohn des Malermeisters und Dekorateurs Wilhelm Drescher geboren. Carl war als eins von 14 Kindern früh gezwungen, Geld zu verdienen. Er begann sein Arbeitsleben als Aushilfskellner in Leeb’s Gasthaus am Naschmarkt. Aus Nachrufen in vielen Wiener Zeitungen wird deutlich, dass sein musikalisches Talent früh erkannt wurde: Er studierte Gesang bei Lorenz Weiß (1821 – 1887) und später Geige bei Josef Hellmesberger sen. (1828 – 1893) und Carl Heissler (1823 – 1878). Mit 11 Jahren wurde er Sängerknabe im Chor des renommierten Kärntnerthor-Theaters, wo er 5 Jahre lang blieb. Mit 16 Jahren trat Carl Drescher in das Orchester von Philipp Fahrbach sen. als 1. Violinist ein, wo er die Aufmerksamkeit der Brüder Johann, Josef und Eduard Strauss auf sich zog, die ihn daraufhin engagierten. So spielte Drescher in den Jahren 1868 und 1869 im Strauss-Orchester unter den wechselnden Dirigaten der drei Strauss-Brüder. Dann kehrte er zeitweise zivilen Orchestern den Rücken, als er – zum Militärdienst eingezogen – der Kapelle des 54. österr. Infanterieregiments beitrat, in der er auch Harfe spielte, bis zu seiner Entlassung im Jahre 1872. Bald danach kehrte er zurück zum Strauss-Orchester unter der Leitung von Eduard Strauss und spielte auch Harmonium in Karl Margold’s Salon-Orchester, mit dem auch Johann Schrammel (1850 – 1893) arbeitete. Nach kurzer Arbeit im Orchester des Wiener Ringtheaters gründete Drescher die „Capelle Amusement“ im Jahre 1874 und gab sein Début als unabhängiger Orchester-Dirigent wahrscheinlich am 12. September desselben Jahres. Was die Neue Freie Presse als Dreschers „enorme musikalische Begabung und eisernen Fleiß“ beschrieb, bewirkte die fast täglich wachsende Popularität seines Orchesters. Durch Auftritte in Pilz’s Bierhalle, „General Laudon“ in Weidlingau und im Gebäude der Österr. Gartenbau-Gesellschaft, wo viele Tausende zum Takt seines Geigenbogens tanzten, etablierte er sich als einer der populärsten Salonkapellmeister der Stadt. Doch er war nicht nur eine populäre Gestalt in den bürgerlichen Zirkeln des alten Wiens; es dauerte nicht lange, bis auch die oberen Schichten der Wiener Gesellschaft ihm und seinen Musikern die Türen öffneten, um bei Festlichkeiten der höchsten Aristokratie aufzuspielen. Erzherzog Karl Ludwig (1833 – 1896), jüngerer Bruder von Kaiser Franz Joseph (1830 – 1916), hieß Drescher in seinem Palast willkommen, und sogar der Kaiser selbst lobte das Ensemble. Dreschers Ruf als Wiener Dirigent, der von der Geige aus dirigierte und dabei gewöhnlich eine charakteristische Pose einnahm, die an Johann Strauss Sohn erinnerte, brachte ihm auch Arbeit außerhalb seines Heimatlandes Österreich ein. 46

In Deutschland z.B. spielte er viele Jahre lang für den Jockey Club bei den Pferderennen in Baden-Baden und trat ebenfalls in Köln und Bad Homburg v. d. Höhe auf. Er nahm auch Einladungen der Prinzessin Fürstenberg und Radziwill an, mit seinen Musikern nach Berlin zu kommen. In Bukarest war seine Popularität so groß, dass er mit dem Titel „Königlich Rumänischer Hofkapellmeister“ geehrt wurde, ein Titel, der auch Ziehrer (1879) verliehen wurde. 1891 kam der gewandte Drescher nach London auf Einladung des Prinzen von Wales (späterer König Eduard VII) und blieb in der Hauptstadt von Mai bis zum Ende der Londoner „Saison“ Ende Juli. Es kam zweifelsohne durch die enge Freundschaft des Prinzen mit dem gefeierten César Ritz (1850 – 1918), dem ersten Manager des Savoy Hotels (und zukünftigen „König der Hoteliers“ und „Hotelier der Könige“), dass Drescher regelmäßige Nachmittagskonzerte mit seinem Orchester im Savoy Hotel an Londons „Strand“ geben durfte. Es war Ritz selbst, der das Konzept, Live-Musik zwischen den Mahlzeiten zu spielen, einführte. Dreschers königlichem Gönner war es sicherlich zu verdanken, dass er außerdem aufgefordert wurde, bei verschiedenen privaten Anlässen in der Hauptstadt aufzutreten. Marlborough House, der Palast des Prinzen von Wales, war Schauplatz für eine verschwenderische Dinnerparty am 27. Mai, die von so angesehenen Persönlichkeiten wie dem Herzog von Connaught, dem Herzog von Cambridge, dem Prinzen Christian und dem russischen Prinzen Dimitri Soltykoff, einem prominenten Mitglied des englischen Jockey Clubs und engem Freund der königlichen Familie, besucht wurde. Im Lloyd’s Weekly London Newspaper stand zu lesen: „Während des Dinners wurde eine Auswahl an Musikstücken von Dreschers Wiener Kapelle vorgetragen“. Im Oktober 1894 feierte Wien das Goldene Jubiläum von Johann Strauss Sohn’s Début als Komponist und Dirigent. Am 14. Oktober 1894 – am Tag vor dem 50. Jahrestag – versammelten sich Drescher und seine Musiker im Rotunden-Saal des Wiener Gartenbaugesellschaftsgebäudes in der Weihburggasse zu einer „Johann Strauss Feier“, die von Drescher selbst organisiert worden war und bei der sie die Premiere seines speziell dem Walzerkönig gewidmeten Jubiläumswalzers „Aus aller Wiener Herzen“ gaben. Bei diesem Konzert kündigte Drescher auch die erste Aufführung von Johann Strauss Sohns neuem Jabuka-Walzer (op. 455) an, doch Eduard Strauss kam ihm zuvor, er dirigierte das Werk mit seinem Orchester etwas früher am selben Tag bei seinem „Festkonzert“ im Musikverein. Am 24. Juni 1899 – gerade 3 Wochen nach dem Tode des Walzerkönigs am 3. Juni – war das gewaltige „Venedig in Wien Theater“ und Unterhaltungsstätte im Prater Ort für eine „Johann-StraussGedenkfeier“, die der einstige Strauss-Rivale Carl Michael Ziehrer organisiert hatte. Einen ganzen Tag lang spielte Ziehrers Orchester (verstärkt durch Musiker des ansässigen Theaterorchesters) sowie Carl Wilhelm Dreschers Orchester und die Kapelle des Kaiserl.-Königl. 61sten Infanterie-Regiments nichts anderes als das Strauss-Repertoire. Fast ein Viertel Jahrhundert später – am 17. November 1922 – war Drescher unter den Trauergästen bei Ziehrers Begräbnis auf Wiens Zentralfriedhof. Es waren Drescher und seine Musiker gewesen, die die Weltpremieren von Ziehrers Marsch „Couragiert“ op. 401 (Zum Engel“, 2. Dez. 1888) und des Walzers „Hereinspaziert“ op. 518 („Annahof“, 11. Dez. 1904) gegeben haben, während sie am 12. Okt. 1902 eines von mehreren Ensembles waren – zivilen wie Militärkapellen – die unabhängig voneinander die ersten Aufführungen von Ziehrers Walzer „Sammt und Seide“ op. 515 und Marsch „Beim Militär“ op. 516 spielten, beides Werke, die auf Themen der Operette „Der Fremdenführer“ basieren, die ihre Premiere am Vortage gehabt hatte. Darüber hinaus schuf Drescher seine eigene „Tanz-Sport-Quadrille (1889) nach vorher veröffentlichten Tanzthemen von Ziehrer. Im Januar 1900 wurden Carl Wilhelm Dreschers musikalische Leistungen und Aktivitäten – die oft zu wohltätigen Zwecken gegeben wurden – offiziell anerkannt, als Bürgermeister Karl Lueger (1844 – 1919) ihm im Namen der Stadt Wien die große goldene Salvator-Medaille überreichte, um sein 25-jähriges Jubiläum als Kapellmeister zu würdigen. Da Drescher sich im September 1874 für eine Laufbahn als 47

unabhängiger Orchester-Dirigent entschied, ist unklar, warum sein Silberjubiläum erst im darauf folgenden Jahr gefeiert wurde. Es ist jedoch möglich, dass er sich zur Zeit seines tatsächlichen Jubiläums auf Tournee außerhalb Österreichs aufhielt. Offizielle Feiern zu seinem 25-jährigen Jubiläum wurden im Ronacher in der Seilerstätte am 3. Januar 1900 abgehalten. Dreschers älterer Sohn Robert dirigierte die Musiker seines Vaters in mehreren Konzert-Nummern, und später spielten seine Söhne Robert und Otto mehrere ihrer eigenen ihrem Vater gewidmeten Tanzkompositionen. Doch der Höhepunkt des Abends kam, als Drescher sein Orchester in der Erstaufführung eines Werkes dirigierte, das er speziell für die Feierlichkeiten komponiert hatte: den Walzer „Aus Lieb zu meiner Vaterstadt“, den er der Stadt Wien widmete und dessen „einschmeichelnde Melodien das Publikum zu lebhaftem Applaus hinriss“. Um diese Zeit schuf der Wiener Künstler und Karikaturist Theo Zasche (1862 – 1922) seine chinesische Tusche-Zeichnung „Aufstellung zur Quadrille“, in der der berühmte Tanzmeister Eduard Rabensteiner (1839 – 1905) zu sehen ist, wie er Paare zur Quadrille aufstellt, während C.W. Drescher und sein Orchester die Musik dazu beitragen. Drescher machte 1902 mit seinem Orchester noch einmal einen Besuch in England. Anlass war die „Österreichische kunstgewerbliche Ausstellung“ im Schlittschuh-Club des Prinzen in Knightsbridge vom 26. Mai bis 31. Juli d. J. Diese renommierte kommerzielle Ausstellung von österr. Industriekunst und Handwerk fand unter der Schirmherrschaft ihrer königlichen Hoheiten, des Prinzen und der Prinzessin von Wales (späterer König Georg V und Königin Mary) und der kaiserl.-königl. Hoheit, dem Erzherzog Otto statt. Die Werbung in der „Times“ war darauf angelegt, den Appetit von Musikliebhabern und Gourmets gleichermaßen anzuregen. „Vom 4. bis 7.: Direktor Dreschers gefeierte Kapelle. Teestube und „Buffet à la Viennoise“ unter der Leitung des Hotels Bristol, Wien.“ Als Schirmherren der Ausstellung machten Prinz und Prinzessin von Wales ihren ersten Besuch am 31. Mai, doch auch König Eduard VII und Königin Alexandra folgten der Einladung „und vergaben zahlreiche Aufträge, nahmen ihren Tee ein und lauschten Dreschers Kapelle“ – wie die Times über ihren Besuch vom 8. Juni berichtete. Im selben Monat –Juni 1902 – kam auch Johann Strauss III (1866 – 1939) nach London, der vom Empire Theatre für 4 Wochen engagiert worden war. Beide malten sich zweifellos zusätzliche finanzielle und künstlerische Vergünstigungen aus durch die bevorstehende Krönung, die für den 26. Juni vorgesehen war. König Eduard musste sich jedoch einer Notoperation unterziehen, und die groß angekündigten Krönungsfeierlichkeiten wurden auf den 9. August verschoben, und da war Strauss längst wieder abgereist. Drescher und seine Kapelle jedoch blieben in der Hauptstadt bis zum 20. August und erfüllten eine Reihe von Engagements bei privaten gesellschaftlichen Veranstaltungen, bevor er nach BadenBaden reiste, um zum 10. Male im Internationalen Club aufzuspielen. Obgleich dies Carls letzte Reise nach England sein sollte, so scheint sie doch den Grundstein für den Besuch eines anderen Drescher ca. 2 Jahre später gelegt zu haben. Carl Wilhelm Drescher hatte den Status eines hervorragenden Kapellmeisters und wurde eingeladen, bei vielen Banketten und anderen Festlichkeiten im Wiener Rathaus aufzuspielen: zum Ball der Stadt Wien, zum Hofball, zum Ball bei Hof, dem größten gesellschaftlichen Ereignis in Wiens Karneval-Kalender. So. z.B. gab Drescher und sein Salon-Ensemble ein Konzert im kleineren Rathaussitzungssaal während die Ballmusik beim Ball der Stadt Wien im imposanten Festsaal von Johann Strauss III und seinem Orchester sowie der Kapelle des 4. InfanterieRegiments (Hochdeutschmeister) unter der Leitung von Wilhelm Wacek besorgt wurde. Drescher und die „Capelle Amusement“ waren darüber hinaus sehr gefragt bei Bällen für Leitung, Angestellte und Schauspieler von Wiens vielen Theatern. So kam es, dass das sich vergnügende Theatervolk zu Weisen Dreschers und seines Salon-Orchesters u. a. beim Josefstädter Theater Ball (im Hotel Continental) am 30. März 1895 und beim Raimund-Theater Ball (im Savoy Hotel) am 31. Januar 1900 tanzte.

48

Salonkapellmeister Drescher feierte seinen 60sten Geburtstag am 12. Dezember 1910. Österreichs Illustrierte Zeitung veröffentlichte eine Lobrede auf ihn und sein Orchester, das eine “Messlatte für den flotten Takt der wienerischen Ball- und Salonmusik sowie für die unaufdringliche Eleganz einer würdevoll-gemütlichen Tafelmusik geworden ist“. Sie sprach dem 60-jährigen das Kompliment aus, „Jugendfrische und das Temperament eines 30-jährigen“ bewahrt zu haben und meinte, dass er durch seine Tanz-Weisen und Lieder-Potpourris fast die „spezifische Bedeutung“ seines Zeitgenossen Karl Komzák (1850 – 1905) erlangt hat. Zur Silvester-Ausgabe 1911 lud dieselbe Zeitung mehrere führende Wiener Persönlichkeiten ein, individuelle „Silvester-Toasts auf sich selbst“ auszusprechen unter der Veröffentlichung einer „Feder u. Tinte“ Karikatur eines jeden Beitragenden vom namhaften Künstler Hans Schliessmann (1852 – 1920). Unter diesen Persönlichkeiten war auch Carl Wilhelm Drescher, der seinen eigenen Toast an den Zeitungsredakteur auf persönlichem Briefpapier mit folgendem Briefkopf einsandte: Königl. rumän. Hofkapellmeister / Bürger von Wien / Besitzer hoher Auszeichnungen. Dreschers kurze, nicht ernst gemeinte sich selbst gratulierende Einsendung lautete folgendermaßen: „Sehr verehrte Gesellschaft! Jeder ist sich selbst der Nächste, und wenn ich jetzt das Glas erhebe, so geschieht es um einen Mann, der nicht nur sich selbst sondern auch seinen Mitmenschen im Leben so viele genussreiche Stunden verschafft, zu wünschen, dass es ihm noch viele Jahre möglich sei, diese seine Bestimmung erfüllen zu können. Es lebe unser C.W. Drescher!“ Am 21. November 1912 waren J. Weinwurm’s „Drei-Engel-Säle“ – die Lokalität, wo Drescher 1874 wahrscheinlich sein Début als unabhängiger Dirigent gegeben hatte – Schauplatz für einen bemerkenswerten künstlerischen Meilenstein, denn an diesem Abend gab Salonkapellmeister C.W. Drescher sein 10.000stes Konzert (Wiener Zeitung v. 21. Nov. 1912). Diese bemerkenswerte statistische Tatsache ist auch auf der Titelseite der Komposition erwähnt, die er für diesen Anlass schrieb: „Du nur allein. Walzer-Serenade für eine Singstimme“ mit Worten von E. Samet. Der Erlös dieser Veranstaltung wurde dem Österreichischen Musiker-Verband gespendet. Aus dem reichen Erbe von Wiener Volks- und Kunstliedern konnte Drescher wie aus einem Füllhorn für seine vielen melodischen Potpourris schöpfen. Er hätte gut und gerne den Spitznamen „Der Wienerlieder Mann“ verdient. Carl Drescher leitete sein Konzert-Orchester bis 1920, als er die Entscheidung traf, sich von seiner langen und anstrengenden Karriere als Kapellmeister zurückzuziehen. Doch noch sieben Monate vor seinem Tod trat er zu einem letzten Dirigat am 23. Mai 1925 in Weigl’s Dreherpark und in der Katharinenhalle in Meidling (12. Distrikt) auf anlässlich der Festlichkeiten zum 40. Geburtstag von Gustav Pick’s berühmtem Fiaker-Lied –„I führ zwa harbe Rappen“ -, das Alexander Girardi zum 1. Mal am 24. Mai 1885 in der Rotunde im Prater gesungen hatte. Dieses groß angekündigte Ereignis, das von vielen bekannten Künstlern besucht wurde, zog nicht weniger als 15.000 Menschen an. (Illustriertes Wiener Extrablatt v. 24. Mai 1925). Wie Eduard Strauss I (1835 – 1916) zeigte auch Carl Drescher übergroßen Stolz auf die Auszeichnungen, Ehrungen und Orden, die ihm im Laufe seines produktiven musikalischen Lebens zuteilwurden. In einem undatierten Brief an die Österr. Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM – gegr. 1897), doch sicher nach 1900 geschrieben, lautete Dreschers gedruckter Briefkopf stolz: „Königl. Rumänischer Hofkapellmeister, Träger der Jubiläumsmedaille seiner Majestät Kaiser Franz Josephs I, Ritterkreuzträger des rumänischen Kronen-Ordens, Träger der Medaille für Kunst und Wissenschaft Seiner Hoheit des Herzogs von Nassau, der großen goldenen Salvator-Medaille der k. u. k. Reichshauptu. Residenzstadt Wien und Bürger von Wien“. Seit Ende des Krieges von 1914 – 1918 hatte das fortschreitende Alter vermehrt seinen Tribut gefordert. Wenige Minuten nach 2 Uhr morgens am 8. Dezember 1925 entschlief Carl Wilhelm Drescher in seinem Heim in der Schönbrunner Straße 2/1/II/22 in Wiens 4. Distrikt (Wieden) 4 Tage vor seinem 75. 49

Geburtstag. Er hinterließ seine Gattin Amalia und seine beiden Söhne Robert und Otto, „die ebenfalls als Musiker arbeiten. Letzterer ist Theaterorchester Dirigent in Amerika – so die Neue Zeitung vom 10. Dezember 1925. In ihrem Nachruf für den Dirigenten und Komponisten schrieb die Reichspost bewegend über Dreschers letzte Tage: „In den letzten 6 Monaten erlitt er mehrere Schlaganfälle, und vor 3 Wochen ereilte ihn ein Nervenzusammenbruch. Seither pflegte ihn Tag und Nacht seine Gattin in aufopferungsvollster Weise, so dass dieselbe derzeit an einer schweren Nervenentzündung zu Bette liegt. Noch vor 3 Tagen, als ihn der Präsident der „Wiener Volkskunst“, Kapellmeister R. Dietrich, besuchte, sagte er ihm zum Abschied ein letztes Mal: ‚Grüß mir die Volkskunst‘. Das Leichenbegängnis findet am Freitag (11.Dezember) um 3 Uhr von der Aufbahrungshalle, zweites Tor, (Zentralfriedhof, Haupteingang) aus statt. Die Stadt Wien hat ein Grab ehrenhalber für immerwährende Zeiten zur Verfügung gestellt.“ (Zentralfriedhof, Abt. 33A, Reihe 1, Nr. 24) Seine Gattin Amalia Carolina geb. Anton, geb. Wien, 5.Dez. 1853, gest. 4. Aug. 1940), die ihren Gatten um fast 15 Jahre überlebte, ist neben ihm beigesetzt. Ein Bronze-Relief von Dreschers Kopf (von Carl Philipp (1872 – 1949) geschaffen und von der „Gesellschaft zur Hebung und Förderung der Wiener Volkskunst“ gestiftet, ziert den sonst schlichten Grabstein. Das Neue Wiener Tageblatt (9.12.1925) fasste liebevoll in seinem Nachruf für den Kapellmeister seine Position in Wiens Kulturleben zusammen: „Ein halbes Jahrhundert lang war Carl. W. Drescher einer der populärsten Wiener Musiker. Als Pfleger der spezifisch wienerischen Musik erlangte er als Dirigent und Komponist eine Popularität, die nur jene verstehen werden, die seine Glanzzeit mitgemacht haben. Vor Jahren gab es kein Konzertlokal, keinen vornehmen Ball, bei dem nicht der Drescher mit seiner Dirigentengeige auf dem Podium gestanden wäre. Er war bekannt bei Jung und Alt, und er gehörte zu jenen Bevorzugten, denen Wiener und Wienerinnen den bestimmten Artikel verleihen: der Drescher.“ Heute, mehr als 80 Jahre nach seinem Tode, ist Dreschers Name großenteils in Vergessenheit geraten, sogar in einer Stadt, die einst seine Kapelle als „König der Wiener Salonorchester“ feierte. Doch sein Name ist verewigt in der Karl-Drescher-Gasse in Kaiser-Ebersdorf, einem Teil von Wiens 11. Distrikt (Simmering), während an seinem früheren Wohnhaus in der Schönbrunner Straße 2/Ecke Heumühlgasse im Distrikt Wieden ein Relief-Porträt vom Kopf des Komponisten an der Seite des Eingangs zu finden ist.

„Maske in Blau“ – ein Operettenklassiker? von Peter Ziegler Laut der Programmvorschau des Coburger Landestheaters vom März 2011 ist „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauss eine „komische Operette“ und „Maske in Blau“ von Fred Raymond (erst 1937 uraufgeführt), „zählt längst zu den Operettenklassikern“. Eigentlich ist hierbei die Johann-Strauss-Operette als Klassiker zu bezeichnen; die1883 benutzte Definition „komische Operette“ ist eigentlich ein Pleonasmus, eine sinnverwandte Wortkombination, die denselben Begriff ausdrückt, z.B. süßer Zucker. Heiterkeit herrschte bei unseren Wiener Operettenklassikern vor, was man nicht ganz über die Metropoltheater-Operetten des damaligen Direktors Heinz Hentschke sagen kann, der sich seinem Publikum auch noch als Librettist zumutete. Hentschke versuchte, die bis 1932 erfolgreiche Revue-Operetten, Operette-Revuen oder SchlagerOperetten meist jüdischer Librettisten und Komponisten nachzuahmen. Dies gelang ihm, da die Konkurrenz durch die nationalsozialistische Kulturpolitik ausgeschaltet wurde und ihm zwei ausgezeichnete Fachkräfte halfen, durch schmissige und einschmeichelnde Weisen, komponiert von Fred Raymond und kongenial getextet durch Günther Schwenn, über Hentschkes trockene, ja eigentlich langweilige Libretti hinwegzusehen. 50

Im 1942 erschienenen Jubiläumsheft „50 Jahre Metropol“ verbreitete man ernsthaft: „Der Grundzug aller Hentschke-Bücher ist ihre Frische und ihr Humor. An der Stelle der Sentimentalitäten und der früheren Operette ist eine reale Lebensnähe der handelnden Personen getreten, der es nicht widerstrebt, dass sie gern das Abenteuer suchen und dem deutschen Drang in die Ferne huldigen.“ Otto Schneidereit, Intendant der DDR-Operette im Metropol und Librettist – wie Hentschke – war in seinem Operettenbuch (1958 in 6. Auflage) seinem Kollegen aus der „braunen Zeit“ gegenüber recht ungnädig, weil er das wohl seiner „roten Zeit“ schuldig zu sein schien. Er zählt „Maske in Blau“ zur deutlichsten Ausprägung jenes Zweiges der Operette, der das Bild des Menschen entmenschlichte und verzerrte. Die Grundidee ist gar nicht so schlecht. Schuf da doch der Maler Cellini das Bild einer schönen Unbekannten, das er „Maske in Blau“ nannte, weil sie maskiert war. Später lernt der Maler eine reiche argentinische Plantagenbesitzerin (Nachfahrin der „Lustigen Witwe“ und „Gräfin Mariza“) kennen und erkennt auch sein Modell an den Augen (Lied: Schau einer schönen Frau…). Vor den Augen eines argentinischen Landmannes, der sie um ihres Geldes willen verehrt, gibt sich Senora Valera dem Maler zu erkennen. Man fällt sich in die Arme, dabei klaut der intrigante Argentinier aus der Handtasche der Senora einen Ring, den ihr der Maler in seinem Atelier geschenkt hatte. Dieses Kleinod gibt nun der böse Argentinier an den guten Maler zurück, fälschlicherweise im Auftrag der Senora Valera. Um neue Bilder für eine Revue-Operette schaffen zu können, reist nun alles nach Argentinien. Auf der Hazienda der Millionärin kommt es noch zu einer Schlägerei zwischen Freunden und Gegnern des Schurken Pedro dal Vegas. Nun kommt der Maler Cellini an, rechnet hinter der Kulisse mit seinem Rivalen ab, das tatsächliche Liebespaar kann sich in die Arme fallen. Doch diese Handlung wird dem Zuschauer bald entfallen sein. Nachklingen wird einer der vielen Schlager und wenn es nur der von den Mainzer Hofsängern zusätzlich verbreitete ist: „Sassa, Sassa“, als Rumba gerühmt, von Raymond als Maxixe (Machiche, mexikanischer Tanz) komponiert. Letztmals wurde „Maske in Blau“ im September 1991 im Berliner Metropoltheater mit großem Erfolg gegeben. Dreimal musste das Schlussbild wiederholt werden… 20 Minuten Applaus. Die Operettenfachleute aus der DDR-Zeit hatten ihr Bestes gegeben. Das war den „Kultur-Streichern“ im Westen ein Dorn im Auge. Man sägte bereits an den Grundmauern der Operettenpflege. Als 1993 der zweite Großerfolg des Metropols während der Kriegszeit in Szene ging, wollte die Berliner Kulturszene darin plötzlich eine „Nazi-Operette“ erkannt haben. Dem müssen wir wohl nachgehen. Hentschke hatte in seinem ersten Libretto von 1934, „Lauf ins Glück“ zwar die Olympischen Spiele von 1936 verherrlicht, aber sonst zeigte er sich kaum als großer Propagandist der Nazis, obwohl er gezwungenermaßen Parteimitglied sein musste. Ich hatte immer den Verdacht, dass Hentschke die annehmbare Grundidee seiner „Maske in Blau“ gar aus einer alten, vergessenen Operette hatte. Und siehe da, bei meinen Recherchen über den Spielplan des Kissinger Kurtheaters stieß ich auf „Die Dame in Rot“, Operette von Brammer-Grünwald, Musik von Robert Winterberg. Wie von den späteren Autoren der „Gräfin Mariza“ und „Zirkusprinzessin“ nicht anders zu erwarten war, erhielten die Autoren vom Kissinger Kritiker folgendes Lob: „Einem guten Libretto mit dramatischer Kraft und reinlicher Vers- und Dialogführung gesellt sich eine ganz vorzügliche, in Erfindung und Orchestrierung gleich geschmackvolle Musik hinzu.“ Und nun zur Handlung: „Es handelt sich bei den Vorgängen auf der Bühne um das nicht neue, aber stets in seiner Wirkung sichere Problem von der Widerspenstigen Zähmung. Diesmal ist es ein Maler, der mit dem Porträt der ‚Dame in Rot’ auf der Ausstellung die Medaille erhält und bei der Begegnung mit dem lebenden Modell, der stolzen Miss Queensland, in brennender Liebe den schweren Kampf der Leidenschaft aufnehmen und bis zum Siege erleben muss. Das Eingreifen des Japaners (Dr. Graf Ikamo Hitamaro) lässt die Fäden der einzelnen Liebesangelegenheiten packend sich im Gegenspiel 51

verwirren, um nach einem hochdramatischen Finale des zweiten Aktes schließlich für alle Beteiligten die erhoffte Lösung der Konflikte zu bringen.“ (August 1913) Hätte es vor 1937 nicht sein können, dass Heinz Hentschke in einem Berliner Verlagsarchiv auf das abgelegte Material dieser, auch noch wegen der jüdischen Autoren verbotenen Operette gestoßen war? Nun zur „Hochzeitsnacht im Paradies“ von Hentschke, Musik von Friedrich Schröder. Anlässlich der Premiere vom 10. Juni 1993 sendete der SFB Berlin unter „Klassik zum Frühstück“ die „Live-Frühkritik“ eines Dieter Scholz. Die Belanglosigkeit der Handlung bezeichnete der Kritiker als „kleinbürgerlichen Nazi-Schmus“, kurz darauf als „dumm-dreiste Durchhalteoperette“. Sein Rat: „man hätte das Stück als Exempel der Naziunterhaltungskultur vielleicht sogar unterhaltsamer auf die Bühne bringen können“. Über die Sänger: „Keiner trifft den gesalbt-parfümierten Operetten-Ton jener Zeit“. Zum Schluss: „Warum muss man ausgerechnet heute eine derart banale und schlechte Nazioperette wieder aufführen…“ Und wie geht es zu in dieser angeblich „dumm-dreisten Durchhalteoperette“? Dr. Hansen und Regine wollen heiraten. Da taucht ein Varietéagent in seinem Haus auf, um ihn vor seiner ehemaligen Geliebten Dodo zu warnen. Welche die Heirat stören will. Ein Bonbonfabrikant ist hinter dieser Spanierin her und bittet deren Agenten um Kontakt. Ausgerechnet im Vorraum von Regines Zimmer findet dieses Treffen statt und der Agent lässt im Fortgehen das Zigarettenetui der Spanierin liegen. So glaubt die Braut, ihr Bräutigam hätte sie mit Dodo betrogen… So muss er ins Hotel, wo die Gäste der geplant gewesenen Hochzeit einquartiert sind. Betrunken gerät er ins Zimmer der Freundin seiner Braut und zieht sich aus, während sie im Bad ist. Da kommt seine Braut ins Zimmer ihrer Freundin und diese verkriecht sich unters Bett. Die Braut zieht sich aus und erblickt unterm Bett das Bein ihrer Freundin, das sie für das von Dodo hält und so geht die Braut auf der Stelle. So begibt sich der Bräutigam alleine auf Hochzeitsreise nach Venedig. Dort löst sich, wie in allen in Venedig spielenden Operetten, in Wohlgefallen auf. Auch diese angebliche Nazioperette hat ihre Vorgängerin und zwar mit einer Operette aus dem Jahre 1932. Da kehrt ein Paar nach einjähriger Hochzeitsreise zurück und trifft in Venedig ein. Weiter geht die Reise nach Nizza. Dort erhält der frischgebackene Gatte ein Telegramm von seiner früheren Freundin Tangolita, einer feurigen Tänzerin! (wie Dodo) Diese wollte der nun glücklich Verheiratete ehelichen und hatte dies durch einen Scheck quittiert. Nun fordert diese Tangolita ihren früheren Bräutigam Aristide auf, im Hotel Savoy mit ihr zu soupieren und dafür den Scheck einzulösen. Die Braut erfährt von diesem Betrug und will sich fürchterlich rächen. So sucht sie sich für den Ball den nächstbesten Freier aus, einen schüchternen Rechtspraktikanten. Beim Ball sitzt sie mit dem Jüngling direkt ihrem Gatten gegenüber, der mit seiner Tangolita beschäftigt ist. Die Ehefrau demaskiert sich vor ihrem Gatten und zeigt an, dass sie ihn mit einem jungen Mann betrogen hat! Der Ehemann will sich daraufhin scheiden lassen und bestellt sich einen Anwalt, der zufällig jenen Rechtspraktikanten ins Haus schickt, der mit seiner Gattin im Separée soupierte und erklärt, dass seine Frau ideal anständig war. Nun kann auch der Ehemann beweisen, dass zwischen ihm und Tangolita nicht passierte… – in Abrahams „Ball im Savoy“. Hiermit erkennen wir, dass angebliche Nazioperetten und solche aus der „guten alten Zeit der Operette“ ziemlich ähnlich sind. Übrigens hatte der Direktor und der Librettist Hentschke zu seinen Vorgängern im Metropoltheater ein inniges Verhältnis. Dies waren die Gebrüder Rotter, die gleichzeitig den Admiralspalast und das Große Schauspielhaus bespielten, wo die letzte Produktion, „Ball im Savoy“ von Paul Abraham, Text von Grünwald/Beda spielte. Hentschke hatte eine Theaterbesucher-Organisation gegründet, mit deren Kartenabnahme er in schlechter Theaterzeit Abnahmegarantie verbürgte. So saßen anlässlich der letzten Massary-Premiere im Metropoltheater, in „Eine Frau die weiß, was sie will“, die billigen Leute der Hentschke-Karten auf den teuren Plätzen, welche die Rotters in der schlechten 52

Theaterzeit im Sommer abgegeben hatten. Trotz voller Häuser gerieten die berühmten Brüder in größere Schwierigkeiten. „Ball im Savoy“ brachte im Großen Schauspielhaus, die damals horrende Summe von täglich 20 000 Mark, doch diese ließen Hentschke und weitere Gläubiger pfänden. Nach dieser aussichtslosen Lage flohen die Gebrüder in Richtung Lichtenstein, wo sie 250 000 Mark deponiert hatten. Ihre Schulden in Berlin hingegen betrugen zwischen fünf und sieben Millionen Mark. Als die Nazis an die Macht kamen, wollten sie diese Betrüger nach Berlin zurückführen. Alfred Rotter und seine Ehefrau sprangen aus dem Auto der Entführer und fielen in eine sechzig Meter tiefe Schlucht. Bruder Fritz kam mit dem Schrecken davon und wurde drei Jahre später in Frankreich wegen Scheckschwindels verhaftet und starb in Untersuchungshaft. Der Gewinner in Berlin und künftiger neuer Operettenkönig war Heinz Hentschke, Librettist von „Maske in Blau“ und „Hochzeitsnacht im Paradies“ … Aus der Statistik des Landestheaters Coburg: Aufführungen bis 1977: „Maske in Blau“ 94 Aufführungen, weitere Raymond-Werke: „Saison in Salzburg“ 73 und „Die Perle von Tokay“ 56 Aufführungen. Aus dem Brief über die Spielplangestaltung des damaligen Intendanten Tebbe Harms Klenn: „Die Gründe dafür, dass Operetten nach Ablauf von 7 bis 8 Jahren immer wieder auf dem Spielplan erscheinen, liegen in rein künstlerischen Erwägungen (nicht materiellen oder bequemen). Lehár: „Die blaue Mazur“, Granichstaedten: „Der Orlow“ und Künneke: „Liselott“ zeichnen sich mit einem Libretto aus, das sie in der vorliegenden Form unaufführbar macht.“ Diese unhaltbare Aussage widerlegt der Erfolg von „Liselott“ mit 24 Aufführungen in Coburg.

Gesehen – gehört: Rezensionen „Die Fledermaus“ flatterte über die Luisenburg in Wunsiedel von Manfred Drescher Im letzten Jahr hatte es in Wunsiedel eine wunderschöne Aufführung von „Wiener Blut“ gegeben – und da man mit Strauss die Häuser voll bekommt, stand diesmal wieder ein Strauss auf der Bühne – und zwar die „Königin der Operette“, die unverwüstliche „Fledermaus“. Und um es auch jetzt gleich vorwegzunehmen, diese Aufführung war gelungen, gelungen in jeder Weise – in erster Linie musikalisch, sowohl von den Solisten als auch vom Orchester unter der schwungvollen Leitung des „Altmeisters“ Heinz Hellbergs. Gelungen auch im Bühnenbild, welches sich in die wundervolle Felsenlandschaft hervorragend einfügte. Zurzeit wird die Felsenbühne umgebaut und im nächsten Jahr warten wir gespannt auf den nächsten Hellbergschen Flügelschlag, dem unverwüstlichen „Vogelhändler“. Aber zurück zur “Fledermaus“. Auch in diesem Jahr hatte Heinz Hellberg mit seiner Operettenbühne Wien wieder das Glück gepachtet. Denn so richtig Spaß machen die Aufführungen auf der wunderschönen Bühne natürlich erst, wenn auch das Wetter passt – und auch hier hatten die Besucher (jedenfalls bei der von mir am 13. August besuchten Aufführung) das notwendige Glück, es blieb bis zum letzten Klang trocken und schön. Hellberg ist ein Garant dafür, dass Operette richtig schön altmodisch inszeniert wird – und dies ist ganz und gar positiv gemeint. Ich kann die Alfreds in Naziunform, die Adeles mit entblößtem Oberkörper und ähnliches nicht mehr sehen und freue mich umso mehr, wenn ich mich hier bei der Wiener Operettenbühne entspannen und auf die herrliche Strauss’sche Musik konzentrieren kann. 53

Die Inszenierung von Hellberg möchte, dass der Zuschauer und -hörer sich unterhält und viel lacht. Und dies kann er hier zur Genüge. Beste Unterhaltung im wahrsten Sinne des Wortes bietet die Aufführung, auch wenn man vielleicht ab und zu dem Pferd ein bisschen zu viel Zucker gibt, unterhaltsam ist es in jedem Fall. Und was will man eigentlich mehr – mehr als sich köstlich zu unterhalten. Von dem blendend aufgelegten Ensemble springt der Funke schnell auf das Publikum über, einen Ausfall gibt es nicht zu verzeichnen. Es gibt viel Applaus und leider auch das mehr oder weniger rhythmische Mitklatschen, welches mir überhaupt nicht, der Mehrheit des Publikums aber scheinbar sehr gefällt. Auch in diesem Jahr dauert die Aufführung wieder etwas länger als geplant, das gut gelaunte Publikum erklatscht sich eine Wiederholung nach der anderen. Das Orchester ist bestens eingespielt, der Chor durchschlagskräftig und einsatzfreudig, das Ballett weiß zu überzeugen und die Kostüme sind stilsicher abgestimmt. Die Aufführung erwartet keine Problemlösungen, sie will unterhalten und das tut sie auf eine wunderbare Arte und Weise. Man ist beschwingt und so geht man auch die Melodien weiter summend, die Luisenburg nach der Aufführung hinunter. Man hat sich amüsiert, sich blendend unterhalten, ist einfach glücklich. Auf die Handlung gehe ich nicht ein, die kennt jeder Straussianer in- und auswendig. Aber ein paar Worte zu den Sängerdarstellern, die wesentlich zum Gelingen der Operette beitragen. Mit angenehm weichem höhensicherem Tenor gibt der Hellbergsche „Haustenor“ Michael Kurz den Eisenstein, Alexandra Scholiks warmer, einschmeichelnder Sopran steht ihm in nichts nach, darstellerisch halten sich beide dezent zurück, was den Rollen durchaus zu Gute kommt. Hristofor Yonov bringt als Alfred einen strahlenden Tenor mit, ebenfalls herausstechend wie die Adele der kokett-zarten Verena te Best als Adele. Ein „Urgestein“ der Operettenbühne Wien, die wie immer ausgezeichnet singend, aber auch spielende Mezzosopranistin Susanne Fugger, führt als Prinz Orlowsky charmant durch das Geschehen. Georg Lehner als Frank, Thomas Weinhappel als Dr. Falke und vor allem Stephan Paryla-Raky als herrlicher Frosch vervollständigen das Ensemble. Eine stimmige Aufführung, die das begeisterte Publikum zufrieden und glücklich nach Hause entlässt. Man hat nicht nur das Gefühl einer wunderschönen Aufführung beigewohnt zu haben, man hat diese heute wahrhaftig erlebt – und was sollte man eigentlich mehr erwarten. Besuchte Aufführung: 13. August 2011

50 Jahre Operette vom Feinsten Lehár Festival in Bad Ischl mit Franz Lehár und Ralph Benatzky von Manfred Drescher Für Operettenliebhaber ist Bad Ischl immer eine Reise wert – in diesem Jahr zum 50. mal. 1961 gegründet konnte man die Jubiläumsfestspiele mit Franz Lehárs „Paganini“ und dem unverwüstlichen dem Salzkammergut ein unvergessliches Denkmal setzendes „Im weißen Rössl“ von Ralph Benatzky erleben. Einen großen Anteil an den immer noch besser werdenden Festspielen (und das ist schon schwierig genug) gebührt dem Intendanten Dr. Michael Lakner, der seit 2004 als Intendant und Geschäftsführer des Lehár-Festivals Bad Ischl firmiert und frischen Wind nach Bad Ischl gebracht hat. 54

Mit seinem Gespür für publikumsträchtige Operetten, mit einem ebensolchen Gespür für hervorragende Sänger und Gesangsschauspieler und mit der Verbundenheit zur traditionellen Operette, die Modernisierungen bewusst zulässt, aber nur in einem Maße, der mit der Ursprungsoperette im Einklang steht, hat er Bad Ischl von Jahr zu Jahr zu einem immer größer werdenden Treffpunkt der Operettenfreunde aus aller Welt werden lassen. Ohne seinen unermüdlichen Einsatz für ‚sein‘ „Lehár Festival Bad Ischl“, wie es seit seiner Amtseinführung heißt, würde es nicht den weit über die Grenzen Österreichs hinausgehenden guten Ruf besitzen, der auch mit immer größerer Auslastung der Festspiele einhergeht. „Paganini“ war – und dies sage ich mit vollster Überzeugung – ein Glanzstück der Operettenaufführungen in Bad Ischl. Das begeisterte Publikum ging in der von mir besuchten Premierenvorstellung von Anfang bis zum Ende mit und unterbrach des Öfteren mit langanhaltendem Applaus, der jedoch auch zu Recht gegeben wurde. Miriam Portmann, eine der Lieblingskünstlerinnen des Festivals, unterstreicht mit ihrer Leistung erneut ihre Ausnahmestellung. Schauspielerisch das letzte aus der Rolle herausholend kann – wie eigentlich immer – sie auch mit ihrem klangschönen durchschlagkräftigem Sopran überzeugen. Ihr Partner ist Vincent Schirrmacher und er ist der Inbegriff des Teufelsgeigers. Bleich, dämonisch, mit langen wirren Haaren gibt er ein überzeugendes Rollenporträt. Stimmlich trumpft er mit einer metallischen strahlenden Höhe auf, sein „Komm in die Welt“ als Schlusston der Operette kommt strahlend und höhensicher, als hätte er nicht schon eine lange anstrengende Partie „in den Knochen“. Für die Coburger Freunde ist vielleicht interessant, dass Vincent Schirrmacher beim 7. Internationalen Gesangswettbewerb Alexander Girardi in Coburg einer der gefeierten Preisträger war – damals noch unter seinem Namen Kevin Shen. Das Buffopaar Pimpinelli und Bella Giretti stehen in nichts nach. Verena Barth-Jurca bezaubert nicht nur ihren Partner sondern auch das Publikum. Mit zart-leuchtender Tongebung, Spielwitz und tänzerischer Leichtigkeit heizt sie als herumwirbelnde Koloratursoubrette ihrem kongenialen Parten Michael Pflumm ein. Dieser sorgt mit sichere, heller Tenorstimme, beeindruckender Musikalität und viel Spielwitz dazu, dass das Buffopaar zum gleichwertigen Partner wird. Die musikalische Leitung hat an diesem Abend Vinzenz Praxmarer, der mit leichter Hand das Orchester zum Erblühen bringt. Starker Beifall für eine perfekte Aufführung. „Im weißen Rössl“ ist die zweite Aufführung, welche ich am nächsten Tag sehen und hören kann. Erstaunlich, dass es 37 Jahre gedauert hat, bis sie wieder auf dem Spielplan in Bad Ischl erschien. Und nach dieser Aufführung bedauert man es noch mehr, dass es so lange gedauert hat. Dieses „Weiße Rössl“ ist wie aus einem Guss, begonnen mit den Sängern, den Singschauspielern, den Schauspielern und dem Orchester, die den Reiz dieser Operette ausmachen. 55

Das Bühnenbild von Herwig Libowitzky stellt die Landschaft um St. Wolfgang beeindruckend auf die Bretter. Manchmal hat man vielleicht ein bisschen übertrieben, wie bei der schuhplattelnden Kuh – dem Publikums aber gefiel es, es wurde zu Lachstürmen hingerissen – und was gibt es Schöneres von einer Aufführung zu sagen. Die Kostüme von Michaela Mayer-Michnay entwickeln eine Farbenpracht, die sich wunderschön in das Bühnenbild einfügt. Jetzt müssen nur noch die Darsteller passen und alles ist gut. Es ist aber nicht gut, sondern es ist sogar sehr gut. Auch hier hat man wieder ein feines Händchen bewiesen, denn die Rollen sind fast ausnahmslos völlig rollendeckend besetzt. Dies fängt mit der Rössl Wirtin an. Ulrike Beimpold ist weniger als Sängerin bekannt, als aus vielen Rollen in Film und Fernsehen. Sie schafft es, eine völlig rollendeckende Interpretation der Rössl Wirtin auf die Bretter zu stellen. Man merkt vor allem, dass in ihrer Darstellung viel Herzblut enthalten ist. Sie ist charmant, sie ist durchschlagskräftig, sie ist in ihrer Art fulminant, sie spielt und singt leidenschaftlich und sie schafft es dadurch ein gekonntes stimmiges Porträt auf die Bühne zu bringen. Ihr zur Seite Boris Pfeifer als Leopold. Auch er kein „gelernter Sänger“, aber auch er gibt eine rollendeckende Interpretation. Gesanglich füllt er seine Rolle vollkommen aus und macht die Zerrissenheit des unglücklich Verliebten, der am Ende doch sein Glück findet, glaubhaft. Reinhard Alessandri, der Bad Ischl erprobte Tenor, stellt einen tollen Rechtsanwalt Dr. Siedler auf die Bühne, dem Romana Noack als Ottilie in nichts nachsteht. Die beiden sind ein darstellerisch wie gesanglich passendes Paar. Ebenso wie Caroline Vasicek als lispelndes Klärchen, welches in Christoph Wagner-Trenkwitz ihren schönen Sigismund auf der Bühne erhält. Dieser wird zum Publikumsliebling, wenn er herrlich komisch seine Rolle bis zum letzten auskostet. Ernst-Dieter Suttheimer als Wilhelm Giesecke und Frank-Michael Weber als Professor Hinzelmann vervollständigen die sehr gute Besetzung. Gerhard Balluch, der große Charakterdarsteller, bringt großes Theater auf die Bühne von Bad Ischl. Großer Applaus für alle Beteiligten. Dies gilt auch für das prächtig aufgelegt Orchester unter Marius Burkert. Ein äußerst unterhaltsamer Abend, der keinen Ausfall zu verzeichnen hatte und der förmlich darum bat, nicht wieder 37 Jahre verstreichen zu lassen, bis es zu einem erneuten Auftritt in Bad Ischl kommt. Besuchte Aufführungen: „Paganini“ am 23. Juli 2011 und „Im weißen Rössl“ am 24.Juli 2011

Gut Immling ist eine Reise wert Der Geheimtipp – die besondere Musikveranstaltung geht weiter von Manfred Drescher Im letzten Jahr (Neues Leben 37/2010, S. 94 ff.) habe ich ausführlich über den „Geheimtipp Gut Immling“ berichtet und die Einzigartigkeit dieses Musiktempels herausgestellt. In diesem Jahr war ich wieder mit einer Gruppe dort (und über ¾ der Teilnehmer waren bereits letztes Jahr dabei) – und es war 56

fast noch schöner wie im letzten Jahr (wenn das überhaupt möglich ist). Neben den musikalischen Leckerbissen hatten wir auch einen Sektempfang beim Intendanten Ludwig Baumann, in welchem er Geschichten aus dem reichhaltigen Opernalltag zum Besten gab. Die Betreuung war wieder familiär, individuell und liebenswert. Seit über 30 Jahren (so lange führe ich Musikfahrten durch) ist mir eine solche Atmosphäre noch nie begegnet. Soll ich noch erwähnen, dass für nächstes Jahr bereits gebucht ist – und wir werden bei „Die Hochzeit des Figaro“ und „Der Troubadour“ wieder große Oper erleben – und beim Festmahl nach der Aufführung neben den lukullischen Genüssen auch die Sonderkonzerte der in Gut Immling auftretenden Künstler. Einmalig in der Musiklandschaft. Ich werbe auch dieses Jahr wieder – aus voller Überzeugung – für dieses tolle Festival mit liebenswerten Verantwortlichen und einer Betreuung, bei der man sich einfach wohl fühlt. Übrigens zählt Gut Immling zwischenzeitlich zu den meistbesuchten Musikfestivals in Deutschland. Am 5. August 2011 sahen wir einen ausgezeichneten „Don Giovanni“. Viel war im Vorfeld über diese Aufführung gesprochen und geschrieben worden. Zu laute Liebesspiele auf der Bühne würden die Musik beeinträchtigen, angebliche Kontroversen zwischen der Regisseurin Petra Luise Meyer und dem Dirigenten Georg Schmöhe machten die Runde und gespannt auf das Kommende. Was folgte war eine stimmige und flotte Inszenierung, wer ein Sexspektakel erwartet hatte, wurde enttäuscht. Nicht enttäuscht wurden diejenigen, die eine nachvollziehbare Inszenierung erwarteten und diese auch bekamen. Don Giovanni ist der Koreaner Adam Kim – und er singt einen prachtvollen Verführer. Explosiv, verführerisch, aber auch sanft, schmelzend und stimmschön. Ein Don Giovanni, der auf Konventionen pfeift und sich nimmt, was er möchte und der schließlich daran scheitert. Neben ihm brillieren vor allem Ivi Karnezi als eine hervorragende Donna Anna. Sie beherrscht die Bühne und zwar darstellerisch als auch stimmlich und Olga Czerwinski als leichte, frische Zerlina. János Szerekován als Don Ottavio gefällt mit einem schönen, kultivierten Tenor, den er in den wenigen Auftritten zum Erblühen bringen kann. Der Leporello von Jacek Janiszewski ist vielleicht ein bißchen ungehobelt, stimmlich etwas rauh, aber gestalterisch voll „ankommend“. Jana Dolezilková als Donna Elvira ergänzt mit üppigem, ausladendem Sopran das ausgezeichnete Ensemble, den Jenisbek Piyazov als guter Masetto und Kirill Borchaninov als stimmgewaltiger Komtur abrunden. Georg Schmöhe führt die Münchner Symphoniker vielleicht etwas langatmig, ein klein bisschen schwerfällig. So wird der Fluss des Geschehens doch etwas gebremst, davon lassen sich die Sängerdarsteller aber nicht beeindrucken und zeigen, wie auch das Orchester eine hervorragende Leistung, die vom angetanen Publikum mit großem Applaus bedacht 57

wird. Großen Beifall auch für den hervorragenden Festivalchor, mit rund 70 Sängern aus der Gegend bei denen man in jeder Sekunde merkt, dass sie mit Leib und Seele – und auch viel Stimmschönheit – dabei sind. Gespannt waren wir vor allem auf die „Aida“ des nächsten Tages. „Verona gestählt“ wartet man auf Pyramiden und Elefanten, obwohl es klar ist, dass dies auf der Bühne in Gut Immling nicht zu realisieren ist. Nein, modern soll alles werden, die Oper in die Neuzeit verlegt, statt dem Schwert die Atomrakete, statt des Triumphmarsches Pappkameraden der Despoten unserer Zeit, Gaddafi, Stalin, Fidel Castro usw. Blau geschminkt das unterdrückte Volk und alles in den Kulissen die von Claus Hipp, einem der großen Förderer von Gut Immling glänzend entworfen worden sind. Das kann nicht gut gehen, na ja, man wird diesen Abend schon herumbekommen. Und dann kommt das Unvorhergesehene, unfassbar vor allem auch für mich, der sich normal an den Urfassungen klammert und die Nase bei Modernisierungen rümpft. Man erlebt eine Aida, die stimmig ist, die zu Beifallsstürmen hinreißt und die so toll auf die Bühne gezaubert wird, wie ich es noch nie erlebt habe (und ich habe mindestens 25 Aidas erlebt). Nicht nur ich bin begeistert, der Zuschauerraum brodelt und der Applaus wird immer stärker und drängender. Diese Aida hätte man gerne als Mitschnitt um ihn immer wieder einmal anzusehen. Ja – und dann wird auch noch gesungen, und das einfach prächtig. Radames ist der kanadische Tenor Mario Zhang. Und er, der schon ein alter Bekannter in Gut Immling ist, begeistert. Er lebt die Rolle, die Spitzentöne kommen glasklar und schweben über dem Bühnenraum, die Kondition reicht bis zum letzten Ton. Radames wie man ihn selten zu hören bekommt. Rossana Cardia steht ihm als Aida kaum nach, ihr leicht auf alle Feinheiten reagierender Sopran, der sich zur vollen Blüte entfaltet, nie forciert und immer präsent ist, fügt sich auch im Duett bestens ein. Die Amneris von Yvonne Fontane zeichnet eine interessante Rolleninterpretation, auch stimmlich gibt es nichts an ihr auszusetzen, sie fügt sich nahtlos in die positiven Sängerdarsteller ein. Kein Ausfall im Sängerensemble, Derrick Lawrence als Amonasro, Kirill Borchaninov als Ramphis und Andrzej Saciuk als König vervollständigen das ausgezeichnete Ensemble. Viel Beifall auch für die Regisseurin Verena von Kerssenbrock und langanhaltender überaus verdienter Beifall für die Münchner Symphoniker und dem souveränen Dirigat von Cornelia von Kerssenbrock, der es gelingt die Massen auf der Bühne, im Orchester und im Chor bestens zusammenzuhalten und zu Höchstleistungen anzuspornen. Diese Aufführung war für mich einer der besten Aida-Interpretationen, die ich in den letzten 30 Jahren gesehen habe. Eine tolle Aufführung, die ihren krönenden Abschluss wie 58

immer im Kulturzelt findet, bei denen man den Künstlern weiter bei Arien und Canzonen lauschen kann. Eben Gut Immling. Ich freue mich auf den „Troubadour“, aber auch auf „Die Hochzeit des Figaro“ im nächsten Jahr und kann jedem nur einen Besuch im Chiemgau ans Herz legen. Besuchte Aufführungen: „Don Giovanni“ am 05. August 2011 und „Aida“ am 06. August 2011

„Viktoria und ihr Husar“ bei der Coburger Sommeroperette von Manfred Drescher Nach dem Abstecher zum Musical im letzten Jahr kehrte die Sommeroperette wieder zur Operette zurück – und dies war gut so. Paul Abrahams relativ selten aufgeführte „Viktoria und ihr Husar“ zog aus, um das Publikum auf der Waldbühne wieder zu verzaubern. Und es gelang. Es gelang so gut, dass man beim Nachhause gehen nur fröhliche, gelöste Gesichter sah, die die Melodien aus „Viktoria“ noch vor sich hin pfiffen. Welches schönere Kompliment kann es für eine Aufführung geben, bei der alles passte. Dabei waren die Vorzeichen gar nicht so gut gewesen. Der kürzlich engagierte Regisseur Bernhard Maxara, der einige Jahre bleiben wollte, erklärte seinen Rückzug nach der Generalprobe. Künstlerische Differenzen und unterschiedliche Vorstellungen mit Adelheid Frankenberger, der Produktionsleiterin und 1. Vorsitzenden des Vereins Coburger Sommeroperette über den künftigen Kurs der Sommeroperette, sollen der Hintergrund sein. Auch der langjährige Kapellmeister Reinhard Schmidt verließ im Frühjahr nach 17 Jahren die Sommeroperette. Alle Differenzen, sofern sie vorhanden waren, haben dazu geführt, dass die Operette in Heldritt wie Phoenix aus der Asche gestiegen ist. Adelheid Frankenberger sah sich nach der Aufführung für ihre Arbeit der vergangen Zeit reich belohnt. Das man vor der Vorstellung kulinarischen Genüssen frönen kann, hebt die Coburger Sommeroperette zusätzlich aus der Reihe der weiteren Operettenaufführungsorte hervor (und lässt mich sündigen). Bernhard Maxara hat das Ganze äußerst publikumswirksam inszeniert. Das Publikum ging richtig mit, die romantische Geschichte um den Rittmeister gab Anlass zu viel Lachen aber auch etwas zurückhaltendes Mitleiden. Das am Schluss alles wieder gut wird und sich alle bekommen, dies ist halt in der Operette so. Und deshalb wird sie wahrscheinlich auch so sehr geliebt –gestern wie auch heute. Gesungen wurde durchwegs vorzüglich. Asa Elmgren als Viktoria besitzt eine schöne, voll erblühte Sopranstimme, die sie stilsicher einzusetzen weiß. Ihr Mann John Cunlight wird von Heimir Wium als älterer, vornehm zurückhaltender Mann auf die Bretter gestellt. Der Husarenrittmeister Stefan Koltay besitzt einen klaren, weichen, warmen Tenor, der sich durchschlagkräftig in den Soli als auch in den Duetten entfaltet. Gesungen wird er von dem Coburger Markus Gruber, der zurzeit in Detmold engagiert ist und dem eine große Zukunft vorhergesagt wird. Als Stefan Koltay jedenfalls bietet er eine hervorragende Interpretation und ich bin sicher, dass man noch viel von ihm hören wird. 59

Isabella Lechner als Riquette und Sascha Mei als Janczy, dem Burschen Koltays wirbeln über die Bühne, dass es einem Angst und bange wird. Daneben singen sie beide auch noch vorzüglich und heimsen zu Recht den Applaus des begeisterten Publikums ein. Auch das zweite Buffopaar, Nadja Plattner als O Lia San, Ferrys Braut und Jan Reimitz als Graf Ferry passen hervorragend zusammen. Auch hier passen Tanz und Gesang überein. Beide Soubretten singen und tanzen bezaubernd und ihre beiden „Burschen“ stehen ihnen in nichts nach. Das Orchester der Coburger Sommeroperette unter der Leitung von Ivan Boldog, bringt die wunderschönen Melodien Paul Abrahams zum Erblühen. Die ungarischen Musiker schaffen die Sänger unterstützend, werkgetreu und schmissig, die Grundlage für eine durchweg gelungene Aufführung. Sie macht Lust auf mehr und so freut man sich im nächsten Jahr auf eine selten aufgeführte Operette, den „Gasparone“ von Karl Millöcker. Besuchte Aufführung am 20. August 2011

Informationen, Termine, CD’s, Nachrichten, letzte Meldungen... Konzerttermine Alt-Wiener Strauss-Ensemble (Leitung Ralph Kulling) 1.1.2012 5.1.2012 6.1.2012 7.1.2012

Stuttgart, Liederhalle, Hegel-Saal, 17.00 Uhr Bayreuth, Stadthalle, Balkonsaal, 19.00 Uhr Coburg, Kongresshaus Rosengarten, 11.00 Uhr Leinfelden-Echterdingen, Filderhalle, 18.00 Uhr

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Alt-Wiener Strauss-Ensembles erscheint eine CD auf der folgende Werke eingespielt wurden: Johann Strauss Sohn: Donauweibchen, Walzer, op. 427; Cello-Romanze, op. 255; Banditengalopp, op. 378; Im Sturmschritt, op. 348; Csárdás aus der Oper „Ritter Pasman“, op. 441; Accelerationen, Walzer, op. 234; Liebeslieder, Walzer, op. 114 dazu: Johann Strauss, Vater: Seufzer-Galopp, op. 9 Iosif Ivanovici: Donauwellen Gioacchino Rossini: Die Italienerin in Algier, Ouvertüre Richard Strauss: Rosenkavalier-Walzer, op. 59, nach O. Singer Emile Waldteufel: Die Schlittschuhläufer, Walzer Leroy Anderson: The Typewriter

Die CD können Sie bei Werner Abel, Rüdesheimer Str. 28, D-64295 Darmstadt, Tel. 06151/664109 zum Sonderpreis von € 13,00 plus Versandkosten bestellen. Sie eignet sich – empfehlenswert – als sehr schönes Weihnachtsgeschenk!

Johann-Strauss-Festival 2012 an der „Staatsoperette Dresden“ Inhalte und Planungen Neben den bekannten Werken Johann Strauss’ wie der „Fledermaus“, „Wiener Blut“ oder „Eine Nacht in Venedig“, hatte und hat die Staatsoperette Dresden in den letzten Spielzeiten als einziges Haus weltweit drei Raritäten aus dem Schatz der 16 Operetten im Spielplan: „Der Carneval in Rom“, der in über 50 Aufführungen(!) das Publikum in Dresden und auf Gastspielen begeisterte, „Das Spitzentuch der 60

Königin“ mit annähernd ebenso vielen Aufführungen und seit 2010 „Prinz Methusalem“. Diese Operetten-Neubelebungen beweisen, dass die Wiederaufführungen sich lohnen: Man muss also nicht versuchen, immer wieder die „Fledermaus“ neu zu interpretieren (siehe Rezension von Rudolf Rösch in diesem Heft). Auch überregional ist man auf die Besonderheit des Johann Strauss-Zyklus der Staatsoperette Dresden aufmerksam geworden: Über 40 begeisterte Rezensionen zur CD-Einspielung von „Das Spitzentuch der Königin“ u. a. aus Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Frankreich, USA oder Kanada zeugen davon. Das „Spitzentuch der Königen“ ist erschienen und auch „Prinz Methusalem“ wurde inzwischen für die CD eingespielt und wird voraussichtlich 2012 beim Klassik-Label CPO erscheinen. Die nächste Rarität ist bereits in Planung: „Cagliostro in Wien“ soll als nächste Dresdner StraussEntdeckung auf der Bühne folgen. Das tatsächlich im Moment weltweit einmalige Johann Strauss-Repertoire der Staatsoperette Dresden wird deshalb auch den Festivaljahrgang 2012 prägen – zusammen mit zwei Werken aus dem Jacques Offenbach-Zyklus des Hauses: „Die Großherzogin von Gerolstein“ und der neuen Inszenierung von „Pariser Leben“. Erweitert wird das Programm mit George Gershwins „Pardon My English“ (als deutsche Erstaufführung, das übrigens in einem fiktiven Dresden spielt). Die Termine: Sa, 12.05.2012, 19.30 Uhr: So, 13.05.2012, 15.00 Uhr: Di, 15.05.2012, 19.30 Uhr: Mi, 16.05.2012, 19.30 Uhr: Do, 17.05.2012, 19.30 Uhr: Fr, 18.05.2012, 19.30 Uhr: Sa, 19.05.2012, 19.30 Uhr: So, 20.05.2012, 15.00 Uhr:

Die Fledermaus Pariser Leben Désirée Nick präsentiert: Der Carneval in Rom (halbszenisch) Die Großherzogin von Gerolstein Prinz Methusalem Der Zigeunerbaron Das Spitzentuch der Königin (halbszenisch) Pardon My English (zum letzten Mal)

Das (erstmalige) Johann-Strauss-Festival 2011 hat die Staatsoperette selbst in Zahlen zusammengefasst: 4104 Besucher kamen zum Johann Strauss Festival nach Dresden, das entspricht einer Auslastung des Hauses von 85 %. 130 Gäste besuchten an mehreren Abenden die Festivalvorstellungen, unter ihnen fünf Mitglieder der britischen Johann Strauss Gesellschaft, die alle acht Vorstellungen des Festivals sahen. Neben den Besuchern aus ganz Deutschland reisten Zuschauer aus zehn Ländern zum JohannStrauss-Festival Dresden an, so aus der Schweiz, Österreich, Japan, Dänemark, Belgien, Großbritannien, Niederlande, Kanada, USA und der Slowakei. 24 Journalisten aus dem In- und Ausland verfolgten es, darunter Kollegen der deutschen Fach-Magazine „Opernwelt“ und „Das Opernglas“ sowie Medienvertreter aus Belgien, Ungarn, Dänemark, Tschechien und Österreich („Die Bühne“). Aus www.staatsoperette-dresden.de von Ingolf Roßberg zusammengestellt für dieses Heft.

Joseph Labitzky und Karlsbad Eine Einladung der Joseph-Labitzky-Gesellschaft Tschechien Von unseren Freunden der tschechischen Joseph-Labitzky-Gesellschaft wurden wir gebeten, Sie zu informieren, dass ein weiteres musikalisches Wochenende unter Bezug auf die Jubiläen von Joseph Labitzky (geb. 1802) und seines Sohnes August Labitzky (geb. 1832) in Karlsbad geplant ist: Vom 25.-27. 61

Mai 2012 wird es gemeinsam mit dem Orchester des Grand Hotel Pupp unter dem Titel „Josef Labitzky a Karlovy Vary“ („Joseph Labitzky und Karlsbad“) stattfinden, im Mittelpunkt werden die Werke der beiden berühmten Komponisten stehen. Unsere tschechischen Freunde würden sich freuen, wenn Mitglieder unserer Gesellschaft wieder den Weg nach Karlsbad antreten, um, wie Bohumir Hajek und Tomas Jelinowicz schreiben, Musik von Vater und Sohn Labitzky zu genießen und „Freunde zu treffen“.

Strauss-Vater-Gesamtaufnahme vor dem Abschluss Nachrichten der „The Johann Strauss Society of Great Britain” Nach Mitteilung der britischen Johann-Strauss-Gesellschaft (Ausgabe 269, September 2011, S. 14) steht das Projekt der Gesamtaufnahme der Werke von Johann Strauss (Vater) vor dem Abschluss. Im August hat Naxos das Vol. 19 zur Auslieferung angekündigt, nurmehr 4 CD’s sind zur Vervollständigung des Gesamtwerkes erforderlich. Naxos hat für 2012 den Abschluss des Projektes und die Herausgabe der letzten Werke angekündigt. Gleichfalls konnte die Ziehrer-Gesamtaufnahme durch das Engagement unserer britischen Freunde gemeinsam mit der Ziehrer-Stiftung vorangebracht werden, CD Vol. 17 dieser Werkreihe ist erschienen, CD Vol. 18 dieser Reihe noch für dieses Jahr angekündigt. CD Vol. 19 soll für die Aufnahme im Jahr 2012 noch dieses Jahr endgültig vorbereitet sein. Auch Vol. 19 soll bisher nicht veröffentlichte Musikstücke genauso aufnehmen, wie auch wohlbekannte Aufnahmen des Ziehrer-Gesamtwerkes. Im Übrigen planen die Freunde unserer britischen Schwestergesellschaft bereits jetzt eine eigene CD aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens 2014: Grund für uns, für das vierzigjährige Bestehen der DJSG 2015 bereits jetzt in die Ideensammlung einzutreten – wir verweisen auf das Mittelblatt in diesem Heft...

In eigener Sache Unser verdienstvolles Ehrenmitglied Werner Abel hat zur Jahreshauptversammlung 2011 in Weimar angekündigt, sich schrittweise aus der Redaktion unseres Mitteilungsblattes „Neues Leben“ zurückziehen zu wollen. Nach so vielen Jahren der umfangreichen Arbeit, für die ihm die DJSG sehr dankbar ist, ist es mehr als verständlich, dass er diese Tätigkeit in die Hände jüngerer Straussianer legen möchte. Ingolf Roßberg ist ihm deshalb bei diesem Heft erstmalig redaktionell an die Seite getreten. Gute Autoren sind stets willkommen! Und gleiches gilt für Nachrichten von, über und rund um Johann Strauss und seine Musik aus aller Welt: Ihre Beiträge senden Sie bitte – vorzugsweise als WORD-Datei – an die im Impressum angegebene Mailadresse. Wir freuen uns darauf. Und so bleibt uns nur als letzter Satz in diesem Heft:

Frohe Weihnachten – und alles Gute für das neue Jahr 2012 wünschen Ihnen Ihre Redaktion Werner Abel und Ingolf Roßberg.

62

View more...

Comments

Copyright � 2017 SILO Inc.