Berufliche Bildung Hamburg

March 11, 2017 | Author: Helge Flater | Category: N/A
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Berufliche Bildung Hamburg 22. Jahrgang · 1/2012 · Vormals: ihbs · Informationen: Hamburger Berufliche Schulen

Schwerpunkt: Zum Stand der Reform Berufliche Bildung

100 Jahre

Auftakt

Zwischenbilanz

Bürgermeister Olaf Scholz gratuliert G 10

Schulentwicklungsplanung beginnt

Ein Jahr Regionale Bildungskonferenzen

n M i t S pi t z er F e d er

Quelle: www.jugend-und-bildung.de, © Michael Hüter, Bochum Nachdruck, Nutzung, Vervielfältigung, auch in Teilen, nur mit Zustimmung des Urhebers

n IMPRESSUM Herausgeber Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) Rainer Schulz (Geschäftsführung) Hamburger Straße 131, 22083 Hamburg Redaktion Dr. Cortina Gentner, W 114 Uwe Grieger, HI S Peter Heinbockel, H 7 Dr. Angela Homfeld, HI S1 Simone Jasper, FSP 1 Helmuth Köhler, HI K Ernst Lund, G 19 Rainer Schulz, HI (verantw.) Manfred Thönicke, HI 24 Dr. Annegret Witt-Barthel, SVAB

2 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

Redaktionskontakt Telefon: 040 42863-2314 E-Mail: [email protected] Redaktionsassistenz: Jörg Sebastiani Layout & Satz zwei:c Werbeagentur GmbH, Hamburg www.zwei-c.com Druck Hans Steffens Graphischer Betrieb www.druckerei-steffens.de Auflage 5.500

Titelfoto Lars Krüger Die „Berufliche Bildung Hamburg“ (bbh) erscheint mehrmals pro Jahr. 22. Jahrgang, Heft 1/2012 Die Zeitschrift erschien bis 2009 unter dem Namen „Informationen: Hamburger Berufliche Schulen“ („ihbs“)

E d i t o ri a l n

Liebe Leserinnen, liebe Leser, es war der Erste Bürgermeister Olaf Scholz, der beim Jubiläum der Staatlichen Gewerbeschule Energietechnik im November sagte: „Wenn über Bildung gesprochen und diskutiert wird, dann geht es fast immer um allgemeinbildende Schulen. (…) Darüber wird vergessen, was die berufsbildenden Schulen für unsere Gesellschaft leisten.“ Wie engagiert und bedeutsam die Arbeit in den berufsbildenden Schulen und das Gelingen der Reform der Beruflichen Bildung sind, machte der Bürgermeister in seiner Rede sehr anschaulich. Wesentliche Teile dieser Rede haben wir daher in diesem Heft (Seite 7) abgedruckt. Seit dem letzten Heft der bbh haben wir sehr viel auf den Weg gebracht: Die flächendeckende Einführung der Berufsorientierung ab Klasse 8 in den Stadtteilschulen, die neue Ausbildungsvorbereitung an zwanzig berufsbildenden Schulen, die Einführung der neuen Berufsqualifizierung, die Ermöglichung des Erwerbs der Fachhochschulreife parallel zur dualen Ausbildung, die Vorbereitung der neuen Berufsoberschule zum nächsten Schuljahr und vieles mehr. Um einen Überblick über die Vielzahl aufeinander aufbauender und ineinander greifender Maßnahmen zu vermitteln und eine erste Bilanz zu ziehen, haben wir hierzu in diesem Heft den Schwerpunkt gesetzt (Seite 19 ff.). Vor wenigen Tagen fand zudem mit Staatsrat Dr. Michael Voges die Auftaktveranstaltung zur Schulentwicklungsplanung der berufsbildenden Schulen statt. Hierbei werden wir uns gemeinsam intensiv mit der schulübergreifende Schulentwicklung – und nicht nur mit Standortfragen – befassen (Seite 30 ff.). Damit nicht genug! In unserem nächsten Heft wird von dem zu berichten sein, woran in diesen Tagen mit Hochdruck gearbeitet wird: Der Konzeptionierung und Einweihung einer Jugendberufsagentur, den Bauvorhaben der HIBB-Tranche, und damit der Grundsanierung und dem Neubau für insgesamt 15 Schulen, sowie der künftigen Inklusion an berufsbildenden Schulen. Über die für Hamburg positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt in den letzten beiden Jahren informieren wir (Seite 32 ff.). Im Interview mit der bbh zieht Dr. de Lorent Bilanz zu den Regionalen Bildungskonferenzen in Hamburg (Seite 37 f.). Dass an den berufsbildenden Schulen alltäglich erfolgreich gearbeitet und Wichtiges geleistet wird, bringen die Berichte und Beiträge in unserer Rubrik „aus den Schulen“ zum Ausdruck (Seite 6 ff.). Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten für die konstruktive und engagierte Mitarbeit danken. Ich finde, wir haben gemeinsam viel Gutes für Jugendliche und junge Erwachsene an berufsbildenden Schulen auf den Weg gebracht. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, mit herzlichen Grüßen

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Olaf Scholz gratuliert G 10 zum Jubiläum

Hervorragende Leistungen: „Azubi des Jahres 2011“

Gegen das Vergessen: Bertini-Preis 2011

In einem Festakt beging die Staatliche Gewerbeschule Energietechnik ihr 100-jähriges Bestehen. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hob in seiner Rede die Bedeutung der berufsbildenden Schulen hervor und lobte das Engagement der G 10.

Michael Bock ist „Azubi des Jahres 2011“. Eine hochkarätige Jury zeichnete den 23-jährigen Berufsschüler der Medien­ schule Hamburg-Wandsbek (H 8) beim gemeinsamen Wettbewerb der Handelskammer, Handwerkskammer und der BILD-Zeitung aus.

„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“: Für ihr LiteraturwerkstattProjekt gegen das Vergessen von Unrecht erhielten junge Migrantinnen und Migranten einer BVJ-M Klasse der Beruflichen Schule Recycling- und Umwelttechnik (G 8) den Bertini-Preis 2011.

6 100 Jahre G 10 Festakt mit Bürgermeister

12 Einweihung an der G 17 Stärkste schulische Solaranlage

8 Berufliche Schule Holz, Farbe, Textil Neues Ausbildungszentrum

12 Berufsschullehrer erhielt Preis Vom Umweltverband NABU geehrt

15 Schülerinnen berichten Türkeiaufenthalt in der dualen Ausbildung

9 G 15: Innovatives Infrastrukturprojekt HCAT nimmt Betrieb auf

13 Azubi des Jahres 2011 Erfolgreich im Landeswettbewerb

n Aus d en S c hu l en

10 Ausstellung an der H 16 Jugendliche erforschen Geschichte 10 „Umweltschulen“ Berufsbildende Schulen ausgezeichnet 11 Ausgezeichneter Klimaschutz Preisverleihung durch Senator Rabe

4 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

13 Bundessieger im Handwerk Senatsempfang im Rathaus 14 Elf Bundesbeste aus Hamburg Auszeichnung des DIHT in Berlin 14 Abendwirtschaftsschule der H 12 Mehr Durchlässigkeit zur akademischen Bildung

16 H 10 gewinnt Schulpreis Von Hamburger Wirtschaft prämiert 17 Kollegiale Pionierarbeit der W 3 3 Jahre Berufliches Gymnasium 17 Fortbildungsmesse an der G 2 Lebenslanges Lernen von Anfang an 18 Bertini-Preis für die G 8 Literaturwerkstatt „gegen das Vergessen“

Foto: Knaur, G 8

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Foto: Uwe Grieger

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Foto: Senatskanzlei

n inh a lt

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Stand der Reform der beruflichen Bildung

Gutes Ausbildungsjahr 2011

Regionale Bildungskonferenzen: Interview mit Dr. De Lorent

Das HIBB kann insgesamt eine positive Bilanz der im Schuljahr 2010/11 durchgeführten Pilotprojekte ziehen. Rainer Schulz, Geschäftsführer des HIBB, zeigt auf, dass die begonnenen Reformmaßnahmen und der in Hamburg eingeschlagene Weg vielversprechend sind.

Auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt bleibt 2011 die Zahl der Anfänger in der dualen Ausbildung auf hohem Niveau stabil. 2.465 Schülerinnen und Schüler erreichten an berufsbildenden Schulen ihre (Fach)Hochschulzugangsberechtigung.

„Langfristig wollen wir ein komplettes, regionales Netz aller Akteure schaffen – nach meinem Verständnis eine dauerhafte Bildungslandschaft.“ Projektleiter de Lorent zieht nach einem Jahr „Regionale Bildungskonferenzen“ im Interview eine erste Bilanz.

n S c hwerpunk t

n R e g i o n a l es un d Ü berre g i o n a l es

n R ubriken

19 Zum Stand der Reform Eine Zwischenbilanz

30 Schulentwicklungsplanung Ziele – Aspekte – Verfahren

2 Mit spitzer Feder

23 Im Überblick Änderungen zum 1. August 2012

32 Bilanz Ausbildungsmarkt 2011 Gute Ergebnisse für Hamburg

24 „Die Chancen der Dualisierung“ Beitrag von Jörg Ungerer

34 Ausbildungsreport vorgelegt BSB berichtet über Ausbildungslage

25 Gelungene Ausbildungsvorbereitung Zwei Fallbeispiele

36 Deutscher Qualitätsrahmen Einigung über Zuordnung

26 Berufsorientierung Von Kooperationen und Aufgaben

36 Bildungs- und Teilhabepaket Positive Jahresbilanz

28 Produktionsschulen Ein Baustein der Reform

37 „Schulen sind keine Inseln“ Interview mit Dr. de Lorent

2 Impressum 3 Editorial 39 Personalien 40 Zitat

29 Schulversuch EARA Wechselwirkungen und Implikationen

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Foto: Angela Homfeld

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Foto: Michael Kottmeier

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Foto: HIBB

inh a lt n

n Aus d en S c hu l en

Jubiläum an der G 10

100 Jahre Staatliche Gewerbeschule Energietechnik Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens veranstaltete die Staatliche Gewerbeschule Energietechnik (G 10) am 11. November 2011 einen Tag der offenen Tür rund um die berufliche Bildung in den Berufsfeldern Elektrotechnik und Informatik. Höhepunkt des Tages war der Festakt im benachbarten Altonaer Theater. Vor 500 Gästen gratulierte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz der G 10 herzlich zum Jubiläum. m Jahr 1911 beschlossen die Vertreter der elektrotechnischen Vereinigung, der Gewerbekammer und der Schulbehörde der Stadt Altona in der Gewerbeschule eigenständige Fachklassen für Elektrotechnik einzurichten. Aus dieser Keimzelle von damals 80 Lehrlingen wuchs die G 10. Architektonisch und konzeptionell wegweisend war das im Jahr 1930 bezogene Berufsschulgebäude „Haus der Jugend“, das der Architekt, Stadtoberbaurat und Senator Gustav Oelsner in der Museumstraße in Altona entworfen hatte. Noch heute werden dort rund 1.600 Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Teilzeit- und Vollzeitformen der beruflichen Schule in den Berufsfeldern Elektrotechnik und Informatik ausgebildet. Ermöglicht wird dies durch derzeit 87 Mitarbeitende, denen Dr. Thomas Berben, Schulleiter der G 10, in seiner Festrede für ihre Arbeit dankte: „Das Kollegium dieser Schule zeichnete sich immer schon durch Innovationsfreude und Engagement aus. Das schließt selbstverständlich alle mit ein – von unseren guten Seelen im Büro über das technische Hauspersonal und die technischen Mitarbeiter bis zu allen Lehrerinnen und Lehrern.“ Die Gewerbeschule ist engagiert im Stadtteil vernetzt und arbeitet mit drei Stadtteilschulen in der Berufsorientierung zusammen. Zwei weitere Reformmaßnahmen der beruflichen Bildung in Hamburg, die Maßnahmen „Berufsqualifizierung“ sowie „Dual Plus Fachhochschulreife“, werden an der G 10 seit diesem Schuljahr umgesetzt. Dies lobte Olaf Scholz in seiner Festansprache: „Wir leben in einer Wissens- und Informationsgesellschaft. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen wir mehr Durchlässigkeit in allen Bildungsbereichen. Dazu tragen Gewerbe-

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Foto: Angela Homfeld

I

Schulleiter Dr. Thomas Berben und Hamburgs 1. Bürgermeister Olaf Scholz schulen maßgeblich bei, indem sie es zum Beispiel ermöglichen, parallel zur dualen Ausbildung die Fachhochschulreife nachzuholen – und damit die Möglichkeit zu studieren.“ Ziel der Berufsqualifizierung ist es, Jugendlichen mit einem Schulabschluss, die trotz mehrmaliger Bewerbungen in ihrem Berufsfeld noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, den Zugang zu einer dualen Ausbildung zu ermöglichen. Scholz: „Auch diese Schule macht dabei mit, indem sie Jugendliche unter ihre Fittiche nimmt und ihnen eine Berufsausbildung zum Elektroniker oder zur Elektronikerin, Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik, anbietet. Wir wollen niemanden zurücklassen, das ist unser Ziel.“ Als eine Schule, die das Thema Energietechnik bereits im Titel trägt, wird die G 10 diesen Schwerpunkt in den nächsten

Jahren stärken und ausweiten. Bereits heute ist die Schule gut mit Unternehmen und Initiativen vernetzt, die im Bereich neuer Energiekonzepte und erneuerbarer Energien aktiv sind. Unter anderem beteiligt sich die G 10 an den Aktivitäten des Fördervereins für das Cluster Erneuerbare Energien und des Norddeutschen Windenergieverbands. Mit ihrem Profil bildet die G 10 somit dringend benötigte Fachkräfte für den Energietechnikmarkt von morgen aus. Für diese wichtige pädagogische Arbeit soll das historische „Gustav Oelsner“-Gebäude zeitnah grundsaniert werden.

Angela Homfeld (HIBB) Weitere Infos www.g10.de

Aus d en S c hu l en n

Auszug aus der Rede des 1. Bürgermeisters, Olaf Scholz:

„Wir wollen niemanden zurücklassen“ „(…) Wenn über Bildung gesprochen und diskutiert wird, dann geht es fast immer um allgemeinbildende Schulen. Das war damals so, und das ist heute nicht viel anders. Darüber wird vergessen, was die berufsbildenden Schulen für unsere Gesellschaft leisten. Dazu nur eine Zahl: Hier an der Staatlichen Gewerbeschule Energietechnik werden mehr als 1.500 Schülerinnen und Schüler ausgebildet: Berufsschüler, die hier ihren Blockunterricht absolvieren. Berufsfachschüler, die zu technischen Assistenten für Informatik ausgebildet werden. Fachoberschüler, die hier die Fachhochschulreife erlangen und staatlich geprüfte Techniker – ein derzeit sehr begehrter Abschluss mit guten Berufschancen. Aber blicken wir noch einmal zurück in die „Altonaer Nachrichten“. Die berichteten am 13. Oktober 1930 ausführlich über die Eröffnung des „Hauses der Jugend“. Aus München hatte man dazu Professor Alois Fischer eingeladen. Er mahnte, „auf immer neuen Wegen dafür zu sorgen, dass die natürliche Erziehungswilligkeit zu ungehemmter Auswirkung gelangen kann.“ Da mögen Sie schmunzeln. Oder auch zweifeln. „Natürliche Erziehungswilligkeit“. Haben wir es heute nicht eher mit Erziehungs- bzw. Lernunwilligkeit zu tun? Sie könnten hier und da Recht haben. Aber wir alle wissen von uns selbst: Neugier muss manchmal erst geweckt werden. Und wenn sie erst geweckt ist, kommt der Wunsch nach Verstehen, nach Erkenntnis oft von selbst. Deshalb hatte Professor Fischer Recht, als er von den „immer neuen Wegen“ sprach. Und eben diese neuen Wege geht diese Schule. Zum Beispiel, indem sie nicht mehr wie früher Fachrechnen und Fachzeichnen in den Vordergrund stellt.

Sondern eine Aufgabe, ein Lernfeld: Wie installiert man einen Rechner und welche Kenntnisse braucht man dazu? Das ermöglicht auch denen einen Neuanfang, die in der Schule mit bestimmten Fächern und Methoden schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wenn’s um interessante Inhalte geht, wenn man praxisorientiert lernen kann, packt auch manchen schulmüden Jugendlichen der Durst nach Wissen wie zu Zeiten Max Brauers. Doch damit nicht genug. Die G 10 kooperiert mit den drei Altonaer Stadtteilschulen Bahrenfeld, Goosacker und der MaxBrauer-Schule bei der Berufsorientierung, um den Schülern der Klassenstufen 7 bis 10 frühzeitig einen Einblick in mögliche Berufswege zu geben. In diesem Falle die Energietechnik. Ein Feld (…), das immer noch viel mehr Jungs als Mädchen interessiert. Ich bin der Meinung, die Mädchen sollten dieses Berufsfeld nicht dem anderen Geschlecht überlassen. Schließlich ist das Thema Energietechnik eines mit großer Zukunft. Sie wissen, dass der Aufbau eines Clusters Erneuerbare Energien ein zentraler Bestandteil des Arbeitsprogramms dieses Senats ist. Wir wollen Hamburg gemeinsam mit den norddeutschen Ländern zu einem der führenden Standorte ausbauen. Wir leben in einer Wissens- und Informationsgesellschaft. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen wir mehr Durchlässigkeit in allen Bildungs-

bereichen. Dazu tragen Gewerbeschulen maßgeblich bei, indem sie es zum Beispiel ermöglichen, das Fachabitur nachzuholen – und damit die Möglichkeit zu studieren. Das bringt mich zurück zur Eröffnung dieser Schule (…). Damals sprach ein extra aus Berlin angereister Staatssekretär über die „Neuen Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs“, die diese Schule eröffne. Wenn das kein aktuelles Thema ist! Gerade versuchen wir hier in Hamburg, möglichst jedem Jugendlichen einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Wir wollen niemanden zurücklassen, das ist unser Ziel. Auch diese Schule macht dabei mit, indem sie Jugendliche, die selbst nach 20 oder 30 Bewerbungen keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, unter ihre Fittiche nimmt und ihnen eine Berufsausbildung zum Elektroniker oder zur Elektronikerin, Fachrichtung Energieund Gebäudetechnik anbietet. Ziel der Berufsqualifizierung ist es, dass die Jugendlichen innerhalb eines Jahres in eine betriebliche Ausbildung wechseln. Wie gut das gelingt, werden wir sehen. Der erste Jahrgang hat an dieser Schule gerade erst angefangen. Aber wichtig ist: Wer trotz aller Unterstützung keinen betrieblichen Ausbildungsplatz findet, steht trotzdem nicht auf der Straße; denn es gilt die Zusicherung der Schule: Wir werden euch zum Abschluss führen, wenn nicht im Betrieb dann trägergestützt. Und ein Berufsabschluss, das ist gerade heute in Zeiten des demografischen Wandels die Chance auf ein erfülltes Berufsleben und vielleicht auch, um mit dem Berliner Staatssekretär von damals zu sprechen, für sozialen Aufstieg. (…) Ich wünsche der G 10 am heutigen Tag viele Besucher und für die Zukunft viele Schüler mit Max Brauers Wissensdurst.“

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n Aus d en S c hu l en

Einweihung mit Staatsrat Dr. Voges

Neues Ausbildungszentrum für Holzberufe Die Berufliche Schule Holz, Farbe, Textil (G 6) in der Richardstraße hat ein neues Holzzentrum mit modernster Holzbearbeitungs- und Medientechnologie sowie hoher Energieeffizienz.

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Dieser Unterricht erfordert eine hohe Präsenz der Lehrkräfte auch außerhalb der Unterrichtszeit. Die Lehrerarbeitsplätze sind daher als Büros mit modernem Mobiliar, Computer, Telefon und Fax ausgestattet. Der Bau berücksichtigt hohe ökologische Standards und spart mehr Energie ein als die Verordnung fordert. Eine 500 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage liefert der Schule zehn Prozent ihrer benötigten elektrischen Energie. Die Wärmedämmung und eine elektronische Steuerung von Heizung und Beleuchtung sorgen für optimale Energieeffizienz; dazu trägt auch eine hochmoderne Absauganlage bei: Sie ist nicht nur eine Einrichtung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, sondern liefert mit ihrer Abluft auch Wärme, die im Gebäude genutzt wird. „Gerade Schulen als öffentliche Gebäude können und sollen Vorbildcharakter für Klimaschutz zeigen“, sagte Voges. Hier setze die G 6 als eine Schule, die mit dem natürlichen Rohstoff Holz arbeite und Nachhaltigkeit in ihrem Programm festgeschrieben habe, auch im Unterricht Maßstäbe. Die ersten Pläne für ein Holzzentrum entstanden vor zehn Jahren mit dem Ziel,

alle Schülerinnen und Schüler der G 6 an einem Ort zu beschulen. Die Außenstelle Stephanstraße sollte aufgegeben und die G 6 mit der G 4 zusammen gelegt werden. Mit der Einweihung des Zentrums werden heute alle Auszubildenden des Tischlerhandwerks und die Schülerinnen und Schüler der Fachschule Holztechnik unterrichtet. Verwandlungsfähig ist die Halle auch, wenn die Maschinen an die Seite gebracht werden und in der Mitte eine große freie Fläche für eine Aula entsteht. So bewies sich die Halle bei der Einweihungsfeier – mit Podest, Bühne, Stuhlreihen und einer Soundanlage für die Lehrer-Band der G 6. Ein Highlight war die Modenschau, bei der eine Fachoberschulklasse für Gestaltung Be­kleidung aus Umzugsdecken vorführte – eine Kooperation mit der Beruflichen Schule Burgstraße, die für Frisuren und Make up sorgte. Der Bau des Holzzentrums kostete rund 8,5 Millionen Euro sowie rund 500.000 Euro für den Maschinenpark und wurde vom Architektenbüro Kaj Müller geplant und realisiert. Annegret Witt-Barthel (HIBB)

Foto: G 6

ie Ausstattungen der Fachräume, der Arbeitsplätze für Schüler und der Lehrerbüros sind auf einen praxisorientierten, individualisierten Unterricht und Teamarbeit ausgelegt. Das Zentrum selbst ist ein Meisterstück ökologischen Bauens“, sagte Dr. Michael Voges, Staatsrat der Behörde für Schule und Berufsbildung, beim Festakt zur Einweihung des Gebäudes am 20. Mai 2011. Schulleiter Hans-Günther Dittrich betonte in seiner Begrüßungsrede, dass das neue Ausbildungszentrum alle Voraussetzungen schaffe, um den berufspädagogischen Bildungsauftrag optimal zu erfüllen. Die maßgeschneiderte Einrichtung der Fachräume ermögliche, Theorie und Praxis zusammenzuführen. Im Lernfeldunterricht mit Schwerpunkt auf Individualisierung und Selbstverantwortung können die Schülerinnen und Schüler einen vollständigen Arbeitsablauf einüben – vom Kundenauftrag über die Planung, Herstellung und Präsentation bis zur Analyse. Dazu stehen Smartboards, Netzwerkanschlüsse für online-Arbeiten, Holzbearbeitungstechnik von der Hobelbank bis zu CNC-Holzbearbeitungszentren und Präsentationsflächen zur Verfügung.

Das Holzzentrum der G 6 im Betrieb

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G 15

Bürgermeister Scholz eröffnete Hamburg Centre of Aviation Training Auf dem Gelände der Staatlichen Gewerbeschule für Fertigungs- und Flugzeugtechnik – Ernst Mittelbach (G 15) hat das Hamburg Centre of Aviation Training (HCAT) seinen Betrieb aufgenommen. „Das HCAT ist für das Spitzencluster ein innovatives Infrastrukturprojekt. Es steht für den Erfolgsfaktor Personal“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz bei der Eröffnung am 26. Mai 2011 mit 300 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Lehre. as HCAT, ein Zentrum der Aus- und Weiterbildung für Luftfahrttechnik, ist eine in Europa einzigartige Lernortkooperation von Luftfahrtindustrie, Hochschule und Gewerbeschule. Neu ist zudem, dass an der Public Private Partnership auch Behörden beteiligt sind: Die Behörden für Schule und Berufsbildung (BSB), für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) sowie für Wissenschaft und Forschung (BWF) sind Partner neben der G 15, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und den Unternehmen Lufthansa Technical Training und Airbus. Das HCAT qualifiziert direkt für den Bedarf der Industrie mit dem Ziel, Spitzenkräfte für den Luftfahrtstandort Hamburg auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. „In der Lernortkooperation profitieren wir in allen Qualifizierungsbereichen voneinander“, sagte Matthias Jürgens, Schulleiter der G 15. In dem fast 3.000 Quadratmeter großen Gebäude vernetzen die Partner die Ausbildung der Fachkräfte durch die gemeinsame Nutzung der Räume, Flugzeugsektionen, Maschinen, Werkzeuge und des Know-hows aus Lehre, Forschung und Praxis. Von den 1.900 Schülerinnen und Schülern der G 15 werden 850 im HCAT aus- und weitergebildet. In der dualen Erstausbildung an der Berufsschule für Fertigungs- und Flugzeugtechnik erlernen die Jugendlichen einen technischen Beruf wie Fluggerätmechaniker/in oder Elektroniker/in für luftfahrttechnische Systeme. In der Weiterbildung an der Fachschule für Luftfahrttechnik liegen die Schwerpunkte auf Avionik/Elektronik, Fertigungsverfahren und neuen Werkstoffen. Die akademische Lehre der Hochschule für Angewandte Wissenschaften setzt mit einem Labor auf

Foto: G 15

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Schulleiter Matthias Jürgens und Bürgermeister Olaf Scholz beim Rundgang

Kabine und Kabinensysteme. Damit bietet das HCAT den Schülerinnen und Schülern an einem einzigen Standort eine berufliche Erstausbildung, Weiterqualifizierungen, Stu­dium und lebenslanges Lernen. Neben der Erstausbildung können sie die Fachhochschulreife erwerben, anschließend bis zum Hochschulabschluss studieren und Module der Anpassungsqualifizierung wahrnehmen.

Die BWVI übernimmt mit 8,6 Millionen Euro gut zwei Drittel der Gebäudeinvestitionen. Die BSB und BWF finanzieren vor allem den laufenden Betrieb, Lufthansa und Airbus Werkstatt und Ausrüstung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Einrichtung des Kabinenlabors als Spitzenclusterprojekt mit 2,4 Millionen Euro. Annegret Witt-Barthel (HIBB)

A380-Medaille für Hans-Werner Lüers Bürgermeister Olaf Scholz verlieh dem früheren Schulleiter der G 15, Hans-Werner Lüers, beim Festakt die A380-Medaille für seine Verdienste um den Luftfahrtstandort Hamburg. Lüers war „gerührt und mordsmäßig überrascht“ über die Ehrung. Er hatte 2006 nach einem Besuch des Ausbildungszentrums Blagnac bei Toulouse die Idee eines Hamburger Ausbildungszentrums für Luftfahrt entwickelt. Es sollte Qualifizierungen im Luftfahrtcluster vernetzen, Synergien zwischen Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung im Studium schaffen sowie transnational vernetzt sein.

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n Aus d en S c hu l en

„Haymatloz – Exil in der Türkei 1933-1945“

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chülerinnen und Schüler des Wirtschaftsgymnasiums St. Pauli (H 16) und des Çankaya Anadolu Lisesi in Ankara haben die Emigration von rund tausend Deutschen auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in die Türkei erkundet. Die Jugendlichen trugen zudem die Geschichten türkischer Migranten in Deutschland zu einem Buch zusammen. Das zweijährige Comenius-Projekt endete im Juni mit der zweisprachigen Ausstellung „Haymatloz – Exil in der Türkei 1933-1945“. Die jüdischen Flüchtlinge erhielten in der Türkei den Eintrag „yahudi haymatloz“ in ihre Fremdenpässe. Viele der Exilanten wirkten an der Modernisierung der Türkei mit. Rund 200 der 1.000 in der Türkei aufgenommenen Menschen waren Wissenschaftler, Künstler, Architekten, Ärzte, Politiker – unter ihnen Ernst Reuter, Bruno Taut, George Tabori, Paul Hindemith und Eduard Zuckmayer. Sie wirkten als Professoren der Universität in Istanbul, als Leiter eines Kinderkrankenhauses in Ankara, als Dirigenten, Gymnasiallehrer oder

Fremdsprachenkorrespondenten. Sie gründeten Theaterund Sprachschulen, richteten als Ingeni- Projektleiter Wolfgang Ehmke, Staatsrat Jan Pörksen, der Zeitzeuge eure Textilfabriken Cornelius Bischoff mit Ehefrau Karin Bischoff, Karin Wagner vom Verein, konzipierten im ein Diversity United e.V., Ursula Büchau vom Berliner Verein Museum Regierungsauftrag Aktiv und Konsul Devrim Öztürk Staatsbauten, Schulen, Stadtbaupläne. Jugendlichen, die aus den Geschichten das Die deutschen und türkischen Jugend- Buch „Haymatloz – Achtung, fertig, Heilichen forschten in dem Projekt außerdem mat, los!“ gemacht haben. der Migration von Türken nach DeutschDie Ausstellung »Haymatloz – Exil in land nach – für einige von ihnen ein Teil der Türkei 1933-1945« aus dem Aktiven ihrer eigenen Herkunftsgeschichte. Hier Museum in Berlin wurde auf Initiative leben rund 2,5 Millionen Menschen tür- des Vereins Diversity United e.V. zum Abkischer Herkunft. Die Schülerinnen und schluss in der H 16 gezeigt. Schüler befragten Familienmitglieder, Wolfgang Ehmke (H 16) Freun­de und Nachbarn. Wie sah die AnWeitere Infos werbung aus? Wo kam der Dede, der Großvater, unter? Gab es Kontakt zu deut„Haymatloz – Achtung, fertig, Heimat, los!“ schen Kollegen? Einladungen? Wie war ist für 5 Euro bei wolfgang-ehmke@ das mit der Sprache? Wo ist Heimat? Dort, t-online.de zu bestellen. wo Familie und Freunde sind, meinen die

Preisverleihung

Fünf berufs­bildende Schulen aus­ge­zeichnet als „Umweltschulen“

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lima- und Umweltschutz ist lebenswichtig, ja überlebenswichtig. Diese Schulen haben eine Fülle vorbildlicher Maßnahmen ergriffen, wie man unsere Welt besser behandelt“, lobte Senator Ties Rabe bei der Auszeichnung der „Umweltschulen in Europa 2010-2011/Internationale Agenda 21-Schule“ am 16. September 2011. Fünf berufsbildende Schulen dürfen jetzt diesen Titel aufgrund ihres besonderen Engagements für den Umweltschutz tra­gen: Die Berufliche Schule Recycling- und Umwelttechnik (G 8), die Staatliche Gewerbeschule Kraftfahrzeugtechnik (G 9), die Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Har-

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burg (H 10), die Staat­liche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Kieler Straße (H 19) und die Staatliche Fachschule für Sozialpädagogik Altona (FSP 2). Ziel der jährlichen Ausschreibung der Deutschen Gesellschaft für Umwelterziehung ist die Entwicklung umwelt- und sozialverträglicher Schulen im Sinne einer „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“. Die Finalisten konnten die Fachjury durch ihre Konzepte für eine nachhaltige Verbesserung der Umweltverträglichkeit in Unterricht und Schulleben überzeugen: Die G 8 durch ihr Konzept für „Erneuerbare Energien Schule“ in Kamerun und das

Foto: H 16

Deutsche und türkische Jugend­ liche erforschen Geschichte

Sammeln und Recyceln ausgedienter CDs und DVDs (siehe www.g8.hamburg.de). Die G 9 durch alternative Antriebs- ­und Mo­bilitätskonzepte und das Erstellen eines Kli­maschutzplanes (siehe www.kfz-­ schule.de). Die H 10 mit dem Aufbau einer Wetterstation und durch nachhaltiges Wirtschaften, CO2-Reduktion und ihren Kli­­ma­­schutzplan (siehe www.handelsschule-harburg.de). Die H 19 mit ihrer Arbeit im Handlungsfeld „Konsumverhalten und Globalisierung“ sowie zum Thema „Europa ohne Grenzen und weltweite Luftverschmutzung“ (siehe www.handelsschule19.de). Die FSP 2 durch die Bekämpfung der Umweltverschmutzung auf dem Schulund Parkgelände und die Reduzierung des Kopierpapierverbrauches (siehe hh.shuttle. de/hh/fsp2medien). Annegret Witt-Barthel (HIBB)

Aus d en S c hu l en n

Senator Ties Rabe gratuliert

Ausgezeichneter Klimaschutz an berufsbildenden Schulen Am 13. Februar 2012 wurden 26 Hamburger Schulen durch Senator Ties Rabe mit dem Gütesiegel „Klimaschule 2012 – 2013“ ausgezeichnet. it dabei waren auch drei berufsbildende Schulen: die Staatliche Gewer­ beschule Kraftfahrzeugtechnik (G  9), die Staatliche Handelsschule Altona (H  6) und die Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Harburg (H 10). Die G 9 und H 10 dürfen sich bereits mit dem Titel „Umweltschule in Europa 20102011 / Internationale Agenda 21 Schule“ schmücken (siehe Bericht Seite 10). „Klimaschutz in Hamburger Schulen ist nicht mehr nur vom Engagement Einzelner in der Schule abhängig. Mit einem eigenen Klimaschutzplan verändert sich die Schule auch strukturell und übernimmt dauerhaft Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen“, lobte Rabe. Das Modell der „Klimaschulen“ exis­tiert seit 2009 und ist in dieser Form bundesweit einzigartig. Es wurde im Rahmen des Projektes „Klimaschutz an Schulen“ des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) entwickelt. Gemeinsam mit den Klimaschulen des Vorjahres wollen die mittlerweile 50 ausgezeichneten Schulen gut 2.500 Tonnen CO2 im Jahr 2012 einsparen. Die Schulen entwickeln Klimaschutzpläne mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen und legen Maßnahmen fest, mit denen die Ziele erreicht werden. Bis zum Jahr 2020 wollen die ausgezeichneten berufsbildenden Schulen ihren CO2-Ausstoß

jährlich um ca. zwei Prozent senken. Das geschieht durch energie- und klimabewusste Verhaltensänderungen im Schulalltag ebenso wie durch gebäudetechnische Maßnahmen, z. B. eine Optimierung der Nacht- und Wochenendabsenkungen von Heizungstemperaturen. Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit betreffen somit alle Mitglieder und Bereiche einer Schulgemeinschaft – Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, technisches Personal und Verwaltungspersonal ebenso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulkantine – und sie sind Teil des pädagogischen Konzeptes und des Schulentwicklungsprozesses. Ein wichtiger pädagogischer Aspekt ist es, die Schülerinnen und Schüler aktiv in die Entwicklung des Klimaschutzplans einzubeziehen. Sie definieren Ziele und Maßnahmen, analysieren und bewerten aktiv Prozesse, die nicht klimaverträglich sind. Weiterhin reflektieren sie ressourcen-, umwelt- und klimaschutzorientiertes Handeln. Hierdurch tragen die Auszubildenden die Kriterien des Klimaschutzes auch in ihr privates und berufliches Leben weiter. Sie erwerben wichtige berufliche Handlungs- und Gestaltungskompetenzen, die sie in ihre Ausbildungsbetriebe einbringen können – z. B. im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements sowie bei der Lösung betrieblicher Klimaschutzprobleme. Foto: H 10

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Neben der Ausarbeitung der Klimaschutzpläne setzen die berufsbildenden Schulen individuelle Schwerpunkte. An der H 10 ist es der Aufbau einer Wetterstation und nachhaltiges Wirtschaften. An der H 6 steht auch die schuleigene Cafeteria im Fokus der Aktivitäten. Ziel ist es, eine faire und ökologisch verantwortliche Schulverpflegung an der Schule zu etablieren und für entsprechendes Konsum- und Ernährungsverhalten zu sensibilisieren. Die G 9 arbeitet u. a. in Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften sowie den Firmen IBM, Siemens und Philips im Rahmen des Projektes „Greenovation“ an der Verbesserung der Energieeffizienz des gesamten Schulgebäudes und der Haustechnik. Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit finden in der beruflichen Bildung in Hamburg zunehmend Berücksichtigung. Davon zeugen z. B. die unterschiedlichen, bereits existierenden Beiträge zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE), investive Maßnahmen zur CO2-Reduktion oder Lernortkooperationen mit betrieblichen Partnern zum Thema Nachhaltigkeit. Um diese Themen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung intensiver zu verankern, unterstützen Fachreferenten am HIBB den Prozess. Mittelfristige Zielperspektive ist es, unter Berücksichtigung der schuleigenen Besonderheiten Klimaschutzpläne an allen berufsbildenden Schulen zu erstellen. Angela Homfeld (HIBB)

Ansprechpartner im HIBB:

Ausgezeichnete berufsbildende Klimaschulen

H 10: Michael Schulz; E-Mail: [email protected] H 6: Frank S. Skrzipietz, E-Mail: [email protected] G 9: Andy Loos, E-Mail: [email protected]

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n Aus d en S c hu l en

Auf dem Schuldach der G 17

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enator Ties Rabe weihte am 26. September 2011 an der Staatlichen Gewerbeschule für Metalltechnik mit Technischem Gymnasium (G 17) die größte Solaranlage auf einem Hamburger Schuldach ein. Sie wurde gemeinsam mit Hamburg Energie installiert und speist nicht nur Strom ins Hamburger Stromnetz ein, sondern steht auch den Schülerinnen und Schülern für den praktischen Unterricht zur Verfügung. Bereits bei ihrer Gründung vor 25 Jahren widmete die Schule den regenerativen Energien einen eigenen Profilbereich. „Mit professionellen Anlagen zu verschiedenen regenerativen Energieerzeugungsarten ermöglichen wir Schülerinnen und Schülern einen praktischen Zugang zum Thema. Die aktuellen Messdaten machen den Unterricht anschaulich und bringen die Technik vom Dach ins Klassenzimmer“, sagt Schulleiter Wolf-Rüdiger Giersch.

Den besonderen Nutzen würdigte auch Senator Ties Rabe: „Die Angebote der G 17 bereiten Schülerinnen und Schüler optimal für den wachsenden Arbeitsmarkt im Bereich der erneuerbaren Energien vor. Die Erfahrungen, die sie mit der neuen Solaranlage sammeln, können sie später in ihrer beruflichen Praxis einsetzen.“ Dass Klima- und Ressourcenschutz aber nicht nur gelehrt und angewandt, sondern auch finanziert werden will, verdeutlicht Klaus Teichert, Sprecher der Geschäftsführung von Schulbau Hamburg: „Wirtschaftliche Investitionen in Klimaschutz und energetische Maßnahmen haben im Schulbau große Bedeutung. Deswegen haben wir als Gebäudeeigentümer das Dach der G 17 auch gerne als Produktionsstätte zur Verfügung gestellt.“ Die Anlage dient zwar Versuchszecken, speist aber gleichzeitig regulär Strom ins Netz ein. „Auf einer Fläche von rund 670 Quadratmetern produzieren über 520 Mo-

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NABU zeichnet Berufsschullehrer aus er erste Platz des Hanse-Umweltpreises für Klima- und Umweltschutz ging an Frank Rettmer, Lehrer an der Beruflichen Schule für Handel und Verwaltung Anckelmannstraße (H 1). Der mit 3.000 Euro dotierte Preis wurde am 20. November 2011 bei einem Festakt durch Dagmar Berghoff, die Schirmherrin des NABU Wettbewerbs, überreicht. Frank Rettmer erhielt die Auszeichnung für seine Initiative zur Gewässerrenaturierung der Wandse, die er in Zusammenarbeit mit 25 Auszubildenden durchführte. „Berufsschüler gehen den Bach runter“ – unter diesem Slogan gestalteten die Auszubildenden zum Einzelhandelskauffrau/mann das kleine Flüsschen wieder zu einem naturnahen Bachbett um und brachten Strömungslenker aus Kies und Geröll ein.

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Foto: F. Rettmer

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Stömungslenker in der Wandse

„Wir haben das Thema Nachhaltigkeit und Umwelterziehung im Unterricht behandelt, aber so wird es noch viel begreifbarer“, lobt Frank Rettmer die Aktion. Da die Wandse an mehreren Stellen für die Hochwasserabfuhr stark verbreitert worden war, floss das Flüsschen im Bereich des Niedrigwasserprofils im Sommer nicht mehr schnell genug und der Wasserstand war für Fische und Insekten zu niedrig. Dies wurde durch die Renaturierung wieder korrigiert. „Durch das Preisgeld sind wir jetzt in der Lage, re-

Foto: R. Sünitz

Leistungsstärkste schulische Solar­anlage

Über den Dächern der G 17 dule jährlich etwa 85.000 Kilowattstunden Strom – das entspricht dem Jahresverbrauch von mehr als 30 Haushalten“, erläutert Dr. Michael Beckereit, Geschäftsführer von HAMBURG ENERGIE. Zusammen mit älteren Modulen deckt die G 17 nun knapp 40 Prozent ihres Bedarfs an elektrischer Energie selbst. Uwe Grieger (HIBB)

gelmäßig solche Einsätze an der Wandse durchzuführen und nachhaltig an der Schule zu etablieren“, plant Rettmer. Die Schule wurde bei ihrem Projekt vom NABU und einem Bachpaten unterstützt. Kies und Steine erhielten die Auszubildenden vom Bezirksamt Wandsbek und für das leibliche Wohl sorgte das Reformhaus Engelhardt, bei dem einige Auszubildende beschäftigt waren. Dies ist gelebte Vernetzung von Schule in ihrem Stadtteil. „An den allgemeinbildenden Schulen sind die Spielräume für solche Umwelt- und Naturschutzprojekte deutlich größer, aber Herr Rettmer hat anschaulich gezeigt, dass praktischer Umweltschutz sehr wohl auch seinen Platz im dualen Ausbildungssystem hat“, bewertet Matthias Zastrow, stellvertretender Schulleiter der H 1. Angela Homfeld (HIBB)

Weitere Infos www.h1.hamburg.de

Aus d en S c hu l en n

Foto: Uwe Grieger

Michael Bock ist Hamburgs Azubi des Jahres 2011

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ichael Bock ist Hamburgs Azubi des Jahres 2011. Im Börsensaal der Handelskammer erhielt der 23-jährige Berufsschüler der Medienschule HamburgWandsbek (H 8) vor rund 600 Gästen, darunter Schulsenator Ties Rabe, Handelskammer-Präses Fritz Horst Mels­hei­ mer und Handwerkskammer-Vizepräsident

Senatsempfang

Bundesbeste aus dem Hamburger Handwerk

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ei einem Senatsempfang wurde am 12.  April Deutschlands bester Nachwuchs aus dem Hamburger Handwerk ausgezeichnet. Sie hatten beim „Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks 2011“ zweimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze errungen: Marius Hogrefe (Behälter und Apparatebauer; Kliewe GmbH/Staatliche Gewerbeschule Installationstechnik), Mara Klötzing (Schuhmacherin; Martin Barthold/Staatliche Gewerbeschule Werft und Hafen), Corvin Heringlake (Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik;

Hjal­mar Stemmann, den mit 1.000 Euro dotierten Preis. Am 8. November fand die flotte Preisverleihungs-Show, moderiert durch Alexander Bommes (NDR Hamburg Journal), statt. „Azubi des Jahres“ ist ein Hamburger Wettbewerb der Handelskammer, Handwerkskammer und BILD-Zeitung, für den sich Azubis bewerben und ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen müssen. Handelskammer-Präses Melsheimer unterstrich, mit diesem Wettbewerb und der Gala auf die hervorragenden Leistungen der Azubis aufmerksam machen und sie würdi­ gen zu wollen. Senator Rabe betonte im „Aus­bildungstalk“ die hohe Qualität der dualen Ausbildung und die neue attraktive Möglichkeit, parallel zur dualen Ausbildung auch die Fachhochschulreife erwerben zu können. Für den Wettbewerb 2011 hatten sich 124 Hamburger Azubis beworben, 20 kamen in die engere Auswahl. Sie absolvierten verschiedene Prüfungen im Rahmen eines „Contests“. Unter anderem in Form eines

Karl-Körner Haustechnik/Staatliche Gewerbeschule Installationstechnik) und Kai Radvan (Mechatroniker für Kältetechnik; Stulz GmbH/Berufliche Schule Farmsen) Bereits am 25.10.2011 hatte die Handwerkskammer Hamburg ihre Landessieger geehrt: 26 Frauen und 47 Männer. 1.700 Hamburger Gesellenprüflinge unter 28 Jahren hatten die Chance, Landessieger zu werden. „Unsere Sieger sind Vorbild für viele andere junge Menschen. Sie haben gezeigt, dass Engagement, Leistungswille und Talent die Basis für persönlichen Erfolg ist“, betonte der Präsident der Ausgezeichnet!

Interviews mit Stargast Marek Erhardt, zehn Fragen zur Geschichte Hamburgs oder bei den Prüfungen „Handy-Video“ (www. azubidesjahres.de/online-voting) und „Essay“. Den mit 500 Euro dotierten zweiten Platz erreichte Laura M. Holstermann (23) von der Staatlichen Handelsschule mit Wirt­schaft­ gymnasium Weidenstieg (H 5), Azubi zur Bankkauffrau bei der Hamburger Sparkasse. Der dritte Platz ging an Mustafa Şahin, ebenfalls von der H 5 und Azubi zum Bankkaufmann bei der Edekabank AG. Erstmals war auch ein Preis für Jugendliche mit Migrationshintergrund ausgeschrieben worden. Den mit 200 Euro dotierten Sonderpreis „Integration“ erhielt Bulut Surat von der Staatlichen Gewerbeschule Stahl- und Maschinenbau (G 1), angehender Verfahrensmechaniker bei der Aurubis AG. Der 19-Jährige hat türkische Eltern und wurde in Hamburg geboren. Er hat seinen Ausbildungsplatz über das 9-Plus-Projekt gefunden und engagiert sich in der Jugend- und Auszubildendenvertretung. 2012 soll der Wettbewerb, für den man sich in der Regel nach den Sommerferien bewerben muss (www.azubidesjahres.de), zum 8. Mal ausgeschrieben werden. Uwe Grieger (HIBB)

Handwerkskammer Hamburg, Josef Katzer, in seiner Rede. Er dankte ausdrücklich den ausbildenden Betrieben sowie den berufsbildenden Schulen für ihre hervorragende Unterstützung und Ausbildung. Angela Homfeld (HIBB)

Foto: Angela Homfeld

Aurubis-Azubi Bulut Surat erhält den Sonderpreis „Integration“

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Auszeichnung der Deutschen Industrie- und Handelskammer

Elf Bundesbeste kommen aus Hamburg undeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Hans Heinrich Driftmann, der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), zeichneten im Dezember 2011 in Berlin die 227 bundesbesten Azubis aus 218 verschiedenen IHK-Berufen aus. Unter mehr als 300.000 Teilnehmern konnten sich auch elf Hamburger Azubis in den IHK-Abschlussprüfungen als Jahrgangsbeste qualifizieren. Erfolgreich waren u.a. die Immobilienkauffrau Hannah Tillich, die ihre duale Ausbildung bei der EPM Assetis GmbH sowie an der Staatlichen Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Schlankreye absolviert hatte, sowie der Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung Christoph Modlich (Lufthansa Cargo AG, Staatliche Handelsschule Holstenwall). Beide hatten im November bereits bei der Bestenehrung der Handelskammer Hamburg die Plätze 1 und 2 mit der Note „Herausragend“ belegt. Bundeswirtschaftsminister Rösler gra­ tulierte den Absolventen und hob die Bedeutung der dualen Ausbildung für die Sicherung des qualifizierten Fachkräf-

Foto: Neuhauser, Handelskammer

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Siegerrunde mit elf Hamburger Azubis

tenachwuchses hervor: „Eine berufliche Aus- und Weiterbildung ist eine echte Alternative zum Studium. Deshalb werben unter dem Motto „Berufliche Bildung – praktisch unschlagbar“ das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesminis-

Staatliche Abendwirtschaftsschule an der H 12

Berufliche und akademische Bildung

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m Rahmen einer neuen Kooperationsvereinbarung mit der Hamburger Fernhochschule (HFH) können Absolventen der Staatlichen Abendwirtschaftsschule (AWS) zukünftig ihre erbrachten Leistungen für ein Bachelor-Studium der Betriebswirtschaft an der HFH anrechnen lassen. „Die Staatliche Abendwirtschaftsschule an der Beruflichen Schule für Wirtschaft und Steuern (H 12) baut damit die Durchlässigkeit zu höheren Bildungsabschlüssen weiter aus und wertet die berufliche Bildung deutlich auf. So schaffen wir Anreize für die Ausbildung zum Staatlich geprüften Betriebswirt an unserer Schule“, begrüßt

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Dieter Schrader, der Leiter der AWS, die Kooperationsver­einbarung. Der Vertrag sieht einen generellen Einstieg der Absolventen der Fachschule für Wirtschaft in das 4. Semester des berufsbegleitenden Studienganges Betriebswirtschaft der Hamburger Fernhochschule vor. Mit dem Abschluss zum Staatlich geprüften Betriebswirt an der AWS erlangen die Absolventen nicht nur die allgemeine Fachhochschulreife, sondern es werden darüber hinaus Leistungen anerkannt, wie z. B. das Grundpraktikum und mehrere Module inklusive der damit verbundenen ECTS. Außerdem wird die an der AWS zu

terium für Bildung und Forschung gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden für die duale Berufsausbildung.“ Angela Homfeld (HIBB)

schreibende Facharbeit als Projektarbeit des Bachelor-Studiums angerechnet. Mit der „Private University of Applied Sciences“ (PFH) hat die AWS bereits seit dem 19. August 2011 eine Kooperationsvereinbarung, die ebenfalls einen Einstieg der Absolventen in das 4. Semester des BA-Fernstudiums der Betriebswirtschaftslehre ermöglicht. Vorher erkannte die PFH den Abschluss Staatlich geprüfter Betriebswirt als Vordiplom an. Angela Homfeld (HIBB)

Weitere Infos Staatliche Abendwirtschaftsschule (AWS) www.aws-hamburg.de

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Bericht zweier Berufsschülerinnen der H 19

Türkeiaufenthalt in der dualen Ausbildung Seit 2009 gibt es das Projekt Transnationale Mobilität, um in der Ausbildung ein Auslandspraktikum zu absolvieren. ir bewarben uns und konnten an dem Projekt „Leonardo da Vinci“ in Antalya teilnehmen. Als wir uns, sechs Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten, am 26.03.2011 am Hamburger Flughafen trafen, um zu unserem dreiwöchigen Praktikum in Antalya aufzubrechen, waren wir ganz schön aufgeregt und hatten Flugzeuge im Bauch. Rechtsanwaltskanzleien in Antalya sind im Verhältnis zu deutschen Kanzleien kleiner. Die Sekretärinnen führen dort Telefonate und servieren dem Rechtsanwalt sowie Mandanten Tee und Kaffee. Bei mittelständischen Kanzleien gibt es auch Mitarbeiter, die z. B. nur für die Zwangsvollstreckung zuständig sind. Der Rechtsanwalt erledigt alle juristischen Tätigkeiten, auch die Korrespondenz, eigenständig. Unsere Aufgaben waren: Übersetzungen ins Deutsche sowie ins Türkische, Schriftstücke an deutsche Ämter verfassen, Recherchen durchführen und typische Tätigkeiten der Büroorganisation. Unsere Besuche bei Gericht waren sehr interessant! Für uns, die das deutsche System kennen, war es überhaupt nicht strukturiert aufgebaut. Doch überall sah man fleißige Rechtsanwälte und vor allem Mitarbeiter, die sich über ihre Fälle (z. B. Zwangsvollstreckungsakten) erkundigten, Klagen bei Gericht einreichten oder Auslagen einzahlten. Einige von uns hatten auch die Gelegenheit, hautnah bei einer Zwangsräumung dabei zu sein. Außerdem haben wir mit unseren Lehrerinnen die Universität, die Berufsschule und die Rechtsanwaltskammer besucht. Bei diesen Besuchen konnten wir feststellen, dass dort einiges anders ist als in Deutschland: Universität: Der Zugang zu der Uni erfolgt durch das Abitur und einen nationalen Test. Nach dem Examen erfolgt die Wahl zur Spezialisierung: Rechtsanwalt, Notar, Staatsanwalt oder Richter. Berufsschule: Das Berufsbild der Rechtsanwaltsfachangestellten existiert in der Türkei seit 2 Jahren und wird als juristi-

sche Assistenz bezeichnet. Im Unterschied zu Deutschland erledigen die Absolventen fast alle juristischen Tätigkeiten, z. B. Mahnverfahren, Vollstreckungsverfahren, selbstständig. Allerdings haben sie wenig Kontakt zu Mandanten. Nach Abschluss der Berufsausbildung erwerben die Berufsschüler nicht nur eine abgeschlossene Ausbildung, sondern auch die Fachhochschulreife. Rechtsanwaltskammer: Die Rechtsanwaltskammer in Antalya ist die 4. größte Kammer in der Türkei. 914 Rechtsanwältinnen und 1.527 Rechtsanwälte sind in Antalya eingetragen. Eine wesentliche Aufgabe der Kammer ist es, für deren Rechte und Pflichten zu sorgen. Sie organisieren auch Konferenzen, Seminare und Weiterbildungen. Des Weiteren ist die Kammer für die Unfallversicherung der Anwälte zuständig. Was haben wir nun für unsere Arbeit und für uns persönlich gelernt? Wir haben gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen und dabei unseren Arbeitstag selbstständig zu strukturieren. Unsere türkischen Sprachkenntnisse haben sich, gerade was

die fachlichen Begriffe und Redewendungen betrifft, sehr verbessert. Dieses Wissen können wir nun in unseren deutschen Kanzleien gut einsetzen. Wir haben ein anderes berufliches System kennengelernt und Vieles erschien erst einmal fremd. Unsere Erfahrungen zeigten uns, dass wir auch die Herausforderung, in ein anderes Land zu gehen und dort zu arbeiten, meistern können. Wir haben sicher nicht das letzte Mal im Ausland gearbeitet! Schließlich gibt es noch viele tolle Länder. Interkulturelle Aktivitäten, wie z. B. die Erkundung der Stadt und der Sehenswürdigkeiten, haben uns gezeigt, wie schön nicht nur Antalya, sondern wie großartig das Land unserer Vorfahren ist. Wir haben sehr viel gelernt für uns selbst und auch für den Ausbildungsberuf. Deshalb können wir jedem Berufsschüler nur empfehlen, auch ein Auslandspraktikum zu absolvieren. Nuran & Banu, Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Kieler Straße (H 19)

Foto: H 19

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Festakt in der Handelskammer Hamburg

Wirtschaftsgymnasium Harburg gewinnt Schulpreis der Hamburger Wirtschaft Die Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Harburg (H 10) wurde am 22. November 2011 bei einem Festakt in der Handelskammer zum zweiten Mal mit dem zweiten Preis der Hamburger Wirtschaft für vorbildliche Schulprojekte ausgezeichnet. Der mit 1.500 Euro dotierte Preis würdigt die langjährige Kooperation der H 10 mit der Firma Metro C&C Deutschland GmbH.

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Seit dem 16. November 2006 gibt es auf der Grundlage einer bundesweiten Bildungsinitiative der METRO unter dem Motto „Metro macht Schule“ zwischen der H 10 und dem METRO C&C Großmarkt HamburgHarburg eine Kooperationsvereinbarung. Diese vertragliche Bindung von Betrieb und Schule besitzt selbst

für eine berufsbildende Schule Beispielcharakter. Zur Initiative gehören Basisbetriebserkundungen, Bewerbungstraining, Fragen des Marketings und Praktika bei der METRO sowie Projekte zu Themen aus der Betriebs- und Volkswirtschaft, zur Studien- und Berufswahl sowie zu Kunstausstellungen im Handel. Im Jahr 2011 standen unter anderem Biolebensmittel im Mittelpunkt. Schülerinnen und Schüler der Klasse V101 des Wirtschaftsgymnasiums der H 10 informierten ihre Mitschüler über Biolebensmittel, Biosiegel und die Abgrenzung zu herkömmlichen Produkten aus der Milchwirtschaft. Insbesondere die vergleichende Blindverkostung mit Milchprodukten aus der konventionellen Landwirtschaft

und von Biohöfen mit anschließender Befragung war besonders beliebt. „Die Klasse engagierte sich mit großer Begeisterung, Ehrgeiz und Zuverlässigkeit“, bestätigte deren Lehrerin Bärbel Erhorn. So auch bei der dreitägigen Aktion in der Metro-Filiale in Hamburg-Harburg, als es darum ging, Kunden die Bioprodukte der Andechser Molkerei Scheitz GmbH durch Flyer, Informationsplakate und im Gespräch näher zu bringen. Angela Homfeld (HIBB)

Weitere Infos www.handelsschule-harburg.de

Foto: Angela Homfeld

er erste Preis, der so genannte „SchulOskar“ ging an die Stadtteilschule Stellingen, deren Kooperationspartner, die Firma Iwan Budnikowsky, ebenfalls mit dem „Schul-Merkur“ für Unternehmen ausgezeichnet wurde. Die Berufliche Schule Farmsen freute sich mit ihrem Kooperationspartner, der Edeka Lunar GmbH, über den dritten Preis in der Kategorie Unternehmen. In seiner Rede gratulierte Senator Ties Rabe herzlich den Preisträgern für ihr Engagement und die professionelle Umsetzung: „Die preisgekrönten Schulen be­ weisen, dass sie im Unterricht Wirtschaftswissen schülergerecht vermitteln, Anreize und Perspektiven für unternehmerische Selbstständigkeit aufzeigen oder die Funktionen und Werte einer freiheitlichen und sozialen Wirtschaftsordnung verdeutlichen. Dass der zugrunde liegende und erfolgreichen Dialog zwischen Schule und Wirtschaft, zwischen Fachleuten von heute und potenziellen Fachleuten von morgen mit dem „SchulMerkur“ ausgezeichnet wird, zeigt eine hohe Wertschätzung.“

Siegerfoto mit Senator und Handelskammer-Präses

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„Ein voller Erfolg“

Berufliches Gymnasium mit Fachrichtung Pädagogik/Psychologie der W 3

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as Berufliche Gymnasium (BG) mit seiner neuen Fachrichtung an der Beruflichen Schule für Sozialpädagogik – Anna-Warburg-Schule (W 3) ist ein attraktives Angebot in Hamburgs Schullandschaft. Dies belegen die Zahlen der Interessierten und die Ergebnisse drei Jahre nach der Einführung. Unsere Schule hat ca. 1.000 Schülerinnen und Schüler, bildet hauptsächlich Sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten aus und verfügt über eine Fachoberschule für Sozialpädagogik sowie seit 2008/09 das BG. Mit 115 Jugendlichen in vier Klassen wurde im Schuljahr 2008/09 begonnen. 2011/12 sind es 155 verteilt auf sechs Klassen.

Kollegiale Pionierarbeit Die ersten drei Jahre waren geprägt von einer sehr kollegialen Pionierarbeit. Getreu

Großes Interesse

Berufliche Fortbildung an der G 2

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m Dezember 2011 nahmen mehr als 120 Auszubildende an der ersten Fortbildungsmesse der Staatlichen Gewerbeschule für Installa­tionstechnik (G 2) teil. „Motivation für diese Messe war, dass Schülerinnen und Schüler oft nicht wissen, welche Fortbildungsmöglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Die gewünschten beruflichen Ziele sind jungen Menschen zumeist klar, der Weg dorthin jedoch nicht bekannt“, erläutert Bernd Peschka, der stell­vertretende Schulleiter der G 2. Lehrkräfte erleben, dass gerade Auszubildende mit einem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss häufig an ihrer Fähigkeit zweifeln, höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen. Dass es unter den

unserem Qualitätsleitbild der Transparenz von Unterrichtsinhalten und Leistungserwartungen haben wir auf Grundlage des neuen Bildungsplans für jedes Semester ein Modul erstellt. Diese wurden jeweils am Ende des Semesters ausgewertet und gegebenenfalls verändert. Ein Modul benennt die zu erwerbenden Inhalte, Kompetenzen, Unterrichts- und Sozialformen sowie die geforderten Leistungsnachweise. Zu Beginn des Schulhalbjahres wird es den Schülerinnen und Schülern an die Hand gegeben. Inzwischen ist diese Modulentwicklung durch die drei Jahre Oberstufe „gewachsen“ und wir verfügen über ein evaluiertes und in der Praxis bewährtes schulinternes Curriculum. Neben den fachlichen Ansprüchen zum Erreichen der allgemeinen Hochschulreife kommt bei uns ein deutlicher Praxisbezug zum Tragen. So machen die

Absolventen der G 2 genügend Beispiele gibt, die dies widerlegen, kann im Gespräch mit Auszubildenden motivieren und zu mehr Eigenverantwortlichkeit für eigene Lebensziele ermutigen. Michael Fenrich, Lehrer an der G 2 und einer der Organisatoren, führt einen weiteren Grund für die Fortbildungsmesse an: „Wenn die Gesellenprüfung bestanden ist, haben die meisten Absolventinnen und Absolventen eine dreizehnjährige Schul- und Ausbildungszeit hinter sich. Sie sind schulmüde und verbinden Lernen an Schule mit extrinsischer Motivation. Daher können sich viele nicht vorstellen, dass das Lernen in der Fortbildung Spaß macht, effektiv ist und bereichert.“ Ziel der Veranstaltung war es daher, erste Inspirationen für eine berufliche Fortbildung zu geben. Fünf Fragen standen im Mittelpunkt: Welche Möglichkeit habe ich, mich fortzubilden? Wie wird in der Fortbildung gelernt? Wie zeitaufwändig ist sie und was kann ich berufsbegleitend machen? Welche beruflichen Perspektiven eröffnen sich

Schülerinnen und Schüler in der Vorstufe ein zweiwöchiges pädagogisches Praktikum und schreiben im zweiten Semester eine Facharbeit mit praktischem Bezug. Kontakte zum Fachbereich Erziehungswissenschaft der Uni Hamburg sowie zur Fakultät „Wirtschaft und Soziales“ der Hochschule für Angewandte Wissenschaften tragen ebenfalls dazu bei, einen beruflichen und akademischen Bezug frühzeitig herzustellen. Ausblick Ein engerer Fachrichtungsbezug in den allgemeinbildenden Fächern soll in Zukunft noch stärker entwickelt werden. Ziel ist, dass es ein Abitur-Prüfungsthema in Deutsch und Englisch mit Bezug zur Fachrichtung geben soll sowie ein engerer Bezug in den Prüfungsfächern PGW, Biologie, Spanisch und Französisch. Zudem soll die Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Erziehungswissenschaft der Uni Hamburg verstärkt werden (Vorlesungen in S 1, themenbezogene Projekte). Ilka Landeck (W 3), Lehrerin für Pädagogik und Religion

durch eine Fortbildung? Welche Kosten können entstehen? In mehreren Diskussionsveranstaltungen wurden Antworten gegeben. Dazu wurden sowohl Ausbildungsabsolventen, die sich derzeit beruflich fortbilden (z. B. Meisterschüler, Studierende) als auch langjährig Berufserfahrene sowie verschiedene Vertreter von Fortbildungsträgern und Bildungseinrichtungen eingeladen. Im Foyer der G 2 präsentierten sich die Handwerkskammer, der Elbcampus, die Innung SHK, die Bundeswehr, die Staatliche Gewerbeschule Energietechnik (G 10) mit ihrer Berufsfach- und Fachoberschule sowie die G 2 mit der Zusatzqualifikation Dual Plus Fachhochschulreife. Die positive Resonanz und hohe Nachfrage mit 120 teilnehmenden Auszubildenden macht die Notwendigkeit solcher Veranstaltungen deutlich und ist Motivation, die Messe in zwei Jahren zu wiederholen. Michael Fenrich (G 2)

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Gegen das Vergessen

Bertini-Preis 2011 für Projekt der Gewerbeschule 8

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Foto: Angela Homfeld

ie Schülerinnen und Schüler hatten sich auf besondere Weise mit Schicksalen und literarischen Zeugnissen des Holocaust auseinandergesetzt. Sie suchten das Gespräch mit Zeitzeugen der Kinderdeportationen, besuchten Gedenkstätten und reflektierten Unrecht, Ausgrenzung und Gewalt des Faschismus vor dem Hintergrund ihrer eigenen Migrationserfahrung. „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“ war der Titel eines literarischen Abends, den die jungen Migrantinnen und Migranten mit ihrer Kursleiterin Marianne Marheineke in einer Buchhandlung veranstalteten. „Die jungen Menschen sind beim Vorlesen über sich selbst hinausgewachsen, denn sie lernten erst seit ca. eineinhalb Jahren Deutsch und näherten sich den komplexen Texten sehr behutsam und ausdrucksstark. Gerade die Vorsicht, mit der sie an die Worte herangingen, machte ihre Lesart ganz besonders“, erinnert sich Annette Brauer, die Klassenlehrerin der BVJ-M Klasse („Berufsvorbereitung für MigrantInnen“). Die Auseinandersetzung mit vergangenem Unrecht stand auch immer in Bezug

zu aktueller Ausgrenzung, Gewalt und politischer Verfolgung. Daher informierten sich die Schülerinnen und Schüler der G 8 intensiv über die bundesweite Flüchtlingsinitiative „Jugendliche ohne Grenzen“ und organisierten einen Flohmarktstand mit Büchern zugunsten der Organisation. Bei einem Diskussionsabend mit Zeitzeugen des Holocaust setzten sich die Mig- Maryam Nozad Saeed liest aus den Erinnerungen rantinnen und Migranten auch mit ­Avner Grubers ihren eigenen Flüchtlingserfahrunüberzeugten die Migrantinnen und Migen, dem Begriff Heimat sowie granten auf besondere Weise. Offen und ihrer Situation in Deutschland auseinander. „Es ist beeindruckend, Zeuge zu wer- sehr herzlich luden sie die Holocaustden, wie die jungen Heranwachsenden Zeitzeugen mit zu sich auf die Bühne ein. Geschichte schreiben, motiviert und an- Sie waren ihnen im Verlauf des Projektes geleitet durch zwei engagierte Kollegin- zu geschätzten und verehrten Vertrauten nen. – Fast so, als würden sie den Geist der geworden: Steffi Wittenberg, mit der sie Bertinis in verantwortungsvoller Weise deren alte Schule, die israelitische Töchaufnehmen und weitertragen. Meine hohe terschule besucht hatten, und deren EnAnerkennung an die Beteiligten!“, würdigt gagement gegen Rassismus und für BeAndreas Beyerle, der Schulleiter der G 8, nachteiligte in den USA die Jugendlichen diese Initiative. beeindruckte. Peggy Parnass, mit der sie Auch bei ihrer Preisverleihung und sich in Podiumsdiskussionen über ihre ErWürdigung im Ernst-Deutsch-Theater fahrungen im Gastland Deutschland ausgetauscht hatten. Und Avner Gruber, aus dessen Buch sie Texte gelesen hatten. Ihn hatten sie zuvor in ihre Schule eingeladen, um mehr über sein Leben und die Zeit des Faschismus zu erfahren. Der Bertini-Preis wird in diesem Jahr zum vierzehnten Mal an junge Menschen verliehen, die sich für ein gleichberechtigtes Miteinander der Menschen in dieser Stadt einsetzen, die sich gegen das Vergessen, Verdrängen und Verleugnen von Unrecht engagieren und die aktuelles Unrecht, Ausgrenzung oder Gewalt ungeachtet persönlicher Folgen bekämpfen.

Ausgezeichnete Schülerinnen und Schüler der Literaturwerkstatt

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Angela Homfeld (HIBB)

Foto: G 8

Am 27. Januar wurden 22 junge Migrantinnen und Migranten des Neigungskurses „Literaturwerkstatt“ an der Beruflichen Schule Recycling- und Umwelttechnik (G 8) bei einem Festakt im Ernst-Deutsch-Theater durch Ralph Giordano mit dem Bertini-Preis 2011 ausgezeichnet.

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Positive Zwischenbilanz

Zum Stand der Reform der Beruflichen Bildung Hamburg Für das HIBB stand das Jahr 2011 im Zeichen der von der Bürgerschaft einstimmig beschlossenen „Maßnahmen zur Umsetzung der Reform der Beruflichen Bildung in Hamburg“ und dem Abschlussbericht der Prognos AG nach der eineinhalbjährigen Evaluation. Soviel vorweg: 2011 war für uns ein gutes Jahr …

iel der Bemühungen ist es, den Zugang für bildungsbenachteiligte Jugendliche in die Berufsausbildung zu erleichtern und die Durchlässigkeit zu höheren Bildungsabschlüssen zu verbessern. Auf diese Herausforderungen geben die in Pilotprojekten erprobten und im Februar 2011 beschlossenen Reformmaßnahmen (Drucksache 19/8472) konkrete und umfassende Antworten. Die ersten Ergebnisse bestätigen den eingeschlagenen Weg. Das gilt im Übrigen auch für den Blick „nach innen“: Die externe Evaluation durch die Prognos AG bescheinigt dem Landesbetrieb, dass „die Gründung des HIBB den Boden für eine Verbesserung der Ergebnisqualität an Schulen bereitet hat“ (siehe ausführlich bbh 01/2011). Das HIBB kann insgesamt eine positive Bilanz von im Schuljahr 2010/11 durchgeführten Pilotprojekten ziehen. Dort, wo die Ergebnisse nicht befriedigend waren, wurden wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung gewonnen.

Einführung einer systematischen und frühzeitigen Berufsorientierung Von grundlegender Bedeutung für einen verbesserten Übergang von der allgemeinbildenden Schule in die Ausbildung ist eine frühzeitige und systematische Berufs- und Studienorientierung (BO/SO) in den allgemeinbildenden Schulen. Die Schülerinnen und Schüler sollen hierdurch früher und besser als bisher ihre eigenen Stärken und Schwächen erkennen und realistische Berufsziele entwickeln – und dieses mit Unterstützung und Beratung ab Klasse 8. Die Suche nach dem richtigen Beruf beginnt also deutlich vor dem Erwerb des allgemeinbildenden Schulabschlusses, damit der Übergang frühzeitig vorbereitet werden kann.

Foto: Michael Koltmeier

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Das Projekt zur Erprobung der zuvor entwickelten Rahmenvorgaben für die BO/SO wurde im Schuljahr 2010/11 unter Beteiligung aller Stadtteilschulen (StS) in den Abschlussklassen (Jahrgangsstufe 9 und 10) und in sechs Stadtteilschulen auch in Jahrgangsstufe 8 durchgeführt. Im Ergebnis konnten für die BO/SO an allen StS schulinterne Arbeitsstrukturen vervollständigt bzw. aufgebaut und deren Stellenwert erhöht werden. Die Kooperation von Stadtteilschulen und berufsbildenden Schulen wurde verbindlich hergestellt. Im Umfang von 28 Stellen wurden Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen an den StS für die BO/SO eingesetzt und die Zusammenarbeit mit der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Hamburg intensiviert. Schulen und die Berufsberatung der Agentur für Arbeit bewerten die engere Verzahnung der Angebote der Berufsberatung mit den Rahmenvorgaben positiv und planen für

das Schuljahr 2011/12 unter anderem den Abschluss individueller Kooperationsvereinbarungen zwischen den Schulen und der jeweils zuständigen Berufsberatungsfachkraft. Insgesamt wurden von den Schulen 20.000 Berufs- und Studienwegepläne abgefordert. Für die Weiterentwicklung der BO/SO und deren flächendeckende Einführung zum 1. August 2011 wurden Erkenntnisse unter anderem in folgenden Bereichen gewonnen: Die Standards für Einsatzorte und Aufgaben der eingesetzten Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen sowie die Kooperationsvereinbarungen zwischen den Stadtteilschulen und den berufsbildenden Schulen müssen noch konkreter gefasst werden. Die Standards und Aufgabenwahrnehmung der BO/SO bedürfen zum Teil noch der Weiterentwicklung.

Nr. 1 · 2012 Berufliche Bildung Hamburg 19

n S c hwerpunk t

Einige Verbesserungen konnten schon nach dem Abschluss der Pilotprojekte vorgenommen werden. Weitere werden zurzeit entwickelt (siehe Beitrag in diesem Heft, Seite 26 f.)

schulpflichtige Jugendliche ohne Ausbildungsreife beruflich orientiert und individuell möglichst in die duale Ausbildung begleitet. Niemand soll verloren gehen! Deswegen werden alle schulpflichtigen Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Schulabschluss oder ohne Ausbildungsplatz erfasst und in die Ausbildungsvorbereitung einer mit der Stadtteilschule kooperierenden berufsbildenden Schule aufgenommen. Die AV ist eine ganztägige Maßnahme und findet in Zusammenarbeit mit Hamburger Betrieben statt. Die AV erfolgt mit Unterstützung und Beratung durch die Lehrkräfte und persönliche AVBegleiterinnen und -Begleiter.

Erfreuliche Ergebnisse bei der „Ausbildungsvorbereitung“ In der Ausbildungsvorbereitung (AV) als elementarer Baustein der Reform werden

Im Modellprojekt wurden ab dem­ 1. August 2010 in der Beruflichen Schule Recycling-und Umwelttechnik (G 8) und der Staatlichen Berufsschule Eidelstedt

(G 12) jeweils 54 bzw. 50 Schülerinnen und Schüler anschlussorientiert gefördert. An der G 8 wechselten 44 Prozent und an der G 12 vierzig Prozent in die duale Ausbildung. Die G 12 erprobte die neue Struktur zudem mit einer „inklusiven“ Schülerinnen- und Schülergruppe, d.h. zehn Prozent hatten „I-Status“, 44 Prozent kamen von Förderschulen und 46 Prozent von Hauptund Realschulen. Die Erfahrungen an der G 12, die neben 44 Prozent Förderschüler auch zehn Prozent „i-Schüler“ beschulte, zeigen, dass eine inklusive Beschulung eine Begleitung durch Fachdienste und eine Unterstützerstruktur für Kolleginnen und Kollegen benötigt. Entscheidend für den Erfolg der Arbeit im AV-Piloten war eine intensive Beziehungsarbeit zwischen dem Mentor bzw. der Mentorin und dem Jugendlichen

Foto: Michael Kottmeier

Die Ergebnisse der Kompetenzfeststellungsverfahren in der Jahrgangsstufe 8 sollten noch mehr in das schulische Curriculum einbezogen und als Grundlage für das schulische Lernen genutzt werden. Es sollte überprüft werden, ob die Übergangsberatung in den Abschlussklassen früher und ausgiebiger einsetzen kann.

20 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

S c hwerpunk t n

mit einem guten Betreuungsschlüssel von maximal 1 zu 10.

eine trägergestützte Berufsausbildung mit einem regulären Kammerabschluss.

Von August bis Ende November 2011 nutzten 2.073 Jugendliche an zwanzig berufsbildenden Schulen die neue Ausbildungsvorbereitung. Erstmals wurde durch Übergabegespräche zwischen Stadtteilund Berufsschulen sichergestellt, dass alle schulpflichtigen Abgänger der Stadtteilschulen ohne Ausbildungsreife in die AV aufgenommen werden konnten. Die Lehrkräfte und 60 AV-Begleiter beraten und unterstützen die Jugendlichen. Die ersten Rückmeldungen aus den Schulen sind erfreulich (siehe auch S. 25): Nach drei Monaten hatten 72 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen betrieblichen Praktikumsplatz, 88 Jugendliche erhielten einen Ausbildungsplatz, davon 17 einen geförderten. Besonders zu begrüßen ist die außerordentlich hohe Bereitschaft der Hamburger Betriebe, sich als Partner in der Ausbildungsvorbereitung zu beteiligen (siehe auch Redeauszug S. 24). Die neuen Maßnahmen werden vom Europäischen Sozialfonds (ESF) mit rund neun Millionen Euro gefördert.

Mit der Pilotierung im Schuljahr 2010/11 wurde die Berufsqualifizierung (BQ) erprobt. Die Erprobung erfolgte an der Staatlichen Gewerbeschule Stahl- und Maschinenbau (G 1) mit dem Beruf Metallbauer/in und der Staatlichen Gewerbeschule Gastronomie und Ernährung (G 11) für Berufe in der Gastronomie und Hotellerie in jeweils einer Lerngruppe. Die Anmelderunde ab April 2010 gestaltete sich schwierig, weil das Angebot in den abgebenden Schulen und bei den Beratungs- und Vermittlungsinstitutionen nicht hinreichend bekannt war. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Teilnehmergewinnung konnten die beiden Lerngruppen an der G 1 und G 11 nur mit 15 bzw. 16 Jugendlichen beginnen.

Berufsqualifizierung im Rahmen des Hamburger Ausbildungsmodells Für schulpflichtige Jugendliche, die trotz Ausbildungsreife keinen dualen Berufsausbildungsplatz gefunden haben, ist das „Hamburger Ausbildungsmodell“ mit der Berufsqualifizierung (BQ) konzipiert worden. Ziel ist es, sie als erstes Jahr der Berufsausbildung zu nutzen und binnen eines Jahres in eine duale Ausbildung einzutreten. Die Ausbildung beginnt mit einem mehrwöchigen Berufsschulunterricht. An­ schließend lernen die Jugendlichen im ersten Halbjahr an ein bis zwei Wochentagen in der berufsbildenden Schule und im Übrigen in einem Betrieb. Im zweiten Halbjahr nehmen sie dann weiterhin am regulären Unterricht der berufsbildenden Schule teil, lernen im Betrieb und je nach Ausbildungsberuf in schulischen Werkstätten. Die Lehr- und Lerninhalte entsprechen denen des ersten Ausbildungsjahrs in der dualen Berufsausbildung. Die Jugendlichen erhalten im ersten Ausbildungsjahr keine Ausbildungsvergütung. Wer nach einem Jahr keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden hat, wechselt in

Als Ergebnisse lassen sich festhalten: Die sieben zum Ende des Probehalbjahrs an der G 11 verbliebenen Teilnehmenden traten alle in eine duale Berufsausbildung im Betrieb ein, zwei davon mit der Anerkennung eines halben Jahres auf die Ausbildungszeit. Sieben Teilnehmende der G 1 wechseln in das zweite Halbjahr der Berufsqualifizierung. Zum August 2011 trat ein Teilnehmer eine duale Berufsausbildung im Betrieb an, sechs traten eine trägergestützte Berufsausbildung (im zweiten Ausbildungsjahr) an. Die Erfahrungen aus den Abbrüchen zeigen, dass im Rahmen des Bewerbungs- und Aufnahmeverfahrens deutlicher über die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen informiert werden muss. Im Schuljahr 2011/12 befinden sich über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Berufsqualifizierung des Hamburger Ausbildungsmodells. Um alle angebotenen Plätze zu nutzen, wurden Schülerinnen und Schüler der teilqualifizierenden Berufsfachschule auf dieses Angebot zum 2. Schulhalbjahr erneut hingewiesen. Es ist geplant, zu Beginn des Schuljahres 2012/13 rund 450 Plätze für die Berufsqualifizierung bereit zu stellen. Auf Basis der im Juli 2011 beschlossenen Ausbildungsund Prüfungsordnung der teilqualifizierenden Berufsfachschule Berufsqualifizierung sind die Zahl der Berufe und Aufnahme-

kapazitäten für das Schuljahr 2012/13 erweitert worden. Zurzeit werden aktuelle Informationen und Flyer an die Schulen versandt. Duale Berufsausbildung und vollqualifizierende Berufsfachschule plus Erwerb der Fachhochschulreife Die Durchlässigkeit zum Erwerb höherer Schulabschlüsse ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Reform der beruflichen Bildung. So kann in Hamburg ab dem Schuljahr 2011/12 flächendeckend parallel zur dualen Berufsausbildung die Fachhochschulreife („Dual Plus FHR“) erworben werden: Dies macht die duale Ausbildung noch attraktiver und erschließt für die Jugendlichen weitergehende Berufsperspektiven. Zudem ist es auch bildungsökonomisch sinnvoll: Im Vergleich zum konsekutiven Weg über den Besuch einer Fachoberschule nach der Berufsausbildung wird die Gesamtausbildungsdauer mit entsprechenden Kostenwirkungen um ein Jahr verkürzt. Im Rahmen einer schulischen Zusatzqualifizierung erhalten Schülerinnen und Schüler mit einem guten mittleren Schulabschluss und einer mindestens dreijährigen Ausbildungsdauer zusätzlich insgesamt 600 Unterrichtsstunden. Im vergangenen Jahr nahmen an vier Schulen 78 Auszubildende das Angebot wahr. Nach dem derzeitigen Planungsstand (Januar 2012) beläuft sich die Summe der teilnehmenden Auszubildenden auf 351 Schülerinnen und Schüler. Dabei zeigt sich, dass die Gewerbeschulen mit über 200 Schülerinnen und Schülern stark vertreten sind. An den kaufmännischen Berufsschulen haben viele Auszubildende bereits die Fachhochschulreife oder allgemeine Hochschulreife. Darüber hinaus wird schrittweise für alle vollqualifizierenden Berufsfachschu­ len, die auf dem mittleren Schulabschluss aufbauen, die Möglichkeit eingeführt, zusätzlich zum Berufsabschluss die Fachhochschulreife zu erwerben. Die Berufsfachschule für Sozialpädagogische Assistenz bietet diese Möglichkeit seit August 2011, weitere vollqualifizierende Berufsfachschulen werden zum August 2012 folgen.

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Foto: Michael Kottmeier

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Mit der Änderung der Ausbildungsund Prüfungsordnung für berufsbildende Schulen – allgemeiner Teil – (APO-AT) wurde die Grundlage dafür gelegt, die Fachhochschulreife parallel zur dualen Berufsausbildung oder zur vollqualifizierenden Berufsfachschule optional zu erwerben. Dort sind die grundsätzlichen Regelungen zur Erlangung der Fachhochschulreife benannt. In den speziellen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen sind die besonderen Festlegungen für die einzelnen Bildungsangebote zu finden. Berufsoberschule (BOS) Ab dem Schuljahr 2012/13 wird das Bildungsangebot der Berufsoberschule (BOS) eingeführt, zunächst beginnend mit der Jahrgangsstufe 12, im Folgejahr dann aufwachsend mit der Jahrgangsstufe 13. Die BOS führt Schülerinnen und Schüler mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem insgesamt zweijährigen Bildungsgang der Jahrgangstufen 12 und 13 zur fachgebundenen Hochschulreife oder – bei Nachweis oder Belegung einer

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zweiten Fremdsprache – zur allgemeinen Hochschulreife. (Nähere Informationen siehe www.hibb.hamburg.de > Berufsbildende Schulen > Übersicht über Schul­ formen) Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz verbessert Die Ausbildung an der Berufsfachschule für Sozialpädagogische Assistenz ist bereits qualitativ weiter entwickelt worden. Zum einen kann ab dem Schuljahr 2011/12 auch hier die Fachhochschulreife erworben werden. Zum anderen wird das Curriculum um 480 Unterrichtsstunden erweitert und mit dem Ziel überarbeitet, dass Absolventen dieser Berufsfachschule in die verkürzte Ausbildung der Fachschule für Sozialpädagogik eintreten können. Fazit Die Auswertung der Pilotprojekte und die ersten Ergebnisse der zu Schuljahresbeginn flächendeckend eingeführten Maßnahmen zeigen, dass der in Hamburg eingeschlagene Weg erfolgsversprechend ist. Die Neu-

ausrichtung hin zu einer Anschlussorientierung und Intensivierung der Berufs- und Studienorientierung in den allgemeinbildenden Schulen, die individuelle Begleitung im Übergangssystem, die Konzentration auf Angebote mit Berufsperspektive sowie die enge Zusammenarbeit mit den Betrieben verbessern für die Schülerinnen und Schüler den Zugang zur Berufsausbildung, und damit zu besseren Berufs- und Lebensperspektiven. Denn ausgebildete Fachkräfte werden auf dem Arbeitsmarkt zunehmend dringend gesucht. Parallel zu der dualen Ausbildung auch die Fachhochschulreife erwerben zu können sowie die neue Berufsoberschule sind ebenso wichtige Beiträge zur Erhöhung der Bildungsabschlüsse. Niemand soll verloren gehen und alle Jugendlichen einen Ausbildungsabschluss oder eine Hochschulzugangsberechtigung erlangen, das ist das Ziel beruflicher Bildung. Rainer Schulz, Uwe Grieger (HIBB)

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Im Überblick

Änderung der Zulassungsbedingungen zum 01.08.2012 Die berufsbildenden Schulen sind durch die Schulaufsicht über folgende Änderungen der Zulassungsbedingungen zuletzt im Januar 2012 informiert worden:

a) teilqualifizierende Berufsfachschule (BFS tq) Zur teilqualifizierenden Berufsfachschule (BFS tq) zugelassen wird – und das letztmalig für das Schuljahr 2012/13 –, wer 1. den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss oder eine als gleichwertig anerkannte Vorbildung erworben hat und nach dem Abschlusszeugnis oder nach dem Zeugnis über die als gleichwertig anerkannte Vorbildung über die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch mindestens eine Durchschnittsnote von 3,3 erreicht hat, 2. schulpflichtig ist oder das 18. Lebensjahr am 1. August des Schuljahres, in dem die Ausbildung begonnen wird, noch nicht vollendet hat und 3. die von der Berufsfachschule in der jeweiligen Fachrichtung geforderten Anmeldeunterlagen innerhalb der von der Schule festgesetzten Anmeldefrist eingereicht hat. Überschreiten Schülerinnen und Schüler die in Absatz 1 Nummer 2 genannte Altersgrenze, können sie in begründeten Ausnahmefällen zugelassen werden, wenn persönliche Belastungen oder andere schwerwiegende Gründe sie daran gehindert haben, trotz Erfüllung der sonstigen Zulassungsvoraussetzungen zu einem früheren Zeitpunkt in den Bildungsgang einzutreten. Die Entscheidung trifft die zuständige Behörde. b) teilqualifizierende Berufsfachschule (BFS tq) – Höhere Handelsschule Zur teilqualifizierenden Höheren Handelsschule wird zugelassen, wer schulpflichtig ist oder das 18. Lebensjahr am 1. August

des Schuljahres, in dem die Ausbildung begonnen wird, noch nicht vollendet hat. Zudem muss der mittlere Schulabschluss mit einer Durchschnittsnote (ohne das Fach Sport) von mindestens 3,3 und über die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch mindestens eine Durchschnittsnote von 3,5 erreicht worden sein und in keinem der Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch die Note 5 aufweisen. Über Ausnahmen zur genannten Altersgrenze entscheidet die zuständige Behörde. c) teilqualifizierende Berufsfachschule (BFS tq) – Handel und Industrie (HUI) Die Deputation hat die Aufhebung der APOHUI beschlossen, sodass zum 01.08.2012 keine neue Klasse HUI eingerichtet wird. d) Berufliches Gymnasium (BG) Die Deputation hat der vorgeschlagenen Neufassung der APO-AH im Dezember 2011 zugestimmt. Die maßgeblichen Veränderungen beziehen sich auf § 38 – Übergang in die Vorstufe des beruflichen Gymnasiums. Dort heißt es jetzt: (1) In die Vorstufe des beruflichen Gymnasiums können Schülerinnen und Schüler eintreten, die 1. ihre besondere Eignung und Neigung für die berufsbezogene Ausrichtung des Bildungsgangs in einem Bewerbungsschreiben dargelegt und durch Vorlage weiterer Unterlagen wie beispielsweise einer Dokumentation einschlägiger Praktika, einer Empfehlung im Rahmen der Berufs- und Studienwegeplanung an einer vorher besuchten Schule oder eines Ergebnisses einer externen Berufsberatung nachgewiesen haben und

2. in die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums, eines einem Gymnasium angeschlossenen Aufbaugymnasiums, der Stadtteilschule oder eines einer Stadtteilschule angeschlossenen Aufbaugymnasiums versetzt wurden oder 3. den Realschulabschluss oder einen von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannten Schulabschluss mit der nach Absatz 2 berechneten Durchschnittsnote von mindestens 3,0 sowie der Durchschnittsnote 3,0 in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch erreicht haben.(…) Mit der unter 1. aufgeführten Zulassungsregelung wird die nach dem Schulgesetz vorgesehene Ausrichtung der beruflichen Gymnasien hinsichtlich der Eignung und Neigung der Schülerinnen und Schüler konkretisiert. Im Fokus der zukünftigen Weiterentwicklung dieser speziellen Schulform steht nunmehr der Aufbau einer systemischen Kooperation mit der Stadtteilschule, wobei sich der Umfang der Kooperation von aufeinander abgestimmten Unterrichtsangeboten bis zu einer gemeinsam verantworteten Oberstufe erstrecken könnte. Helmuth Köhler (HIBB)

Weitere Infos im Internet unter www.hibb.hamburg.de > Schulreform

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Auszug aus dem Grußwort

„Die Chancen der Dualisierung“ Jörg Ungerer, Handwerkskammer Hamburg, auf dem 1. Fachtag „AV-Dual“ am 23. November 2011 in der Handwerkskammer Hamburg

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Welche Chancen in der Dualisierung der Lernorte stecken, will ich kurz aus der Perspektive des Handwerks skizzieren. Das Schöne daran ist, dass die Chancen der Schülerinnen und Schüler mit den Chancen der Betriebe unseres Wirtschaftszweiges zusammenfallen – das ist eine klassische Win-win-Situation. Was für das Handwerk zu gewinnen ist, ergibt sich ganz direkt aus der aktuellen Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Vergessen Sie die Rede vom drohenden Fachkräftemangel – im Handwerk ist er längst Realität! (…) Ähnlich sieht es auf dem Ausbildungsmarkt aus. Zwar haben wir dort stabile Schulabgängerzahlen, aber der Bewerberzustrom aus dem Umland lässt nach. Ca. 15 Prozent der Ausbildungsplätze im Hamburger Handwerk bleiben unbesetzt. (…) Die Chancen, die sich aus der Dualisierung ergeben, lassen sich aus Sicht des Handwerks auf drei Ebenen beschreiben: 1. Im allgemeinbildenden Schulsystem schafft die Dualisierung die Voraussetzungen für eine völlig neue, erfolgreichere Lernkultur: Für sogenannte „bildungsbenachteiligte“ Jugendliche bestehen reale Aussichten, sich solide Kompetenzen zu erwerben. Das „Selber-Lernen“ der Jugendlichen wird dadurch in Gang gesetzt, dass sie das, was sie lernen sollen, auch brauchen. Und dieser Fall tritt erwiesenermaßen besonders oft ein, wenn Jugendliche

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Foto: Uwe Grieger

ass die Dualisierung von Berufsorientierung (BO) über die Ausbildungsvorbereitung (AV) bis zur staatlichen Berufsqualifizierung im Hamburger Ausbildungs­modell mehr Chancen als Risiken beinhalten würde, war vielfach belegt: In Projekten wie KOMPASS, PraxisLerntag, TransFer oder auch dem Schulversuch KooBi wurde vorgearbeitet und empirisches Fundament gelegt.

Jörg Ungerer, Handwerkskammer Hamburg in betrieblichen Kontexten erleben, dass jemand etwas mit Selbstverständlichkeit von ihnen erwartet, was andere auch können. Und dann kommt die Spirale nach oben in Gang: Junge Leute erfahren – oft zum ersten Mal – die Selbstwirksamkeit der eigenen Person und bekommen Mut, sich etwas zuzutrauen und weiter zu lernen. Die Dualisierung schafft also diese kostbare positive Spannung, die zum selbstständigen Kompetenzerwerb motiviert. Auf mittlere Sicht wird die Dualisierung der Lernorte darum nicht nur Berufsorientierung und Berufswahl verbessern. Vielmehr setzen unsere Ausbildungsbetriebe auch darauf, dass wir möglichst viele der „bildungsbenachteiligten“ Schülerinnen und Schüler zu ausbildungsreifen Bewerberinnen und Bewerbern erziehen und bilden. Denn das Handwerk braucht sie alle, und zwar für die kommenden Jahrzehnte. (…) 2. Die systematische Dualisierung in Schule und Ausbildungsvorbereitung bietet erstmals die Chance, die Lernorte Schule und Betrieb strukturiert, regelhaft und

nachhaltig in der Fläche zu vernetzen. Das bedeutet für die Zukunft eine ganz neue Qualität der altbekannten „Kooperation Schule-Wirtschaft“. Auf dem Weg dahin erleben wir alle derzeit ja schon eine angenehme Überraschung: Die große Bereitschaft der Unternehmen, sich als Praktikumsbetrieb an AV-Dual zu beteiligen. (…) In diesem Zusammenhang möchte ich auch kurz noch auf das Oberthema des heutigen Fachtags Bezug nehmen. Ich habe mich gefreut, dass Sie der „Mentorenarbeit“ so viel Bedeutung zumessen und sie sogar zum Grundprinzip erheben. Es wird das Rezept Ihres Erfolgs bei den Unternehmen sein, dass die Mentorinnen und Mentoren gleichermaßen Begleiter der Jugendlichen wie verlässliche Ansprechpartner der Betriebe sind. In letzterer Funktion ist die Bedeutung der Mentoren nach meiner Auffassung kaum zu überschätzen. Denn für die dauerhafte Dualisierung der Lernorte ist es ja fundamental, dass die knappe Ressource Betrieb – so sehr sich die Unternehmen vielfach aus eigenem Interesse in Kooperation begeben – gepflegt und nicht verbrannt wird. 3. Zum Schluss sei nun aber noch die dritte Ebene genannt, die das System der dualen Berufsbildung selbst betrifft, aus dem das neue Paradigma entlehnt ist und auf das es wiederum positiv zurückwirken mag. (…) Auch bei den Lehrkräften der allgemeinbildenden Schulen und den Eltern der Schülerinnen und Schüler kann die Dualisierung der Lernorte unser Berufsbildungssystem insgesamt durchaus aufwerten – wenn es nämlich allmählich wieder selbstverständlicher wird, dass man in der Welt und für die Welt lernt, zu der die Schule ebenso gehört wie die Arbeit mit Dingen und Menschen. (…)“ Jörg Ungerer Handwerkskammer Hamburg

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Aus dem Abschlussbericht über die Pilotprojekte

Zwei Fallbeispiele zur Ausbildungs­vorbereitung Es sind nicht nur die Zahlen, die zeigen, wie erfolgreich das Arbeiten nach dem AV-Konzept ist. Erfolge werden auch deutlich, wenn einzelne Jugendliche genau betrachtet werden: In seinem Tempo

Foto: Lars Krüger

Beispiel T: Ts Aussage zu Beginn des Schuljahres war: „Ich weiß nicht, was ich werden möchte. Ich habe keine Ahnung.“ Dabei klang er verzweifelt (und seine Mutter noch mehr). Er fand heraus, dass er gerne draußen im Freien war. Aber als Gärtner oder Garten- und Landschaftsbauer wollte er nach seinen Erfahrungen in einer Gärtnerei nicht arbeiten. Auch handwerkliches Arbeiten wollte er nicht. Bei der Arbeit im Lager war sein Nein nicht ganz so vehement.

In der Schule suchte er sich gern Aufgaben, bei denen er etwas sortieren konnte, So entstand die Idee, sich bei der Post zu bewerben. Das Vorstellungsgespräch wurde im Rollenspiel in der Mentorenrunde geübt. Er trug bei Sonne und Regen die Post mit dem Fahrrad aus und sagte nach kurzer Zeit strahlend: „Ich will Postbote werden!“ Für den Einstellungstest holte er sich Tipps aus der Mentorenrunde. Bei der ersten Bewerbung erhielt er eine Ablehnung. Jetzt war es für T sehr wichtig, den Dialog mit seiner Mentorin über seine nächsten Schritte in seinem Tempo führen zu können: Nach der Anerkennung und Benennung der Tatsache, dass eine Ablehnung auf jeden Fall erst einmal verkraftet werden muss und unangenehm ist, wurde Tag für Tag und wohldosiert über Fragen wie „Möchtest Du wissen, warum sie Dich abgelehnt haben?“ und „Möchtest Du Dich woanders für denselben Beruf bewerben oder kannst Du Dir doch eine Ausbildung zum Fachlageristen vorstellen?“ gesprochen.

Die erste Ablehnung änderte Ts Entschluss nicht, und auf seine zweite Bewerbung erhielt er eine Zusage. Das plötzlich erwachte Interesse an Dreisatz und Rechtschreibung Beispiel Y: Y. lernte beim Büroausstattungsmarkt St. und wollte unbedingt dort eine Ausbildung machen. Er war seinem Anleiter aber nicht genau genug bei der Arbeit. Erst nach Monaten war Y bereit, sich umzuorientieren. Er wechselte zum Baumarkt. Hier ließ er auch mal Paletten im Gang stehen – es fiel nur nicht auf, weil ohnehin überall Paletten herumstanden. Seine Anleiterin war begeistert von ihm, sein Praktikum ging in ein QuAS-Praktikum über und die Möglichkeit eines Ausbildungsplatzes stand im Raum. Y.s Vater war endlich einmal zufrieden mit seinem Sohn, und der Sohn konnte auf der positiven Grundlage genauer hinschauen, wo seine Stärken und seine Schwächen lagen. Die Arbeitsagentur hielt ihn jedoch für zu schwach und war nicht bereit, eine Ausbildung zu fördern. Y. war bereit für den Weg des normalen Einstellungsverfahrens und interessierte sich plötzlich für Dreisatz und Rechtschreibung. Seine guten Testergebnisse und die gute Beurteilung seiner Anleiterin erbrachten ihm einen Ausbildungsplatz, der ihm wiederum Förderung durch die Agentur ermöglichte. Hierfür war es auch wichtig, dass die Mentorin mit zur Agentur ging und u.a. über Beurteilungsgespräche im Betrieb berichten konnte. Dr. Ellen Märker, Hartmut Sturm (HIBB)

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Kooperation zwischen Stadtteilschule und berufsbildender Schule

Berufsorientierung statt Anschlussschwierigkeiten Berufsorientierung flächendeckend in den Stadtteilschulen einzuführen, ist eines der ehrgeizigen Ziele des Hamburger Senats. Dabei wird auch auf die Unterstützung durch Berufsschullehrerinnen und -lehrer gesetzt. Sie sollen mit ihren besonderen Kenntnissen und Erfahrungen aus den betrieblichen Arbeitsprozessen und der Kooperation mit Wirtschaftsbetrieben in die Stadtteilschule hinein wirken.

I

der unversorgten Bewerber im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen (von 4.616 auf 5.443 um 17,9 Prozent bzw. von 3.046 auf 3.536 um 16,1 Prozent). Im Bundesvergleich liegt Hamburg damit bei den gemeldeten Bewerbern deutlich über dem durchschnittlichen Anstieg von nur 4,4 Prozent. In Hamburg hat die Berufs-„Anschluss“Orientierung zu Recht Konjunktur. Die Rahmenvorgaben für die BO-SO sind mittlerweile unter Berücksichtigung der jeweiligen schulspezifischen Situation umgesetzt. Sie sind nach Auswertung der Rückmeldungen der Schulen nochmals überarbeitet worden und liegen jetzt in der aktualisierten Fassung vor. Die Auswer-

tung zeigte, dass die Kooperationsvereinbarungen zwischen den berufsbildenden Schulen und den Stadtteilschulen oft zu unspezifisch waren, sehr unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit (vom Werkstattunterricht in der Berufsschule bis zur Einzelberatung) vereinbart wurden und manche Stadtteilschulen mit mehreren berufsbildenden Schulen kooperierten. Die Übergangsberatung in den Abschlussklassen war nicht in allen Fällen Gegenstand der Kooperation und setzte oft zu spät ein. Ausblick und Entwicklungsauftrag Mit Einführung einer Jugendberufsagentur im September 2012 wird die Zusammenar-

Foto: Lars Krüger

m Schuljahr 2010/11 wurde diese Kooperation erprobt. Dabei zeigte sich ein deutlicher Qualitätsgewinn für die Berufs- und Studienorientierung (BO-SO) der Schülerinnen und Schüler. Berufsorientierung und Übergangsmanagement konnten durch die Kooperation von Stadtteilschulen, berufsbildenden Schulen und Agentur für Arbeit weiterentwickelt und deutlich verbessert werden. Das größere Interesse und gesteigerte Engagement der Jugendlichen zeigt sich auch an der deutlichen Steigerung der Bewerberzahlen und der Inanspruchnahme der Beratungsleistungen der Arbeitsagentur (Einschaltquote). So ist sowohl die Zahl der bei der Agentur gemeldeten wie auch

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beit zwischen allgemeinbildender Schule, berufsbildender Schule, der Agentur für Arbeit, Teamarbeit Hamburg sowie der Jugendhilfe neu geregelt. Die BO-SO bekommt hierbei einen besonderen Stellenwert. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit gestaltet sie die Grundlage für die Beratung, Begleitung und Unterstützung in allen Angelegenheiten der Berufswahlentscheidung: „Niemand darf verloren gehen!“. Die Aufgaben und Zuständigkeiten der beiden Partner der BO-SO, Stadtteilschule und berufsbildende Schule, sind auch vor diesem Hintergrund zu präzisieren. Mit dem Rahmenkonzept für die BO-SO werden u. a. verbindliche Themen bestimmt und Verantwortlichkeiten geregelt, welche die Kooperation Stadtteilschulen und berufsbildenden Schulen betreffen. Konkreter als bisher – so das Ergebnis der Modellprojekte – müssen die Kernaufgaben der Verantwortlichen für die Berufsorientierung an der Stadtteilschule und der Lehrkräfte berufsbildender Schulen definiert und Kooperationen gestaltet sein. Entsprechend dem Rahmenkonzept koordinieren und steuern die BO-Beauftragten der Stadtteilschulen die in der jeweiligen Einzelschule vereinbarten Unterrichtsvorhaben. Sie stimmen die schulischen Maßnahmen der BO-SO mit den außerschulischen Partnern ab, d.h. sie sind verantwortlich für die Erstellung der Jahresplanung und die Festlegung der konkreten Aufgaben der Lehrkräfte in jedem Jahrgang. Ihre Aufgabe ist es außerdem, die Absprachen mit der zuständigen berufsbildenden Schule und der Jugendberufsagentur zu treffen. Weiterhin gewährleisten sie die Mitarbeit in den bezirklichen Netzwerkgruppen und ermöglichen den Informationsfluss, die erforderliche Qualifizierung und den Erfahrungsaustausch. Kernaufgaben der Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen Die Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen unterstützen die Lehrkräfte der Stadtteilschulen, die Fachberaterinnen und -berater der Agentur für Arbeit und die Mitarbeitenden der Jugendberufsagentur. Sie sind mindestens an einem Tag je Woche in der Stadtteilschule präsent, um verlässlich erreichbar zu sein. Die Aufgaben lassen sich in drei Schwerpunkte gliedern: Aufgabenschwerpunkt I ist die Unterstützung und Begleitung im Einzelfall. Dazu

gehören u.a. die Vorbereitung, Begleitung und Auswertung betrieblicher Praktika, die Vorbereitung auf Beratungs- und Bewerbungsgespräche sowie die Initiierung von und Mitwirkung an Fallkonferenzen. Aufgabenschwerpunkt II ist die Information und Beratung von Schülerinnen und Schülern sowie gegebenenfalls die Qualifizierung von Lehrkräften und Eltern. Die Beratung wird durch Informationsveranstaltungen ergänzt, deren Themen u.a. Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt, Bildungsabschlüsse und Weiterbildungsmöglichkeiten, staatlich finanzierte Ausbildungsangebote sind. Aufgabenschwerpunkt III ist die Zusammenarbeit mit der Jugendberufsagentur. Hierzu gehören: Beratung und Unterstützung der Stadtteilschule beim Aufbau innerschulischer Strukturen zur Erfassung des Standes der beruflichen Orientierung der Schülerinnen und Schüler und Übermittlung der Daten an die Jugendberufsagentur, Prognose des Bedarfs an erforderlichen Anschlussangeboten neben der dualen Ausbildung, Vorauswahl der Schülerinnen und Schüler und Anbahnung der Vermittlung in die jeweiligen Ausbildungsangebote, Mitarbeit in der Jugendberufsagentur. Grundsätze der Kooperation von Stadtteilschulen und berufsbildenden Schulen Um die Kooperation zwischen den Stadtteilschulen und den berufsbildenden Schulen zu professionalisieren und qualitativ weiterzuentwickeln, können die berufsbildenden Schulen im Rahmen eines zurzeit laufenden Interessensbekundungsverfahrens ihr Interesse an einer Mitarbeit an dem Kooperationskonzept erklären und den bzw. die gewünschten Kooperationspartner benennen. Dies sollte nach Rücksprache mit den betroffenen Stadtteilschulen erfolgen. Dabei ist eine sozialräumliche Verantwortung der kooperierenden berufsbildenden Schulen mit den Stadtteilschulen in jeweils einem Bezirk vorgesehen. Die Kooperation wird zukünftig nach folgenden Grundsätzen gestaltet: Alle Schülerinnen und Schüler – auch die Abbrecher in der Sekundarstufe II – werden mit ihrer jeweiligen Anschlussperspektive erfasst und so lange im Rahmen eines Monitoring begleitet,

Foto: Lars Krüger

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bis sie eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Im regionalen Bildungsraum wird künftig ein Netzwerk am Übergangprozess Beteiligter entstehen, das die systematische Übergangsbegleitung organisiert und gewährleistet. Die Kooperation konzentriert sich auf je eine Stadtteilschule und eine berufsbildende Schule, um die Kräfte zu bündeln. Schwerpunkte sind die oben beschriebenen Aufgaben der Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen. Die berufsbildenden Schulen verpflichten sich, im Grundsatz nur Lehrkräfte mit mindestens 0,3 Stellenanteil in einer Stadtteilschule einzusetzen. Im Jahrgang 10 liegt der Schwerpunkt auf einer verlässlichen Begleitung in die berufliche Ausbildung bzw. in weiterführende Bildung. Sie erfolgt in Kooperation mit der Jugendberufsagentur. Die Kooperation umfasst auch Maßnahmen in der Sekundarstufe II. Bestandteile der Kooperation sind auch die Evaluation, die Qualitätssicherung sowie die qualitative Weiterentwicklung der gemeinsamen Arbeit (Standards, Erfolgskriterien, Fortbildungsbedarf). Dr. Alfred Lumpe, Amt für Bildung der BSB Hartmut Schulze (HIBB)

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Ausbildungsvorbereitung

Produktionsschulen als Baustein der Reform Im Rahmen der aktuellen Reform der beruflichen Bildung in Hamburg wurden Maßnahmen entwickelt1, die Jugendlichen ohne hinreichende Ausbildungs- und Betriebsreife und ohne Anschlussperspektive bei ihrer Orientierung am Übergang Schule – Beruf helfen und einen zügigen Übergang in Berufsausbildung, (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung oder weiterführende Schulen ermöglichen. Zu diesen Maßnahmen gehören auch die Produktionsschulen, die seit 2009 stufenweise eingerichtet wurden.

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roduktionsschulen stellen eine gleichwertige Alternative zur Ausbildungsvorbereitung an berufsbildenden Schulen dar und haben sich zu einem wichtigen Baustein des neustrukturierten Übergangssystems in Hamburg entwickelt. Sie sind daher als ein die Erfüllung der Schulpflicht an Berufsvorbereitungsschulen ersetzendes Angebot für Jugendliche anerkannt. Produktionsschulen sind Einrichtungen der arbeitsorientierten und beruflichen Bildung, in denen Arbeiten und Lernen kombiniert werden (vgl. u. a. Biermann 1992; Bojanowski 1996; Rapp 2005; Gentner / Kipp 2008; Büchter / Gentner 2011)2 und sind – ideengeschichtlich wie auch realgeschichtlich – eine berufspädagogische Domäne. Der Arbeits- und Lernalltag einer Produktionsschule wird in betriebsähnlichen Strukturen organisiert. Das (berufs-)pädagogische Konstrukt der Produktionsschule mit seinen konstituierenden Merkmalen der marktorientierten Produktion bzw. Dienstleistungserstellung in annähernd betrieb­ lichen Strukturen und der Verknüpfung der Lernprozesse über die Produktionsprozesse ermöglichen die Vermittlung grundlegender beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Aufnahme einer Berufsausbildung ­oder einer Erwerbstätigkeit notwendig sind (vgl. u. a. Kipp u. a. 2000; Koch 2002; Dör­mann u. a. 2008; Gentner 2005 sowie Gentner u. a. 2008). Der Erwerb und die Entwicklung von sozialen, personalen und weiteren berufsbezogenen Kompetenzen (zertifiziert durch entsprechende Teilqua-

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lifizierungen, Qualifizierungsbausteine u. a.) in den Werk­stattbereichen sowie in Betriebspraktika stehen im Vordergrund. Mit der den Produktionsschulen zugestandenen „Produktverantwortlichkeit“ und der Notwendigkeit, marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu erbringen, entsteht für die Jugendlichen eine Ernstsituation, die Stolz und Selbstbewusstsein erzeugt und die den bisherigen Misserfolgserlebnissen entgegenwirkt. Das Angebot verschiedener Werkstatt- und Dienstleistungsbereiche gibt den Jugendlichen Raum, sich zu erproben. Die Jugendlichen können sich bei ihrem Eintritt in die Produktionsschule – abhängig von ihrer individuellen Lebensgeschichte sowie der sozialen und kulturellen Ressourcenausstattung ihrer Herkunftsfamilie – auf sehr unterschiedlichen Bildungs- und Entwicklungsniveaustufen befinden. Ungefähr die Hälfte der Jugendlichen hat einen Migrationshintergrund. Um die 80 Prozent kommen ohne ersten allgemeinbildenden Schulabschluss an die Produktionsschule; hinzu kommen noch fünf Prozent, die direkt aus den Förderschulen kommen. Etwa ein Viertel der Jugendlichen erhalten Hilfen zur Erziehung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Hier hat sich bewährt, dass Produktionsschulen einen ganzheitlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag wahrnehmen – dies in enger Kooperation mit verschiedenen Beratung- und Unterstützungseinrichtungen (z. B. Jugendgerichtshilfe / Bewährungshilfe, REBUS oder Familieninterventionsteam).

Dass das herkömmliche berufspädagogische Konzept der Verbindung von Arbeiten und Lernen in betriebsähnlichen Strukturen auch und besonders für diese Jugendlichen „funktioniert“, zeigen die Übergangszahlen: Im Jahr 2010/2011 haben 60,7 Prozent der 333 Jugendlichen, die die Produktionsschule verlassen haben, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden oder sie haben sich durch neugewonnene Lernmotivation dazu entschlossen, eine weiterführende Schule oder eine Weiterqualifizierung zu besuchen.3 Die Erfahrungen der ersten Produktionsschuljahre zeigen, dass die Produktionsschulen nicht als Parallelsystem zu bestehenden schulischen berufsvorbereitenden Maßnahmen zu verstehen sind, sondern ein originäres Unterstützungs-, Bildungs- und Qualifizierungsangebot bilden. Produktionsschulen bieten „unschulische“ Strukturen und Lernarrangements, eine transparente und überschaubare Lernumgebung sowie betriebsähnliche, an den Aufträgen realer Kunden ausgerichtete, Strukturen (mit leistungsbezogenem Produktionsschulgeld, Urlaub etc.). Dr. Cortina Gentner, Amt für Weiterbildung BSB

Anmerkungen: 1 Weitere Einzelheiten vgl. Bürgerschaftsdrucksache

19/8472.

2 Die Literaturliste kann bei der Autorin angefordert

werden.

3 Eine ausführliche Bilanzierung zu den Hamburger Pro-

duktionsschulen erfolgt im Ausbildungsreport 2012.

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Ergebnisse eines Schulversuchs

Die Reform und der Schulversuch EARA – Wechselwirkungen und Implikationen Der Schulversuch zur Erprobung neu strukturierter Ausbildungsformen im Rahmen des Ausbildungskonsenses 2007 - 2010 (EARA) ist im April 2007 gestartet. Bereits vor der aktuellen Reform der beruflichen Bildung in Hamburg wurden mit dem Schulversuch Ziele verfolgt und konzeptionelle Aspekte erprobt, die auch in der aktuellen Entwicklung eine Rolle spielen.

U

nter dem Titel „Erprobung neu strukturierter Ausbildungsformen im Rahmen des Ausbildungskonsenses 2007 – 2010“ führte das HIBB in der Beruflichen Schule für Büro- und Personalmanagement Bergedorf (H 17) und der Staatlichen Gewerbeschule für Informations- und Elektrotechnik, Chemie- und Automatisierungstechnik (G 18) seit August 2008 einen Schulversuch durch, in dem eine alternative Form der beruflichen Ausbildung erprobt wurde (vgl. Burghard 2008). Ziel des Schulversuchs war es, das Konzept der bisherigen vollqualifizierenden Berufsfachschule mit der Erlangung der Fachhochschulreife (FHR) und einem regulären dualen Ausbildungsabschluss zu verknüpfen und damit die bisher übliche Verweildauer vieler Jugendlicher im Schulsystem wesentlich zu verkürzen. Dazu absolvierten die Schüler zunächst einen 2-jährigen schulischen Ausbildungsabschnitt mit den Abschlüssen Technische Assistenz Informatik (an der G 18) bzw. Kaufmännische Assistenz (an der H 17) und der Fachhochschulreife (FHR). Integrierte Praktika ermöglichten den Erwerb der erforderlichen Praxisanteile zur FHR. Bei erfolgreichem Bestehen folgte ein 1,5-jähriger, rein betrieblicher Ausbildungsabschnitt mit dem Kammerabschluss zum Kaufmann für Bürokommunikation bzw. Fachinformatiker Systemintegration. Die Evaluation des Schulversuchs erfolgt mit dem Ziel, Erkenntnisse über die curriculare und didaktisch-methodische Umsetzung sowie über die Akzeptanz und den Erfolg der neuen Ausbildungsform zu gewinnen. Diese Erkenntnisse sind kontinuierlich in den Entwicklungsprozess zurück zu spiegeln und dadurch eine optimale Anlage und Durchführung des Schulversuchs zu gewährleisten. Informationen

sind zudem u.a. darüber zu generieren, welche Nebeneffekte erzielt werden und unter welchen Voraussetzungen Ergebnisse des Schulversuchs nachhaltig auf andere Ausbildungsbereiche transferiert werden können (vgl. Gillen 2010). Kombination eines beruflichen mit einem allgemeinbildenden Abschluss Mit den im Schulversuch angebotenen Bildungsgängen konnten die Schüler zwei berufliche Abschlüsse sowie einen allgemeinbildenden Abschluss zur Fachhochschulreife erlangen. Während im Schulversuch das Angebot zur Erlangung der Fachhochschulreife nicht optional umgesetzt werden konnte, d.h. alle Schüler des Bildungsgangs auf einem entsprechenden Niveau unterrichtet wurden, wird im Zuge der aktuellen Reformen zur Erhöhung der Durchlässigkeit zu höheren Schulabschlüssen ein optionaler Erwerb der Fachhochschulreife angeboten. Da das optionale Angebot als weniger selektiv anzusehen ist und den beruflichen Abschluss in den Vordergrund stellt, erscheint es tragfähiger und der heterogenen Schülerschaft angemessener. Gleichzeitig hat der Schulversuch jedoch die Vereinbarkeit sowie das Potential einer Kombination eines beruflichen sowie eines höheren allgemeinbildenden Abschlusses aufgezeigt. Gestufter Übergang Schule – Beruf Ein weiteres Merkmal, das den Schulversuch in Anlage, Struktur und Umsetzung prägte, war in der Konsekutivität des schulischen und betrieblichen Abschnitts zu sehen (vgl. WIRTH 2011). Ein Bildungsgang, in dem die Schüler zunächst den schulischen und anschließend den betrieblichen Teil absolvierten, stellte für die bildungspolitisch Verantwortlichen zumin-

dest in Teilen die Grundstruktur des dualen Systems in Frage (vgl. EARA 2012). Befürchtete betriebliche Vorbehalte gegen das konsekutive Modell konnten bei einer Befragung der ausbildungsplatzanbietenden Betriebe des Durchgangs 2008 nicht bestätigt werden (vgl. EARA 2012). Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Ergebnissen einer Befragung, die das BIBB 2007 bei Betrieben durchführen ließ (vgl. BELLAIRE / BRANDES 2008, 49). Mit dem Absolvieren betrieblicher Praktika während des schulischen Abschnitts und dem anschließenden betrieblichen Abschnitt erprobte der Schulversuch einen gestuften Übergang von der Schule in den Beruf. Die Schüler arbeiteten zunächst in ein oder mehreren Betrieben und erhielten anschließend die Möglichkeit, eine verkürzte duale Ausbildung zu beginnen. Diese besondere Form der Konsekutivität erfordert von den Versuchsschulen die Entwicklung neuer schulischer Begleitstrukturen und Angebote für die betrieblichen Phasen. Einen gestuften Übergang von der Schule in den Beruf sieht auch die neue Berufsqualifizierung im Rahmen des sog. Hamburger Ausbildungsmodells vor, in dem die schulischen Ausbildungszeiten auf die folgende Berufsausbildung angerechnet werden sollen. Gleichzeitig erfordern die gelenkten Praktika vieler Ausbildungsgänge eine aktivere Rolle der berufsbildenden Schulen in der Praktikumsphase. Auch in diesem Bereich gibt der Schulversuch wertvolle Hinweise. Zielgruppe Die neue Berufsqualifizierung richtet sich ebenso wie der Schulversuch an sog. marktbenachteiligte Jugendliche, welche die Ausbildungsreife erlangen, eine Entscheidung für einen Beruf getroffen und trotz in-

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R e g i o n a l es & Ü ber R e g i o n a l es n

n S c hwerpunk t

tensiver Bemühungen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben. Anders als der Schulversuch stellt das Hamburger Ausbildungsmodell jedoch eine zunehmend flächendeckende und reform-integrierte Maßnahme dar, die noch durch die dualisierte Form der Ausbildungsvorbereitung flankiert wird. Zusammenfassung Mit dem Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Umsetzung der Reform der beruflichen Bildung sind wesentliche Aspekte des Schulversuchs EARA aufge-

griffen und erweitert umgesetzt worden. Damit wurden die Kernziele des Schulversuchs, d.h. die Vermeidung unnötiger Qualifikations-Warteschleifen, die Er­ höh­ung der Durchlässigkeit zu höheren Schulabschlüssen sowie die Verbesserung des Übergangs Schule / Beruf bereits vor Abschluss des Versuchszeitraums erreicht, wenn auch in veränderter bzw. angepasster Form. Trotz des grundsätzlichen Erfolgs, der guten Erfahrungen und der Akzeptanz erscheint eine Weiterführung des Schulversuchs vor diesem Hintergrund weder sinnvoll noch notwendig. Während der

Literatur: - B  ELLAIRE, E. / BRANDES, H. (2008): Das duale System flexibel organisieren! Kombinationsmodelle der Ausbildung an Berufsfachschulen und in den Betrieben. In: BWP (4), 48-49. - B  URGHARD, J. (2008). Erprobung neu strukturierter Ausbildungsformen. IHBS 2008 [1], 34-35. - E ARA (2010). Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Schulversuches Erprobung neu strukturierter Ausbildungsformen im Rahmen des Ausbildungskonsenses 2007-2010 (EARA). Hamburg. - E ARA (2012). Abschlussdokumentation der wissenschaftlichen Begleitung des Schulversuches Erprobung

neu strukturierter Ausbildungsformen im Rahmen des Ausbildungskonsenses 2007-2010 (EARA). Hamburg. - GILLEN, J. (2010). Schulversuch BFSvq+Praxis. Zielsetzung und Aktivitäten der wissenschaftlichen Begleitung. bbh 2010 [1], 22. -W  IRTH, K. (2011): Verknüpfung schulischer und betrieblicher Ausbildungsanteile in konsekutiven Ausbildungsformen. In: U. FASSHAUER, B. FÜRSTENAU UND E. WUTTKE (Hrsg.): Grundlagenforschung zum Dualen System und Kompetenzentwicklung in der Lehrerbildung. Opladen: Budrich, 153-161.

Restlaufzeit werden daher die curricularen Prozesse sowie die Begleitstrukturen verstärkt in den Fokus rücken. Die erprobten Strukturen sind jedoch nicht in allen Aspekten und in vollem Umfang auf andere Berufsfelder transferierbar. Der Schulversuch EARA hat bereits vier Jahre vor der aktuellen umfassenden Reform der Berufsbildung typische strukturelle Probleme identifiziert und gelöst. Lange vor den Ergebnissen der Enquete-Kommission zu Hamburgs Schulstruktur sowie der aktuellen Reformdiskussion hat der Schulversuch EARA damit in einem abgeschlossenen Teilbereich der Berufsbildung Pionierarbeit geleistet. Insofern sind die im Schulversuch auf allen Ebenen gemachten Erfahrungen bei der Fortsetzung der aktuellen Reform nicht wegzudenken. Prof. Dr. Karin Wirth, Institut für Berufs- und Wirtschafts­ pädagogik, Universität Hamburg, [email protected] Kai-Olof Tiburtius (HIBB) [email protected]

Auftakt am 4.  April 2012

Schulentwicklungsplanung für berufsbildende Schulen Nach dem Hamburger Schulgesetz (§ 86 (2) HmbSG) ist für alle Schulen ein Schulentwicklungsplan aufzustellen. Unter Beteiligung der Schulen ist jetzt hiermit für die berufsbildenden Schulen begonnen worden. Dabei gilt es, Ziele und Perspektiven der beruflichen Bildung zu berücksichtigen, um auch bei Standortentscheidungen nachhaltige Entwicklungen zu unterstützen.

D

as übergeordnete Ziel der Schulentwicklungsplanung ist, die Leistungsfähigkeit der berufsbildenden Schulen in Hamburg hinsichtlich der beruflichen und gesellschaftlichen Integration junger Erwachsener weiter zu verbessern. Sie soll die berufsbildenden Schulen bei der Vermittlung von Handlungskompetenzen, d. h. Fach-, Personal- und Sozialkompetenzen unterstützen, um jungen Menschen mittelund langfristige Beschäftigungsfähigkeit, Berufs- und Karriereperspektiven und damit Lebensperspektiven zu eröffnen.

30 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

Dieses übergeordnete Ziel lässt sich bei der Schulentwicklungsplanung nur unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte, die sich in einem Spannungsverhältnis zueinander befinden, verfolgen. Insbesondere die mit der Planung verbundenen Entscheidungen zu den Schulstandorten können aufgrund differierender Voraussetzungen und Gewichtungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, müssen aber alle Aspekte berücksichtigen. Umgekehrt kann nicht allein ein Aspekt für eine Schulentwicklungsplanung ausreichen.

Zu konkretisieren sind insbesondere die vorhandenen Raumkapazitäten und Schulstandorte, die Veränderung der Schülerzahlen insgesamt sowie in den Bildungsgängen im Einzelnen (dieses insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung in Hamburg und in den Nachbarländern, aufgrund der Reformen in den allgemeinbildenden Schulen (Aufbau von Stadtteilschulen, Einführung der systematischen Berufs- und Studienorientierung) und aufgrund der Reformen in den

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berufsbildenden Schulen (Reform des Übergangssystems Schule – Beruf und Verbesserung der Möglichkeit zur Erreichung höherer Bildungsabschlüsse), die Anpassungsbedarfe bei der Raumplanung an die Erfordernisse der Unterrichtsentwicklung wie dem Lernfeldunterricht, des individualisierten Lernens und der Teamarbeit von Lehrerinnen und Lehrern, die zu schaffenden organisatorischen, räumlichen und strukturellen Voraussetzungen, um das in der Drucksache 18/3780 verankerte Leitbild einer selbstverantworteten Schule systematisch weiter zu entwickeln, die Erfordernisse zur Wahrung des Fachberufsschulprinzips sowie die Berücksichtigung der künftigen Bedarfe an Fachkräften und der im Arbeitsprogramm des Senats genannten Cluster, der Aspekte von Größe, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit der Schulen.

Schulentwicklungsplanung jetzt wichtig und auch zügig durchzuführen. Gemäß Drucksache 19/8472 ist in 2012 ein Schulentwicklungsplan für die berufsbildenden Schulen zu erarbeiten. Die Verständigung auf ein transparentes, kriteriengeleitetes und zielstrebiges Verfahren dient der Berücksichtigung aller relevanten Aspekte und der Ergebnissicherung. Daher sind schon in der Vorbereitungsphase bei der Formulierung der Ziele sowie der Beteiligungs- und Verfahrensstruktur die Schulleitungen – nicht zuletzt auf einer Klausur am 15. und 16. Dezember 2011 – beteiligt worden. Jetzt, in 2012, erfolgt die Planungs- und Arbeitsphase im eigentlichen Sinne. D. h., in diesem Jahr werden konkrete Vorschläge für die räumliche, strukturelle und bauliche Entwicklung der berufsbildenden Schulen entwickelt. In 2013 beginnt dann die Umsetzungsphase, zu der die Beteiligung und Beratung mit den zuständigen Gremien gehört. Bestandteil der Projektorganisation sind die Lenkungsgruppe, die Projektleitung, das Projektteam sowie Arbeitsgruppen. Die Beteiligung der Erfordernisse Schulleitungen, Schulen etc. der Unterrichts­ erfolgt zu bestimmten Zeitentwicklung punkten auf unterschiedliche Weise: unter anderem FachberufsPrognose der schulprinzip, FachEntwicklung der durch Interviews bei kräftebedarf und Schüler­zahlen und der der InformationssammClusterpolitik Bildungsgänge Schullung, durch Mitarbeit entwicklungsin Arbeitsgruppen planung und Workshops, durch Erfordernisse der vorhandene förmliche StellungnahSchulentwicklung und Standorte und einer selbstverantmen zum Entwurf der Immobilien worteten Schule Schulentwicklungsplanung, durch Bereitstellung Größe, Funktionalität von Informationen. Wähund Wirtschaftlichkeit rend der Kick-Off-Veranstalder Schulen tung mit allen Schulleitungen im Dezember 2011 wurde sich darauf verständigt, gemischte Arbeitsgruppen mit konkretem Arbeits- und Zeitplan einzuIm Zuge der „HIBB-Tranche“ und setzen, um eine systematische Daten- und Schulentwicklungsplanung der allge- Informationserfassung zu erreichen. Dieses meinbildenden Schulen stehen wichtige findet in sechs Arbeitsgruppen statt: Standortveränderungen unmittelbar bevor. AG 1: „Prognose der Schülerzahlen“ zur Doch ohne eine perspektivische Planung Darstellung bzw. Prognoseentwicklung besteht zunehmend die Gefahr, im Alltag der Schülerströme für berufsbildende Bilhinsichtlich Standortfragen der berufsbil- dungsgänge von 2012 bis 2020 – unter Leidenden Schulen keine nachhaltigen Ent- tung von Reinhard Damm. scheidungen zu treffen, da übergeordnete AG 2: „Fachberufsschulprinzip / ClusterGesichtspunkte nicht hinreichend berück- bildung“ zur Erstellung einer Prognose des sichtigt werden können. Deswegen ist eine Fachkräftebedarfs am Standort Hamburg,

zur Unterstützung der Clusterpolitik des Senats und Berücksichtigung des Fachberufsschulprinzips – unter Leitung von Helmuth Köhler. AG 3: „Weiterentwicklung der „selbstverantworteten Schule“ sowie Unterrichts­ entwicklung“ – unter Leitung von Adalbert Helfberend und Jochem Kästner. AG 4: „Größe, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit der Schulen“ zur Formulierung des Anforderungsprofils an zeitgemäß ausgerichtete berufsbildende Schulen und Ableitung der Erfordernisse in Bezug auf Größe, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit – unter Leitung von Kai-Olof Tiburtius. AG 5: „Standorte und Immobilien“ zur Bestandsaufnahme vorhandener Standorte, Immobilien und Flächen unter Berücksichtigung von Vorhaben der allgemeinbildenden Schulen sowie der „HIBB-Tranche“ – unter Leitung von Jens Burghard. Diese Arbeitsgruppen sollen ihre Ergebnisse bis Ende Juni erstellen. Ebenfalls bis Ende Juni erfolgt durch die AG 6 eine „Bestandsaufnahme an den Schulen“ – unter Leitung von Helmuth Köhler. Die Bestandsaufnahme erfolgt durch Interviews an den Schulen zu den oben genannten Eckpunkten und insbesondere zu den Erfordernissen der schulspezifischen Entwicklung im Sinne einer selbstverantworteten Schule, für die Unterrichtsentwicklung und für die Sicherstellung hoher Funktionalität der Schulen. Mit den Schulleitungen erfolgen hierüber auch die Rückkopplung zu den vorliegenden Daten und die Aufnahme bereits vorliegender Planungen der Schulen. Ende August ist dann die Rückkopplung und Diskussion der Ergebnisse der Arbeitsgruppen und der Bestandserhebungen im Projekt, in der Behörde sowie auf einem Workshop mit den Schulleitungen vorgesehen. In den folgenden Monaten werden Vorschläge zur Priorisierung von Entscheidungsbedarfen entwickelt, welche Konsequenzen aus den vorliegenden Daten zu ziehen seien. Nach deren erneuter Diskussion erfolgt die Erstellung eines Referentenentwurfs zum Schulentwicklungsplan, der in 2013 in den zuständigen Gremien beraten wird. Helmuth Köhler,  Uwe Grieger (HIBB)

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Gute Ergebnisse

Hamburger Ausbildungsmarkt 2011 Die Bilanzen auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt sind auch in diesem Jahr wieder beeindruckend und die betriebliche Berufsausbildung steht hoch im Kurs. napp 17.000 Auszubildende begannen im Jahr 2011 ihre berufliche Ausbildung in Hamburg, davon 14.052 Anfänger in der dualen Berufsausbildung in einer der staatlichen Berufsschulen und den Ausbildungsbetrieben der Kammern. Dies waren die erfreulichen Botschaften bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Agentur für Arbeit, der Handwerkskammer Hamburg, der Handelskammer, des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (HIBB) und der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UVNord) am 07.11.2011. Aktuelle Erhebungen des Bundesinstituts für Berufsbildung bestätigen diesen positiven Trend: Mit 14.916 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in der betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildung verzeichnet Hamburg gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 3,7 Prozent (Bundesdurchschnitt plus 1,8 Prozent). Das ist insbesondere beachtlich, weil Hamburg bereits im Jahr 2010 gegenüber allen Bundesländern mit 6,6 Prozent den höchsten Zuwachs hatte. Differenziert nach betrieblichen (ungefördert) und außerbetrieblichen (gefördert) Ausbildungsverträgen, ist der Zuwachs betrieblicher Ausbildungsverträge um 6,7 Prozent (plus 888) auf Bundesebene sogar am zweithöchsten.

Die Handelskammer meldete 10.084 Ausbildungsverträge und liegt damit etwa 2 Prozent über dem Wert des gleichen Vorjahreszeitraums. Andreas Bartmann, ­Vizepräses der Handelskammer, bestätigte, dass sich dieser positive Trend durch fast alle Branchen zieht. Es sei jedoch spürbar schwieriger geworden, freie Ausbildungsplätze mit qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Im Herbst 2011 blieben rund 300 Plätze offen. Im Hamburger Handwerk wurden 2.541 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Josef Katzer, der Präsident der Handwerkskammer Hamburg dazu: „Obwohl es

32 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

Foto: Angela Homfeld

K

Gruppenbild anlässlich der Jahrespressekonferenz „Ausbildungsmarktbilanz 2011“

2011 kein Sofortprogramm für geförderte Ausbildung gab, sind dies nur 0,7 Prozent weniger Plätze als im Vorjahr. Die Betriebe haben damit den Rückgang an außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnissen wettgemacht.“ Immer mehr Jugendliche mit höheren Schulabschlüssen entscheiden sich für die duale Berufsausbildung im Handwerk. Im Jahr 2011 sei der Anteil der neuen Lehrlinge mit Fachhochschulreife oder Abitur auf den Rekordwert von 13,6 Prozent gestiegen, so Katzer. Insgesamt stieg der Anteil der Abiturienten unter den Anfängern in der dualen Berufsausbildung in Hamburg in den vergangenen fünf Jahren um 7,2 Prozent auf den jetzigen Höchststand von 35,9 Prozent (Herbststatistiken 2006 bis 2011). Schülerzahlentwicklung Derzeit befinden sich 55.903 Schülerinnen und Schüler in den staatlichen Hamburger

berufsbildenden Schulen, davon 37.578 mit einem Ausbildungsvertrag (Herbststatistik 2011). Während die Zahl der Anfänger in der dualen Ausbildung ungefähr gleichbleibt (2010: 14.092, 2011: 14.052), sinkt die Gesamtzahl der Berufsschüler aller Ausbildungsjahrgänge um 696. Dies ist bedingt durch die sehr hohe Anfängerzahl im Jahr 2008, deren Ausbildung im Jahr 2011 zum größten Teil endete und durch den konjunkturellen Einbruch im Jahr 2009. Insgesamt sank die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Hamburger berufsbildenden Schulen um 2.214 gegenüber dem Vorjahr. Ursache hierfür ist neben dem bereits erwähnten leichten Rückgang der Berufsschüler insbesondere der durch die Reformmaßnahmen eingeleitete deutliche Rückgang der Schülerzahlen in Teilzeitformen der Berufsvorbereitungsschulen und in teilqualifizierenden Berufsfachschulen (insgesamt Minus 1.132).

R e g i o n a l es & Ü ber R e g i o n a l es n

Ergebnis der Herbsterhebung 2011 (Quelle: BSB)

Schülerinnen und Schüler IST Herbst 2011

Veränderung zu 2010

37.578

-696

Teilzeit

445

-475

Vollzeit

2.849

-92

vollqualifizierend

3.294

-296

104

+73

Teilqualifizierend (ohne BQ)

3.863

-722

Vollzeit

2.768

+174

968

-64

Fachoberschule

1.279

-127

Berufliche Gymnasien

2.755

-173

55.903

-2.214

Berufsschule Berufsvorbereitungsschule

Berufsfachschule

Fachschule

Berufsqualifizierung im Hamburger Ausbildungsmodell (BQ)

Teilzeit/Abendform

Summe

Schülerzahlen an staatlichen berufsbildenden Schulen 2011

57,6 Prozent der Anfänger einer dualen Ausbildung kommen aus Hamburg. Damit ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die aus dem Umland auf den Hamburger Ausbildungsmarkt drängen, seit dem Vorjahr wieder leicht um 2 Prozent angestiegen. Allein aus Niedersachsen ist, vermutlich bedingt durch den doppelten Abiturjahrgang, ein Zuwachs von fast 2 Prozent zu verzeichnen. Höhere Bildungsabschlüsse Rainer Schulz, Geschäftsführer des HIBB, berichtete, dass im Jahr 2011 erste wichtige Maßnahmen zur Reform der beruflichen Bildung in Hamburg umgesetzt wurden (siehe Seite 19 ff). „Die Attraktivität der dualen Berufsausbildung wird durch die Reform der beruflichen Bildung deutlich erhöht. Seit Schuljahresbeginn 2011/12 können Hamburger Auszubildende mit einem guten mittleren Schulabschluss ausbildungsbegleitend ihre Zugangsberechtigung zur Fachhochschule erlangen. Dual Plus Fachhochschulreife, so heißt die Maßnahme, wird flächendeckend an allen Hamburger Berufsschulen angeboten“, so Schulz. Fast ein Viertel aller (Fach-)Hochschulzugangsberechtigungen werden in Ham-

burg bereits an berufsbildenden Schulen erworben. Insgesamt erreichten im Schuljahr 2010/11 in Hamburg 10.273 Schülerinnen und Schüler ihre Fach- oder Hochschulreife, davon 2.465 im berufsbildenden System. Im Schuljahr 2010/11 machten 666 Schülerinnen und Schüler das Abitur an Hamburger beruflichen Gymnasien, 1.797 erreichten an berufsbildenden Schulen die Fachhochschulreife. Diese erfreulich hohe Quote wird in der Berichterstattung um höhere Bildungsabschlüsse leider kaum berücksichtigt. Ausbildungsplätze Altenpflege Dem erhöhten Bedarf im Bereich der Pflegeberufe, insbesondere der Altenpflege, trägt eine erfreuliche Steigerung der Ausbildungsplätze in der Altenpflege Rechnung. Seit dem Schuljahr 2006/07 sind die Schülerzahlen in der Altenpflege kontinuierlich gestiegen. Im Schuljahr 2011/12 begannen 510 Schülerinnen und Schüler ihre Altenpflegeausbildung. Dies entspricht einem Zuwachs seit dem Vorjahr um 25 Prozent. Neben dem Ausbildungsbeginn von 25 Umschülern trägt insbesondere die Teilnahme von 89 Auszubildenden aus einer durch den Europä-

ischen Sozialfond geförderten Qualifizierungsoffensive zu dieser Entwicklung bei. Insgesamt gibt es derzeit 1.142 Auszubildende in der Altenpflege. Ausbildungsvorbereitung Besonders erfreulich ist auch die Umsetzung der Reformmaßnahmen zur Aus­ bildungsvorbereitung für Schülerinnen und Schüler ohne „Ausbildungsreife“. An ­20 Standorten in allen sieben Bezirken Hamburgs konnten im Schuljahr 2011/12 ­2.065 Jugendliche (Stand November 2011) in die dualisierte Ausbildungsvorbereitung in Vollzeitform aufgenommen werden (siehe S. 19 ff). Rainer Schulz hob die außerordentlich hohe Bereitschaft der Hamburger Betriebe hervor, sich als Partner in der Ausbildungsvorbereitung zu beteiligen. Während die Vollzeitform der Berufsvorbereitungsschule gut angenommen wird, ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Teilzeitform erfreulicherweise gegenüber dem Vorjahr um 475 gesunken. Auch in den teilqualifizierenden Berufsfachschulen ist ein deutlicher Rückgang der Schülerzahlen zu verzeichnen (Minus 649). Bewerbermarkt Hamburg Hamburg wird zunehmend zu einem Bewerbermarkt - eine Situation, auf die sich auch die Ausbildungsbetriebe und Unternehmen einstellen müssen, um einem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, berichtete UVNord-Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich. „Die große und übliche Anzahl von Bewerbungen blieb bereits aus. Fast 60 Prozent der Unternehmen berichten, dass es spürbar schwieriger geworden ist, Ausbildungsplätze zu besetzen. Die gute Nachricht für die Schulabgänger: Die Ausbildungsplatzsuche wird einfacher“, so Fröhlich. Hans Martin Rump, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Hamburg, ergänzt: „Problematisch ist jedoch, dass sich etwa 40 Prozent der Ausbildungsbewerber auf eine der Top 10 der Hamburger Ausbildungsberufe stürzen und dabei die anderen 270 links liegen lassen. Diesen Zustand des Mismatches gilt es zukünftig zu entschärfen.“ Angela Homfeld (HIBB)

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Ausbildungslage im Vorjahr günstiger als erwartet

Behörde für Schule und Berufsbildung legt Ausbildungsreport vor Ende September 2011 ist der federführend vom Amt für Weiterbildung erstellte Ausbildungsreport 2011 der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) zum Berichtsjahr 2010 veröffentlicht worden. Damit kommt die Behörde einem entsprechenden Ersuchen der Bürgerschaft nach.

A

uch in diesem Jahr ist der Report ­im Landesausschuss für Berufsbildung eingehend beraten worden, der wiederum eine einstimmige Stellungnahme abgegeben hat. Darin heißt es u. a.: „Der Landesausschuss für Berufsbildung dankt der BSB und den Autoren für die Vorlage eines wiederum qualitativ überzeugenden Ausbildungsreports 2011. Er enthält nicht nur in bereits gewohnter Expertise eine Bewertung des Ausbildungsmarkts. Auch die kenntnisreiche Darstellung des Diskussionsstands zur Fachkräfteproblematik bietet vielfältige Ansatzpunkte, die der Landesausschuss in seiner weiteren Arbeit aufgreifen wird. Hilfreich ist auch die umfassende Berichterstattung zur beruflichen Weiterbildung in Hamburg, die erstmals einen aktuellen Überblick zur Situation und zu den Förderinstrumenten gewährt.“ Im Berichtsteil informiert der Ausbildungsreport 2011 ausführlich über die wesentlichen Daten des Ausbildungsgeschehens im Berichtsjahr 2010. Ein maßgeblicher Indikator für die Bewertung der Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist die Zahl der neueingetragenen Ausbildungsverträge bei den Kammern: Hier weist die offizielle Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung für Hamburg mit 14.382 neuen Ausbildungsverhältnissen zum Stichtag 30. September 2010 ein deutliches Plus von 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Damit nimmt Hamburg im Bundesvergleich mit großem Abstand eine Spitzenstellung ein: Im Bundesdurchschnitt wurde im betreffenden Zeitraum ein Minus von 0,8 Prozent verzeichnet, was aber laut Bundesregierung gegenüber dem Vorjahr als deutliche Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt einzuschätzen ist, da von 2008 auf 2009 das Minus noch 8,2 Prozent betrug. Zum deutlichen Zuwachs hat neben dem betrieblichen

34 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

Engagement auch die Freie und Hansestadt Hamburg beigetragen, die 500 zusätzliche, öffentlich geförderte Ausbildungsplätze im Rahmen des Sofortprogramms 2009 mit Ausbildungsbeginn im Februar 2010 bereitgestellt hat. Im Jahr 2010 hat der Anteil der Ausbildungsanfängerinnen und -anfänger, die ihren Schulabschluss nicht in Hamburg erworben haben, von 43,2 auf 40,4 Prozent abgenommen, wodurch mehr Landeskinder in den Genuss einer dualen Ausbildung in ihrer Heimatstadt kommen konnten. Die demografische Entwicklung gerade in den neuen Bundesländern lässt vermuten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, da einmalige Ereignisse wie der doppelte Abiturjahrgang (2011 in den bevölkerungsstarken Bundesländern Niedersachsen und Bayern) nach den Erfahrungen mit dem doppelten Abiturjahrgang 2010 in Hamburg keinen nennenswerten Einfluss auf den Ausbildungsmarkt entfalten dürften. Die Zuwächse im Bereich der dualen Ausbildung korrespondieren mit einem Rückgang der Anfängerzahlen in der Berufsvorbereitungsschule (Teilzeit) (von 966 in 2009 auf 870 in 2010, entspricht minus 9,9 Prozent) und der Berufsfachschule teilqualifizierend (von 2.862 in 2009 auf 2.494 in 2010, entspricht minus 12,9 Prozent). Aber es wurde ebenfalls ein leichter Anstieg an Neueintritten in die Berufsvorbereitungsschule (Vollzeit) (von 2.524 in 2009 auf 2.552. in 2010, entspricht plus 1,1 Prozent) verzeichnet. Dies verdeutlicht, dass die Behörde für Schule und Berufsbildung auf dem richtigen Kurs liegt in ihrem Bestreben, die Reformen am Übergang Schule – Beruf weiter konsequent voranzutreiben, so dass jedem Jugendlichen und jeder Jugendlichen ein gelungener Start ins Berufsleben ermöglicht werden kann.

In den vollqualifizierenden Berufsfachschulen wurde zwar ein leichter Rückgang an Neueintritten in 2010 ermittelt (von 2.115 in 2009 auf 1.794 in 2010), dafür konnte in der Erzieherausbildung eine Steigerung um rund 70 Anfängerinnen und Anfängern (von 618 in 2009 auf 684 in 2010) erzielt werden. Diese Entwicklung sowie die Zuwächse in den Berufen der Altenund Gesundheitspflege sind insbesondere vor dem Hintergrund des bereits erkennbaren erhöhten Fachkräftebedarfs sehr erfreulich. In der Altenpflegeausbildung wurde mit 62 zusätzlichen Ausbildungsanfängerinnen und -anfängern gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 17,8 Prozent erreicht und im Bereich der Gesundheitsund Pflegeassistenz konnten ebenfalls 41 Schülerinnen und Schüler mehr als zum Vorjahresstichtag (jeweils der 31.12. eines Jahres) gezählt werden, was einem Plus von 18,6 Prozent entspricht. Das Vergangene ist zwar nicht ohne Be­ lang, viel interessanter ist jedoch, wie das laufende Ausbildungsjahr 2011/12 einzuschätzen ist. Die Eintragungs­stände bei den großen Kammern (Handelskammer und Handwerkskammer) deuten darauf hin, dass sich das neue Ausbildungsjahr im ­betrieblichen Bereich im Wesentlichen ähnlich günstig entwickelt wie im Vorjahr. Für die Berufsbildungspolitik ist dies zwar eine gute Nachricht, dennoch gibt es noch viel zu tun. Zwei Problemkreise stehen im Fokus unserer Aufmerksamkeit: Das Thema (mangelnde) Ausbildungsreife, fachpolitischer Gegenstand des letztjährigen Ausbildungsreports, und die Frage der Deckung des künftigen Fachkräftebedarfs. Der Ausbildungsreport 2011 hat die bildungspolitische Diskussion zum Fachkräftemangel Ausbildungsreife aufgegriffen, indem er sich eingehend mit den in der Öf-

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dienen alle dem Zweck, den direkten Weg von der Schule in die Ausbildung wieder zu verstärken. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund und den sogenannten Altbewerbern. Vor dem Hintergrund, dass nach Aussagen der Kammern auch in Hamburg eine Reihe von Lehrstellen auf Grund der mangelnden Eignung der Bewerber nicht besetzt werden könnten, unternehmen BSB und HIBB gemeinsame Anstrengungen, um den bislang abgewiesenen Jugendlichen die erforderliche Ausbildungsreife zu vermitteln. Ein entscheidendes berufsbildungspolitisches Ziel liegt darin, dass jeder Jugendliche in Hamburg seine Chance auf eine berufliche Ausbildung erhalten soll und niemand auf dem Weg dorthin verloren gehen darf. Deshalb hat der Senat in Umsetzung seines Arbeitsprogramms vom 10. Mai 2011 beschlossen, dass die BSB gemeinsam mit der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, den Bezirken, der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter team.arbeit.hamburg und dem Hamburger Institut für Berufsbildung (HIBB) das Konzept einer Jugendberufsagentur zeitnah ausarbeitet. Es wird auch künftig – wenngleich in geringerer Zahl – Jugendliche geben, die

nur mit besonders intensiver Förderung eine Berufsausbildung erfolgreich absolvieren können. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und team.arbeit.hamburg stehen daher die Hamburger Behörden in der Verantwortung, dem genannten Personenkreis auch künftig ein öffentlich finanziertes Ausbildungsangebot zur Verfügung zu stellen, das dem besonderen Betreuungsbedarf der Jugendlichen, zum Beispiel in sozialpädagogischer Hinsicht, Rechnung trägt. Der Ausbildungsreport 2011 beleuchtet neben den bereits genannten Sachverhalten unter anderem folgende berufsbildungspolitische Themen: Reform des Übergangssystems an der Schwelle Schule – Beruf (ab S. 35), Sachstand zur Einführen eines Deutschen Qualifikationsrahmens (ab S. 75), Berufliche Weiterbildung (ab S. 77). Clive Hewlett, Amt für Weiterbildung der Behörde für Schule und Berufsbildung

Weitere Infos Download: Ausbildungsreport als pdf-Datei unter www.hamburg.de/bsb-publikationen

Foto: Michael Kottmeier

fentlichkeit diskutierten Lösungsvorschlägen auseinandersetzt, u. a. mit der bislang ungelösten Frage der angemessenen Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Auch wird im Report dargelegt, welche nicht ausgeschöpfte Ressource zur Deckung des Fachkräftebedarfs nach wie vor bei den Absolventinnen und Absolventen der allgemeinbildenden Schulen liegt: Nach wie vor landen von diesen zu viele im Übergangssystem, obwohl sie für eine betriebliche Ausbildung ohne weiteres geeignet wären. Auch an dieser Stelle setzt der Reformprozess am Übergang Schule – Beruf an, dem die bildungspolitische Herausforderung zugrunde liegt, die Übergänge von den allgemein bildenden Schulen in die berufliche Bildung zu verbessern – vor allem gilt es, den Anteil der Jugendlichen, die die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss verlassen, deutlich zu senken. Hierzu gibt es eine Reihe wirksamer Ansätze und Modelle, die erfolgversprechend erprobt werden. Sie alle sind in der richtungsweisenden Drucksache „Maßnahmen zur Umsetzung der Reform der beruflichen Bildung in Hamburg“ beschrieben, die die Bürgerschaft im Februar 2011 in seltener Einmütigkeit verabschiedet hat. Diese Maßnahmen am Übergang Schule – Beruf

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Deutscher Qualitätsrahmen

Einigung um Zuordnung

A

uf Einladung von KMK-Präsident Ties Rabe verständigten sich am 31.01.2012 die Kultusminister- und Wirtschaftsministerkonferenz der Länder, Bundesregierung, Sozialpartner und Wirtschaftsverbände auf einen gemeinsamen Weg zur Umsetzung des „Deutschen Qualitätsrahmens für lebenslanges Lernen“ (DQR) im Europäischen Qualitätsrahmen (EQR). Damit soll der hohen Qualität und Gleich­wertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung im deutschen Bildungssystem im europäischen Kontext angemessen Rechnung getragen werden. Rabe: „Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, die Einführung des Deutschen Qualitätsrahmens nicht ins Stocken geraten zu lassen, weil er für den Bereich der beruflichen Bildung von besonderer Bedeutung ist.“ Auch Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), bewertete die Vereinbarung als „wichtigen Meilenstein“: „Dies ist ein entscheidender Reformschritt auf dem Weg in ein integ-

riertes Bildungssystem. Künftig wird der Meister und Techniker mit dem Bachelor auf einer Niveaustufe des DQR stehen.“ Für das BIBB und die berufliche Bildung, so Esser, komme es jetzt darauf an, die Inhalte der künftigen Aus- und Fortbildungsregelungen konsequent in der „Logik des DQR“ auf eine Kompetenzorientierung auszurichten und den entsprechenden Niveaustufen zuzuordnen. Die gemeinsame Position der Bundesregierung, Kultusminister- und Wirtschaftsministerkonferenz der Länder, Bun­desregierung, Sozialpartner und Wirtschaftsverbände und des BIBB lautet im Einzelnen: Die berufliche Erstausbildung wird zunächst auf Niveau 3 (zweijährige Ausbildungen) und auf Niveau 4 (drei- und dreieinhalbjährige Ausbildungen) zugeordnet. Bereits im Konsens wurde die Bewertung zu Niveau 6 getroffen (u.a. Bachelor, Fachschule, Meister).

Bildungs- und Teilhabepaket kommt gut an

Senator Scheele und Senator Rabe ziehen eine positive Jahresbilanz

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um einjährigen Bestehen des Bildungsund Teilhabepakets (BuT) haben Sozialsenator Detlef Scheele und Schulsenator Ties Rabe am 29. März 2012 eine positive Bilanz gezogen. Immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, deren Eltern Transferleistungen beziehen, nehmen das vielfältige Angebot des Bildungs- und Teilhabepakets wahr – Tendenz weiter steigend. Das Verfahren für bedürftige Familien in Hamburg ist unbürokratisch und kommt ohne Gutscheine und fast ohne Amtsgänge aus. Auch Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen, die Transferleistungen wie zum Beispiel Hartz IV erhalten, haben Anspruch auf Unterstützung bei der Schülerbeförderung, dem Mittagessen, Ausflügen und Klassenreisen sowie

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der Lernförderung. Hamburg geht dabei noch über das bundesweite Angebot hinaus und erweitert den Kreis der Geförderten um sogenannte Hamburger Leistungsberechtigte. Leistungen bei berufsbildenden Schülerinnen und Schüler sind im Schwerpunkt Schülerfahrgeld bzw. eine kostenlose HVV-Karte. Ein Mittagessen wird zurzeit nur an fünf Schulen angeboten. Die Anzahl der geförderten Klassenreisen bzw. Tagesausflüge hat sich seit der Einführung des BuT nicht erhöht. Lernförderung erhalten an den HIBB-Schulen bisher nur die­jenigen, die nach dem Bundesgesetz förderberechtigt sind, mit Ausnahme jener, die einen Rechtsstatus nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz besitzen.

Von einer Zuordnung allgemeinbildender Schulabschlüsse zum DQR wird vorerst abgesehen. In der Vereinbarung steht hierzu: „Da die gegenseitige Anerkennung von Schulabschlüssen im europäischen und internationalen Rahmen durch völkerrechtliche Staatsverträge geregelt ist, entstehen damit für Schülerinnen und Schüler keinerlei Benachteiligungen.“ Mit dem Ziel einer zeitnahen Referenzierung an den EQR sollen noch ausstehende Zuordnungen im Arbeitskreis DQR zeitnah erfolgen. Nach einem Zeitraum von 5 Jahren werden unter Maßgabe der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung alle Zuordnungen neu beraten. Grundlage hierfür sind kompetenzorientierte Ausbildungsordnungen der beruflichen Erstausbildung und kompetenzorientierte Bildungsstandards der allgemeinbildenden Schulen. Weiterhin sollen hierfür weitere Entwicklungen auf europäischer Ebene berücksichtigt und ggf. Höherstufungen geprüft werden. Angela Homfeld (HIBB)

Die Schulen sind abhängig von den angebotenen Bildungsgängen unterschiedlich betroffen, das Engagement insbesondere der Schulbüros aber sehr groß. In verschiedenen Informationsveranstaltungen und durch Handreichungen sind die Kolleginnen und Kollegen auf die neue Aufgabe vorbereitet worden. Lehrerinnen und Lehrer, die auf Fördermöglichkeiten angesprochen werden, sollten mit ihrer Schulleitung und dem Schulbüro Kontakt aufnehmen, damit die Berechtigung geklärt werden kann. Thomas Schlüter (HIBB)

Weitere Infos Sharepoint der BSB unter dem Stichwort „Hamburger Bildungspaket“ oder von Thomas Schlüter in der HIBB-Zentrale, E-Mail: [email protected]

R e g i o n a l es & Ü ber R e g i o n a l es n

Regionale Bildungskonferenzen

„Schulen sind keine Inseln“ Vor einem Jahr starteten in den Hamburger Bezirken die Regionalen Bildungskonferenzen (RBK). Sie sollen alle Bildungs- und Betreuungsangebote vernetzen, damit Kinder und Jugendliche sie in Verbindung mit der Schule nutzen können. Dr. Hans-Peter de Lorent, in der Behörde für Schule und Berufsbildung verantwortlich für die RBK, zieht eine Zwischenbilanz. ten, wenn man Kooperationen zwischen Schulen und informellen Angeboten so versteht. Nach der ersten großen bezirklichen Konferenz wird jetzt auf der Ebene der Stadtteile weitergearbeitet, übrigens zum großen Teil selbst organisiert. Das ganze Modell zielt also darauf, bestehende lokale Netzwerke zu befördern und ihnen hamburgweit einen Austausch zu ermöglichen. Damit soll ein Gesamtnetzwerk entstehen.

Foto: Angela Homfeld

bbh: Welche Rolle nehmen die Schulen in den Regionalen Bildungskonferenzen ein?

Peter de Lorent im Gespräch mit Annegret Witt-­Barthel (bbh). bbh: Herr de Lorent, welche Ziele haben Sie sich mit den Regionalen Bildungskonferenzen gesteckt und wie zufrieden sind Sie nach einem Jahr? Hans-Peter de Lorent: Die Ziele bestimmt das Hamburgische Schulgesetz*). Mit den Regionalen Bildungskonferenzen wollen wir erreichen, dass alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, an einen Tisch kommen. Wir haben in sieben bezirklichen Konferenzen jeweils die Bildungsakteure auch jenseits der Schule zusammengebracht. Hintergrund ist die Entwicklung der Schulen von Halbtags- zu Ganztagsveranstaltungen. Dafür müssen wir die Angebote erweitern, denn Bildung ist nicht nur Schule. Aber wir sind erst bei einer Bestandsaufnahme. In den Regionalen Konferenzen befassen wir uns mit Daten, Problemen und auch Defiziten in den Bezirken. Schon bei der Vorbereitung auf diese Konferenzen hat sich in der Behörde und in den Bezirken ein gegenseitiges Ver-

ständnis für Interessen, Ziele und Arbeitsweisen entwickelt. Es wird darum gehen, gemeinsam zu denken und gemeinsame Projekte zu verwirklichen. Für den Anfang bin ich also zufrieden. Langfristig wollen wir ein komplettes, regionales Netz aller Akteure schaffen – nach meinem Verständnis eine dauerhafte Bildungslandschaft. bbh: Das klingt nach langem Atem – wie wollen Sie ein Netzwerk aus Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Bildungsträgern entwickeln? de Lorent: Ja, die Regionalen Bildungskonferenzen sind kein kurzfristiges Projekt. Wir beginnen mit regionalen Bildungskonferenzen auf der bezirklichen Ebene und gehen kleinteiliger auf die lokale Ebene. In zwei Jahren wollen wir 30 bis 40 Bildungskonferenzen haben, die stadtteilorganisiert und -orientiert sind. In Eimsbüttel gibt es schon ganz viele kleine Bildungslandschaf-

de Lorent: Bei den Bildungskonferenzen sind die Schulen zwar wichtig, aber die Mehrheit bilden außerschulische Vertreter. Wir haben in Harburg beispielsweise gerade eine Übersicht erstellt, wer an den ersten beiden lokalen Bildungskonferenzen teilgenommen hat. Die Mehrzahl waren Träger, die außerschulisch mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Darin unterscheiden sich die Regionalen Bildungskonferenzen von den Regionalen Schulentwicklungskonferenzen zwischen 2008 und 2009. Die waren damals klar auf die Schulen bezogen. Es ging darum, Schulstandorte und deren Profile neu zu bestimmen. Die heutigen Bildungskonferenzen basieren zwar auf dem Schulgesetz, sie zielen aber auf Kooperationen von Schule mit anderen Bildungsträgern auf Augenhöhe. Für diese Partner erarbeiten die Regionalen Bildungskonferenzen Handlungskonzepte. bbh: Wofür benötigen die Partner vor Ort Handlungskonzepte? de Lorent: Das möchte ich an den fünf wichtigsten Themen verdeutlichen, die sich derzeit in den Bildungskonferenzen abzeichnen:

Nr. 1 · 2012 Berufliche Bildung Hamburg 37

n R e g i o n a l es & Ü ber R e g i o n a l es

Am häufigsten genannt werden die Übergänge von Kindern in die Schule und von jungen Menschen aus der Schule heraus. Diese Übergänge könnten besser organisiert werden. Beim Übergang von der Kita zur Schule gibt es Überlegungen, an den Grundschulen eine über den Schultag hinausgehende Betreuung zu entwickeln. Das wäre ein Systemwechsel und nur in Zusammenarbeit mit den Kita-Trägern realisierbar. Für den Übergang Schule – Beruf brauchen wir eine engere Verzahnung zwischen den Stadtteilschulen, Gymnasien und den beruflichen Schulen. So benötigen wir für die Berufsorientierung an den Stadtteilschulen Berufsschullehrer. Ähnliches gilt für den Übergang Schule – Studium: Die Jugendlichen sollten während der Schulzeit auf ihre Zukunft vorbereitet werden. Dies sollte nicht nur aus Sicht der Schule geschehen, sondern zum Beispiel

gemeinsam mit Akteuren aus Hochschulen, in die die jungen Leute einmal wechseln wollen. Weitere Themen sind die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund sowie die Inklusion behinderter Kinder und Jugendlicher. Migrantenorganisationen interessieren sich sehr für die Bildungskonferenzen. Auch Inklusion ist ein großes Entwicklungsthema für Hamburg, bei dem alle mit Behinderungen befassten Institutionen angesprochen sind. bbh: Die Schulen bleiben aber die Knotenpunkte im Bildungsnetzwerk.

Anmerkungen: *) § 86 des Hamburgischen Schulgesetzes vom 16. April 1997, zuletzt geändert am 9. März 2012, bestimmt die Einrichtung und Ziele Regionaler Bildungskonferenzen.

de Lorent: Das schon. Aber der Grundgedanke ist, dass Schule alleine ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen kann. Es wird mittelfristig zum Selbstverständnis und zum Handlungskonzept von Schulen gehören, mit anderen Bildungsträgern zu kooperieren. Eine Stadtteilschule in Eimsbüttel beispielsweise pflegt im Bereich der Berufsorientierung mittlerweile Kontakte mit über 30 Betrieben. Schulen sind keine Inseln. Interview: Annegret Witt-Barthel (HIBB)

Weitere Infos Dr. Hans- Peter de Lorent Amt für Weiterbildung der BSB, Abteilungsleiter Steuerung und Koordination regionaler Bildungsentwicklung“ [email protected]

Wie arbeiten die Regionalen Bildungskonferenzen?

Strukturmodell Regionale Bildungskonferenzen Lenkungsgruppe RBK Lernen vor Ort

• trifft Entscheidungen bzw. bereitet diese für Fachbehörden vor,

Koordinierungsgruppe

Hamburg

• gibt Rückmeldung an die bezirklichen Steuerungsgruppen,

Eine Steuerungsgruppe je BezirkGeschäftsstelle • bündeln, koordinieren, beraten Empfehlungen,

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Eine koordinierende Regionale Bildungskonferenz je Bezirk

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• geben Rückmeldungen an die nachgeordneten regionalen Einrichtungen bzw. Netzwerke, Bezirk

• setzen Schwerpunkte und erarbeiten Handlungspläne, • entwickeln Empfehlungen für Entscheidungen der entsprechenden übergeordneten Instanzen, • erstatten Berichte an die zuständigen Gremien. Stadtteil Quartier

z Regionale B i ldu ng sk

Struktur der Regionalen Bildungskonferenzen entsprechend dem „Konzept für die Einrichtung von Regionalen Bildungskonferenzen“

38 Berufliche Bildung Hamburg Nr. 1 · 2012

P ers o n a l ien n

Pensionierungen

Dank für das Geleistete Das vergangene Jahr war auch eine Zeit, in der viele die berufsbildenden Schulen in Hamburg prägende Persönlichkeiten pensioniert wurden. Ihnen allen danken wir herzlich für das Geleistete und wünschen für den neuen Lebensabschnitt viele Freuden und Glück. Namentlich genannt seien folgende HIBB-Schulleiter: Hans Hackmack Herr Hackmack wurde 1985 mit 36 Jahren Schulleiter der „Berufliche Schule Handel und Verwaltung“ (H 01) und wechselte 15 Jahre später in die Schulaufsicht, um dann im Jahre 2004 die Schulleitung der „Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Wendenstraße“ zu übernehmen. Dieser berufliche Werdegang ist einmalig und war in allen drei Stationen außerordentlich erfolgreich.

Karl-Heinz Lorenz Herr Lorenz, zunächst Lehrer und Abteilungsleiter an der „Staatliche Gewerbeschule Stahl und Metallbau“ (G 14), später an der „Staatliche Gewerbeschule Stahl und Maschinenbau“ (G 01) wurde 2004 zum Schulleiter der „Staatliche Gewerbeschule Metalltechnik mit Technischem Gymnasium“ (G 17) ernannt. Er widmete sich mit großem Engagement der Weiterentwicklung der Schule, insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien.

Hans-Georg Dittrich Herr Dittrich wurde 1993 zum Schulleiter der „Berufliche Schule Holz, Farbe, Textil“ (G 06) ernannt. Unter seiner Leitung erfolgte der Zusammenschluss der G 06 mit der „Staatliche Gewerbeschule Textil und Bekleidung, Anna Siemsen-Schule“ (G 04). Sein besonderes Engagement galt der permanenten, schulspezifischen Weiterentwicklung von Unterricht in Verbindung mit einer den Unterricht und die Arbeit von Lehrkräften unterstützenden Schulraumgestaltung.

Rudolf Weißhuhn Herr Weißhuhn, zunächst stellvertretender Schulleiter der „Gewerbeschule Werft und Hafen“ (G 07), wurde 2002 zum Leiter der Schule ernannt. Er unterstützte mit besonderem Engagement die Ausbildungsaktivitäten der Schule im Hamburger Hafen und förderte die sehr erfolgreichen Projekte der Schule in Mittelamerika und Ostafrika.

Wolfgang Egelkraut Herr Egelkraut wurde 1997 stellvertretender Schulleiter der „Staatliche Gewerbeschule Installationstechnik“ (G 02) und 2006 Leiter der Schule. Er widmete sich insbesondere der Schaffung von Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Realisierung von Lernfeldunterricht in Verbindung mit dem Bau entsprechender Räumlichkeiten.

Jürgen Przybylla Herr Przybylla wurde 1993 Abteilungskoordinator, 2004 stellvertretender Schulleiter und 2006 Schulleiter an der „Beruflichen Schule Burgstraße“. Ein hervorragender Schulinspektionsbericht bestätigte sein sehr erfolgreiches Wirken als Leiter und Organisator der Schule.

Vorläufige Einsetzungen

Neue Funktionen An den berufsbildenden Schulen haben einige Kolleginnen und Kollegen neue Funktionen übernommen („Vorläufige Einsetzungen“):

Helmuth Köhler (HIBB)

• A  strid Arndt, W 8 Schulleitung, 01.08.11

• B  eate Schilling-Fürst, G 17 Abteilungsleitung, 01.02.12

• M  ichael Gottschalk, G 15 Abteilungsleitung, 06.09.11

• A  strid Höhne-Oswald, H 9 Schulleitung, 01.02.12

• M  atthias Pieper, G 10 Abteilungsleitung, 02.11.11

• J oachim Bahr, H 17 Abteilungsleitung, 01.02.12

• B  irgit Kruse, G 12 Abteilungsleitung, 02.11.11

• B  rigitte Hirsch, W 1 stellv. Schulleitung, 01.02.12

• J örn Buck, G 2 Schulleitung, 01.05.11

• V  olker Striecker, G 6 Schulleitung, 01.08.11

• A  ndreas Gaekel, H 16 Abteilungsleitung, 02.11.11

• H  eike Sens, W 1 Abteilungsleitung, 01.02.12

• O  le Anke, H 15 Abteilungsleitung, 01.05.11

• W  olf-Rüdiger Giersch, G 17 Schulleitung, 01.08.11

• K  erstin Giese, G 1 Abteilungsleitung, 01.02.12

• U  lrike Kettgen, G 7 Schulleitung, 02.02.12

• K  arlheinz Kruse, FSP 2 stellv. Schulleitung, 01.08.11

• M  arko Golder, H 7 Abteilungsleitung, 01.08.11

• K  ai-Uwe Preußer, G 2 Abteilungsleitung, 01.02.12

• K  atrin Steinberg, W 1 Abteilungsleitung, 02.02.12

• W  iebke Schuleit, FSP 2 Abteilungsleitung, 01.08.11

• N  icole Gruschka, H 14 Abteilungsleitung, 01.08.11

• A  rne Burmeister, G 3 stellv. Schulleitung, 01.02.12

• E  llen Radtke-Braren, W 2 Abteilungsleitung, 06.02.12

• M  artin Kruse-Voth, G 2 Abteilungsleitung, 01.08.11

• T  homas Grundt, W 2 stellv. Schulleitung, 01.08.11

• J ürgen Ricklefs, G 6 Abteilungsleitung, 01.02.12

Nr. 1 · 2012 Berufliche Bildung Hamburg 39

Zitat

»Wahrlich es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen, nicht das Besitzen, sondern das Erwerben, nicht das Da-Seyn, sondern das Hinkommen, was den gröSSten Genuss gewährt.« Carl Friedrich Gauß, deutscher Mathematiker und Astronom

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